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In ihrem neuen Roman »Der Cembalospieler« zieht die großartige Erzählerin Petra Morsbach alle Register: Es ist die beeindruckend schwerelose Geschichte des blinden Moritz Bauer, die Geschichte eines Wunderkinds, leidenschaftlich, erhaben und lächerlich zugleich.
Erhaben wird es sein, rauschhaft und beneidenswert, das Leben eines Wunderkinds. Und wir begegnen Moritz Bauer auf der Höhe seiner Kunst: »Ich soll ein Konzert in Venedig spielen, in einem Palazzo. Gala mit hundert illustren Gästen, Gourmetmenü, Weinverkostung, so was macht man gern.« Mit fünf Jahren sieht Moritz zum ersten Mal ein…mehr

Produktbeschreibung
In ihrem neuen Roman »Der Cembalospieler« zieht die großartige Erzählerin Petra Morsbach alle Register: Es ist die beeindruckend schwerelose Geschichte des blinden Moritz Bauer, die Geschichte eines Wunderkinds, leidenschaftlich, erhaben und lächerlich zugleich.
Erhaben wird es sein, rauschhaft und beneidenswert, das Leben eines Wunderkinds. Und wir begegnen Moritz Bauer auf der Höhe seiner Kunst: »Ich soll ein Konzert in Venedig spielen, in einem Palazzo. Gala mit hundert illustren Gästen, Gourmetmenü, Weinverkostung, so was macht man gern.« Mit fünf Jahren sieht Moritz zum ersten Mal ein Klavier, nach einer Woche schon spielt er, als hätte er niemals etwas anderes getan. Und bald entdeckt Moritz das Cembalo, für ihn funkelt es, strahlt, ist reine Poesie. Doch ein Cembalo ist unerreichbar für ein Kind aus schwierigen Verhältnissen. Als er endlich eines bekommt, steht etwas anderes längst fest Moritz wird erblinden. Ein großer, kluger, abgründiger Roman über die Tragik und die Lächerlichkeit eines Virtuosenlebens.
Autorenporträt
Petra Morsbach, 1956 geboren, studierte im München und St. Petersburg. Nach ihrer Promotion über Isaak Babel hat sie zehn Jahre lang hauptsächlich als Dramaturgin und Regisseurin gearbeitet und lebt heute als freie Schriftstellerin in der Nähe von München. Für ihr belletristisches Werk wurde Petra Morsbach 2001 mit dem renommierten Marieluise-Fleißer-Preis ausgezeichnet und 2007 mit dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. 2013 erhielt sie den Jean-Paul-Preis des Freistaats Bayern.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.09.2008

Die kleine Gerechtigkeit
Petra Morsbachs Roman „Der Cembalospieler”
„La musique est l’âme de la géométrie”, sagt Claudel in seinem Journal: die Musik sei die Seele der Geometrie. Man könnte die letzten beiden Glieder des Satzes in ihrem Verhältnis auch umkehren, und behaupten, die Musik sei die Geometrie der Seele. Denn sie ist ja eine messende Kunst: drei Viertel, vier Viertel, fünf Viertel, sechs Achtel, diese Taktarten ergeben jeweils andere Typen der Bewegung und andere seelische Charaktere.
Unter den musikalischen Geometern der Seele kommt keiner Johann Sebastian Bach gleich. So wissen es Petra Morsbach und der Held ihres neuen Romans, der an Makula-Degeneration leidende Cembalist Moritz Bauer. Morsbachs Buch vom Cembalospieler mündet in die seelenvolle Mathematik der „Aria mit dreißig Veränderungen”: der Goldberg-Variationen. Jedes der fünf Kapitel des Romans ist nach einem Werk Bachs benannt. Wer daraus folgerte, Morsbach zelebriere fünffach das reine Wunder großer Kunst, läge indes falsch.
Die gerade Schrift des Lebens
Das reine Wunder großer Kunst interessiert die Autorin allerdings, sogar sehr; doch sie möchte vor allem genau wissen, was mit ihm geschieht, wenn es in den Kunstbetrieb gerät. In seinem unreinen und oft genug auch unreinlichen Funktionieren, als Kulturbetrieb im allgemeinen, als Musikbetrieb im besonderen, erkennt Morsbach den gesellschaftlichen Widerpart der musikalischen Geometrie der Seele: dem vertrackten Verhältnis beider hat sie ein durchweg spannendes, luzides Buch abgewonnen. Für das Schwierigste findet sie klaren, direkten Ausdruck. Und weil sie ihn findet, ist „Der Cembalospieler” alles eher denn eine in Romanform gezwängte soziologische Abhandlung. In erster und letzter Linie ist das Buch die zwingende, traurige, tröstliche, oft genug auch witzige Erzählung einer Schriftstellerin, deren Phantasie und deren Wissen einander gewachsen sind.
Erzählt wird Moritz’ Schicksal auf zwei ingeniös ineinander verschachtelten Zeitebenen: kursiv die Gegenwart zweier eigenartiger Konzerte in Venedig, in gerader Schrift seine Lebensgeschichte. Moritz entstammt zerstörten, ihrer Möglichkeit nach zerstörerischen Familienverhältnissen. Liebe kennen diese nur in ihrer manipulativen Variante. In solchen Verhältnissen gerät Moritz zum musikalischen Wunderkind. Das Cembalo wird ihm zum Muster des Klaren unter Umständen, in denen alles getrübt, unklar, verlogen ist. „Ohne Defekte keine Sehnsucht nach Kunst, also auch keine Kunst”, heißt es einmal im Roman. Aber darin liegt keine Rechtfertigung des Kaputten. Kunst als Kompensation hieße ja: sich mit dem zu Kompensierenden abfinden. Moritz’ Geschichte aber ist die von einem, der sich nicht abfindet.
Der Weg vom Wunderkind zum Künstler ist kein geradliniger, erst recht nicht in der Alte-Musik-Szene, in welcher der allmählich erblindende Cembalist seinen Platz ebensosehr findet wie verfehlt. Schmerzhaft scharf wird Morsbachs Beobachten, sobald ihr Blick auf Macht und Abhängigkeit, auf Geld und Not, Wahrheit und Lüge in der Kunst fällt. Sie verlangt vom Leser, die exakte Beschreibung des Empörenden, den Akt der Empörung und schließlich auch noch die Abfuhr, die der Empörung zuteil wird, zu ertragen: „Du willst die kleine Gerechtigkeit, die jeder will – Belohnung für sich –, aber das ist keine”, bemerkt einer von Petra Morsbachs Charakteren an einer Schlüsselstelle des Romans. „Schon die mittlere Gerechtigkeit würdest du nicht wollen, denn dazu gehört der Konzertmeister von Minsk, der in Wuppertal auf der Straße fiedelt. Und die ganz große Gerechtigkeit – nun, die müssen wir alle fürchten. Die würde uns vom Platz fegen.”
Diese Sätze mögen nicht die Wahrheit sein. Doch in ihnen steckt etwas Wahres. Es gibt auch eine moralische Geometrie, die der artistischen inkommensurabel ist. Ihr Wahres mag Petra Morsbach befähigt haben, so über den Kulturschmock aller Art zu schreiben, über die Benutzung des Künstlers durch Kritiker, Manager und akademische Wichtigtuer: so präzise nämlich, so eindringlich, so schonungslos – und zugleich so ohne jede Spur von Ressentiment.ANDREAS DORSCHEL
PETRA MORSBACH: Der Cembalospieler. Roman. Piper Verlag, München 2008. 285 Seiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2008

Die Goldberg-Klaviatur
Petra Morsbach spielt vor / Von Hannes Hintermeier

Dass der Roman auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis fehlte, war vorhersehbar - alles andere wäre schon eine Überraschung gewesen. Denn Petra Morsbach passt nicht ins Raster einer Literaturkritik, die sich auf Netzwerkarbeit verlegt hat. In Sachen Lobby ist die 1956 in Zürich geborene, heute in Starnberg lebende Autorin einfach zu schwach aufgestellt. Obendrein gestattet sie sich mit jedem Buch den Luxus, in eine andere Lebenswelt einzutauchen und sich diese anzuverwandeln. Das war so bei jedem ihrer vier Romane, die sie seit 1995 veröffentlicht hat. Und das ist auch bei ihrem neuen Roman "Der Cembalospieler" nicht anders. Warum die Autorin von einem katholischen Pfarrer im Bayerischen Wald, der die Hauptrolle im zuletzt erschienenen "Gottesdiener" spielt, nun zu einem homosexuellen Cembalospieler in München kommt? Weil sie das Erkenntnissystem Sprache stets aufs Neue testen will.

Die fünfziger Jahre in der Bundesrepublik. Ein Ort in der Geschichte, der Talenten viel Energie abverlangt, wenn sie sich entfalten wollen. Nicht anders im Falle Moritz Bauers, der einer kleinbürgerlichen Mief-und-Muff-Familie entstammt. Der Vater ein Trinker, der schließlich die Familie verlässt, die Mutter eine wandelnde Leichenbittermiene, die hauptsächlich mit der Herstellung ihres Kernprodukts beschäftigt ist - dem Dauervorwurf. Im Alter von fünf Jahren sieht Moritz zum ersten Mal ein Klavier und verfällt dem Kasten mit Haut und Haaren. Aber an die Anschaffung eines Instruments ist zunächst nicht zu denken. Ein heimlicher Schallplattenkauf bringt die Wende im Leben, das "Konzert für vier Cembali und Streicher in a-Moll von Johann Sebastian Bach nach Antonio Vivaldi". Daheim angelangt, legt Moritz die Platte auf: "Es war der herrlichste Klang, den ich je gehört hatte. Ich kniete auf dem Teppich und weinte. Pures Gold! Auch heute noch denke ich bei Cembalo immer an Gold. Klavier ist schwarzgrau - wuchtig, mechanisch, schweißtreibend. Orgel silber - säuerlich, metallisch. Das Cembalo aber funkelt und strahlt." Ein Künstlerroman also und einer, der sich ausgerechnet auf das Cembalo kapriziert, von dem Furtwängler - so träumt es der Protagonist - gesagt haben soll, es klinge, als schabe man mit einer Gabel an einem Vogelkäfig entlang.

Im Alter von zehn Jahren wird bei Moritz eine unheilbare Augenkrankheit diagnostiziert: juvenile Makula-Degeneration. Aber dem erblindenden Knaben öffnet sich gerade noch rechtzeitig die Laufbahn zum Wunderkind. Nach drei Jahren Cello-Unterricht offenbart sich innerhalb einer Woche sein sensationelles Talent am Klavier. Von da an geht es zunächst nur bergauf mit dem Helden, der alles andere als ein Sympathikus ist. Als er obendrein seine Homosexualität entdeckt, wirbeln die Gedanken in dem überreizten Künstlerhirn noch stärker durcheinander - ein soziales Wesen kann ein solcher Kerl nicht werden, auch wenn er schon mit siebzehn in eine maoistische Wohngemeinschaft zieht und versucht, die Studentenrevolution zu verstehen. Am Ende schwant ihm, dass die Suche der Biologen nach dem missing link falschen Prämissen folgt: "Wir selbst sind das missing link."

Das sind die Sollbruchstellen in der Künstlerbiographie, und Morsbach entscheidet sich im Zweifelsfall für das Gegenläufige. "Es gibt nur zwei Möglichkeiten zu leben: allein oder unter der Masse", heißt es einmal bei Alfred Andersch. Dessen Verdrängungstechnik in der Erzählung "Der Vater eines Mörders" hat Petra Morsbach in dem Essayband "Warum Fräulein Laura freundlich war" (2006) sensibel auseinandergenommen. Da ist Moritz Bauer schon weiter, wenn er behauptet: "Bach war ein Genie, und ich bin nur ein Tastendrücker."

Bauer macht Karriere als Kirchenmusiker, als Professor, als internationaler Cembalo-Star. Er wird gefeiert, aber er ist immer von Moden und Mäzenen abhängig. Die Rahmenerzählung bettet dieses Schicksal ein: Von einem unbekannten Gönner in einen venezianischen Palast geladen, bereitet sich der blinde Maestro auf ein Konzert vor. Am Ende wird es scheitern, so, wie Bauer mit seinem Instrument in der Versenkung verschwinden wird. Die Zeiten sind nicht mehr danach.

Als historische Folie dient eine Anekdote, die erzählt, dass der unter Schlaflosigkeit leidende Diplomat Carl Graf Hermann von Keyserlingk bei Johann Sebastian Bach ein Stück bestellt hat, das ihm sein Gast, ein Cembalospieler names Johann Gottlieb Goldberg, vorspielen sollte. Goldberg war ein Schüler Bachs, und was ihn mit Moritz Bauer verbindet, ist sein jugendliches Alter. Eine Hommage an Bachs "Goldberg-Variationen" legt freilich die Latte hoch,weil sie sich unter anderem mit einem Roman wie "Der Untergeher" von Thomas Bernhard messen lassen muss.

Petra Morsbachs Interpretation der Aria mit den dreißig Variationen ist im Ton weniger perlend als Bernhard. Sie umkreist mit essayistischen Passagen, gesellschaftspolitischen Skizzen, Milieuschilderungen den Künstler als Getriebenen. Die Welt der klassischen Musik schneidet dabei gar nicht gut ab. Sie erscheint vielmehr als die Behauptung einer künstlerischen Sphäre, die doch nur aus Intrige und Neid besteht. Ist der Künstler erst ausgesogen, wandert er auf den Abfallhaufen der musikalischen Moden: "Ohne Defekte keine Sehnsucht nach Kunst, also auch keine Kunst." Die Mechanik dieser Kunstsehnsucht wird hier überzeugend freigelegt.

Petra Morsbach: "Der Cembalospieler". Roman. Piper Verlag, München 2008. 282 S., geb., 18,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ein wenig dick aufgetragen und überorchestriert findet Rezensentin Kristina Maidt-Zinke den Plot dieses Romans über einen erblindenden, homosexuellen Cembalisten, der auch noch in Venedig spielt. Auch das ganze Wunderkindthema findet sie darin nicht wirklich neu erfunden. Zwar bescheinigt die Rezensentin der Autorin, deren Talent zur literarischen Publikumsfreundlichkeit sie grundsätzlich schätzt, einige Kenntnisse in Musikpraxis und -theorie, hat aber irgendwann doch grundsätzliche Zweifel an der "im Buch waltenden Sachkompetenz". Angesichts überbordender Klischees und üppiger Arabesken fällt es ihr mitunter schwer, die Ernsthaftigkeit des Rezensententons zu wahren. Angesichts der präsentierten Zitate und Handlungsskizzen kann man ihr das allerdings nicht verdenken.

© Perlentaucher Medien GmbH