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Die gelungenste Weltausstellung aller Zeiten war die Exposition Universelle de Paris von 1889. Weit über 32 Millionen Menschen besuchten das gigantische Spektakel mit knapp 62.000 Ausstellern aus 54 Nationen und 17 französischen Kolonien. Das Wahrzeichen der Schau, der Eiffelturm, blieb Paris bis heute erhalten.Einen legendären Ruf erwarb sich auch das offizielle, wöchentlich erscheinende Journal der Weltausstellung. Auf großformatigen, mit Stahlstichen üppig illustrierten Seiten berichtete es von den Sensationen vor Ort, von dreirädrigen selbstfahrenden Karren und ethnologischen Dörfern, in…mehr

Produktbeschreibung
Die gelungenste Weltausstellung aller Zeiten war die Exposition Universelle de Paris von 1889. Weit über 32 Millionen Menschen besuchten das gigantische Spektakel mit knapp 62.000 Ausstellern aus 54 Nationen und 17 französischen Kolonien. Das Wahrzeichen der Schau, der Eiffelturm, blieb Paris bis heute erhalten.Einen legendären Ruf erwarb sich auch das offizielle, wöchentlich erscheinende Journal der Weltausstellung. Auf großformatigen, mit Stahlstichen üppig illustrierten Seiten berichtete es von den Sensationen vor Ort, von dreirädrigen selbstfahrenden Karren und ethnologischen Dörfern, in denen es Kamelreiten für die Kinder und Bauchtänze für die Herren gab. Der Schweizer Kunsthistoriker Beat Wyss hat die hundert originellsten Abbildungen ausgewählt. Sie illustrieren, wie die Expo den Erdball auf ein »Weltdorf« zwischen Trocadéro und Champ de Mars schrumpfen lässt, wie räumliche Distanzen abgebaut und dabei kulturelle Differenzen freigelegt werden. Das späte 20. Jahrhundert wird dafür den Begriff der Globalisierung prägen. Beat Wyss zeigt, wie die Gesellschaften seit dem 19. Jahrhundert mit diesem Prozeß umgehen und mit der Verwestlichung der Welt eine Orientalisierung des Westens einhergeht. Dem Leser als Flaneur über die Bühne der Weltausstellung wird klar: Die Expo 1889 belegt nicht nur den aktuellen Zustand einer Zeit, sondern bietet über die spektakuläre Anordnung ihrer Exponate den Vorschein einer gesellschaftlichen Utopie.
Autorenporträt
Beat Wyss, 1947 geboren in Basel. Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.08.2011

Fortschritt, Exotik, Elektrizität
Assoziationsmunter: Beat Wyss über die Weltausstellung von 1889, die Frankreich als Zentrum der Zivilisation feierte
Beat Wyss, der heute als Nachfolger Hans Beltings auf dem Lehrstuhl für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der HFG in Karlsruhe eine ungemein produktive Tätigkeit entfaltet, der in seinen Publikationen weite Strecken der Kulturgeschichte mit Siebenmeilenstiefeln durchschreitet, war als Student wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Stadtarchiv in Luzern. Dort wusste man nicht, wie man die französische Zeitschrift „L’exposition de Paris 1889“ ablegen sollte, musterte den Fremdkörper aus und überließ ihn dem Studiosus Wyss. Nun, nach mehreren Jahrzehnten, hat dieser über die mittlerweile kostbare Hinterlassenschaft aus dem Archiv ein große Bögen spannendes Buch geschrieben.
Die Weltausstellungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind mittlerweile ein fast redundantes Thema geworden, das von der Wirtschafts- bis zur Kunst- und Kulturgeschichte eine ganze Reihe von Disziplinen beschäftigt. Wyss stand also vor dem Problem, durch diesen Dschungel von Literatur als Kunst- und Medienwissenschaftler einen eigenen, noch unbetretenen Pfad zu finden. Eine erste Einschränkung war durch die Fokussierung auf die Pariser Weltausstellung von 1889 gegeben. Sie stand unter besonderen Vorzeichen: Die immer noch von Krisen geschüttelte, von der Niederlage im preußisch-französischen Krieg nicht völlig erholte Dritte Republik feierte mit ihr das Centenar der Revolution von 1789. Das brachte seine Schwierigkeiten mit sich; die meisten europäischen Monarchien hielten sich wegen dieses Datums fern. Die Ausstellung sollte Frankreich als Zentrum der Zivilisation und des bürgerlichen Fortschritts, aber auch als nach Afrika und Asien ausgreifende Kolonialmacht präsentieren. Das Symbol der Weltausstellung war nicht zufällig der Eiffelturm, mit dem die moderne Eisenkonstruktion alle Bauten des historischen Paris übertrumpfte.
Beat Wyss hat diese Ausstellung als Spiegel der Mentalitätsgeschichte gelesen. Wie in einem Kaleidoskop schüttet er Facetten eines eklektischen Ausstellungsprogramms aus, locker illustriert durch die Holzstiche aus der genannten Zeitschrift. In einzelnen Kapiteln gelingt ihm das durchaus faszinierend, wobei die Lektüre gelegentlich etwas von einer intellektuellen Achterbahn hat. So liest man im ersten Kapitel über die Präsenz der asiatischen Länder, wobei es darum ging, über die nicht unumstrittene französische Kolonisierung in Indochina seit den sechziger Jahren einen exotischen „Traumschleier“ zu werfen. Gleich im nächsten Kapitel wird man mit der Elektrizität beschäftigt, die auf der Ausstellung mit der Glühbirne Edisons zum Leuchten kam und von dem immer assoziationsmunteren Autor alsbald mit den Bewegungsvorstellungen des jungen Henri Bergson zusammengebracht wird.
So verwandelt sich die Weltausstellung zu einer Art Barthes’scher Mythologie. Die politischen Interessen der Kolonialmacht, die ökonomische Ausbeutung der Eingeborenen verschränkt sich mit dem wissenschaftlichen Positivismus der Ethnographie und der Anthropologie und dann wieder mit dem Glauben an den Fortschritt der Zivilisation. „Koloniale Ausstellungen konnten tribale Kultur nur in der Negativbilanz der zurückgebliebenen Völker verbuchen. Der Wilde war das lebende Fossil einer anthropologischen Vergangenheit, die es zu überwinden galt.“ Es ist die Stärke des Buches von Wyss, dass es den scheinheiligen Optimismus der angeblich von den neuen Errungenschaften der Revolution – also den Menschenrechten – beflügelten Pariser Ausstellung entlarvt.
Am entschiedensten kommt dieser mentalitätsgeschichtliche Zugriff in dem Kapitel „Anthropologie als Herrschaftswissen“ zur Geltung. Charles Garnier, der Architekt der Pariser Oper, hatte am Rande der Schau zur Seine hin ein Panorama aufgebaut, das die „Geschichte des menschlichen Wohnens“ von seinen primitiven Anfängen in Zelten und Hütten bis in die europäische Gegenwart entrollte. Wyss zeigt weit ausgreifend, wie sich in diesem schon damals sehr dilettantischen Vorhaben die Evolutions- und Rassenvorstellungen des Zeitalters spiegeln, Architekturgeschichte zu einer anthropologischen Mythologie wird. Dieses Kapitel ist der dichteste Teil seines Buches.
Leider hat sich der Autor keinen Gefallen damit getan, dass er seine Tour d’horizon durch die Weltausstellung von 1889 als aktuellen Reißer aufziehen wollte und daher unter den Titel „Bilder von der Globalisierung“ zwang. Die Pariser Weltausstellung von 1889 war eine triumphale Demonstration des eurozentrischen Imperialismus, des Kolonialzeitalters. In der Mitte der fortschrittlichen Zivilisation, in Paris als der Kapitale des 19. Jahrhunderts bot sie ein Schauspiel der noch von den weißen Kolonialmächten beherrschten, ökonomisch, sentimental und wissenschaftlich ausgebeuteten Welt. Die Globalisierung aber, deren Zeugen wir heute sind, hat nicht nur den Kolonialismus beendet und Europa seiner Königsstellung in der Mitte des Erdkreises beraubt, sie unterliegt demographischen, ökonomischen und kommunikativen Bedingungen, welche die Verhältnisse von 1889 geradezu auf den Kopf stellen. In dem alarmierenden Titel „Bilder von der Globalisierung“ rächt sich die Neigung des Autors zum redundanten Assoziieren und schadet einem Buch, das man in Teilen gern und mit Gewinn liest. WILLIBALD SAUERLÄNDER
BEAT WYSS: Bilder von der Globalisierung. Die Weltausstellung von Paris 1889. Insel Verlag, Berlin 2010. 285 Seiten, 49,90 Euro.
Es leuchtete Edisons Glühlampe
– und der Kolonialismus sollte
die wilden Völker bezwingen
Der Eiffelturm – konstruiert und illuminiert zur Pariser Weltausstellung von 1889. Foto: AKG
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit Interesse hat Bernhard Dotzlers Beat Wyss' Buch über die Pariser Weltausstellung von 1889 gelesen, ganz überzeugt hat es ihn nicht. Bevor er auf das Buch selbst zu sprechen kommt, führt Dotzler in die Geschichte der Weltausstellungen ein, wobei nicht ganz deutlich wird, ob er all diese Informationen auch in vorliegendem Band gefunden hat. Höchstens "gefällig assoziativ" findet Dotzler dann allerdings, was Wyss zur Technik- und Mediengeschichte der Weltausstellungen schreibt, überzeugender dagegen seine kunstgeschichtliche Argumentation. Erfahren hat der Rezensent dabei einiges über die Globalisierung im 19. Jahrhundert, den orientalisierenden Blick und die Rue de Caire.

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