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Was ist der Stierkampf? Archaischer Opferritus, Tradition, Ausdruck spanischer Seele, existentielle Kunst? Darf man, kann man die öffentliche Inszenierung des Tötens dulden? Das einzigartige Phänomen des Stierkampfs hat von jeher Literaten gefesselt oder abgestoßen, nie kaltgelassen. Der faszinierende Reisebegleiter erzählt von Corridas, Stiermythen und -riten, von alten und neuen Stierfesten des Adels, von den Stierspielen des Volkes, die bis heute überdauert haben. Der Anhang enthält Adressen von Stierkampfmuseen, einen Kalender mit Stierkämpfen in den Arenen und Volksfesten mit Stieren in…mehr

Produktbeschreibung
Was ist der Stierkampf? Archaischer Opferritus, Tradition, Ausdruck spanischer Seele, existentielle Kunst? Darf man, kann man die öffentliche Inszenierung des Tötens dulden? Das einzigartige Phänomen des Stierkampfs hat von jeher Literaten gefesselt oder abgestoßen, nie kaltgelassen.
Der faszinierende Reisebegleiter erzählt von Corridas, Stiermythen und -riten, von alten und neuen Stierfesten des Adels, von den Stierspielen des Volkes, die bis heute überdauert haben.
Der Anhang enthält Adressen von Stierkampfmuseen, einen Kalender mit Stierkämpfen in den Arenen und Volksfesten mit Stieren in den Städten und Dörfern Spaniens sowie ein Verzeichnis von Fachbegriffen.
Autorenporträt
Rolf Neuhaus, geboren 1951, promovierter Historiker, lebt seit 1987 als freier Autor in Andalusien. Er hat Bücher über Spanien veröffentlicht und Artikel hauptsächlich für das "Reiseblatt" der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2008

Ein paar Sommertage voller Spektakel

Kunst oder Barbarei? Rolf Neuhaus hat eine großartige Kulturgeschichte des Stierkampfs verfasst.

Was die meisten vom Stierkampf wissen, ist nicht viel, gemessen an dem, was man wissen könnte, und ein Großteil dieses Wenigen hat mit Hemingway zu tun. Seine Schilderungen begründeten in Pamplona den Tourismus der San Fermines, das Stierlaufen im Vollrausch, den Ritus einer Handvoll Sommertage voller Spektakel und schlimmer Hornverletzungen, wenn vor allem nordamerikanische Amateure sich tollkühn unter Könner mischen. So weit das Klischee. Daneben gibt es noch den grandiosen Essay der schottischen Schriftstellerin A.L. Kennedy, eher ein Versuch über den Tod als über den Stierkampf, und ansonsten die Kampagnen im Internet für und wider die Tauromachie. Der Rest ist Verharren in den alten Gräben, hin und wieder durchbrochen von der Frage: "Warst du schon mal beim Stierkampf? Und? War es nicht ekelhaft?" Ein Besuch in einer kleinen spanischen Dorfarena ist im Gedächtnis geblieben, bei dem der tödlich getroffene Stier wild den Kopf herumwarf und sein Blut, das ihm aus dem Maul quoll, meterweit auf die weiße Mauer spritzte, während vom Balkon der Wohnung gegenüber eine Frau zuschaute, die Hand auf der Wäscheleine. Wem dabei nicht schlecht wird, der könnte für den Stierkampf gemacht sein.

Das Thema lässt sich nicht objektiv verhandeln, denn zwischen der Leidenschaft der Aficionados und der Abscheu der Stierkampfgegner existiert kein neutrales Terrain. Den Bibliotheken von Spezialliteratur, die auf Spanisch, aber auch in deutscher, französischer und englischer Sprache dazu geschrieben wurden, hat der Spanienkenner Rolf Neuhaus unter dem schlichten Titel "Der Stierkampf: Eine Kulturgeschichte" ein stattliches Kompendium hinzugefügt. Es hätte verdient gehabt, zwischen festen Buchdeckeln zu stecken, denn jeder Stierkampfinteressierte wird diesen sorgfältig recherchierten, glänzend geschriebenen Band so lange zur Hand nehmen, bis die Klebebindung zerfällt.

Der Einstieg ist eine strategische Meisterleistung. Auf vierzig Seiten sichtet Neuhaus unter der Überschrift "Kunst oder Barbarei?" Argumente zum Stierkampf aus den letzten zweihundert Jahren, ohne seinerseits zu bekennen, wo er steht. Ortega y Gasset, Hans Christian Andersen, Rubén Darío, Théophile Gautier, Federico García Lorca, aber auch Zeitgenossen wie James Michener kommen zu Wort. Ob Gegner oder Fürsprecher, die Auffassungen sind radikal subjektiv. Auffallend ist, wie stark der Stierkampf die Kindheitserinnerungen vieler Spanier geprägt hat, aber ebenso, wie schnell Ausländer seiner Magie erliegen, unabhängig davon, ob sie darin am Ende eine hohe Kunstform oder sinnloses Abstechen sehen. Die meisten Menschen, so vermutete der junge Juan Goytisolo (der Hemingway Ende der fünfziger Jahre nach Nîmes begleitete), gingen aus Neugier in die Arena, und zwar, "um Trieben, die für gewöhnlich unterdrückt sind, die Zügel schießen zu lassen, und aus der uneingestandenen Lust, Blut fließen zu sehen".

Doch auch der Witz der Enthusiasten lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Er begreife den Protest gegen den Stierkampf nur bei denen, schrieb Henry de Montherlant, "die zu gleicher Zeit gegen die Jagd, gegen den Fischfang, gegen die Zähmung der Tiere, gegen das Droschkenpferd, gegen den eingesperrten Vogel, gegen den zehn Jahre lang angeketteten Wachhund protestieren, bei denen, die weder Fleisch noch Fisch essen, sich in keine tierischen Stoffe kleiden und nicht einmal ihre Läuse töten würden".

Oft heißt es, das heutige Stierkampfpublikum schrumpfe, und eigentlich halte nur noch der (meist unbedarfte) Spanientourist, der die prickelnde Angelegenheit des Live-Tötens einmal gesehen haben will, die corrida de toros am Leben. Doch die vom Autor beschriebene Tendenz legt den Umkehrschluss nahe: Seit den frühen neunziger Jahren hat sich die Zahl der permanenten Arenen in Spanien von vierhundert auf fünfhundertfünfzig erhöht, Bezahlsender sichern sich die Fernsehrechte an den großen Ferias von Sevilla, Madrid und Pamplona, und die allgemeine Richtung ist wohl die, das einst rohe, archaische, wenngleich nach festen Regeln ablaufende Ritual in die moderne spanische Konsumentenkultur einzubinden - "morgens Einkauf, mittags Essen, nachmittags Stiere, abends Kino, nachts Bars, und am besten alles am gleichen Ort, der selbstverständlich über einen Großparkplatz verfügt".

In der wichtigsten Frage von allen gibt Neuhaus der Wissenschaft vor dem Sentiment den Vorzug: Er schreibt seine Kulturgeschichte wohl nicht allein deshalb, weil ihm das Thema gefällt oder er der Verbreitung der Tauromachie dienen will, sondern eher, weil es darüber zwischen harten Fakten und wirkungsmächtigen Legenden so unendlich viel mitzuteilen gibt. Und zwar jenseits der Erwägung, ob einem gefällt, was mit dem fünfhundert Kilo schweren Stier in der Arena geschieht. Der Ruhm des Stieres als Symboltier für Stärke, Potenz und Fruchtbarkeit ist von den Göttern Ägyptens, Babyloniens, Assyriens, Anatoliens, Persiens und Palästinas belegt. Zugleich war der Stier, wie beim kretischen Minotaurus, Sinnbild der zerstörerischen Naturkraft.

In vielen dörflichen Stierspielen, die Neuhaus ebenso ausführlich wie elegant schildert, leben diese symbolischen Bedeutungen fort und bilden einen merkwürdigen Kontrast zur raschen Modernisierung Spaniens in den letzten beiden Jahrzehnten. Heute, wo einerseits die Dekadenz des Stierkampfbetriebs (überzüchtete Tiere, gierige Empresarios, lärmend-ignorantes Publikum) beklagt wird, gilt andererseits ein genau kodifiziertes Regelwerk, das sich aus der Professionalisierung des Stierkampfs seit dem achtzehnten Jahrhundert entwickelt hat: Eine Beschäftigung für Adelige, die sich damit amüsierten, einem blindwütigen Stier vom Pferd aus den Garaus zu machen, hat sich in den klassischen Aufsteigersport für Minderbemittelte verwandelt. Dass er zu Fuß ausgeführt wird, verrät den Plebejer. Deren würdigste Vertreter vermitteln auch heute noch eine Ahnung von Tragik, Ironiefreiheit und bewusst gewählter Gefahr, eine Mischung, die wohl nur in der Arena zu haben ist.

Sollen die Leser sich also trauen? Sie sollen. "Wir empfehlen eine Corrida de toros in einer Plaza erster oder zweiter Kategorie mit sachverständigem Publikum, wenn Ihnen am Stierkampf gelegen ist, und mit malerischem Publikum, wenn Sie das Ambiente interessiert." Natürlich beschreibt der Autor auch die Architektur der Arena und erzählt die großen, manchmal mit dem Tod endenden Heldengeschichten. Seine Darstellung hat er mit langen, teils mehrseitigen Zitaten bedeutender Schriftsteller gespickt (nicht ohne deren Fehler zu korrigieren); das macht den Band auch als Quellensammlung attraktiv. Von besonderer Schönheit sind das Kapitel über höfische Stierfeste, die minuziöse Beschreibung des Ablaufs einer Corrida und die geradezu poetische Pedanterie bei der Aufzählung einiger der vielen Bezeichnungen, die ein Kampfstier je nach Charakter, Verhalten und Aussehen bekommen kann; insgesamt sind es zweihundertfünfzig.

PAUL INGENDAAY

Rolf Neuhaus: "Der Stierkampf". Eine Kulturgeschichte. Insel Verlag, Frankfurt am Main, Leipzig 2007. 360 S., Abb., br., 12,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.01.2008

Manch ein Stier wird ohne Grazie abgemurkst
Die Toreros werden immer lahmer und die Tiere immer zahmer – Rolf Neuhaus’ „Kulturgeschichte des Stierkampfs”
Der Stierkampf scheint kaum mehr ins 21. Jahrhundert zu passen. Egal ob man sich für das Zeremoniell begeistern kann oder das Tieropfer grundsätzlich ablehnt – im Großen und Ganzen wirkt das Spektakel wie ein Überbleibsel aus früheren Zeiten, das langsam seinem Ende entgegendämmert. Deshalb nimmt man Rolf Neuhaus’ „Der Stierkampf” zunächst mit leichtem Erstaunen zur Hand und vergewissert sich: Nein, es handelt sich weder um eine Übersetzung noch um eine Neuauflage. Das Buch – im Untertitel als „eine Kulturgeschichte” annonciert – ist tatsächlich frisch geschrieben worden. Der Autor lebt in Spanien, gewissermaßen direkt an der Quelle, und weist nebenbei darauf hin, dass dort die Zahl feststehender Stierkampfarenen innerhalb der letzten 15 Jahre von 400 auf etwa 550 angewachsen ist. Vom langsamen Wegdämmern der corrida kann also eigentlich keine Rede sein.
Neuhaus weiß andererseits, dass es unter seinen deutschsprachigen Lesern viele Skeptiker gibt. Statt Wohl oder Wehe des Stierkampfs erst abschließend zu diskutieren, nach einem ausführlichen Überblick, begibt er sich gleich im ersten Kapitel „Kunst oder Barbarei?” an die Front und stellt Fan- und Feindpositionen einander gegenüber. Der Autor tritt dazu bewusst in die zweite Reihe und verschanzt sich fast hinter einer Reihe ausführlicher Zitate. Mehrfach streut er, wie zur Selbstrechtfertigung, Äußerungen berühmter Beobachter ein, die hinauslaufen auf ein: ,Der Stierkampf – gut oder schlecht, wer weiß das schon, aber unbedingt einer näheren Betrachtung wert.‘ So legitimiert er seine Kulturgeschichte, ohne sich selbst schon als Anhänger der corrida zu outen. Und stachelt erfolgreich zum Weiterlesen an: Um als Leser inmitten unterschiedlichster Einschätzungen die eigene Haltung zum Stierkampf zu überprüfen, scheint es ratsam, etwas mehr über die Geschichte und die Soziologie, über die Protagonisten und den Ablauf des Spektakels zu wissen. Dabei gelingt es dem Autor schließlich, knapp 300 Seiten zu füllen, ohne je wirklich in die Insider-Literatur abzuknicken. Sein Buch bleibt selbst für jene interessant, die nicht vorhaben, demnächst eine Tournee durch Spaniens Arenen zu unternehmen. Wobei Neuhaus den ernsthaft Entflammten schließlich noch eine Reihe Extras mitliefert. Im Anhang befinden sich neben Bibliographie und Glossar auch eine Übersicht zu Spaniens Stierkampf-Museen und ein ausführlicher Stierkampf-Kalender. Das gehört nicht unbedingt in eine Kulturgeschichte, passt aber sehr wohl zum Zweit-Genre des Buches, dem eines „Reisebegleiters”.
Trotz der Nebenpflicht zur Reisebegleitung ist der Autor allerdings seriös genug, um keinerlei touristische Promotion zu betreiben. Im Gegenteil zitiert er mehrfach Schriftsteller, deren Stierkampf-Begeisterung sehr hart erkämpft scheint. James Michener etwa bilanziert, von hundert corridas seien „mindestens achtzig langweilig”, höchstens eine dagegen „tatsächlich hervorragend”. Auch Hemingway fand, dass neunzig von hundert Stieren bloß irgendwie „abgemurkst” würden, ohne Grazie und Größe. Das trifft überein mit der Einschätzung von A.L. Kennedy, die 1999 in ihrem Buch „On Bullfighting” (von Neuhaus nicht zitiert) schrieb, man bekäme „auch als aficionado nur etwa alle zwanzig Jahre eine wirklich große corrida zu sehen” und könne die Schönheiten des Kampfes nur entdecken, „wenn man bereit ist, über eine Menge Ungeschicklichkeit, Widerwärtigkeit und Durcheinander, über Fehler, Versagen und mangelndes Können hinwegzusehen.”
Der Stierkampf scheint überhaupt eine Kunst der Hoffnung zu sein. Seine gebildeten Verteidiger warten ausdauernd auf erhabene Momente, beschwören den metaphysischen Mehrwert der rituellen Konfrontation mit dem Tod – und sitzen doch meist in mittelmäßigen Spektakeln, in denen weder die Tiere noch die Toreros auf der Höhe ihrer Möglichkeiten sind. Neuhaus zeigt nicht nur, auf welchen Umwegen und aus welchen Vorformen sich die heute etablierte Form der corrida historisch entwickelt hat, sondern auch, welche Umstände ihren „Genuss” bis heute erschweren. In Anbetracht aller Variablen wirkt die vielgerühmte erhebende Begegnung zwischen dem edlen, wilden Stier und dem stolzen, wagemutigen Torero wie eine historisch flüchtige, fast mehr durch Legendenbildung als durch Anschauung gestützte Erscheinung. Heute, beklagt Neuhaus, hätten die meisten Stiere längst an Rasse eingebüßt, weil die vorsichtiger gewordenen Toreros zahmere, „bequemere” Tiere forderten. Zudem tendiere das Publikum immer stärker zum fachlichen „Analphabetismus”: Mit der überaus reichen Terminologie – rund 250 Worte gibt es allein zur Charakterisierung des Stiers – käme ihm langsam auch die Fähigkeit abhanden, die Manöver der Kämpfer angemessen „lesen” zu können. Statt subtiler wären vor allem starke Effekte gefragt, so drücke das sinkende Niveau auf den Rängen irgendwann auch den Standard der Darbietungen herab.
García Lorca war noch der Meinung, „dass der Stierkampf das kultivierteste Fest der Welt ist. Es ist das reine Drama, der einzige Ort, an dem man mit Sicherheit den Tod sieht, umgeben vom höchsten Glanz des Schönen.” Um zu dieser poetischen Sublimierung zu gelangen, musste der Dichter allerdings gewisse, nun ja: unkultivierte Elemente des Fests ausblenden. Das Publikum, auch damals oft eher an schmutziger Action als an reinem Drama interessiert, war sicher eines davon. Neuhaus erzählt ausführlich von traditionellen Stierspielen, bei denen es um den „Glanz des Schönen” zu allerletzt ging, eher um einen ursprünglichen Kitzel und eine unbändige Lust am blutigen Tieropfer.
Lieber den Tod als das Joch
Im formalisierten Stierkampf wurde die Konfrontation zwischen Mensch und Tier rituell verfeinert und öffnete sich dadurch schließlich einer „kultivierten” und immer differenzierteren Rezeption. Wobei die Schilderungen bedeutender Spanienreisender des 19. Jahrhunderts immer deutlich zwischen Abscheu und Verzückung schwanken. Erst von 1928 an mussten übrigens die Pferde der Picadores obligatorisch eine Schutzdecke tragen. Bis dahin war die Gewalt eines Stieres unter anderem daran bemessen worden, wie viele Pferde er vor der entscheidenden Begegnung mit dem Torero bereits aufgeschlitzt und ausgeblutet hatte.
Solcher barbarischen Aspekte wegen wandten sich selbst zahlreiche spanische Autoren gegen die corrida. Azorín sah das Spektakel als unglückliche Verschwendung von Volksgeist: „Was wir uns wünschen ist, dass diese Energie, diese Kraft, dieser Impetus unseres Spanien in Bahnen gelenkt, genormt, vorteilhaft genützt würde.”
Neuhaus widmet sein letztes Kapitel berühmten Kämpfern, vergleicht Stile und Laufbahnen und erzählt von tragischen Todesfällen. Wieder hat man das Gefühl, eine spektakuläre Performance sei ein wahrhaft rares Glück und oft genug nur im Doppelpack mit einem großen Unglück, einer schweren oder sogar tödlichen Verletzung zu haben. Der Autor schreibt hier weitgehend Legenden fort, verzichtet am Ende auf eine eigene Theorie zum Stierkampf und begnügt sich insgesamt mit einem ausgewogenen und wohlproportionierten Rundumschlag. Darin fehlt weder die ewige Beschwerde der Tierschützer noch das ewige Gegenargument: dass Kampfstiere bis zur corrida ein Luxusleben in Freiheit führten, um das sie sämtliche zum Verzehr bestimmten Rinder und Schweine beneiden würden. Selbst dieser Umstand ist übrigens literarisch aufbereitet worden, in einem poetischen Dialog zwischen Stier und Ochse von Rubén Darío. „Gestern die Luft, die Sonne: heute der Henker. . .” stöhnt der Stier, „was gibt es Schlimmeres als dieses Martyrium?” – „Die Impotenz!”, erwidert der Ochse. „Was Schlimmeres als den Tod?”, gibt der Stier zurück. „Das Joch!” antwortet der Ochse und behält damit das letzte Wort.MERTEN WORTHMANN
ROLF NEUHAUS: Der Stierkampf. Eine Kulturgeschichte. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2007. 340 Seiten, 12 Euro.
In seinem kolossal großartigen Melodram „Sprich mit ihr” schreibt Pedro Almodóvar die Ikonographie des Stierkampfes fort. Szene mit Rosario Flores als Stierkämpferin Foto: Cinetext
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nicht allzu viel Neues vom Stier, erfährt Merten Worthmann in dieser, wie er überrascht feststellt, "tatsächlich frisch geschriebenen" Kulturgeschichte des Stierkampfs. Trotzdem hat ihm die Lektüre keine Hörner aufgesetzt. Sie gefällt ihm als Vademecum in Sachen Corrida durchaus. Nicht irre spannend, wie es aussieht, auch nicht als neue Theorie zum Thema, aber "ausgewogen", mit den bekannten Argumenten für und gegen das Spektakel umgehend, kommt Worthmann der Text vor. Und er liest weiter, um sich über den eigenen Standpunkt klar zu werden. Behilflich sind ihm Geschichte und Soziologie des Stierkampfs, wie sie Rolf Neuhaus dokumentiert. Für Aficionados sieht Worthmann auch Potential: Bibliografie, Glossar und ein "ausführlicher Stierkampf-Kalender". Hier ist der Band auch Reisebegleiter, meint er, findet ihn für "touristische Promotion" aber dennoch zu seriös.

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