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Als Allen Lafferty am Abend des 24. Juli 1985 nach Hause kommt, findet er seine Frau und seine Tochter ermordet auf. Beide wurden grausam hingerichtet. Zu dem Mord bekennen sich Allens Brüder Ron und Dan Lafferty. Sie behaupten, den Auftrag dazu habe ihnen Gott gegeben. Ausgehend von diesem Familiendrama untersucht Jon Krakauer den Ursprung des religiösen Fanatismus. Die Laffertys sind Mormonen. Krakauer schildert die Geschichte dieser erst 170 Jahre alten Religion und zeigt, wie bedrohlich es sein kann, wenn Menschen glauben, einen "direkten Draht zu Gott" zu haben.

Produktbeschreibung
Als Allen Lafferty am Abend des 24. Juli 1985 nach Hause kommt, findet er seine Frau und seine Tochter ermordet auf. Beide wurden grausam hingerichtet. Zu dem Mord bekennen sich Allens Brüder Ron und Dan Lafferty. Sie behaupten, den Auftrag dazu habe ihnen Gott gegeben. Ausgehend von diesem Familiendrama untersucht Jon Krakauer den Ursprung des religiösen Fanatismus. Die Laffertys sind Mormonen. Krakauer schildert die Geschichte dieser erst 170 Jahre alten Religion und zeigt, wie bedrohlich es sein kann, wenn Menschen glauben, einen "direkten Draht zu Gott" zu haben.
Autorenporträt
Jon Krakauer, geboren 1954, arbeitet als Wissenschaftsjournalist für amerikanische Zeitschriften. Für seine Reportagen wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Frau in Colorado.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2003

Gott ist ein zorniger alter Mann
Christlicher Fundamentalismus prägt die Weltsicht der Mormonen – und das Denken des amerikanischen Präsidenten
Entgegen aller Skepsis: Dies ist ein gutes Buch. Der Abenteurer und Bergsteiger Jon Krakauer, der mit seiner Reportage „In eisige Höhen” über die Besteigung des Mount Everest ein Millionenpublikum gefesselt hat, untersucht in seiner packend geschriebenen Reportage den Mord an zwei Menschen in Utah. Sie waren von Angehörigen einer fundamentalistischen Spielart der Latter Day Saints (LDS, zu deutsch Mormonen) grausam umgebracht worden. Krakauer geht sowohl auf die Täter als auch die Opfer ein, er erklärt den religiösen Hintergrund des Mordes und beschreibt im Detail die Planung und Durchführung der Verbrechen. Der Text wird angereichert durch aufschlussreiche Interviews mit allen lebenden Beteiligten.
Krakauer liefert aber noch mehr, denn er gibt nebenbei einen Abriss der mormonischen Geschichte. Jedes der Kapitel wird mit einem Zitat eingeleitet, das die theologischen und historischen Hintergründe des mormonischen Fundamentalismus beleuchtet und wie ein Kommentar zum Inhalt des jeweiligen Abschnitts gelesen werden kann. Dabei wendet Krakauer eine Montagetechnik an, in der Geschehnisse der unmittelbaren Vergangenheit und lang zurückliegende Episoden aus der Geschichte der LDS miteinander kombiniert werden.
Dies hat den Vorteil, dass der Text lebendig und abwechslungsreich gehalten wird, führt aber auch zur Suggestion, wo Erklärung angebrachter wäre. Weiterführende Literatur und Hinweise auf die benutzten Quellen runden dieses Buch ab und würden es beinahe zu einer wissenschaftlichen Untersuchung machen – wäre es nicht so gut geschrieben.
Krakauer hat keinerlei Sympathien für die fundamentalistische Abart der Mormonen und wahrscheinlich auch keine Sympathien für den mormonischen Mainstream. Er legt jedoch für einen Agnostiker eine erstaunliche Fairness und Objektivität an den Tag, wenn es um religiöse Gruppierungen und theologische Zusammenhänge geht. Seine Kritik richtet sich vornehmlich gegen das, was er Polygamie nennt und was in der Praxis auf den systematischen und von den Kirchenautoritäten der Fundamentalisten gebilligten oder organisierten Menschenraub hinausläuft.
Junge Mädchen, die oft nicht einmal das legale Heiratsalter erreicht haben, werden mit älteren Männern gegen ihren Willen in „himmlischen Ehen” verheiratet, so dass diese Männer, die anderenorts als Pädophile und Vergewaltiger angeklagt würden, mit dem Segen ihrer Kirche mit mehreren Frauen die Ehe eingehen können. Widerstand ist in der Regel zwecklos, da die zivile Gewalt in den mormonischen Enklaven von der fundamentalistischen Kirche kontrolliert und die betroffenen Kinder einer theologischen Hirnwäsche unterzogen werden. So wird ihnen immer wieder klar gemacht, dass ihre Ehe mit älteren Männern der explizite Wunsch Gottes ist. Wo es dennoch Widerstand gibt, wird dieser mit massiven Drohungen und körperlicher Gewalt unterbunden.
Jenseits der Vielehe
Diese Gewalt ist, wie Krakauer zeigt, Bestandteil der mormonischen Geschichte seit 1830, als der Prophet Joseph Smith in Palmyra, New York, jene Visionen hatte, die er im „Buch Mormon” niederschrieb. Krakauer positioniert das frühe Mormonentum zu Recht im Umfeld der zweiten Erweckungsbewegung, die ab 1790 und bis etwa 1840 die gesamten USA erfasste, sich aber besonders im so genannten„verbrannten Distrikt” im Staat New York entfaltete, in dem eine Bekehrungswelle der nächsten folgte.
Von den nicht minder bigotten Christen ihrer Nachbarschaft immer wieder verfolgt und gejagt, siedelten sich die „Heiligen der Letzten Tage” schließlich 1847 in Utah an, das zu dieser Zeit noch nicht Bestandteil der Vereinigten Staaten war, um ihrem Glauben dort ungestört nachzugehen. Sie wollten im neuen Zion eine Theokratie aufbauen, die sich gegen ihre Gegner selbstbewusst zur Wehr setzen konnte. Ihre Feinde warfen ihnen neben politischer Dominanz und ungehemmtem Erwerbsstreben vor allem die Tatsache vor, dass Mormonen in Polygamie lebten – eine Tatsache, die von der Kirchenführung lange geleugnet wurde. Sexuelle Utopien waren ein Kennzeichen der zweiten Erweckungsbewegung und haben so bizarre Gemeinschaften wie die „Oneida Community” und die „Shakers” hervorgebracht, die ebenfalls heftige Reaktionen in ihrer Umwelt hervorriefen. 1890 hat sich der mormonische Glaube offiziell von der Vielehe distanziert. Aber Krakauer zeigt, dass es eine große Zahl von Gläubigen gibt, die der alten Lehre anhängen und deshalb aus der Kirche ausgeschlossen wurden oder sie aus freien Stücken verlassen haben, um sich den mormonischen Fundamentalisten anzuschließen.
Ein weiterer Glaubensartikel der stürmischen Vergangenheit ist das Bekenntnis zur Blutsühne, die den Tod eines Sünders gebietet, der die Ehe gebrochen, der gestohlen oder aber Sex mit einem Afroamerikaner hat. Auch diese Auffassung wird heute nur noch von rund 35 000 Fundamentalisten im Staate Utah und einigen Splittergruppen in Arizona, Mexiko und Kanada geteilt. Zusammengenommen bilden die wörtliche Auslegung der Schriften von Joseph Smith, die Vielehe, die Blutsühne und die Ablehnung der zivilen Gewalt der Vereinigten Staaten das Grundgerüst des mormonischen Fundamentalismus.
Jon Krakauer ist ein Aufklärer im besten Sinne des Wortes. Aber wie vielen Aufklärern vor ihm bleibt ihm sein eigener Standpunkt als blinder Fleck verschlossen. So richtig, wichtig und informativ seine Beobachtungen auch sind, da sie die LDS als „amerikanische Religion” herausgreifen, so übersieht der Autor doch die Ähnlichkeiten zu den vielen anderen Varianten des fundamentalistischen Christentums.
Ob nun ein vom Mormonentum Abgefallener von seinen einstigen Glaubensbrüdern hingerichtet wird, oder ob Ärzte und Ärztinnen von Abtreibungskliniken durch radikale Abtreibungsgegner ermordet werden – beides ist in jedem Fall Ausdruck einer weitreichenden fundamentalistischen Orientierung, die in den Vereinigten Staaten nicht mehr unter dem Rubrum „Sektenwesen” abgetan werden kann.
Die evangelikalen und charismatischen Fundamentalisten haben allerorten die Zentren der Macht erreicht. George W. Bush leitet jede Kabinettssitzung mit einem Gebet ein und hat beste Verbindungen zur christlichen Rechten, die inzwischen das größte und am besten organisierte Wählerpotential der Republikaner stellt.
Er ist einer von ihnen, wie er in seiner zur Wahlkampagne erschienenen Autobiographie „A Charge to Keep” gestand. Zu den Doktrinen dieser christlichen Rechten gehört der Glaube an Armageddon und die bevorstehende persönliche Wiederkehr Christi ebenso wie die Verurteilung aller Lebensentwürfe, die nicht heterosexuell sind, sowie die Ablehnung der Evolutionslehre. „Schließlich gibt es die Religion schon länger als den Darwinismus” – so lautet der Originalton von George W. Bush.
Diesseits der Randgruppe
Krakauer sieht die fundamentalistischen Mormonen zu sehr als Randgruppe und übersieht, wie sehr sie ins Bild der gegenwärtigen USA passen. Dieser Mangel an Ausgewogenheit ist alles, was man dem Autor vorwerfen kann. Den Piper Verlag muss man fragen, warum die Übersetzung eines im Original sehr gut lesbaren Buchs so mittelmäßig ist, dass einzelne Sätze sinnentleert oder widersinnig klingen. Alles in allem kann aber auch die holperige Übersetzung die Wirkung dieses wichtigen Buchs nicht zerstören. Es bleiben eine Menge Fragen offen – auch das ein positiver Effekt einer Schreibhaltung, die nicht vorgibt, alles zu wissen. Wenn ein Buch die Neugier seiner Leser weckt, ist der Zweck der Aufklärung wohl erreicht.
NORBERT FINZSCH
JON KRAKAUER: Mord im Auftrag Gottes. Eine Reportage über religiösen Fundamentalismus. Piper Verlag, München 2003. 446 Seiten, 22,90 Euro.
Ganz nahe bei Gott glauben sich die Mormonen von Albuquerque. Die „Heiligen der Letzten Tage” wären gern als erste am Ziel.
Foto: AP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein gutes Buch, konstatiert Norbert Finzsch gleich zu Beginn seiner Besprechung. Jon Krakauer, bekannt geworden durch die Schilderung der Besteigung des Mount Everest, untersuche in seiner "packend geschriebenen Reportage" einen Doppelmord in Utah. Die Täter gehörten einer fundamentalistischen Spielart der Mormonen an. Krakauer gehe nicht nur auf Täter, Opfer und den religiösen Hintergrund ein, sondern liefere nebenbei auch einen Abriss der mormonischen Geschichte. Angereichert durch aufschlussreiche Interviews, Hinweise auf weiterführende Literatur und Quellen, ist das Buch fast eine wissenschaftliche Untersuchung geworden, schreibt der Rezensent, "wäre es nicht so gut geschrieben". Ein "Aufklärer im besten Sinne des Wortes" ist Krakauer, lobt Finzsch, der abgesehen von der "holprigen" Übersetzung nur zwei Kritikpunkte anführt: Erstens suggeriere die unterhaltsame Montage aus aktuellen und historischen Texten manchmal Zusammenhänge, ohne sie wirklich zu erklären, und zweitens seien Fundamentalisten in den USA mittlerweile beileibe kein Splittergruppe mehr, so wie Krakauer das vermittle.

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