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Sympathisch, aber etwas unbeholfen, gleicht Larry Weller einer Woody-Allen-Figur. Nach der Ehe mit der kessen Dorrie stolpert er in die nächste Verbindung mit der Feministin Beth. Als er schließlich bei Charlotte landet, ist er fast fünfzig und endlich in der Lage, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ein Roman "tiefgründig und verspielt... Mit köstlichem Sinn für das Absurde und scharfsinnigen Einblicken in die männliche Psyche." (The Daily Telegraph.)

Produktbeschreibung
Sympathisch, aber etwas unbeholfen, gleicht Larry Weller einer Woody-Allen-Figur. Nach der Ehe mit der kessen Dorrie stolpert er in die nächste Verbindung mit der Feministin Beth. Als er schließlich bei Charlotte landet, ist er fast fünfzig und endlich in der Lage, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ein Roman "tiefgründig und verspielt... Mit köstlichem Sinn für das Absurde und scharfsinnigen Einblicken in die männliche Psyche." (The Daily Telegraph.)
Autorenporträt
Carol Shields, geb. 1937 in Chicago, Illinois, übersiedelte 1957 nach Kanada. Sie veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten und Romane, die mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet wurden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2000

Wie man den Larry macht
Carol Shields virtuose Wiederbelebung des Entwicklungsromans

Bevor ich diesen Roman gelesen habe, hatte ich noch nie etwas von Carol Shields gehört. Die Kurzbiografie des Klappentextes meldete, dass sie 1937 in Chicago geboren war und seit 1957 in Kanada lebte. 1995 hatte sie für den Bestseller "The Stone Diaries" den Pulitzerpreis erhalten, und für "Alles über Larry" (im Original "Larry's Party) hatte sie zwei der höchstdotierten englischen Literaturpreise bekommen.

Die von Margarete Längsfeld übersetzte deutsche Version macht, wenn man sich auf den Klappentext, den Umschlag und all die weiteren kleinen Präsentationszeichen des Verlages verlässt, den Eindruck eines unterhaltsamen Romans, für den man leider keinen guten Titel gefunden hat. "Alles über Larry" ist, wie man nach der Lektüre merkt, zwar treffend. Ein Leser, der vom Buch aber nichts weiß, wird von dem Titel auf die falsche Fährte gelockt. Man denkt an Sommergeplauder, und in dieser Vermutung bestärkt einen der Klappentext, der meldet, dass es um Larry Weller gehen soll, einen jungen Floristen aus einem kanadischen Provinzstädtchen. Der Roman wird Larry von seinem siebenundzwanzigsten bis zu seinem siebenundvierzigsten Jahr begleiten, von 1977 bis 1997. Zwei Ehen und zwei Scheidungen stehen dem Leser bevor, nichts Besonderes.

Manchmal ist man die klassischen amerikanischen Mittelstandsgeschichten, die sich so gut in das Schema der Short Story pressen lassen, leid, all diese banalen Katastrophen, die sich in dürren Dialogen entfalten und uns Angestellte vorführen, die "es" nicht schaffen. Carol Shields scheint uns mit der Larry-Weller-Story genau eine solche Geschichte präsentieren zu wollen, zwanzig Kapitel aus dem Leben eines Menschen, der ein unauffälliges Leben führt und uns mit seinen Ehedramen langweilt. Dann aber kommt es ganz anders. Schon das erste Kapitel ("Fünfzehn Minuten im Leben des Larry Weller") macht den erwarteten Erzähltrott nicht mit. Carol Shields holt ihren unauffälligen Helden von der Straße, und während sie ihn vor unseren Augen in den scheinbar üblichen Unauffälligkeiten agieren lässt, beginnt sie, sein Leben auseinander zu nehmen. Schon auf den ersten Seiten haben wir es mit einer sezierenden, analytischen Erzählerin zu tun, die viel mehr zur Geschichte beiträgt als die erwartete kommentierende Erzählstimme.

Eine große Gescheitheit ist hier am Werk, eine sensible Wachheit, die den Pakt mit der klassischen Erzählmaschinerie gleich aufkündigt. Carol Shields versucht das Schwierigste überhaupt: Das Leben eines unauffälligen, kaum attraktiven Mannes so zu erzählen, dass es interessant wird, hoch interessant. Auch als Leser spürt man sofort, dass es um dieses gewagte Erzählprojekt geht. Schnell wird man daher zum Beobachter, zum skeptischen Voyeur. Wird sie es schaffen, fragt man sich, das Interesse an Larry Weller wach zu halten? Wie macht sie es, dass sich ihre lebenskluge Wachheit auf den Leser überträgt und man sich so glänzend unterhalten fühlt?

Zunächst versucht Carol Shields, die übliche Chronologie mehrfach zu unterlaufen. Die exakt datierten Kapitel werden zwar chronologisch aneinander gereiht, jedes Kapitel erhält aber ein Thema (etwa "Larrys Arbeit", "Larrys Wörter", "Larrys Penis", "Larrys Kind"), auf das hin Larry Wellers Lebensgeschichte durchforstet wird. Auf diese Weise wird die Geschichte mehrfach erzählt, in knappen Bildern oder szenisch so gerafft, dass ein und dasselbe Ereignis im sich laufend verändernden Erzählinteresse der Autorin eine neue Bedeutung erhält. Larrys Geschichte rollt zwar scheinbar geradlinig vor unseren Augen ab, wird aber währenddessen in virtuos eingesetzten Rück- und Vorausblenden auf ihre geheimen Strukturen hin befragt.

Auf unmerkliche Weise werden wir so mit Larry Weller vertraut. Wir lernen seine Eigenheiten begreifen, und wir fangen an, sie mit unseren Eigenheiten zu vergleichen. Allmählich entsteht so etwas wie ein geheimes Korrespondenzverhältnis zwischen Larry Weller und uns. Carol Shields gelingt das, weil sie ihrer Hauptfigur vor allem auch reflektierend nahe rückt. Jedes Kapitel enthält essayistisch erzählte Passagen, in denen es zum Beispiel um die Sprache, Männlichkeit, Sexualität oder andere große Themen geht. Der unauffällige Larry Weller wird durchleuchtet, und das Wunder geschieht: Langsam wächst er hinein in eine unverwechselbare Geschichte, und langsam wird diese Geschichte zu einem völlig zeitgemäßen und doch klassischen Entwicklungsroman.

Damit sich sein Charakter profilieren kann, bedarf Larrys Geschichte eines Themas, einer Fixierung. Zum Beruf des Floristen hat er eher zufällig gefunden, auf seiner Hochzeitsreise nach England macht er jedoch die für sein Leben entscheidende Entdeckung. Er verirrt sich im Gartenlabyrinth von Hampton Court, er entdeckt die Faszination der Irr- und Umwege. Zu Hause in Kanada setzt er sich dieser Obsession aus. Seine Ehe, sein Empfinden geraten unter den Druck eines Leitmotivs. Wir entdecken einen Menschen, der ein Lebensthema gefunden hat und in der Auseinandersetzung mit diesem Thema wächst.

Carol Shields erzählt diese Entwicklungsgeschichte, die zu nichts anderem als der Entdeckung der Schönheit führt, auf zwei Ebenen. Zum einen begleitet sie ihren erwachenden und verzauberten Helden, der den spießigen Muff seiner Mittelstandsrollen immer mehr hinter sich lässt, wie eine erstaunte ältere Freundin, die einfach Vergnügen und Freude findet an diesem jungen Autodidakten, der es zu einem eigenen Unternehmen und zu Millionen-Dollar-Projekten bringt. Zum anderen aber zieht sie den Leser in die Rolle des Beobachters, mit dem sich auf höherem Niveau über Larry Wellers Lebensanstrengungen sprechen lässt. Auf dieser höheren Ebene ist der Roman eine Art Labyrinth, ordnet die Erzählerin seine Segmente zu Bausteinen und Strukturen, um erst am Ende den großen Puzzle-Test - passen die Teile wirklich zusammen, geht das Konzept auf? - zu machen.

Diese Doppelstrategie macht die Lektüre reizvoll. Darüber hinaus aber entzündet sie sich an all dem zerstreuten historischen Material, das die Erzählerin beinahe wie eine empirische Soziologin dem Erzählstrom einverleibt hat. Denn an den Rändern der privaten Geschichten lagern sich die Segmente unseres Alltags, unserer Passionen und Beschäftigungen, ab. Filme, Musik, Bücher, Essen, Trinken - der Roman entwickelt im Blick auf seine Hauptfigur auch die Geschichten dieser Metiers, er zeigt, wie sie die privaten Geschichten steuern, antreiben oder umpolen. Das jeweils Modische übernimmt seine historische Rolle, kleidet die Personen ein, lässt sie für eine Weile einen bestimmten Jargon sprechen und entlässt sie wieder in die Freiheit.

Carol Shields ist eine zu gute Erzählerin, um diese Details die Hauptrolle spielen zu lassen. Im Vordergrund ihres virtuosen und mit großer Meisterschaft geschriebenen Romans stehen - wie in so vielen großen Romanen unserer Zeit - Themen, mit denen sich "der Roman" nach der Expertendiagnose unserer Postologen und Romanwissenschaftler gar nicht mehr beschäftigen dürfte. Es geht um das einzelne, unverwechselbare Subjekt, es geht nur um Larry Weller. Und doch geht es auch darum, zu beweisen, wie heute noch ein großer Gesellschafts- und Entwicklungsroman möglich ist. Carol Shields hat mit diesem Roman alle Expertendiagnosen widerlegt. In "Alles über Larry" zeigt sie, wie kluge Konzepte alte Erzählmuster zu neuem Leben erwecken.

HANS-JOSEF ORTHEIL

Carol Shields: "Alles über Larry". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Margarete Längsfeld. Piper Verlag, München 1999. 421 S., geb., 44,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hans-Josef Ortheil hat dieses Buch zunächst offenbar mit einiger Skepsis in die Hand genommen. Titel und Klappentext ließen ihn eine der "klassischen amerikanischen Mittelstandsgeschichten" vermuten, in der eine langweilige Geschichte über eine ebenso langweilige Person erzählt wird. Aber die Autorin hat ihn offenbar schnell eines Besseren belehrt. Mit "großer Gescheitheit" sei es Shields gelungen, das Leben des unauffälligen Larry zu einer höchst interessanten und fesselnden Geschichte zu formen. Dazu trägt nach Ortheils Ansicht nicht nur ihr analytisches Geschick bei, sondern auch die virtuosen Handhabung der Form. So folgt die Autorin zwar einerseits einer Chronologie, gleichzeitig wird das Leben des Larry auch nach thematischen Gesichtspunkten erzählt, wie der Rezensent feststellt. Das führe zwar zu Überschneidungen, aber gleichzeitig erhalten die Ereignisse seiner Ansicht nach immer wieder eine "neue Bedeutung". Das Erstaunliche dabei ist, so Ortheil, dass Larry dem Leser nach und nach immer näher rückt: "Wir fangen an, (seine Eigenheiten) mit unseren Eigenheiten zu vergleichen". Und Larry, der Langweiler, wird zunehmend unverwechselbar. Shields zeige in diesem "mit großer Meisterschaft geschriebenen Roman", dass "auch heute noch ein großer Gesellschafts- und Entwicklungsroman möglich ist".

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr