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Nie zuvor ist über Computerspiele so klug und unterhaltsam geschrieben worden: Eine Entdeckungsreise in die seltsame Welt der elektronischen Spiele Computerspiele waren über Jahrzehnte der Inbegriff purer Zeitverschwendung: Wer sich in digitalen Labyrinthen und Katakomben herumtrieb, verabscheute Frischluft, hatte keine Freunde und verdarb sich mit Monsterjagd und Punktesammeln das Gehirn. Inzwischen ist das anders.In den Rechnern, die lange nur als Wunschmaschinen für lichtscheue Jungs galten, sind blühende Landschaften und ganze Kontinente herangereift. Die wirkliche Erde erscheint dagegen…mehr

Produktbeschreibung
Nie zuvor ist über Computerspiele so klug und unterhaltsam geschrieben worden: Eine Entdeckungsreise in die seltsame Welt der elektronischen Spiele Computerspiele waren über Jahrzehnte der Inbegriff purer Zeitverschwendung: Wer sich in digitalen Labyrinthen und Katakomben herumtrieb, verabscheute Frischluft, hatte keine Freunde und verdarb sich mit Monsterjagd und Punktesammeln das Gehirn. Inzwischen ist das anders.In den Rechnern, die lange nur als Wunschmaschinen für lichtscheue Jungs galten, sind blühende Landschaften und ganze Kontinente herangereift. Die wirkliche Erde erscheint dagegen heute fast so verbraucht wie ein altes Telespiel, das ein paarmal zu oft durchgespielt wurde. Wenn irgendwo noch Neuland zu besiedeln und unberührte Erde zu betreten ist, dann im Zauberreich hinter dem Monitor. Hier finden alle durch die Geschichte spukenden Utopien und Menschheitsträume eine neue Heimat. Aber auch die elektronischen Eldorados verwandeln sich, wie das Beispiel Second Life zeigt, in Rekordgeschwindigkeit in zertrampeltes Ödland. Es ist also längst nicht alles neu in der schönen neuen Spielewelt.Dieses Buch ist das Protokoll einer Entdeckungsfahrt: Andreas Rosenfelder erkundet die aufstrebende Kulturindustrie der Computerspiele, die im Begriff ist, Hollywood in den Schatten zu stellen. Er beschreibt, wie aus pixeligen Miniaturwelten grenzenlose Universen und aus Programmierern Weltschöpfer wurden - und wie die Spiele als neues Gesamtkunstwerk sämtliche Stoffe der abendländischen Kulturgeschichte in sich aufsaugen. Unterhaltsam und klug erzählt er von der verführenden Schönheit der künstlichen Paradiese, erklärt aber auch, warum diese oft viel mehr mit dem preußischen Beamtenstaat zu tun haben als mit den Opiumhöhlen des neunzehnten Jahrhunderts. Und nicht zuletzt besucht Rosenfelder die über den Globus verstreuten Schauplätze der Spielekultur: Entwicklerstudios in der Ukraine, E-Sport-Olympiaden auf italienischen Formel-1-Strecken und Gamer-Expeditionen
an die historischen Strände der Normandie.
Autorenporträt
Andreas Rosenfelder, geboren 1975, hat Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaften in Köln studiert, war fünf Jahre lang Mitarbeiter der FAZ und arbeitet seit Februar 2007 als Kulturredakteur bei _Vanity Fair. B_esonders gerne beschäftigt er sich mit Parallelwelten jeder Natur.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.06.2008

Playstation mit Proust
Eine Abart von Büroarbeit: Andreas Rosenfelder führt durch die Welt der Computerspiele
Mit dem letzten Satz des Buches über „Digitale Paradiese” sucht der Autor Trost in einer Binsenweisheit: „Denn wir werden den sonderbaren und verzauberten Zweitglobus der digitalen Welt niemals mit der echten Welt verwechseln.” Nein, nein und nochmals nein. Das wusste Baudrillard schon vor zwanzig Jahren besser. Treten wir beim Telefonieren oder Radiohören in einen Zweitglobus ein? Nein. Die Unterscheidung zwischen einer wahren und einer falschen Welt war und ist künstlich. So wie wir uns von einem Telefonanruf aus einer Unterhaltung reißen lassen, oder die Online-Auktion auf dem Terminkalender ihren Platz findet, werden auch die Spiele in das Leben eindringen und ungefragt ihren Platz einnehmen. Virtuelle Gildenkriege haben schon längst ihre Opfer in der sogenannten Wirklichkeit gefordert.
Warum sich also lang mit der Sorge aufhalten, die Spiele könnten die Welt verändern? Selbstverständlich werden sie das tun, wie andere Kulturtechniken vor ihnen auch.
Zumal Andreas Rosenfelders sehr persönlich geschilderte Erfahrungen in Spielwelten und mit Spielern deutlich machen, dass das Leben mit dem Computergames weder wirklich schrecklich, noch auch überwältigend schön sein muss. Die seltsamste Figur in seinem Streifzug ist jemand, den es eigentlich nicht mehr geben muss – der Leser. Mit einem etwas verkrampften Bildungswillen versucht der Autor, jene merkwürdige Zielgruppe zu erreichen, die die Lesenden in der Welt der Spielenden nun einmal sind. Um sich mit dieser Spezies Mensch zu versöhnen, hält er sich mit Hinweisen auf eigene vergangene Leseleistungen nicht zurück. Deshalb begegnet uns Marcel Proust schon auf Textseite vier. Warum? Weil er „In Swanns Welt” an Bushaltestellen gelesen hat, „manchmal sogar im Stehen”. Ja, so dringend war das.
Und Heidegger? Weil er keine Spielkonsolen um sich geduldet hätte, als „Auswüchse höchster Seinsvergessenheit.” Eine etwas genauere Lektüre von „Die Technik und die Kehre” könnte diese Annahme schnell korrigieren. Aber genau ist ohnehin kaum eine der kulturhistorischen Beigaben aus seligen Seminarzeiten, mit denen uns der Autor am laufenden Band versorgt. Die Namen Charles Baudelaire, Carl Schmitt, Heinrich von Kleist, Robert Musil, Karl Marx, Theodor Adorno, Marshall McLuhan und Friedrich Kittler tauchen exakt da auf, wo die zugehörigen Stichworte fallen, ohne unbedingt weiterführende Gedanken von Tiefe anzuregen. Es handelt sich um Verzierungen.
Es passt ins Bild, dass der Autor zwar die Klassiker der Geistesgeschichte plündert, sich aber mit neueren Studien zu Computerspielen kaum abgibt. Allen voran hätte die Lektüre von Claus Pias’ Dissertation „Computerspielwelten” der Darstellung historischer Zusammenhänge gut getan. Johan Huizinga, ein Klassiker zur Theorie des Spiels, findet keine Erwähnung, eben so wenig die Standardwerke von Sherry Turkle und Henry Jenkins über digitale Kultur oder die einschlägige Studie von Edward Castronova zur Ökonomie der Online-Games.
Statt dessen führt uns das Buch auf einer zusehends ermüdenden Reise von einem Spiel zum anderen. Die Reihenfolge scheint nicht wirklich einem übergeordneten Prinzip zu folgen. Ein historischer Überblick über Entwicklungen und Genres wird nur bruchstückhaft vermittelt. Die gesamte Kultur der Modifikationen, also der von Spielern programmierten Spiel-Varianten, wird übergangen. So kommt Counterstrike zwar ausführlich zur Sprache, aber nicht die Tatsache, dass es als Variante des Klassikers Halflife entstand. Wenig erfährt man zur Größe der Marktes, zur Ökonomie der Spielehersteller oder gar zur Ökonomie in Spielen, von virtuellem Geld bis zum heranreifenden In-Game-Werbemarkt.
Spannend wird das Buch dort, wo es ins Genre der Reportage hinüber gleitet. Um etwa von einem Entwickler in Kiew, einem E-Sport-Turnier, vom dem Leben eines professionellen Spielers oder von den Erfahrungen einer Counterstrike-Kämpferin zu berichten. Recherchen dieser Art hätte man sich mehr gewünscht. Stoff dafür gibt es genug.
Verbotener Geldersatz
Was geschieht, wenn Games mit sozialen Netzwerken wie Facebook verschmelzen? Wie kommt es, dass ausgerechnet in Korea die Spiele so fest verankert sind? Was hat es mit den QQ-Coins auf sich, die die chinesische Regierung als Geldersatz verbieten musste? Was bedeutet es, wenn Filme - sogenannte Machinima - mit Game-Engines hergestellt werden? Gehen wir auf eine Aufteilung von passiven Zuschauern und aktiven Spielern zu? Was heißt es, wenn Spieler sich vor eine Wand stellen, um von allen Funktionen des Spiels ausschließlich den Telefonkanal Teamspeak zu nutzen? Wie sehen die Betriebe aus, in denen in immaterieller Drecksarbeit virtuelle Spielgegenstände hergestellt werden?
Was also tun mit diesem Buch, das versucht, den Leser in die schreckliche Schönheit der Computerspiele, so der Untertitel, einzuführen? Mein Neffe, 18, World of Warcraft Maximal-Level 70, hat sich über die Aussage mokiert, sein Spiel sei eine Abart von Büroarbeit. Dabei ist diese eine der klügsten Erkenntnisse im Buch. Ansonsten vermittelt es leider viel lückenhaftes Halbwissen, mit Halbbildung angereichert. Die Mängel macht Rosenfelder durch seinen persönlichen Zugriff wett. Der Autor schreibt nicht aus akademischer Ferne über irgendetwas, das er sich angelesen hat. Man merkt, dass er erst Leser war, dann Spieler wurde und aus dieser Erfahrung schreibt. Als Einführung in die Welt der Games wird man nicht ohne weiteres eine leichtere und bessere Lektüre finden. STEFAN HEIDENREICH
ANDREAS ROSENFELDER: Digitale Paradiese. Von der schrecklichen Schönheit der Computerspiele. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln. 2008. 192 Seiten. 8,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als Einführung in die Spiele-Welt taugt das Buch durchaus, findet Stefan Heidenreich und meint vor allem den persönlichen Zugang des Autors, Andreas Rosenfelders Sozialisation als Leser und Spieler. Was Heidenreich vermisst, die Erkenntnis, dass Spielen eine Kulturtechnik wie andere auch und also Teil der Welt ist, nebst einer Auswertung aktueller Studien zu Computerspielen, wird durch Rosenfelders kulturhistorische Streifzüge zu Baudelaire und Adorno allerdings leider nicht kompensiert. Laut Heidenreich jedenfalls führt das nicht weiter beziehungsweise in gedankliche Tiefe. Dass die Spielewelt und ihre Genres von Rosenfelder "bruchstückhaft" und ohne erkennbares Prinzip durchforstet wird und das Phänomen der Spiel-Varianten wie auch der Markt, die gesamte Ökonomie dahinter kaum Würdigung finden und Heidenreich das Buch dennoch empfehlen kann, verwundert. Sehr stark müssen die von ihm als spannend beurteilten reportageartigen Passagen sein über Spiele-Entwickler in Kiew und die Erfahrungen einer Counterstrikerin. Und eben jene, in denen der Autor aus eigener Erfahrung schreibt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Als Einführung in die Welt der Games wird man nicht ohne weiteres eine leichtere und bessere Lektüre finden." Süddeutsche Zeitung