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"Europa - braucht es das überhaupt?" "Warum wird uns alles aus Brüssel vorgegeben?" "Als wir noch die D-Mark hatten, war doch eh alles besser." So oder ähnlich hört man es, wenn Menschen sich über Europa unterhalten.
Der Kontinent findet keine Ruhe. Er driftet von Krise zu Krise. Zweifel an der Handlungsfähigkeit und Legitimation der Europäischen Union dominieren das allgemeine Bild. Die große Mehrheit der Europäer bekundet, dass man das alles nicht versteht. Die Orientierungslosigkeit ist zum eigentlichen Kern des Problems geworden. Die Baustelle Europa benötigt also nichts dringender als…mehr

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Produktbeschreibung
"Europa - braucht es das überhaupt?" "Warum wird uns alles aus Brüssel vorgegeben?" "Als wir noch die D-Mark hatten, war doch eh alles besser." So oder ähnlich hört man es, wenn Menschen sich über Europa unterhalten.

Der Kontinent findet keine Ruhe. Er driftet von Krise zu Krise. Zweifel an der Handlungsfähigkeit und Legitimation der Europäischen Union dominieren das allgemeine Bild. Die große Mehrheit der Europäer bekundet, dass man das alles nicht versteht. Die Orientierungslosigkeit ist zum eigentlichen Kern des Problems geworden. Die Baustelle Europa benötigt also nichts dringender als eine geistige Ordnung. Werner Weidenfeld gibt eine klare Antwort auf die Fragen und liefert mit dem Buch die leicht verständliche und strategische Antwort.
Autorenporträt
Dr. Dr. h. c. Werner Weidenfeld ist Professor für Politikwissenschaft und Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung (C.A.P.) am Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2014

Baustelle ohne Gerüst
Die Europäische Union erscheint vielen als komplexes und abstraktes Konstrukt

Werner Weidenfeld hat sich zeit seines beruflichen Lebens mit Aspekten der europäischen Integration befasst, sei es als Wissenschaftler, als Politikberater oder als Publizist. Es sei Konrad Adenauers europapolitischer Kurs gewesen, der sein Interesse an europäischen Dingen geweckt habe, schreibt er im ersten von sieben Kapiteln, in dem es um "Nachdenken" über die europäische Einigung geht. Diese sei zum großen Teil von politischen Führungspersönlichkeiten vorangetrieben worden. Neben dem ersten Bundeskanzler erwähnt Weidenfeld ausdrücklich auch Helmut Kohl, François Mitterrand und Jacques Delors. Sie alle hätten Europa als historische Herausforderung in einer Zeit begriffen, als der Einigungsprozess in Lethargie zu verfallen drohte.

Und da in Zeiten des Kalten Krieges die sicherheitspolitische Integration außer Reichweite lag, habe sich Kommissionspräsident Delors dazu entschlossen, dem lahmenden Integrationsprozess durch die Vergemeinschaftung der Wirtschaftspolitik neue Dynamik zu verleihen. Damit war der Weg zur Europäischen Union von Maastricht geebnet. Freilich sei es auch ihm nicht gelungen, seine eigene Strategie überzeugend zu erklären. Weidenfeld sieht Europa nach wie vor als Baustelle ohne Gerüst, ohne geistige Ordnung, ohne ein erkennbares politisches Ziel, ohne finalité politique also.

Damit markiert er eine von mehreren "Problemlagen" des Integrationsprozesses. Diesen der Öffentlichkeit zu erklären, habe die europäische politische Elite versäumt, statt dessen verzettele sie sich im Detail. Die Europäische Union erscheine daher immer noch als ein komplexes und abstraktes Konstrukt, das nationalen Populismus und Extremismus fördere, anstatt seine Potentiale zu betonen. Zu diesen zählt Weidenfeld die Kultur der Toleranz, die sich unter dem Dach der europäischen Einigung entwickelt habe und die in Zeiten wachsender globaler Interessenkonflikte ein strategischer Horizont sein könne. Doch anstatt diesen Trumpf zu spielen, verschanze sich die europäische Politik hinter Detailfragen. Dies zu überwinden erfordere strategisches Krisenmanagement, auch und gerade in Deutschland, wo die Parteien kontextlos geworden seien und in Bezug auf Europa politische Sprachlosigkeit herrsche.

Das Thema "europäische Integration" müsse wieder selbstverständlicher Teil der politischen Debatten werden. Nur so könne ein Beitrag zur Findung einer europäischen "Identität" geleistet werden. In diesem Zusammenhang gelte es, deren verschiedene Schichten zu betonen. So sieht Weidenfeld Europa als geographischen Begriff und normative Herausforderung zugleich, mit Ursprung in der griechischen Polis. Europa sei eine Kombination aus territorialer Expansion und kulturellen Werten, aus Auffassungen und normativen Elementen. Sodann müsse Europa als ein Kontinent der nationalstaatlichen Ordnung und der Minderheiten-Konflikte verstanden werden, in dem es bereits vier vergebliche Einigungsversuche gegeben habe, die mit den Schlagworten "Hegemonie", "Spaltung", "Balance" und "deutsches Sonderbewusstsein" definiert werden können. Die Aufklärung sei ein gesamteuropäisches Schlüsselereignis, daher könne europäische Identität nur aus dem Wissen um die Besonderheiten der politischen Kultur Europas erwachsen.

Überdies bedürfe der Einigungsprozess einer klaren "Legitimation". Auch hier sieht Weidenfeld eine Reihe von Defiziten, so in der Bevorzugung der kleinen Mitgliedstaaten gegenüber den größeren. Darunter leide mit dem Europäischen Parlament auch der größte Profiteur des - von der europäischen Öffentlichkeit weitgehend noch nicht wahrgenommenen - Machttransfers auf die europäische Ebene. Die degressiv-proportionale Repräsentation habe beispielsweise dazu geführt, dass auf 68 000 Einwohner Maltas ein Europaabgeordneter komme, während es im Falle Deutschlands 852 000 Einwohner seien. Solche Asymmetrien würden selbst von Experten kaum noch verstanden, was wiederum die Legitimation der EU mindere - und das in Zeiten drängender aktueller Probleme, für deren Lösung die Staaten allein zu klein seien, die mögliche Alternative EU hingegen noch unzureichend legitimiert.

Weidenfeld vermisst eine europäische "Führungskultur", besonders in Deutschland. Anstelle der Übernahme von strategischer Verantwortung und der Bereitstellung von Orientierungswissen herrsche hierzulande reflexartiger Multilateralismus. Die deutsche Außenpolitik werde deshalb als ziellos wahrgenommen, was wiederum das Anwachsen einer neuen Protestkultur in der bürgerlichen Mitte befördere. Europa könne die rettende Antwort auf die mit der Globalisierung verbundenen Fragen geben, es habe das Potential zur Weltmacht, wenn es sich nur als Strategiegemeinschaft begreife. Zunächst aber müsse die EU das bestehende Erklärungsdefizit minimieren. Nur wer die Deutungshoheit besitze, könne die Zukunft gewinnen.

Europa sei aufgrund seiner dramatischen Integrationsfortschritte der letzten 20 Jahre zu einem festen Bestandteil der weltpolitischen Machtarchitektur geworden, es müsse daher nun "Mitverantwortung" im Rahmen einer atlantischen Gemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika tragen. Dies sei durch fünf Veränderungen der internationalen Politik determiniert: (1) dem internationalen Terrorismus sowie (2) der medialen Globalisierung, während (3) die Vorstellung von nationaler Souveränität überholt sei und es (4) um die Suche nach neuen Antworten auf den Modernisierungsdruck gehe, würden sich (5) die Gewichte der einzelnen politischen Segmente verschieben. Die atlantische Gemeinschaft sollte sich nach Weidenfeld als Lerngemeinschaft begreifen, in der starke Führungspersönlichkeiten und strategische Köpfe Orientierung bieten müssten.

In seiner "Strategie-Idee" empfiehlt Weidenfeld konsequenterweise auch eine deutliche verbesserte Erklärung der Besonderheiten der Europäischen Union. Das bezieht er freilich weniger auf die Verbreitung von Detailwissen, das heute schon geradezu im Übermaß über die einschlägigen Websites der europäischen Institutionen abgerufen werden kann. Es geht ihm vielmehr um das Abstecken des Weges und des Ziels des europäische Integrationsprozesses. Letzteres könne durchaus in einer unterschiedlichen Staffelung der Integrationstiefe der einzelnen Mitgliedstaaten liegen.

Mit dieser Empfehlung greift Weidenfeld einen Vorschlag wieder auf, der vor zwei Jahrzehnten als "Schäuble-Lamers-Papier" bekannt wurde. Um dieses Ziel zu erreichen, bedürfe es indes der Führung und der Führungspersönlichkeiten. Ob hier der Sport auch eine integrative Wirkung entfalten kann, sei freilich dahingestellt, es sei denn, es werden europäische Mannschaften für die jeweiligen Wettkämpfe aufgestellt. Bis dahin dürfte es freilich noch ein langer Weg sein. Weidenfeld hat eine lesenswerte, mit Herzblut geschriebene Streitschrift vorgelegt, die zum Nachdenken anregt und deren Empfehlungen hoffentlich auch von jenen zur Kenntnis genommen werden, für die das Buch wohl eigentlich geschrieben wurde: die politischen Entscheidungsträger der Europäischen Union.

JÜRGEN ELVERT

Werner Weidenfeld: Europa. Eine Strategie. Kösel-Verlag, München 2014. 128 S., 12,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Werner Weidenfeld rollt in "Europa" die Debatte der vergangenen Jahrzehnte noch einmal auf, berichtet Jürgen Elvert und fasst sie ungefähr so zusammen: Die europäische Integration sei an das Streben nach einer normativen Vorstellung gebunden, die von den Führungen der Nationalstaaten nicht genügend exponiert werde, während zusätzlich das Demokratie-Defizit zu einer Legitimationskrise führe. Weidenfeld schlägt also vor, die normativen Besonderheiten der Europäischen Union stärker zu betonen, wie es schon ein zwanzig Jahre altes Papier von Schäuble und Lamers forderte, erinnert sich Elvert, nur will Weidenfeld die Regierungen hierbei stärker in die Verantwortung nehmen, so der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH
Werner Weidenfeld rollt in "Europa" die Debatte der vergangenen Jahrzehnte noch einmal auf, berichtet Jürgen Elvert und fasst sie ungefähr so zusammen: Die europäische Integration sei an das Streben nach einer normativen Vorstellung gebunden, die von den Führungen der Nationalstaaten nicht genügend exponiert werde, während zusätzlich das Demokratie-Defizit zu einer Legitimationskrise führe. Weidenfeld schlägt also vor, die normativen Besonderheiten der Europäischen Union stärker zu betonen, wie es schon ein zwanzig Jahre altes Papier von Schäuble und Lamers forderte, erinnert sich Elvert, nur will Weidenfeld die Regierungen hierbei stärker in die Verantwortung nehmen, so der Rezensent.

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