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Das erste Regierungsjahr der sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt war geprägt von der Ausgestaltung der Neuen Ostpolitik, den Vier-Mächte-Gesprächen über Berlin, der Neuausrichtung der Entwicklungspolitik, dem Reformbedarf bei der Bundeswehr, steuerpolitischen Konjunkturmaßnahmen und von Diskussionen über eine europ. polit. Zusammenarbeit sowie eine künftige Wirtschafts- und Währungsunion der Europäischen Gemeinschaften.

Produktbeschreibung
Das erste Regierungsjahr der sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt war geprägt von der Ausgestaltung der Neuen Ostpolitik, den Vier-Mächte-Gesprächen über Berlin, der Neuausrichtung der Entwicklungspolitik, dem Reformbedarf bei der Bundeswehr, steuerpolitischen Konjunkturmaßnahmen und von Diskussionen über eine europ. polit. Zusammenarbeit sowie eine künftige Wirtschafts- und Währungsunion der Europäischen Gemeinschaften.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rainer Blasius vermisst Konturen beim Lesen der vom Bundesarchiv herausgegebenen Kabinettsprotokolle aus dem Jahr 1970. Häufig vermag der Rezensent nicht zu entscheiden, worum es in den Sitzungen eigentlich geht, die den Protokollen zugrunde liegen. Zu dürftig sind die Inhalte, die sich meist nur auf die Erläuterung von Sachverhalten beschränken, die Diskussionen aber nicht wiedergeben, wie Blasius anmerkt. Auch die "exzellenten" Kommentierungen vermögen für ihn daran nichts zu ändern, außer, wenn, wie in Einzelfällen, die Sitzungsmitschriften erhalten geblieben sind. Immerhin: Brandts und Scheels "Neue Ostpolitik", finanzielle Unterstützungen für Bernhard Grzimek und den Frankfurter Zoo und das Contergan-Gesetz scheinen für Blasius in den Protokollen auf.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.02.2015

Ja, mach nur einen Plan . . .
Sei nur ein großes Licht: Kabinettsprotokolle der Bundesregierung vom Jahr 1970

Endlich sollte in Bonn am Rhein Politik "aus einem Guss" entstehen. Im Herbst 1969 hatten SPD und FDP ihre Koalition gebildet; der eine Parteichef, Willy Brandt, war Bundeskanzler, der andere, Walter Scheel, Bundesminister des Auswärtigen. Reformvorhaben auf allen Politikfeldern hatte Brandt angekündigt. Um die Realisierung kümmerte sich das zur Schaltzentrale erweiterte Kanzleramt, das dem Bundesminister für besondere Aufgaben Horst Ehmke (SPD) unterstand. Als Leiter des Planungsstabes wollte der vormalige Freiburger Staatsrechtsprofessor Ehmke seinen Kieler Kollegen Reimut Jochimsen gewinnen - was das Bundeskabinett am 14. Januar 1970 genehmigte. Ein halbes Jahr später wurde der Planungsstab unter Jochimsen zur Planungsabteilung aufgewertet.

Die Planer legten im Juli für das zweite Halbjahr ein innenpolitisches Schwerpunktprogramm vor zum Ausbau der inneren Sicherheit, zur Ausbildungsförderung, Hochschulreform, Mitbestimmung und Verwaltungsreform. Am 17. Dezember wurde im Kabinett nachgelegt und eine "Gesamtaufgabenplanung mit einem zeitlichen Horizont von zehn bis fünfzehn Jahren" vorgestellt. Aus dem Protokoll kann der Leser nicht entnehmen, um was es sich dabei handelte. Dies erklären die Bearbeiter in einer ihrer vielen kompetenten Anmerkungen: "Es war vorgesehen, dabei die sieben ressortübergreifenden Aufgabenschwerpunkte Lebensvorsorge, Strukturpolitik, Ordnungs- und Distributionspolitik, Technologie, staatliche Organisation, Friedenssicherung und Ressourcen in jeweils einer Arbeitsgruppe mit drei bis sechs Angehörigen der Bundesressorts und erforderlichenfalls ein bis zwei Vertretern der Länder zu bearbeiten." Wer noch mehr wissen will, wird auf Aktenbestände im Bundesarchiv verwiesen.

Im Jahr 1970 gestalteten Brandt und Scheel ihre "Neue Ostpolitik" mit Polen und mit der Sowjetunion. Brandt traf sich auch am 21. Mai mit dem Vorsitzenden des Ministerrates der DDR Willi Stoph zum Gespräch. Während es dort zu "Demonstrationen und Protestaktionen" kam, befasste sich in Bonn das Kabinett unter Scheels Vorsitz mit "Richtlinien für die Bezeichnung Deutschlands": Die Ressorts sollten dafür sorgen, dass die Bundesrepublik Deutschland mit dem im Grundgesetz festgelegten Namen, nicht aber mit "Deutschland" oder "BRD" zu bezeichnen sei; die Demarkationslinie zwischen beiden deutschen Staaten heiße künftig "Grenze zur DDR". Auf der weiteren Tagesordnung stand sogar ein "Verfügungsfonds" über 500 000 Mark für Professor Bernhard Grzimek, den Frankfurter Zoodirektor und Fernsehstar. Ihn hatte Brandt Ende 1969 zum Beauftragten für Angelegenheiten des Naturschutzes berufen.

Zur Vielzahl der 1970 behandelten Themen gehörten das Contergan-Entschädigungsgesetz, die Besoldungseinheit zwischen Bund und Ländern, die wegen seiner Mitwirkung an der nationalsozialistischen Judenverfolgung gescheiterte Kandidatur des FDP-Politikers Ernst Achenbach für den Posten eines EWG-Kommissars, die "Indiskretionen im Zusammenhang mit dem Bahr-Papier" (das Kabinett sah am 26. November davon ab, der Staatsanwaltschaft die Strafverfolgungsermächtigung gegen einige Journalisten zu erteilen).

Ehmke machte sich Gedanken um die Öffentlichkeitsarbeit. So entschied das Kabinett auf seinen Wunsch am 30. Juli, dass allen Kabinettsvorlagen "Waschzettel" beigefügt werden, "die eine Sprachregelung für Verlautbarungen des Bundespresseamtes enthalten". Vom 19. November an mussten die Protokollführer zusätzlich die Uhrzeit für die Beratung jedes einzelnen Tagesordnungspunktes erfassen. Am 17. Dezember informierte Brandt das Kabinett "kurz über den Stand der Vier-Mächte-Gespräche über Berlin", was zwei Minuten dauerte, während Scheel 25 Minuten brauchte, um über "aktuelle Entwicklungen bei den Europäischen Gemeinschaften" zu referieren! Das lässt sich jetzt leicht bestimmen - doch auch dadurch gewinnen die meist sehr dürftigen Inhalte nicht an Kontur. Selbst die exzellente Kommentierung stößt oft an ihre Grenzen, weil sie zwar Sachverhalte erläutern, nicht aber die Diskussion rekonstruieren kann. Hin und wieder ist dies möglich, wenn sich in Nachlässen der Protokollführer (so bei Ulrich Sahm) die Sitzungsmitschriften finden.

RAINER BLASIUS.

Bundesarchiv (Herausgeber): Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung. Band 23: 1970. Bearbeitet von Christine Fabian und Uta Rössel unter Mitwirkung von Walter Naasner und Christoph Seemann. Oldenbourg im Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2015. 672 S., 64,95 [Euro].

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