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Der Schmerz traf ihn im Schlaf, wand sich den linken Arm hinauf, schnürte ihn ein und wurde erst durch den herbeigerufenen Notarzt gelindert. Danach: eine Reise durch Kliniken, Reha-Zentren und Orte der Vergangenheit - zurück ins Leben.
Was hier geschieht, ist ein Vorgang, der in den modernen Industrienationen zum menschlichen und medizinischen Alltag gehört. Anschaulich wird er aber erst, wenn ein Betroffener seine Geschichte erzählt. Und wer wäre dafür besser geeignet als einer der bekanntesten und beliebtesten deutschen Schriftsteller, der diese Erfahrung in seinem siebzigsten Lebensjahr…mehr

Produktbeschreibung
Der Schmerz traf ihn im Schlaf, wand sich den linken Arm hinauf, schnürte ihn ein und wurde erst durch den herbeigerufenen Notarzt gelindert. Danach: eine Reise durch Kliniken, Reha-Zentren und Orte der Vergangenheit - zurück ins Leben.

Was hier geschieht, ist ein Vorgang, der in den modernen Industrienationen zum menschlichen und medizinischen Alltag gehört. Anschaulich wird er aber erst, wenn ein Betroffener seine Geschichte erzählt. Und wer wäre dafür besser geeignet als einer der bekanntesten und beliebtesten deutschen Schriftsteller, der diese Erfahrung in seinem siebzigsten Lebensjahr machen musste?

Peter Härtling führt den Leser mitten hinein in den düsteren Moment, als sich ein Gitter über seine Brust legte und ihm den Atem raubte, und nimmt ihn mit in die Klinik, wo über sein weiteres Schicksal entschieden wird. Mit staunenden Augen und einem feinen Sinn für Humor beschreibt er die Auseinandersetzungen der behandelnden Ärzte, ihre rigiden Verhaltensvorschriften und seine sanfte Rebellion dagegen, das Wissen um die Anfälligkeit des Körpers und den unbezwingbaren Wunsch nach einer Fortführung des gewohnten Lebens. Die Sorge und Zuwendung der Angehörigen wird ebenso erfahrbar wie sein Bedürfnis, diese Erfahrung zu teilen. Die Hoffnung, sein Kindheitstrauma - den frühen Verlust des Vaters - zu überwinden, führt Peter Härtling schließlich zurück nach Zwettl, auf die Suche nach dem Grab seines Vaters.

Ein ergreifendes, zutiefst persönliches und dadurch exemplarisches Buch über eine Grenzerfahrung und eine Möglichkeit, mit ihr umzugehen.
Autorenporträt
Peter Härtling, geboren 1933 in Chemnitz, gestorben 2017 in Rüsselsheim, arbeitete zunächst als Redakteur bei Zeitungen und Zeitschriften. 1967 wurde er Cheflektor des S. Fischer Verlages in Frankfurt am Main und war dort von 1968 bis 1973 Sprecher der Geschäftsführung. Ab 1974 arbeitete er als freier Schriftsteller. Peter Härtling wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Hessischen Kulturpreis 2014 und dem Elisabeth-Langgässer-Preis 2015. Das gesamte literarische Werk des Autors ist lieferbar im Verlag Kiepenheuer & Witsch, zuletzt erschien sein Roman »Gedankenspieler« (2018).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.05.2006

Das Herz, ein Stein im Adernetz
Peter Härtling bekennt Todesangst und Lebensmut

"Der Tod beugt sich über mich", so beginnt das Zitat des schwedischen Dichters Thomas Tranströmer, das Peter Härtling seinem jüngsten Buch vorangestellt hat. Als vor einigen Jahren "Herzwand" erschien, kam der Patient mit dem Schrecken davon. Er nannte den Bericht von einer Untersuchung seines Herzens mit Hilfe eines "künstlichen Reptils", eines Katheters, "Mein Roman". Es war der Beginn von Peter Härtlings Autobiographie.

Diesmal ist es kein Roman, es ist ernst. Die Krise ist dramatisch. "Das Herz hängt wie ein Stein im Adernetz." Vorderwandinfarkt mit Lungenödem heißt die Diagnose. Ein Hirnschlag mit angstmachenden Folgen kommt hinzu. Der Doppelschlag läßt die "Wörter zu Brei" werden. Nachts kriecht die Angst bis zum Hals, bis zur Carotis hinauf und macht das Atmen schwer. Peter Härtling beobachtet seinen kritischen Zustand zwischen Tod und Leben mit professioneller Genauigkeit, er sieht sich von außen wie die Ärzte und Schwestern, deren Anordnungen er nur mit Mühe folgen kann. "Nun ja, der Stent wird dem Patienten das Leben etwas verlängern", hört er einen der Spezialisten sagen. Wie lange noch? möchte er fragen und weiß, daß es darauf keine Antwort gibt. Er solle sich schonen, heißt der ärztliche Rat. Aber wie soll sich einer schonen, der gewohnt ist, sich mitzuteilen? Der Verzicht auf die lebenslang gewohnte Droge Nikotin allein genügt nicht. Und fünf Liter am Tag trinken ist kaum erträglich ohne den liebgewordenen Wein als Stimulans.

Drei Worte von Robert Schumann, unmittelbar bevor er in die Endenicher Anstalt transportiert wurde, verstören den Patienten: "Ich habe aufgehört." Aber Peter Härtling hört nicht auf. Sobald das Schlimmste überstanden ist, setzt er sein Leben fort. Die geschenkte Zeit füllt er randvoll mit Schreiben, Reisen, Vorlesen, Diskutieren. Mit dem Windsbacher Chor geht er auf Tournee, es kostet ihn seine letzten Kräfte. Doch er genießt es, vertraute Menschen wiederzusehen und neuen zu begegnen. Er braucht das Echo, sein Publikum. Er schreibt, obwohl es ihm Mühe macht, die richtigen Tasten zu treffen. "Ich halte mich erzählend am Leben", aber die Furcht vor einem Zusammenbruch verläßt ihn dabei nicht mehr.

Seinem Vater, der nach dem Krieg in einem Gefangenenlager im österreichischen Waldviertel umkam, ist er in den Stunden wieder nahegekommen, als sein eigenes Ende nahe schien. In Zwettl will er noch einmal das Grab des Vaters suchen. Er braucht das Grab, um "ein Stück Kindertrauer nachzuholen". Den Verlust des Vaters hat er ebensowenig verwunden wie den Selbstmord der Mutter. Seine Lebenslinie führt an den Anfang zurück, eine dünne, mehrfach gebrochene zitternde Linie. Er weiß es.

MARIA FRISÉ.

Peter Härtling: "Die Lebenslinie". Eine Erfahrung. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005. 110 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Maria Frise stellt nach "Herzwand" den zweiten Teil von Peter Härtlings Autobiografie vor. Darin verarbeitet der Autor die Erfahrung eines Herzinfarkts gefolgt von einem Schlaganfall, wobei er sich danach intensiv um die Aufnahme seines gewohnten Schriftstellerlebens bemüht, wie die Rezensentin festhält. Sie scheint beeindruckt von der geschilderten Todesangst und stellt fest, dass Härtling mit den Erinnerungen an den in einem österreichischen Gefangenenlager umgekommenen Vater und die Mutter, die Selbstmord verübt hat, schreibend wieder an seinen Lebensanfang zurückkehrt. Den Verlust der Eltern hat er nie "verwunden", konstatiert Frise abschließend, die angetan wirkt, ohne sich zu expliziten Urteilen hinreißen zu lassen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Peter Härtling hat auf beeindruckende Weise schreibend wieder zu sich selbst gefunden. Ein Buch, das Mut macht [...].« Landshuter Zeitung