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Der Münchener Rechtsanwalt Max Hirschberg ist von Anfang an Anhänger der Weimarer Republik. Rasch wird er zum gesuchten Strafverteidiger, besonders in politischen Fällen. Als Jude und Demokrat schon in den 20er Jahren geschmäht, zählt er bereits 1933 zu den Verfolgten des NS-Regimes. Der engagierte Sozialdemokrat und Hitlergegner ist 1933 der erste prominente "Schutzhäftling" in München. 1934 sieht er sich schließlich gezwungen, in einer dramatischen Flucht über Italien nach New York ins Exil zu gehen. Seine ausführlich eingeleiteten und kommentierten Erinnerungen sind ein bewegendes…mehr

Produktbeschreibung
Der Münchener Rechtsanwalt Max Hirschberg ist von Anfang an Anhänger der Weimarer Republik. Rasch wird er zum gesuchten Strafverteidiger, besonders in politischen Fällen. Als Jude und Demokrat schon in den 20er Jahren geschmäht, zählt er bereits 1933 zu den Verfolgten des NS-Regimes. Der engagierte Sozialdemokrat und Hitlergegner ist 1933 der erste prominente "Schutzhäftling" in München. 1934 sieht er sich schließlich gezwungen, in einer dramatischen Flucht über Italien nach New York ins Exil zu gehen. Seine ausführlich eingeleiteten und kommentierten Erinnerungen sind ein bewegendes Zeitzeugnis. Das exemplarische Leben eines zu Unrecht vergessenen Demokraten und Hitlergegners bietet Anlass, darüber nachzudenken, welchen Aderlass die deutsche Kultur durch die Vertreibung und Ermordung der Juden erlitten hat.
Autorenporträt
Dr. Reinhard Weber, Jahrgang 1946, ist Historiker und war Archivoberrat am Staatsarchiv München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.04.2000

Möglichkeiten und Aufgaben
Max Hirschberg erinnert sich

Max Hirschberg: Jude und Demokrat. Erinnerungen eines Münchener Rechtsanwalts 1883 bis 1939. Bearbeitet von Reinhard Weber. Biographische Quellen zur Zeitgeschichte, Band 20. R. Oldenbourg Verlag, München 1998. 334 Seiten, 4 Abbildungen, 88,- Mark.

Die Weimarer Republik hat man mit Recht eine "Demokratie ohne Demokraten" genannt. Die deutschen Juden müssen sich hiervon jedoch gerade nicht angesprochen fühlen. Die Erinnerungen Max Hirschbergs unter die Überschrift "Jude und Demokrat" zu stellen ist demnach kein geringes Wagnis. Nur gründlichen Lesern erschließt sich, worauf der Titel Bezug nimmt: Wie sich Akten der bayerischen Justiz entnehmen lässt, sollte mit dem Diktum Stimmung gegen einen zunehmend lästigen Anwalt gemacht werden. Gleichviel, ob "schlimmes Wort" oder "unbestreitbare Ehrenerklärung" - Max Hirschberg hat mit der vorliegenden Edition sein verdientes Denkmal erhalten.

Aus einer der vielen jüdischen Aufsteigerfamilien stammend - der Vater hatte es vom Inhaber eines kleinen Modegeschäfts zum königlichen Kommerzienrat mit zweihundert Angestellten gebracht -, führte ein glänzendes juristisches Studium Hirschberg direkt in die Advokatur; die Aufnahme in den bayerischen Staatsdienst hatte man ihm seiner jüdischen Herkunft wegen erst gar nicht angeboten. Von Begeisterung konnte bei dem selbst ernannten "Durchschnittsanwalt" indes zunächst keine Rede sein. Erst der Weltkrieg mit seinen "mit heraushängenden Gedärmen im Stacheldraht verendeten" Kameraden und die brutale Liquidierung der Münchener Räterepublik lieferten dem musisch begabten Sonderling die "Wendung des Lebens vom Ästhetischen, in dem es nur Möglichkeiten gibt, zum Ethischen, in dem man Aufgaben erkennt".

Nimmermüder Einsatz.

Einen ersten Höhepunkt von Hirschbergs Tätigkeit bildete der Landesverratsprozess gegen Felix Fechenbach, einen engen Mitarbeiter Kurt Eisners, im Jahre 1922. Fechenbach hatte Dokumente über den Ausbruch des 1. Weltkrieges und die exzessiven deutschen Kriegsziele an ausländische Journalisten gegeben. Die von einem bayerischen Volksgericht unter Verstoß gegen alle rechtsstaatlichen Grundsätze verhängte Bestrafung erregte republikweites Aufsehen. Nur Hirschbergs nimmermüder Einsatz führte schließlich zu Fechenbachs Begnadigung und Freilassung; das Urteil selbst hat bis heute Bestand.

Von der Öffentlichkeit noch stärker wahrgenommen wurde der Dolchstoßprozess (1925). Hirschberg verteidigte die "Münchner Post", die eine Darstellung des "Dolchstoßes" als "Geschichtsfälschung" bezeichnet hatte, gegen den Vorwurf der "Pressebeleidigung". Der Prozess entwickelte sich zu einer spektakulären Geschichtswerkstatt, zu der Männer wie Noske, Groener und Scheidemann ihren Beitrag leisteten. Trotz einer geradezu erdrückenden Beweislage feierte Hirschberg am Ende nicht mehr als einen Achtungserfolg. Was nützte es da, dass Hirschberg sagen durfte, er habe sich "im Rahmen der damaligen Reife einer Anschauungen zu einer bedeutenden forensischen und rhetorischen Leistung erhoben"? Sie bescherte ihm nur einen prominenten Platz auf den Abschusslisten der Rechten.

Am Ende von Hirschbergs Tätigkeit stehen die sofortige Verhaftung durch die Nazis und die anschließende Flucht nach Italien und später in die Vereinigten Staaten. Bewundernswerterweise gelingt Hirschberg nebst dem vergötterten "Söhnchen" und seiner über alles geliebten Frau in jedem dieser Lebensabschnitte der Aufbau einer neuen respektablen Existenz. Sein Vaterland freilich hat er er nie wieder gesehen: Hoch angesehen stirbt Hirschberg 1964 im Alter von achtzig Jahren in New York.

Schnörkellos.

Hirschbergs Erinnerungen sind schnörkellos geschrieben und unterhaltsam zu lesen. Ein kritisches Selbstbewusstsein bestimmt ihren Ton. Seine Urteile - wenn etwa die Appeaser Chamberlain und Briand als "Esel" und Kaiser Wilhelm II. als "ungewöhnlich dummer Psychopath" bezeichnet werden - lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Andererseits steht die Unabhängigkeit des vermeintlichen Linken zu keiner Zeit in Frage: So zieht er etwa als Lehre der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Vaters zum Ende des Kaiserreiches: "Auch den Unternehmern und nicht bloß den Arbeitern" kann "das kapitalistische System schwere Qualen bereiten". Die Kommunisten kommen bei Hirschberg besonders schlecht weg: Sie "hetzen nur anständige Proletarier ins Verderben, ohne für die Arbeiterschaft etwas damit zu erreichen".

Begleitet werden Hirschbergs Ausführungen von den kundigen Anmerkungen Reinhard Webers. Der Einleitung hätte an den Stellen, an denen nur mehr Hirschbergs eigene Ausführungen zusammengefasst werden, eine straffere Fassung gut getan. Andererseits könnten die Kommentierungen im Text zuweilen ausführlicher sein. Napoleon I. hätte man als "Kaiser der Franzosen" ebenso wenig vorstellen müssen wie Goethe als Dichter des "Faust". Wirklich schwerwiegend ist all das aber nicht; wo die Anmerkungen helfen sollen, helfen sie.

Max Hirschberg, der mit Thomas Mann, Albert Einstein, Thomas Dehler und anderen Größen seiner Zeit verkehrte, ist wie viele seiner jüdischen Zeitgenossen heute praktisch vergessen. Dies ist in jedem Einzelfall mehr als nur ein "Kollateralschaden" der Hitler-Diktatur. Es ist ein Verlust, den Bücher wie das vorliegende nicht wieder gutmachen, sondern nur umso brutaler in Erinnerung rufen. Wer mehr über diesen gebildeten, weitsichtigen Mann und die bayerischen Verhältnisse der Zwischenkriegszeit erfahren will, kommt an seiner Lektüre nicht vorbei.

CORNELIUS SIMONS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Cornelius Simons nutzt die Besprechung vor allem, um den Lebensweg Max Hirschbergs zu skizzieren. Hirschberg, Sohn eines jüdischen Kommerzienrats, hatte sich in der Weimarer Republik als Rechtsanwalt einen Namen gemacht u.a. beim Landesverratsprozess gegen Felix Fechenbach, einem Mitarbeiter Kurt Eisners und beim `Dolchstossprozess`, in dem Hirschberg die `Münchner Post` gegen den Vorwurf der `Pressebeleidigung` verteidigte, nachdem sie eine Darstellung des `Dolchstosses` als "Geschichtsfälschung" bezeichnet hatte. Nach seiner Verhaftung durch die Nazis gelang Hirschberg die Flucht nach Italien und später in die USA, wo er 1964 starb. Seine Erinnerungen lobt Simons als "schnörkellos geschrieben und unterhaltsam zu lesen". Auch habe Hirschfeld eine äußerst klare Art sich auszudrücken - so nennt er etwa Kaiser Wilhelm II. einen `ungewöhnlich dummen Psychopathen`. Simons würdigt Hirschberg als "gebildeten, weitsichtigen Mann", der mit dieser Ausgabe sein "verdientes Denkmal erhalten" hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Hirschbergs Erinnerungen sind schnörkellos geschrieben und unterhaltsam zu lesen. ... Begleitet werden seine Ausführungen von den kundigen Anmerkungen Reinhard Webers." (FAZ, 26.4.2000)