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In seiner fesselnden Analyse streicht Assmann heraus, wie Georg Friedrich Händel in seinem Oratorium "Israel in Egpyt" neue Wege ging: Es ist das einzige Oratorium in Händels Werk, das keine Person, sondern ein Volk zum Protagonisten hat. Assmann deckt die Parallelen von Händels Auswahl biblischer Texte zur jüdischen Pessach-Erzählung auf, in der ebenfalls nicht Mose, sondern das Volk Israel im Mittelpunkt steht. Dementsprechend hat Händel ein Oratorium konzipiert, das weitestgehend aus Chören und Doppel-Chören besteht. Nach Assmann traf Händels Werk zu Lebzeiten auf den Unwillen des…mehr

Produktbeschreibung
In seiner fesselnden Analyse streicht Assmann heraus, wie Georg Friedrich Händel in seinem Oratorium "Israel in Egpyt" neue Wege ging: Es ist das einzige Oratorium in Händels Werk, das keine Person, sondern ein Volk zum Protagonisten hat. Assmann deckt die Parallelen von Händels Auswahl biblischer Texte zur jüdischen Pessach-Erzählung auf, in der ebenfalls nicht Mose, sondern das Volk Israel im Mittelpunkt steht. Dementsprechend hat Händel ein Oratorium konzipiert, das weitestgehend aus Chören und Doppel-Chören besteht. Nach Assmann traf Händels Werk zu Lebzeiten auf den Unwillen des Publikums, sich auf eine solche innovative Konzeption einzulassen. Die Analyse des Autors ist ein Plädoyer, es für das 21. Jahrhundert neu zu entdecken.
Autorenporträt
Jan Assmann, geb. 1938, ist ein international bekannter deutscher Ägyptologe, Religionswissenschaftler und Kulturwissenschaftler. Er ist emerierter Professor der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und lehrt heute als Honorarprofessor der Universität Konstanz. Zahlreiche Veröffentlichungen im Bereich der Wissenschaft und für kulturell interessierte Zeitgenossen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit einer gelehrten Besprechung würdigt Paul Ingendaay Jan Assmanns Werk über Händels Oratorium "Israel in Egypt". Als wohltuendes "Gegengift" zum dekontextualisierten und enthistorisierten Musikgenuss erscheint dem Kritiker dieses Buch des Archäologen und Ägyptologen, der ebenso leidenschaftlich wie lehrreich in Händels Biografie einführt, den Kompositionsprozess und die Rezeptionsgeschichte beleuchtet, das gesamte Oratorium Stück für Stück präzise kommentiert und neben Notenbeispielen auch ein englisch-deutsches Libretto beifügt. Insbesondere aber lobt der Rezensent Assmanns Erläuterung des biblischen Fundaments, der er etwa entnimmt, das der Begriff des "Sublimen" bei Händel nicht nur ins achtzehnte Jahrhundert zurückführe, sondern vielmehr an das Vorbild des Buch Genesis gebunden sei. Dieses meisterhafte Werk, das mit Blick auf die nationale Grundstimmung, in der Händels Oratorium entstanden ist, auch über die Identifikation Englands mit dem Schicksal des Volkes Israels aufklärt, kann der Kritiker nur nachdrücklich empfehlen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.01.2016

Arien gab es nur als Zugeständnis
Alte Musik bitte nicht in Häppchen genießen: Jan Assmann führt exzellent durch Händels Oratorium "Israel in Egypt"

Das Oratorium "Israel in Egypt", komponiert 1737 und 1738, spielt unter Händels Vokalwerken eine Sonderrolle. Was Aufführungen betrifft, ist es nach dem "Messiah", dem ewigen Spitzenreiter, die Nummer zwei. Der Schallplattenmarkt jedoch entdeckte es erst spät, und kein Klassikfan wird Melodien aus "Israel in Egypt" pfeifen können. Das liegt daran, dass es darin kaum Arien gibt, und die wenigen vorhandenen hat Händel später hinzugefügt, um dem Publikumsgeschmack entgegenzukommen. Die wirklich kühne Konzeption des Werkes wurde dadurch gleichsam übermalt: den Chor - das Volk Israel - als alleinigen Protagonisten in den Mittelpunkt zu stellen. Der Chor erlebt, durchleidet und kommentiert; verständlich, dass gerade dieses Oratorium von der historischen Aufführungspraxis und einem verschlankten, transparenteren Chor profitiert.

Die zunächst enttäuschende Reaktion des Publikums mag allerdings etwas mit der komplizierten Entstehungsgeschichte von "Israel in Egypt" zu tun haben. Teil eins des dreiteiligen Werks ging nämlich aus einem Anthem, der englischen Psalm-Motette, für das Begräbnis von Königin Caroline hervor ("The Ways of Zion to Mourn") und wurde erst nachträglich - mit verändertem Text und unter dem Titel "The Lamentation of the Israelites for the Death of Joseph" - zum Auftakt des neuen Oratoriums erklärt. Oft wird er in Aufführungen und Einspielungen, auch in John Eliot Gardiners Live-Aufnahme von 1990, weggelassen. Teil zwei, "Exodus", besteht aus der dramatischen Schilderung der Plagen, die Gott den Ägyptern sandte, und der Flucht der Israeliten aus der ägyptischen Gefangenschaft. Teil drei wiederum, "Moses' Song", in dem die neugewonnene Freiheit besungen wird, entstand als Erstes. Wie wenige andere Vokalwerke ist "Israel" ein Beispiel für Händels Kompositionstechnik nach Umständen und Gelegenheiten. Dass die drei Teile in umgekehrter Reihenfolge entstanden, dass ein ursprünglich für einen anderen Anlass komponierter Teil umgewidmet wurde oder auch auffallend viel Material anderer Komponisten zitiert, modernisiert und kreativ angeeignet wird, all das hat Händel nicht gestört und den Stolz auf seine Schöpfung nicht geschmälert.

Verdrossen war er jedoch über die kühle Reaktion am Premierentag, dem 4. April 1739, an dem er zugleich ein neues Orgelkonzert uraufführte. Die Einwände der Zuhörer betrafen nicht nur die Dominanz des Chors und das Fehlen vokaler Akrobatik, sondern auch die Verwendung biblischer Texte in einem weltlichen Unterhaltungskontext. Dieser Konflikt zielte ins Zentrum von Händels eigenem schöpferischem Kampf, denn genau in diesem Jahrzehnt schloss er die lange Phase seiner italienisch inspirierten Opernproduktion ab und schuf die ersten englischen Oratorien. Das Jahr 1738, in dem "Saul" und "Israel in Egypt" entstanden, markiert einen Höhepunkt von Händels Ansehen und Schaffenskraft. Doch was letzteres Werk betrifft, stritten sich Fürsprecher und Gegner vom ersten Tag an in den Zeitungen.

Die dritte Aufführung wurde vom Prince of Wales und seiner Gemahlin besucht. Ein zeitgenössischer Musikliebhaber, der dem Ereignis beiwohnte, mahnte in einem Brief in der "Daily Post", unbedingt vorher die Bibel zu studieren, um in den vollen Genuss des Oratoriums zu kommen. "Bei dieser Gelegenheit", schrieb der anonyme Autor, "sollte das Theater mit größerer Ehrerbietung betreten werden als eine Kirche; denn die dargebotene Unterhaltung ist ihrerseits eine größere Anbetung und Verneigung vor Gott, als jemals in Kirchen stattgefunden hat." Dass die puritanischen Gemüter ausgerechnet bei diesem frommen, ernsten Werk nicht so leicht zu beruhigen waren, entbehrt nicht der Ironie. Neid und persönliche Ressentiments gegen den Musikunternehmer Händel, der für seine Werke das volle Geschäftsrisiko trug, dürften ebenfalls ihre Rolle gespielt haben. Mit hinzugefügten Arien und gestrichenen Chornummern führte der Komponist "Israel" noch einmal im Jahr 1740 auf, danach nur noch kurz vor seinem Tod 1757 und 1758.

Jan Assmanns Buch über "Israel in Egypt", so erklärt der Archäologe und Ägyptologe im Vorwort, entstand neben der Arbeit an seinem Werk "Exodus. Die Revolution der Alten Welt", das Anfang des Jahres erschien. Die spezifische Form ist außerdem durch die Reihe "Bibel & Musik" vorgegeben, die ihrerseits auf einen vielsagenden Rezeptionswandel reagiert. Zahlreiche Menschen machen ihre spirituellen Erfahrungen nämlich nicht mehr im Gottesdienst, sondern im Konzertsaal. Was also wäre das Äquivalent zum Gebet- und Gesangbuch? Antwort: ein Kompendium wie dieses. Auf dreihundert Seiten hat Assmann ein engagiertes, die eigene Begeisterung nie verhehlendes Buch geschrieben, das in Händels Leben einführt, den Kompositionsprozess erläutert, die Rezeptionsgeschichte nachzeichnet und das gesamte Oratorium "Israel in Egypt" Nummer für Nummer kommentiert. Ein englisch-deutsches Libretto gibt's auch, dazu viele Notenbeispiele. Das hätte natürlich auch ein Musikwissenschaftler erledigen können; Assmann tut es als Liebhaber, was bei so viel Genauigkeit und Scharfsinn als Kompliment gemeint ist.

Was aber die Musikwissenschaft kaum leisten könnte, ist die Erhellung des biblischen Fundaments. Anders als in manchen poetologischen Exkursen der Literaturwissenschaft führt Assmann den Begriff des "Erhabenen" - the sublime - nicht nur aufs achtzehnte Jahrhundert und zu Edmund Burkes berühmter Abhandlung zurück, sondern bis in die Antike zum Traktat des sogenannten "Pseudo-Longinus". Der Begriff des "hohen Stils" ist demnach direkt an das Vorbild des Buchs Genesis gebunden. Im Unterschied zur romantisierenden Auffassung des Sublimen empfand das England der Händel-Zeit den hohen Stil als Aufforderung zur Ekstase. Hier steckt man bereits mitten in der Debatte um Sinn und Aufgabe der Musik, die den Vokalkomponisten Händel beim Wechsel zwischen den Gattungen Oper und Oratorium zeitlebens umtrieb. "Schon für Longinus", schreibt Assmann, "ist das Erhabene nicht das Schöne, Überzeugende, sondern das Überwältigende."

Den Seelenanalytiker Händel gibt es auch in diesem Chorwerk zu genießen, besonders in der rhythmischen Kühnheit und den dramatischen Orchesterfarben der Plagen - der Verwandlung von Wasser in Blut, der Bedrohung durch Frösche, Mücken und Hagelschlag, die das Buch Exodus beschreibt - und den ergreifenden Trauernummern. Zu Recht betont Assmann den Kontrastreichtum des Oratoriums und verliert neben der psychologischen Spannung nie aus dem Auge, wie fest das Werk in einer nationalen Grundstimmung verankert ist: der Identifikation Englands mit dem Schicksal des Volkes Israel. Dass der zum Briten gewordene Sachse - aus Georg Friedrich Händel wurde George Frederic Handel - mit so einem Oratorium durchfallen würde, ist eine weitere Ironie.

Jan Assmanns Buch ist ein Gegengift zum enthistorisierten Musikgenuss der Spotify-Generation - zu welcher sich auch der Schreiber dieser Zeilen rechnet - und der Schwemme dekontextualisierter Sampler-CDs. Seit Caruso am 29. Januar 1920 die Arie "Ombra mai fu" aus der Oper "Serse" aufnahm, aber erst recht, seit die historische Aufführungspraxis den pastos-romantischen Orchesterklang früherer Jahrzehnte abgelöst und den Vokalkomponisten Händel zum größten Ruhm seines zweihundertfünfzigjährigen Nachlebens geführt hat, ist die Gefahr der Versuppung durch schöne Melodien gewachsen. 1985 waren die meisten Händel-Opern noch nie eingespielt worden; heute dagegen fehlt keine einzige mehr im Katalog. Die Gefahr ist, dass wir keine Werke mehr hören, sondern nur noch bekannte Arien: Handel for the elevator. Ein wenig Vertiefung sollte uns also willkommen sein.

PAUL INGENDAAY

Jan Assmann: "Das Oratorium ,Israel in Egypt' von Georg Friedrich Händel".

Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2015. 304 S., Abb., geb., 22,- [Euro].

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