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Die Bagdadbahn war die Fortsetzung des von Wien nach Konstantinopel fahrenden Orientexpress. Am Ende des 19. Jahrhunderts planten deutsche Unternehmen die Verbindung von Konstantinopel nach Bagdad und Basra bis hin zum Persischen Golf. Am 4. Oktober 1888 erhielt die Deutsche Bank die erste Konzession für den Bau und den Betrieb dieser 3.000 km langen Eisenbahnstrecke. Mit gewohnter Sachkenntnis und mit vielen zeitgenössischen Bildern und Dokumenten schildert Manfred Pohl die Finanzierung und den Bau der Bagdadbahn vor dem politischen und ökonomischen Hintergund jener Zeit, die…mehr

Produktbeschreibung
Die Bagdadbahn war die Fortsetzung des von Wien nach Konstantinopel fahrenden Orientexpress. Am Ende des 19. Jahrhunderts planten deutsche Unternehmen die Verbindung von Konstantinopel nach Bagdad und Basra bis hin zum Persischen Golf. Am 4. Oktober 1888 erhielt die Deutsche Bank die erste Konzession für den Bau und den Betrieb dieser 3.000 km langen Eisenbahnstrecke. Mit gewohnter Sachkenntnis und mit vielen zeitgenössischen Bildern und Dokumenten schildert Manfred Pohl die Finanzierung und den Bau der Bagdadbahn vor dem politischen und ökonomischen Hintergund jener Zeit, die Auseinandersetzungen der europäischen Großmächte um ihre Interessenssphären und die andauernde öffentliche Diskussion über dieses Lieblingsprojekt von Kaiser Wilhelm II.
Autorenporträt
Prof. Dr. Manfred Pohl, geboren 1944, absolvierte eine Banklehre und studierte Geschichte, Germanistik und Volkswirtschaft. Seit 1972 leitet er das Historische Institut der Deutschen Bank, seit 1981 lehrt er an der Universität Frankfurt am Main. Auf seine Anregung hin wurden 1976 die "Gesellschaft für Unternehmensgeschichte" sowie 1997 die "Society of European Business History" gegründet. Er ist Initiator und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des im Jahr 2008 gegründeten Frankfurter Zukunftsrates.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.05.2000

Prestigeprojekt des deutschen Imperialismus
Die Finanzwelt vermochte die Begeisterung der Politiker über die Bagdadbahn nicht zu teilen

Manfred Pohl unter Mitarbeit von Angelika Raab-Rebentisch: Von Stambul nach Bagdad. Die Geschichte einer berühmten Eisenbahn. Piper Verlag, München 1999. 190 Seiten, 100 Abbildungen, 78,- Mark.

Im Januar 1899 geriet Adolf Freiherr Marschall von Bieberstein ins Schwärmen. Mit kräftigen Farben zeichnete der deutsche Botschafter in Konstantinopel, einer der gewichtigsten Diplomaten des Kaiserreichs, ein Zukunftsbild von Deutschlands künftiger Stellung "im Oriente": Der Hafen von Hidar-Pascha, auf der asiatischen Seite Konstantinopels gelegen, "dem zu erheblichem Theile auf deutschen Schiffen deutsche Waren zugeführt werden, um ins Innere des Landes geführt zu werden, die Bahnlinie von dort bis Bagdad ein deutsches Unternehmen, dass nur deutsches Material verwendet und zugleich für Güter und Personen die kürzeste Linie bildet aus dem Herzen Deutschlands nach seinen ostasiatischen Besitzungen" - das schienen in der Tat verlockende Aussichten zu sein. Jedenfalls stellte sich der Sachverhalt an der Schwelle zum 20. Jahrhundert so für die meisten Repräsentanten des Deutschen Reiches dar. Das gilt für die Vertreter fast aller politischen Parteien, darunter auch manchen Sozialdemokraten, für das Auswärtige Amt und das diplomatische Korps, für die Reichsleitung, allen voran für den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und späteren Reichskanzler Bernhard von Bülow, und nicht zuletzt für Wilhelm II.

Im Herbst des Jahres 1898 war der deutsche Kaiser und König von Preußen, zum zweiten Mal innerhalb von nur neun Jahren, an den Bosporus gereist, um dem türkischen Sultan, Abdul Hamid II., einen Besuch abzustatten. Neben anderen Zielen und Zwecken, wie beispielsweise der Einweihung der Erlöserkirche in Jerusalem, leitete Wilhelm II. dabei vor allem die Absicht, eines seiner weltpolitischen Lieblingsvorhaben ein gutes Stück voranzubringen.

Tatsächlich wurde am 23. Dezember 1899 zwischen dem Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Georg von Siemens, und dem türkischen Minister für Öffentliche Arbeiten, Zihni Pascha, der Vertrag über die Vorkonzession einer Eisenbahnlinie erteilt, die dereinst Berlin mit Bagdad beziehungsweise Hamburg mit Basra hätte verbinden sollen. Eine führende Rolle beim Bau der Bahn spielte übrigens die der Deutschen Bank nahe stehende "Philipp Holzmann & Cie.", welche Siemens über die türkischen Bahnbauten für Aufgaben dieser Art im Ausland "heranschulen" wollte.

Das alles ist jetzt in einer schönen Darstellung aus der Feder von Manfred Pohl nachzulesen, der als Leiter des Historischen Instituts der Deutschen Bank den Zugriff auf einen der wichtigsten Quellenbestände für die Aufarbeitung dieser Geschichte hat. Die Akten der Bank lassen keinen Zweifel, dass sich die deutsche Finanzwelt dem Vorhaben mit Zurückhaltung näherte. Schon als es 1888 darum ging, die Konzession zum Bau der Anatolischen Eisenbahn zu erwerben, die dann nach der Jahrhundertwende, eben als "Bagdadbahn", zum Persischen Golf weitergeführt werden sollte, ließen sich die Bankiers nur unter Bedingungen auf eine Beteiligung an dem Unternehmen ein. Die wichtigste bestand in der Rückendeckung durch die deutsche Politik, und tatsächlich wurde eine solche auch am 2. September 1888 signalisiert: Allerdings wies der deutsche Reichskanzler und preußische Minister der Auswärtigen Angelegenheiten (unter einem Briefkopf des Auswärtigen Amtes) auf die erheblichen Risiken "im Orient" hin. Und von vornherein ließ Otto von Bismarck keinen Zweifel aufkommen, dass die "darin für deutsches Kapital liegenden Gefahren . . . ausschließlich den Unternehmern zur Last fallen" würden.

Seinen Nachfolgern war nicht nur diese klare Sprache fremd; vielmehr entpuppten sie sich alsbald als die eigentlichen Protagonisten des Bahnunternehmens. Und weil die 1897 großspurig annoncierte deutsche "Weltpolitik", von bescheidenen Erfolgen abgesehen, wenig vorzuweisen hatte, entwickelte sich die Bagdadbahn zum wichtigsten Prestigeprojekt des deutschen Imperialismus. Dass die unerfahrene deutsche Außenpolitik damit in eine der sensibelsten und gefährlichsten Regionen der Welt vorstieß und geradezu zwangsläufig auf Kollisionskurs zum russischen und britischen Imperialismus geraten musste, nahm man sehenden Auges in Kauf.

Über die wirtschaftliche Rentabilität bestanden von Anfang an Zweifel. Gewiss, für die Deutsche Bank und andere Kreditinstitute haben sich die "Eisenbahnunternehmungen im Orient . . . finanziell gelohnt". So steuerte der türkische Staat alleine die stolze Summe von 170 Millionen Franc an Garantiezuschüssen bei. Langfristig profitabel wäre das Unternehmen allerdings nur dann gewesen, wenn die Bahn den Personen- und insbesondere den Postverkehr nach Indien hätte übernehmen können.

Dazu ist es bekanntlich, jedenfalls unter deutscher Leitung, nicht mehr gekommen. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die Bahn noch weit von ihrer Vollendung entfernt, und mit Kriegsende, das heißt insbesondere mit den einschlägigen Bestimmungen des Versailler Vertrages und der Auflösung des Osmanischen Reiches, war an eine unter deutscher Regie betriebene Eisenbahnlinie von Berlin nach Bagdad ohnehin nicht mehr zu denken. Erst am 15. Juli 1940, 36 Jahre nach dem ersten Spatenstich und mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Baubeginn der Anatolischen Eisenbahn, wurde der Bahnbau abgeschlossen, und zu diesem Zeitpunkt stand das Unternehmen bereits im Schatten der Konkurrenz durch andere Verkehrsmittel.

All das wird von Pohl anschaulich und zuverlässig dargestellt. Sein Bericht beschränkt sich indessen nicht auf die Eisenbahn, sondern wirft auch ein erhellendes Licht auf Bewässerungsvorhaben in den von der Bahn erschlossenen Gebieten, auf die anatolische Baumwollproduktion und das mesopotamische Erdöl und nicht zuletzt auf die in der deutschen Öffentlichkeit ventilierten Kolonisierungspläne für das Zweistromland. Und so zeigt der im Übrigen vorzüglich illustrierte Band auch, was die moderne Unternehmensgeschichte leisten kann und leisten muss, wenn sie eine breite Öffentlichkeit erreichen will.

GREGOR SCHÖLLGEN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Recht angetan zeigt sich Gregor Schöllgen von diesem Band und bescheinigt dem Autor, hier eine "anschauliche und zuverlässige" Darstellung vorgelegt zu haben. Dabei weist der Rezensent darauf hin, dass Pohl als Leiter des Historischen Instituts der Deutschen Bank Zugang zu wichtigen Quellen hatte. Schließlich habe die Deutsche Bank (neben Siemens und der "Philipp Holzmann & Cie.") eine entscheidende Rolle bei dem Eisenbahnprojekt gespielt. Begeistert gibt Schöllgen in kurzer Form die einzelnen Schritte bei der Planung und Entwicklung des Projekts wieder und weist dabei neben finanziellen Problemen auch auf die Risiken des Baus und die außenpolitischen Konflikte - so mit Russland und England - hin. Die Stärke des "vorzüglich illustrierten" Buchs liegt nach Ansicht des Rezensenten u. a. auch darin, dass sich der Autor nicht auf die Darstellung des Eisenbahnbaus beschränkt, sondern auch einen Blick auf die darüber hinausgehende wirtschaftliche Entwicklung im "Zweistromland" sowie auf die deutschen Kolonialisierungsvorhaben in der Region wirft.

© Perlentaucher Medien GmbH