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Unter besonderer Berücksichtigung der historischen Rahmenbedingungen zeichnet die Untersuchung Leben und Wirken eines der bedeutendsten deutschen Juristen des zwanzigsten Jahrhunderts nach. Im Mittelpunkt der Forschungen steht eine umfassende Auswertung des bis 1990 geheimen SED-Parteiarchivs. So bietet diese Biographie zugleich aufschlußreiche Einblicke in die Machtzentrale ostdeutscher Politik während einer der aufregendsten Epochen deutscher Geschichte. 1933 als Jude aus Deutschland ins sowjetische Exil getrieben, beginnt Polak seine Laufbahn 1946 in Berlin als Leiter der KPD-Abteilung für…mehr

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Produktbeschreibung
Unter besonderer Berücksichtigung der historischen Rahmenbedingungen zeichnet die Untersuchung Leben und Wirken eines der bedeutendsten deutschen Juristen des zwanzigsten Jahrhunderts nach. Im Mittelpunkt der Forschungen steht eine umfassende Auswertung des bis 1990 geheimen SED-Parteiarchivs. So bietet diese Biographie zugleich aufschlußreiche Einblicke in die Machtzentrale ostdeutscher Politik während einer der aufregendsten Epochen deutscher Geschichte. 1933 als Jude aus Deutschland ins sowjetische Exil getrieben, beginnt Polak seine Laufbahn 1946 in Berlin als Leiter der KPD-Abteilung für Justiz. Seine Weichenstellungen sichern in den entscheidenden Aufbaujahren die justizpolitische Überlegenheit der KPD/SED. Zugleich zieht er in seinem wissenschaftlichen Werk aus marxistischer Sicht die Lehren aus der Katastrophe des Nationalsozialismus. Überragende Bedeutung erlangen seine staatstheoretischen Arbeiten bei seinem Entwurf der ersten DDR-Verfassung. Als rechtspolitischer Berater Ulbrichts liefert er mit seiner Rechtskonzeption in den fünfziger Jahren das theoretische Korsett für die Gestaltung der Rechtswissenschaft nach Ulbrichts Bedürfnissen. Beispielhaft hierfür steht 1958 die Babelsberger Konferenz, deren Ergebnisse Polak mit unerbittlicher Besessenheit durchsetzt. 1960 belohnt Ulbricht Polaks Treue, indem er ihn zum Mitglied des Staatsrates ernennt, dessen Konzeption Polak bereits vier Jahre zuvor entwickelt hatte. Als Polak 1963 stirbt, verliert die DDR ihren einflußreichsten, aber auch umstrittensten Rechtsgestalter.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Peter Jochen Winters begrüßt die erste "wissenschaftliche" Lebensbeschreibung des bis 1989 im Westen "nahezu unbekannten" Karl Polak, der zwischen 1946 und 1963 die Rechtspolitik der DDR maßgeblich geprägt und beeinflusst hat. Der Rezensent lobt Autor Marcus Howe für das genaue Bild, das er von Polak zeichnet, wobei Howe nicht nur dessen Lebensgeschichte, sondern auch ein Stück "ostdeutscher Rechtspolitik" schildert, wie Winters anerkennend bemerkt. Dabei bedauert er es, dass trotz des enormen Quellenreichtums, der in diese Arbeit eingegangen ist, der persönliche Nachlass des Juristen für den Autor nicht zugänglich war. Deshalb bleibe zum Beispiel die interessante Frage ungeklärt, warum Polak 1933 überhaupt in die Sowjetunion emigriert sei, obwohl er zu der Zeit gar kein Kommunist war. Ansonsten aber hat der Rezensent nichts zu bemängeln und lobt Winters ausdrücklich für seine "detailreiche, informative" Studie.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.06.2002

Recht als Werkzeug der Partei
Karl Polak war bis 1963 der juristische Vordenker der SED

Marcus Howe: Karl Polak. Parteijurist unter Ulbricht. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2002. 332 Seiten, 59,- Euro.

Karl Polak (1905-1963), der "Kronjurist" der SED, Protegé Walter Ulbrichts und dessen Berater in Fragen der Organisation des Staates und des Rechts, war zwischen seiner Rückkehr nach Deutschland 1946 und seinem frühen Tod einer der führenden Köpfe der theoretischen Grundlegung der "antifaschistisch-demokratischen Umwälzung" in der sowjetischen Besatzungszone und des "Aufbaus des Sozialismus" in der DDR. Seine Domäne waren Theorie und Wissenschaft, nicht politisches Handeln. Er verstand sich als Denker, nicht als Täter, obwohl er von seinem Schreibtisch aus der Kulisse heraus beherrschenden Einfluß auf die Entwicklung der staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse im sowjetisch beherrschten Teil Deutschlands mit all ihren verheerenden Folgen für die dort lebenden Menschen nahm.

Im Westen war Polak bis zur Wende in der DDR nahezu unbekannt. Lediglich einige DDR-Experten wußten etwas über Leben und Werk dieses Mannes, der als Jude seine soeben begonnene wissenschaftliche Karriere nach 1933 in Deutschland nicht fortsetzen konnte und - obwohl damals kein Kommunist - in die Sowjetunion emigrierte. Marcus Howe hat nun die erste wissenschaftliche Biographie Polaks vorgelegt. Dabei beschreibt er nicht nur Leben und Wirken des Viehhändlersohnes aus Westerstede im Ammerland, der sich zu "einem der bedeutendsten deutschen Juristen des zwanzigsten Jahrhunderts" entwickelt habe, sondern zeichnet zugleich ein aufschlußreiches Bild ostdeutscher Rechtspolitik zwischen 1946 und 1963. Der Autor stützt sich dabei auf umfangreiche Forschungen im Parteiarchiv der SED, den Unterlagen der Abteilung Staat und Recht beim Zentralkomitee der SED, deren Mitarbeiter Polak bis zu seinem Tod war, sowie in den einschlägigen Aktenbeständen des Justizministeriums, des Staatsrates und der Volkskammer der DDR. Eine der möglicherweise wichtigsten Quellen blieb ihm jedoch verschlossen: Polaks Nachlaß. Der wird von Karl-Heinz Schöneburg gehütet, von 1956 bis 1972 Professor an der von Polak mitbegründeten Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften Potsdam-Babelsberg und ab 1993 einige Jahre Richter des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg.

Die Rolle Wyschinskys

So konnte Howe nicht zweifelsfrei klären, warum Polak, der nach seiner Entlassung aus dem Referendardienst 1933 noch von dem Rechts- und Staatsphilosophen Erik Wolf an der Universität Freiburg promoviert wurde, dann ausgerechnet in die Sowjetunion emigrierte. Offiziell trat Polak erst 1946 in die KPD ein, für die er laut Howe im Oktober 1944 noch ein "unbeschriebenes Blatt" gewesen war, die ihn aber bereits im März 1946 als Leiter der Ulbricht zugeordneten Abteilung Justiz ihres Zentralsekretariats einstellte. Howe kann es nicht belegen, aber es ist sehr wahrscheinlich, daß Andrej Wyschinsky, damals stellvertretender Außenminister und politischer Berater der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland, seine Hände im Spiel gehabt hat. Wyschinsky, berüchtigter Generalstaatsanwalt bei den Moskauer Schauprozessen der dreißiger Jahre, Symbolfigur stalinistischen Terrors und führender Rechtstheoretiker Stalins, leitete das Rechtsinstitut der Akademie der Wissenschaften der Sowjetunion, in dem Polak arbeitete. Geht man von dem Nachruf aus, den Polak 1955 auf Wyschinsky als "größten Rechtsdenker aller Zeiten" veröffentlichte, muß das Verhältnis zwischen den beiden sehr eng gewesen sein.

Neben seiner Tätigkeit als Leiter der Abteilung Justiz beim Zentralsekretariat der KPD und später der SED, die er durch personalpolitische und organisatorische Maßnahmen zur Machtzentrale des ostdeutschen Rechtswesens ausbaute, wurde Polak immer mehr zum juristischen Vordenker der SED, zum "Chefideologen", dessen Ziel es war, das Recht und den Staat zu Werkzeugen der Machtpolitik der Partei zu machen. Im Widerspruch zu allem, was er bei Erik Wolf gelernt hatte, bestritt er, daß Recht, Gerechtigkeit, Menschenrechte Ziel und Maßstab aller Politik zu sein hätten. Er verabschiedete sich vom Naturrechtsdenken, dem Prinzip der Gewaltenteilung und der Verwaltungsgerichtsbarkeit. So wurden bei ihm Recht und Staat zu Hebeln und Instrumenten der marxistisch-leninistischen SED, zur Durchsetzung der "Gesetzmäßigkeit" der gesellschaftlichen Entwicklung. Ausführlich schildert Howe den maßgeblichen Einfluß, den Polak auf die Ausarbeitung der ersten Verfassung der DDR von 1949 hatte, indem er die Hülle der Weimarer Reichsverfassung mit neuen Prinzipien füllte, die die für ganz Deutschland gedachte Verfassung zu einer Etappe auf dem Weg zum Sozialismus machten.

Ulbricht der Retter

Von 1949 an war Polak als Professor in Leipzig tätig, wobei er bei der Ausarbeitung einer marxistischen Staatslehre die Grundlagen seiner klassisch-philosophischen Bildung mit marxistisch-leninistischen "Offenbarungen" zu verbinden versuchte. Als Jude, der fanatisch-stalinistischen Studenten gar als "Parteifeind" erschien, wurde er heftig attackiert, erlitt einen Nervenzusammenbruch und beendete 1951 seine akademische Laufbahn. Ulbricht rettete ihn, machte ihn zum wissenschaftlichen Mitarbeiter der Justiz-Abteilung beim ZK der SED und ließ ihn zur Bewährung einige Jahre Agitation und Propaganda gegen den Westen betreiben. 1956 wurde Polak durch seinen spitzbärtigen Mentor, der ihn als treuergebenen, persönlichen rechtspolitischen Berater an sich gebunden hatte, an der geheimgehaltenen Vorbereitung einer sozialistischen Reformverfassung beteiligt, in deren Mittelpunkt die von Polak vorgeschlagene Einführung eines Staatsrates stand. Wegen der von Moskau ausgehenden "Entstalinisierung" wurde das Projekt jedoch zurückgestellt. Statt dessen betrieb Polak als Mitglied des Ständigen Ausschusses der Volkskammer für die örtlichen Volksvertretungen die Durchsetzung des "demokratischen Zentralismus" in Staat, Recht und Wirtschaft mittels Gesetzen.

Als "Vater" der berüchtigten Babelsberger Konferenz von 1958 ist Polak in die Rechtsgeschichte der DDR eingegangen. Er war der Autor der dort von Ulbricht gehaltenen Rede "Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus und ihre Anwendung auf Deutschland", die nach einer Treibjagd auf Andersdenkende zur Durchsetzung marxistisch-leninistischen Rechtsdenkens und zur Gleichschaltung der Rechtswissenschaft in der DDR führte. Eine Kommission für Staats- und Rechtswissenschaft beim Politbüro der SED, deren Sekretär und führender Kopf Polak wurde, sorgte für die Umsetzung. In dem Buch "Zur Dialektik der Staatslehre" hat Polak seine Rechtskonzeption 1959 dargelegt. 1960 erreichte er den Höhepunkt seiner Karriere: Ulbricht berief ihn zum Mitglied des Staatsrates, des nach dem Tod von Pieck gebildeten, von Polak schon 1956 konzipierten "kollektiven Staatsoberhaupts". Den Vorsitz übernahm Ulbricht, nun unumstrittener Partei- und Staatschef der DDR. Polak sei der Mann gewesen, den Ulbricht zur Sicherung seines Einflusses auf juristischem Gebiet benötigt habe, schreibt Howe in seiner detailreichen, informativen Untersuchung.

PETER JOCHEN WINTERS

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