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´´Ein schönes Buch einer großen Künstlerfreundschaft´´ (Elke Heidenreich)
Zum ersten Mal Briefe von Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze. Zeugnis einer einzigartigen Freundschaft. "Ich lehnte mich an Sie an, ihr Geist half meiner Schwachheit auf", schreibt Hans Werner Henze über Ingeborg Bachmann. Der aufstrebende Komponist erkannte rasch eine Seelenverwandte in der jungen Dichterin, das war 1952 in Göttingen. Und schon im folgenden Jahr setzte ein leidenschaftlicher und immer vertrauter werdender Briefwechsel ein. Einig sind sie sich darin im Haß auf Nazideutschland, wollen mit Günter…mehr

Produktbeschreibung
´´Ein schönes Buch einer großen Künstlerfreundschaft´´ (Elke Heidenreich)

Zum ersten Mal Briefe von Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze. Zeugnis einer einzigartigen Freundschaft. "Ich lehnte mich an Sie an, ihr Geist half meiner Schwachheit auf", schreibt Hans Werner Henze über Ingeborg Bachmann. Der aufstrebende Komponist erkannte rasch eine Seelenverwandte in der jungen Dichterin, das war 1952 in Göttingen. Und schon im folgenden Jahr setzte ein leidenschaftlicher und immer vertrauter werdender Briefwechsel ein. Einig sind sie sich darin im Haß auf Nazideutschland, wollen mit Günter Grass die junge Sozialdemokratie unterstützen und sind doch im Herzen immer bei ihrer "Pflicht", der Kunst, in der sie gemeinsam an Liedern und einer großen Oper arbeiten. Als die Beziehung zu Max Frisch auseinandergeht, gesteht Ingeborg Bachmann ihrem Freund: "Du bist mir der kostbarste Mensch", und Henze lädt sie in schwärmerischen, tröstenden und ernsten Briefen zu sich nach Rom und Neapel ein, um bei ihr sein zu können und das Eigentliche zu tun: schreiben, komponieren und Ruhe finden in einem Leben, "für das man vielleicht nicht stark genug ist". Nie zuvor wurden Briefe von Ingeborg Bachmann veröffentlicht. Der reiche Briefwechsel zwischen ihr und dem international erfolgreichen Komponisten Hans Werner Henze ist das einzigartige Zeugnis künstlerischen Austauschs und einer bedingungslosen Freundschaft.

Autorenporträt
Ingeborg Bachmann, geb. 1926 in Klagenfurt, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen der deutschsprachigen Nachkriegsgeneration. Ihr Werk umfaßt Romane, Kurzprosa und Lyrik, aber auch Übersetzungen aus dem Italienischen. 1964 wurde ihr der Georg-Büchner-Preis verliehen. Sie starb 1973 in Rom.

Hans Werner Henze, geb. 1926 in Gütersloh, komponierte seine ersten Werke in einem eleganten neo-klassizistischen Stil, den er seitdem immer wieder mit neuen Einflüssen und Eindrücken etwa durch die Übersiedlung nach Italien im Jahr 1953 verband. Ab den sechziger Jahren nahm sein politisches Engagement Henze trat der KPI bei Einfluss auf seine Musik, eine Entwicklung, die in den siebziger Jahren ihren Höhepunkt erreichte. Seither hat sich Henze verstärkt klassischen Formen zugewendet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2005

Hungrig nach Schönheit
Die Briefe von Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze

Sie könne, so hat Ingeborg Bachmann im Juni 1973, wenige Monate vor ihrem Tod, gesagt, ohne Musik nicht leben: "Für mich ist Musik größer als alles, was es gibt an Ausdruck. Dort haben die Menschen das erreicht, was wir durch Worte und durch Bilder nicht erreichen können." Deshalb sei die Begegnung mit Hans Werner Henze für sie so wichtig gewesen, denn erst durch ihn habe sie "wirklich Musik verstanden". Allerdings: "Es war eine gegenseitige Faszination und Anziehung, in dem Fall hat sich wirklich ein Komponist mit einem Schriftsteller getroffen."

Die künstlerischen Ergebnisse dieser wechselseitigen Faszinationsgeschichte sind berühmt: Hans Werner Henzes Opern "Der Prinz von Homburg" (1960) und "Der junge Lord" (1964) auf Libretti von Ingeborg Bachmann. Aber das ist nur die öffentliche Seite dieser Geschichte; die bisher verborgene wird jetzt erst sichtbar durch die Veröffentlichung des rund zwei Jahrzehnte umspannenden Briefwechsels zwischen Hans Werner Henze und Ingeborg Bachmann, herausgegeben und umsichtig kommentiert von Hans Höller. Es ist die Geschichte einer Freundschaft, die für beide Künstler von existentieller Bedeutung war. Und da sie zwischen zwei "äußerst komplizierten und komplexen wesen" spielt ("ich vielleicht weniger als Du", wie Henze einräumt), die das Bedürfnis hatten, ihre "verrücktheiten zu pflegen", und zwar auf künstlerisch produktive Weise, ist dies eine spannende, anrührende und zutiefst humane Geschichte - eine zudem, die über künstlerische Mentalitäten in den fünfziger und sechziger Jahren bedeutenden Aufschluß gewährt. Die Tatsache, daß sie mit der Anrede "liebes fräulein bachmann" beginnt, macht schlagartig deutlich, daß sie in ein anderes Jahrtausend fällt.

Da bietet der 26 Jahre junge und doch schon sehr bekannte Komponist Hans Werner Henze dem gleichaltrigen "lieben fräulein Bachmann", das er eben auf der Tagung der Gruppe 47 auf Burg Berlepsch kennengelernt hat, am 1. November 1952 an, es - wie schwer schreibt sich heute dieses grammatisch notwendige "es" und wieviel verrät es doch über die geistige Physiognomie dieser Zeit! -, es also am folgenden Tage nach Köln mitzunehmen, und sortiert danach auf vertrauenerweckende Weise die Welt: "Ihre gedichte sind schön, und traurig, aber die idioten, selbst leute, die so tun, als ob sie ,verstünden', verstehen nicht." So einfach war das also damals noch in der Spießerwelt der fünfziger Jahre: hier die künstlerischen Sachwalter der Schönheit, dort die Idioten. Es ist, als treibe eine geradezu wütende Sehnsucht nach Schönheit das Fräulein aus Klagenfurt und den jungen Herrn aus Bielefeld zusammen; "schön" ist die ästhetische Leitkategorie dieser Korrespondenz.

Ein Schönheitshunger ohnegleichen regiert in diesen Briefen, ein tiefromantisches Vertrauen auch in die utopische Gegenkraft der Kunst, und beides ist Ausdruck einer glanzvollen Zerfallenheit mit der restaurativen Atmosphäre der jungen Bundesrepublik. Denn in dieser Korrespondenz heißt das Gegenteil von Schönheit: Deutschland. "La Germania è brutta", Deutschland ist häßlich, schrecklich, entsetzlich, so lautet ein Cantus firmus insbesondere der Briefe Hans Werner Henzes, der das Deutschland der fünfziger Jahre mit ehrfurchtgebietendem Furor aus politischen wie aus ästhetischen Gründen - auseinanderhalten läßt sich dies hier nur schwer - verabscheut hat. Das Deutschland Konrad Adenauers war für ihn ein "land von mördern, neofaschisten, neoneurotikern" (so im Frühjahr 1955), und als Ingeborg Bachmann im Herbst 1954 erwägt, eine Stelle in München beim Bayerischen Rundfunk anzunehmen, warnt er sie mit aller Vehemenz, dort sei sie "verloren": "Du hast in nazideutschland nichts zu suchen."

Nicht ohne Rührung verfolgt der Leser diese beiden großen Künstler auf ihrem sehr deutschen Weg, der ihnen nahelegte, Antifaschismus und Antimilitarismus die Gestalt einer künstlerischen Schönheitssuche zu geben. Daß dieser Weg sie rasch in das klassische Sehnsuchtsland der Deutschen, nach Italien, führen mußte, liegt auf der Hand. "aber welche freude, das land zu verlassen!", so schreibt Henze schon im Frühsommer 1953 in München, als er nach Ischia und damit für immer nach Italien übersiedelt - und man ist ein bißchen erschrocken, wenn man das genaue Datum des Briefes registriert: 17. Juni 1953. Denn daß es einmal einen Staat namens DDR gegeben hat, wird man nur mit Mühe aus dieser Korrespondenz herausfinden - wie man denn auch immer wieder darüber staunt (oder vielleicht doch auch nicht), wie selten in diesen Briefen der Abscheu gegenüber der Bundesrepublik politisch konkret wird. "liberta! bellezza! cantare!", so ruft Henze Bachmann zum Jahresende 1955 zu, und ähnliches dürfte auch in vielen deutschen Busreisegruppen jener Zeit an italienischen Stränden zu hören gewesen sein. Nichts kündet so sehr von der Stickluft dieser Jahre wie der Gestus forcierter Weltläufigkeit.

Ingeborg Bachmann hat in berühmten Texten Auskunft darüber gegeben, was das Leben in Italien für sie bedeutete. Ganz zuletzt hat sie, in kurzen Texten, die unlängst in einem mit Bildern aus Gerda Hallers Film ausgestatteten Bändchen veröffentlicht worden sind, ihre Liebe zu dem Land auch damit begründet, daß sie "begriffen habe, warum und worum dieses Volk kämpft". Sie sagt dies, wie die beiliegende CD bezeugt, mit so gelöster wie fester Stimme, ohne doch die politischen Inhalte dieses Kampfes zu erwähnen. Vielleicht war er nichts anderes als ein Symbol ihres eigenen "Absolutheitswahns", ohne den sie nicht existieren konnte und der sie hoffen ließ ("hoffen, wie man hofft, wenn man weiss, verloren, verloren, für immer verloren"), "daß im Lauf der Zeit das Gesicht der einzigen Revolution dieser Zeit die menschlichen Züge annehmen wird, die nie ein System annehmen wird" (30. August 1965). Weil sie mit so viel Unmöglichkeitsbewußtsein hoffte, mußten ihr die wilden revolutionären Posen ihres Freundes - "Ich bin ein gewalttätiger vulgärer Kommunist und, wie die Morante sagt, ein Totalitärer." (2. August 1968) - in den politisch turbulenten späten Sechzigern wesensfremd bleiben. Gefährdet hat das diese tiefe Freundschaft nie.

Ohnehin gewinnt der Leser dieser Briefe den Eindruck, daß die Begegnung mit Henze ein großer menschlicher Glücksfall in dem mit vielen Verzweiflungen gefüllten kurzen Leben der Ingeborg Bachmann war. Dabei war diese Freundschaft nie unkompliziert. In den Jahren 1953 und 1956 wohnen die beiden in Ischia und Neapel zusammen, und die Nähe wird so groß, daß sie Henze zeitweise die Ehe mit Bachmann wünschen läßt - eine Idee, die dann allerdings vor den eigenen erotischen Neigungen keinen Bestand haben konnte. Ingeborg Bachmann hat ihm diesen Rückzieher verziehen, aber doch mit einem existentialistisch sublimierten Grollen geantwortet: "Ich glaube nicht an Gerechtigkeit im Leben und an schöne Prinzen. Es gibt viele und verschiedene Wege, in die Hölle zu fahren. unsere Engel sind dunkel." So am 1. Mai 1954. Da sprach sie wohl doch eher für sich selbst, denn die Engel ihres Freundes waren keineswegs dunkel. Schon in den Fünfzigern tobte er mit staunenswerter Vitalität wie ein salbentrunkener Prinz von Erfolg zu Erfolg, mit dem Londoner Triumph des "Undine"-Balletts im Herbst 1958 als besonderem Höhepunkt, und die Bachmann schaute ihm in seiner nicht zu bremsenden Produktivität, seinem mondänen Treiben und seinen immer weiter ausgreifenden Reisebewegungen staunend zu. Allerdings waren die internationalen Erfolge des Komponisten, der sich in einem der Briefe mit präziser Selbstironie einen "strebsamen pausbäckigen westfalen" nennt, nicht zuletzt das Ergebnis einer rigorosen Arbeitsdisziplin, mit der er auch die eigenen inneren Gefährdungen niederkämpfte. Die Härte und Direktheit, mit der Henze die langsam und unter ständigen Selbstzweifeln schreibende Dichterin in vielen Briefen zur Arbeit mahnt, ist nicht der geringste Ausdruck dieser tiefen Freundschaft, denn mit dem Imperativ "arbeite, arbeite, disziplin!!" wollte er ihr das bewährteste Rettungsmittel gegen Weltverlorenheit und zehrende Traurigkeiten einverleiben.

Ingeborg Bachmann hat die Freundschaft mit Henze im Oktober 1956 "die wichtigste menschliche Beziehung" genannt, "die ich habe, und das soll sie auch bleiben". Sie blieb es - auch über die Zeit der Verbindung mit Max Frisch hinaus. "Du bist mir der kostbarste Mensch", heißt es noch 1965 in einem Brief. Und ähnliche Versicherungen liest man immer wieder in Hans Werner Henzes Briefen: "ich möchte Dir sagen dass Du mir der liebste mensch auf der welt bist und ich möchte Dich beschützen" (24. Dezember 1956). Sie wußte, daß sie sich darauf verlassen konnte. Als sie nach der Trennung von Max Frisch - "die grösste Niederlage meines Lebens" - und einem Selbstmordversuch in Uetikon in der Klinik lag, da bat sie Hans Werner Henze in einem erschütternden Brief, sie für einige Tage dort herauszuholen: "Ach Hans, es ist ein unbilliges Verlangen, aber wenns einen Himmel gibt, dann wird er es Dir wohl vergelten." Dieser Brief ist Grund genug, sich einen Himmel zu wünschen.

Henze, dem das Schreiben immer sehr viel leichter gefallen ist als der Dichterin ("nun bin ich leider des Schreibens nicht halb so kundig wie Sie", bemerkt sie schüchtern im Frühjahr 1953), gehört der erheblich größere Teil der Korrespondenz; viele Briefe der Bachmann an ihn sind verlorengegangen. Es ist ihm sehr zu danken für die Offenheit, mit der er all diese Briefe, in denen ja auch mutig schwadroniert und heftig renommiert wird, ohne Schonung für sich selbst ungekürzt zur Verfügung gestellt hat. So liest man diesen Band nicht nur berührt durch die Kraft der Freundschaft, deren schönes Dokument er ist, sondern auch erheitert durch den mondänen Ton der fünfziger Jahre, zu dem man hier reiche Studien treiben kann: "der haupt-incubus ist, dass Giulio es merken könnte, dass ich so schnell wieder pennyless geworden bin, und das gäbe einen furchtbaren strindberg." Ach nein, wir vermissen ihn nicht, diesen Sound der frühen Jahre, in denen die Welt wieder "todschick" und "irgendwie doll" zu werden begann. "es hiesse dann: libretto von luchino visconti und ingeborg bachmann. dolle sache." Auch das ist eine Variante des: Wir sind wieder wer.

Ingeborg Bachmann/Hans Werner Henze: "Briefe einer Freundschaft". Hrsg. von Hans Höller. Mit einem Vorwort von Hans Werner Henze. Mit 8 Faksimiles. Piper Verlag, München 2004. 538 S., geb., 19,90 [Euro].

Ingeborg Bachmann: "Ein Tag wird kommen". Gespräche in Rom. Ein Porträt von Gerda Haller. Mit einem Nachwort von Hans Höller. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2004. 103 S., geb., 1 CD, 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.10.2004

Veramente todschick
Davor müsste ein großes Als-Ob stehen: Der Briefwechsel des kuriosen Freundespaars Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze sublimiert die Caprilaune der frühen Bundesrepublik nur geringfügig
Schriftstellern, so bekannte Thomas Mann, falle das Schreiben schwerer als anderen Menschen. Nichts quäle den Dichter mehr als die Form, schrieb Ingeborg Bachmann unter Berufung auf Giuseppe Ungaretti. Dieser hatte seine Dichtungen unter dem Titel „Leben eines Mannes” gesammelt, mehr Biographie sollte nicht sein. Die Gedichte nannte er „seine formalen Qualen”, weil er von der Form verlangte, „dass sie den Veränderungen seines Sinns, seines Gemüts entspreche”. In der Mitteilung ihrer Gefühle sind Dichter oft wortkarg bis zum Verstummen.
So auch Ingeborg Bachmann, die nach einem kurzen Leben, das ihr zur Qual geworden war, im Jahr 1973 an den Folgen eines Zimmerbrands ums Leben kam. Ihr Nachlass war lange gesperrt. Die Öffnung der Archive lieferte bisher keine sensationellen Funde. Das könnte auch für ihren Briefverkehr gelten, aus dem jetzt erstmals eine größere Korrespondenz veröffentlicht wurde. Der Briefwechsel mit dem Komponisten Hans Werner Henze, ihrem Freund und Vertrauten, zeugt von einer merkwürdigen Diskrepanz, die nicht allein dem äußerlichen Ungleichgewicht der Überlieferung geschuldet ist: Von der Bachmann sind verhältnismäßig wenig Briefe, zumeist als Entwürfe erhalten geblieben, während Henzes Briefe die Hauptmasse des Buchs ausmachen.
Der Eindruck, dass hier ein höchst ungleiches Paar in platonischem Enthusiasmus zueinander fand, stellt sich auch unabhängig von der unterschiedlichen Zahl und der Länge der Briefe her: Die beiden gleichaltrigen Freunde - beide gehören dem Jahrgang 1926 an - erweisen sich trotz ihrer spirituellen Verbundenheit als so verschieden, wie Frau und Mann es überhaupt nur sein können, so verschieden auch wie die Geschwisterkünste Poesie und Musik. Auf Dauer konnten sie nicht zusammenkommen. Fast wie ein experimentum crucis zeugt davon ihre Korrespondenz.
Deutschland sieben Jahre nach dem Krieg. Auf einer Burg bei Göttingen tagt die „Gruppe 47”: „liebes fräulein bachmann”, schreibt dort, offenbar mit der Hauspost, der bereits international erfolgreiche Henze in konsequenter Kleinschreibung an die junge Autorin; er lobt ihre Gedichte als „schön, und traurig”, bevor er den Brief mit einem koketten „adieu” beschließt. Im darauf folgenden Frühjahr 1953 ergeht die erste Einladung nach Italien, wo Henze sich dauerhaft niedergelassen hat. Bald ist auch von einer Ehe die Rede, genauer von ihrem vorweggenommenen Scheitern. Von solchen Verletzungen und Krisen der Beziehung unberührt bleiben die Zuneigung und künstlerische Zusammenarbeit der beiden: Der Komponist vertont Gedichte seiner Freundin, und diese beliefert ihn mit Libretti für Klangwerke.
Geschrieben - und schon da bestimmt der Neutonmeister die Stimmlage - wird vorwiegend in der Sprache des Landes, in dem man sich gerade aufhält, vorzugsweise auf Italienisch, wenn auch ohne Rücksicht auf die Grammatik. Dieser geliehenen Internationalität entspricht bei Henze ein Kosmopolitismus auf Pump, das hochfahrende Protzen mit schnellen Autos und anderen Luxusobjekten („così blasé, veramente todschick”). An solchen Stellen, auch überall da, wo das Zitronenland in rauschbereite Bläue getränkt wird, folgt der Briefwechsel der Caprilaune seiner Zeit, die er literarisch nur wenig sublimiert.
Unterhalb des koketten Spiels mit fremden Sprachgebärden wird jedoch deutlich, dass die mit ihnen eröffneten Möglichkeiten zur emotionalen Einlassung oder Entlastung von beiden Briefpartnern ganz unterschiedlich gehandhabt wird. Henze vermag Nähe zu suggerieren, wo er auf Distanz sinnt, und umgekehrt, während die Bachmann Gefühle äußert, für die ihr die Worte sonst fragwürdig werden müssten: „Sono molto funny, ma infelicissima come tutte le young girls!” Vor dem von Henze beanspruchten Leidensprimat, der ihm den ersten Platz im Depressionswettbewerb garantieren soll, hat „La Bachmanita” ohnehin kapituliert; sie übt sich in liebenswürdiger Bescheidenheit („Da schau”), während der andere einen schwadronierenden, mitunter sogar lyrischen Umgang mit der Sprache pflegt und sich zu preziösen Klimmzügen emporschwingt.
Unangefochten bleibt auch der ästhetische Vorrang des Tonsetzers vor der Librettistin: Er verlangt von Ihr „schöne vokale”, deren musikalische Form er bereits im Kopfe hat, und bedankt sich für „eines der schönsten gedichte der welt”, bei dem es ihm „fast leid” täte, „es durch töne zu ruinieren”. Aber eben nur „fast” - so wie in diesem Briefwechsel, der auch ein scharfes Licht auf die Archäologie und die Mentalitäten der alten BRD wirft , vor beinahe jedem Satz ein „Als-ob” stehen könnte.
Ingeborg Bachmann / Hans Werner Henze
Briefe einer Freundschaft
Herausgegeben von Hans Höller, mit einem Vorwort von Hans Werner Henze. Piper Verlag München, Zürich 2004. 538 Seiten, 24,90 Euro.
Ingeborg Bachmann und Hans-Werner Henze in für den heutigen Betrachter mutigen Farben.
Foto: privat
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

""Es ist, als treibe eine geradezu wütende Sehnsucht nach Schönheit das Fräulein aus Klagenfurt und den jungen Herrn aus Bielefeld zusammen", schwelgt Rezensent Ernst Osterkamp im Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze. Diese Briefe sieht er außerdem von einem tiefromantischen Vertrauen in die Gegenkraft von Kunst regiert. Beides ist für den Rezensenten Ausdruck einer "glanzvollen Zerfallenheit" mit der restaurativen Atmosphäre der jungen Bundesrepublik. "La Germania e brutta" zitiert Osterkamp einen "Cantus Firmus" der Briefe. Besonders aus Henzes Briefen sieht er mit "ehrfurchtgebietendem Furor" ästhetische und politische Abscheu für Deutschland steigen. Nicht ohne Rührung verfolgt der Rezensent diese beiden großen Künstlern auf ihrem, von ihm als "sehr deutsch" empfundenen Weg, Antifaschismus und Antimilitarismus die Gestalt einer künstlerischen Schönheitssuche zu geben. Immer wieder staunt er, wie selten der Abscheu gegen Deutschland politisch konkret wird. Oft erheiternd findet er den mutig schwadronierenden und mondänen Ton der fünfziger Jahre, der ihm aus den Briefen entgegen schlägt. Bewunderung zollt er besonders Henze, der diese Briefe ohne Schonung für sich selbst ungekürzt zur Verfügung gestellt hat.

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