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Parmenides und die anderen vorsokratischen Philosophen waren ein Lebensthema von Karl Popper. Das große Buch aus dem Nachlaß des Philosophen zeigt, mit welcher Intensität er sich dem Denken dieser großen Geister gewidmet hat. "Parmenides öffnete mir die Augen für die poetische Schönheit der Erde und des gestirnten Himmels. Er lehrte mich, sie mit neuem Forscherblick zu betrachten." Popper belegt hier seine berühmte These, daß Geschichte immer die Geschichte von Problemsituationen ist. Und er demonstriert, wie die Urväter der Philosophie und Naturwisssenschaft Probleme durchdacht und gelöst…mehr

Produktbeschreibung
Parmenides und die anderen vorsokratischen Philosophen waren ein Lebensthema von Karl Popper. Das große Buch aus dem Nachlaß des Philosophen zeigt, mit welcher Intensität er sich dem Denken dieser großen Geister gewidmet hat. "Parmenides öffnete mir die Augen für die poetische Schönheit der Erde und des gestirnten Himmels. Er lehrte mich, sie mit neuem Forscherblick zu betrachten." Popper belegt hier seine berühmte These, daß Geschichte immer die Geschichte von Problemsituationen ist. Und er demonstriert, wie die Urväter der Philosophie und Naturwisssenschaft Probleme durchdacht und gelöst haben. In der klaren Sprache, für die er berühmt geworden ist, zeigt Popper die wunderbare Vielfalt und ungebrochene Aktualität des frühgriechischen Denkens.
Autorenporträt
Karl R. Popper, geboren am 28. Juli 1902 in Wien, gestorben am 17. September 1994 bei London. Er emigrierte 1937 nach Neuseeland, wo er am University College in Christchurch lehrte. Von 1946 bis 1969 war er Professor an der London School of Economics. 1965 wurde er von Königin Elizabeth II. geadelt. Zahlreiche Veröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2001

Kritischer Steilpaß auf Parmenides
Der Mond ist rund: Karl Popper findet in den Vorsokratikern seine Mitspieler / Von Kurt Flasch

Am Anfang war ein Eichhörnchen. Dieses Eichhörnchen war bei Poppers. Es war Frühling, und das Eichhörnchen drang durch ein offenstehendes Fenster in Poppers Haus und trug respektlos einen gelben Hefter davon, um das Papier als Nistmaterial zu benutzen. Es erwischte den Ordner mit den Papieren Poppers zu den Vorsokratikern. Aber es fand ihn zu schwer, vielleicht sogar unbrauchbar und legte ihn am Fuße eines Baumes nieder. Die Aufzeichnungen von Sir Karl Raimund Popper blieben auf diesem Wege erhalten, und Arne Friemuth Petersen konnte den inzwischen weltbekannten Professor überzeugen, daß er seine Studien über Parmenides veröffentlichen sollte. Die englische Ausgabe erschien 1998; die deutsche Fassung, bruchlos übersetzt, liegt nun vor.

Sie handelt von Parmenides, aber nicht nur von ihm, sondern von dem Kosmos, den er gedacht hat, und von den anderen frühgriechischen Denkern, die vor ihm und mit ihm das europäische Denken begründet haben: von Thales und Anaximander, von Xenophanes und Heraklit. Aber im Mittelpunkt steht Parmenides, der Denker aus Elea in Süditalien, und seine Sicht der Welt.

Es gibt gute Gründe, Parmenides als den Vater des europäischen Denkens zu bezeichnen, aber dann muß man hinzufügen: Seine Söhne haben ihn respektlos behandelt. Fast alle Philosophen, die nach ihm kamen und von ihm zehrten, glaubten es besser zu wissen als der Urheber der europäischen Spekulation. Platon behandelte ihn noch respektvoll. Aber auch er unterdrückte nicht alle Bosheit, indem er ihn rühmte, er, dem zufolge alles eins sei, habe mit vielen schönen Worten gelehrt, es gebe nur das eine Sein. Platon wollte das Viele retten vor der grotesken Felsenmelodie des Monismus. Aristoteles sprach dann von Parmenides mit fast verächtlicher Grobheit: "Altväterliche Bedenklichkeiten" hätten den Eleaten gehindert, die Wahrheit zu sehen. Aristoteles redete von der Alleinheitlehre, als habe Parmenides übersehen, daß ein Baum, ein Hund und ein Ruderschiff verschiedene Dinge seien.

Seitdem sprachen die europäischen Philosophen durchweg schlecht von ihrem Vater Parmenides. Gewiß haben die neuplatonischen Denker, besonders Plotin und Proklos, die Aristotelische Geringschätzung korrigiert; im 15. und 16. Jahrhundert gab es intensive und gelehrte Versuche, Parmenides wieder zu Ehren zu bringen. Renaissance-Denker wie Cusanus und Campanella, Telesio und Giordano Bruno setzten die süditalienische Sicht der Welt dem Schularistotelismus entgegen, der in Paris und Padua, aber auch an protestantischen deutschen Universitäten als die überlegene, weil schärfer differenzierende Philosophie galt. Doch durchweg siegte für Jahrhunderte die antiparmenidische Front. Seit aber Nietzsche die Größe der Philosophen des tragischen Zeitalters der Griechen entdeckte, kehrt man zurück zu den Vorsokratikern.

Von Heidegger weiß man, daß er die dunklen Dichterphilosophen der vorplatonischen Zeit empfahl, aber daß Karl Popper zurück will zu ihnen, dürfte manchen überraschen. Popper nannte seine Philosophie "kritischen Rationalismus". Er ist 1902 in Wien geboren, und sein Ausgangspunkt waren Mängel, die ihm am logischen Empirismus früh aufgefallen sind. Schon in seiner Logik der Forschung (zuerst 1935) kritisierte er den Aberglauben, gesichertes Wissen würde durch Induktion, durch allmähliche Verallgemeinerung von Sinnesdaten, gewonnen. Er studierte Mathematik und Physik; die Liebe zur Mathematik hat er bis zu seinem Tod 1994 nicht verleugnet. Popper haßte den Austrofaschismus und emigrierte; von 1937 bis 1945 lebte er in Neuseeland. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er Professor für Logik und Wissenschaftstheorie an der London School of Economics, die nicht zuletzt durch ihn ein weltberühmtes Zentrum für Forschung und Lehre wurde.

Dieser glasklare Mann, der von sich sagt, daß er die Ontologie haßt, da sie nichts hervorbringe als Tautologien, und daß er keinen einzigen Satz von Heidegger versteht, tritt uns nun als Freund der frühen Dichterphilosophen entgegen. Daß er sich mit griechischen Denkern befaßte und sie im Originaltext lesen konnte, war schon länger klar. In "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" (zuerst 1945) hatte er Platon als den Urheber des Totalitarismus entlarvt, der die kritische Rationalität des Sokrates aufgegeben und sich zum dogmatischen Politiktheoretiker entwickelt habe. Mit dieser These hat Popper sich bei den Liebhabern des griechischen Altertums wenig Freunde erworben. Sie wiesen darauf hin, Platon habe zwar bei den Begründern des Austrofaschismus eine gewisse Rolle gespielt, entwickle aber doch freiheitsfördernde Theoreme und stehe in einem anderen historischen Kontext, den Popper in seinem Zorn ignoriere.

Und dieser Popper wollte im Alter zurück zu den Vorsokratikern. Er sagt, er sei Amateur, kein Spezialist; aber er kennt sich verblüffend gut aus. Ganz überrascht er seine Leser damit nicht. Schon in "Conjectures and Refutations" (zuerst 1963) hatte er die Parole "Zurück zu den Vorsokratikern" ausgegeben. Es ist ein ganz bestimmter Parmenides, den er als Meisterdenker empfiehlt: als Vorläufer des kritischen Rationalismus. Parmenides, nicht als Sprachphilosoph und schon gar nicht als Begründer der Ontologie, sondern Parmenides als Kosmologe. Der Titel der Aufsatzsammlung deutet dies an: Es geht um die Welt des Parmenides, um seine Theorie des Universums.

Die Parmenides-Deutung Poppers ist nicht so chancenlos, wie es deutschen Philosophen scheinen mag, denen man an der Wiege gesungen hat, Parmenides sei der Begründer der europäischen Philosophie des Seins. Popper kennt seine griechischen Texte recht gut, und er zeigt ein erstaunlich waches Auge für die poetischen Valeurs der vorsokratischen Philosophen, die er aus der Originalsprache neu übersetzt. Er findet bei Xenophanes und Parmenides seine Theorie wieder, alles Wissen sei Vermutung und eine Theorie sei um so besser, je anspruchsvoller sie ist und dabei selbst widerlegt werden kann. Alle Philosophie sei Kosmologie, lehrt er, und Parmenides habe großartige kosmologische Entdeckungen gemacht. Er habe als erster erkannt, daß der Mond eine Kugel ist. Daß er einmal eine kleine Sichel und einmal eine hellerleuchtete Scheibe sei, das habe Parmenides als bloßen Schein durchschaut. Das Sein des Mondes ist von diesem Wechsel unberührt; es ist unbewegt, kompakt und in vollständiger Ruhe. Dies sei der Ursprung der Theorie von dem einen, ruhenden Sein; die Ontologen hätten diese Einsicht von ihrer kosmologischen Grundlage abgelöst und damit den kritischen Rationalisten Parmenides zu einem Dogmatiker nach ihrem Bild und Gleichnis gemacht.

Bei dem Sammelband handelt es sich um eine Aufsatzsammlung mit recht verschiedenen späten Arbeiten Poppers. Sie sind glänzend stilisiert und verdienen die Aufmerksamkeit der Spezialisten. Dem Laien fällt auf: Popper sucht Vorläufer in der ältesten Zeit; in der Rückdatierung theoretischer Positionen ist er nicht zimperlicher als sein Antipode Heidegger. Er legt die Vorsokratiker so lange aus, bis etwas "kritisch Rationalistisches" herauskommt, und wundert sich dann, daß sie auch schon so gut gedacht haben wie er.

Das Schema ist zu einfach, um nicht ein Lächeln hervorzurufen. Popper ist ein großer Philosoph, aber seine Vorstellung von geschichtlicher Kontinuität ist etwas naiv, als gehe die Linie direkt von Parmenides zu Galilei, Newton, Einstein und ihm. Er wendet sich zurück in die Geschichte, aber dabei tilgt er das Geschichtliche. Es ist schlicht erstaunlich, mit welcher Unbefangenheit der gereifte Sir Popper bei Xenophanes, den er gegen Karl Reinhardt verteidigt, eine frühe Version des kritischen Empirismus entdeckt, der lehre: "Es ist alles durchwebt von Vermutung." Als habe Parmenides die Logik der Forschung studiert, lobt Popper an ihm die antisensualistische Erkenntnislehre.

Das Buch strotzt leider von Wiederholungen. Doch es entschädigt durch luzide logische Analysen und, was erstaunlicher ist, durch poetische Intuitionen. Da ist vom Mond (Selene) und Helios die Rede. Parmenides dichtet von der Sehnsucht der Selene nach Helios, und Popper übersetzt: "Leuchtend bei Nacht / Von dem Licht, das er (Helios) schenkt, / so umirrt sie (Selene, Luna) die Erde. / Immerzu blickt sie, gebannt, / Hin auf den strahlenden Gott." Poppers postumes Buch ist zusammengestoppelt und in gar manchem ärgerlich. Aber für diese Verse muß man ihn lieben. Sie sind rund und schön.

Karl R. Popper: "Die Welt des Parmenides". Der Ursprung des europäischen Denkens. Hrsg. von Arne F. Petersen unter Mitarbeit von Joergen Mejer. Aus dem Englischen von Sibylle Wieland und Dieter Dunkel. Piper Verlag, München, Zürich 2001. 480 S., geb., 69,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Einigermaßen erstaunlich kann es auf den ersten Blick erscheinen, dass Karl Popper, Vater des Kritischen Rationalismus, am nicht zuletzt vom Antipoden Heidegger in Beschlag genommenen Vorsokratiker Parmenides Gefallen findet. Diese aus dem Nachlass herausgegebene Sammlung von verstreuten Aufsätzen belegt dies aber nachdrücklich. Des Rätsels Lösung: "Es ist ein ganz bestimmter Parmenides, den er als Meisterdenker empfiehlt", so der Rezensent Kurt Flasch: nämlich Parmenides als Kosmologe, der sich ohne allzu große Schwierigkeiten als Vorläufer der Kritischen Rationalismus deuten lässt. Vor allem geht es um die von Popper bei Parmenides aufgespürte These, dass alles nur Vermutung ist. Reichlich erstaunt zeigt sich Kurt Flasch allerdings davon, welch kurzen Prozess Popper mit den paar Tausend dazwischen liegenden Jahren macht: er behandelt den Vorsokratiker als philosophischen Zeitgenossen. Mit den Worten des Rezensenten, der sich ob dieser Naivität ein "Lächeln" nicht verkneifen kann: "Er wendet sich zurück in die Geschichte, aber dabei tilgt er das Geschichtliche." Wirklich positiv überrascht aber ist Flasch von Poppers Gespür für "poetische Intuitionen", erst recht von den gelungenen Popperschen Neu-Übersetzungen der Verse des Dichterphilosophen. Das entschädigt, findet Flasch, beinahe für die ärgerlichen Wiederholungen und den Eindruck des "Zusammengestoppelten".

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