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Für Karl Dedecius, den überragenden Mittler polnischer Literatur in Deutschland, stand stets die Lyrik im Zentrum seiner übersetzerischen Arbeit. Von den Nobelpreisträgern Wislawa Szymborska und Czeslaw Milosz, von Tadeusz Rózewicz und Zbigniew Herbert bis zu Adam Zagajewski und Ryszard Krynicki hat er die wichtigsten Dichter der zweiten Jahrhunderthälfte entdeckt.Die ersten Autoren, die er in den fünfziger Jahren zugänglich machte, waren seine Altersgenossen, die im Krieg gegen die Deutschen umgekommen waren. Als Summe seines Lebens hat Dedecius nun die Gedichte des 20. Jahrhunderts…mehr

Produktbeschreibung
Für Karl Dedecius, den überragenden Mittler polnischer Literatur in Deutschland, stand stets die Lyrik im Zentrum seiner übersetzerischen Arbeit. Von den Nobelpreisträgern Wislawa Szymborska und Czeslaw Milosz, von Tadeusz Rózewicz und Zbigniew Herbert bis zu Adam Zagajewski und Ryszard Krynicki hat er die wichtigsten Dichter der zweiten Jahrhunderthälfte entdeckt.Die ersten Autoren, die er in den fünfziger Jahren zugänglich machte, waren seine Altersgenossen, die im Krieg gegen die Deutschen umgekommen waren. Als Summe seines Lebens hat Dedecius nun die Gedichte des 20. Jahrhunderts versammelt, die er für die bedeutendsten, die bleibenden hält. Nicht zufällig lesen sie sich wie ein Geschichtszeugnis dieser für die Polen so dramatischen und tragischen Epoche. Kein polnischer Dichter konnte es je beim Gespräch über Bäume bewenden lassen.Die zehn Kapitel des Bandes sind thematisch komponiert, beginnend mit der Reflexion über die Arbeit des Dichters bis hin zu den Erfahrungen des Exils und der west-östlichen Passagen. Jedes Kapitel, chronologisch aufgebaut, ist ein konzentrierter Durchgang durch die Geschichte der polnischen Lyrik, vom "Jungen Polen" um 1900 bis ins Jahrzehnt nach der Wende.
Autorenporträt
Karl Dedecius, 1921 in Lodz geboren, galt als bedeutendster Mittler polnischer Literatur und Kultur in Deutschland. Als Übersetzer hunderter Bücher, Autor zahlloser Reden und Aufsätze, Herausgeber der Polnischen Bibliothek, Gründer des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt wurde er vielfach gewürdigt und ausgezeichnet, u.a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1990), dem Orden des Weißen Adlers (1999) in Polen und dem Deutschen Nationalpreis (2010). Karl Dedecius starb am 26. Februar 2016 im Alter von 94 Jahren in Frankfurt am Main. Karl Dedecius, 1921 in Lodz geboren, galt als bedeutendster Mittler polnischer Literatur und Kultur in Deutschland. Als Übersetzer hunderter Bücher, Autor zahlloser Reden und Aufsätze, Herausgeber der Polnischen Bibliothek, Gründer des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt wurde er vielfach gewürdigt und ausgezeichnet, u.a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1990), dem Orden des Weißen Adlers (1999) in Polen und dem Deutschen Nationalpreis (2010). Karl Dedecius starb am 26. Februar 2016 im Alter von 94 Jahren in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2009

Ich liebe dich, mein Feind
Karl Dedecius versammelt Polens moderne Lyriker

"Herr, schenk mir die kraft und die geschicklichkeit jener, die / lange vielästige sätze bauen, geräumig wie eichen, / wie ein riesiges tal, auf dass darin welten platz hätten, schatten / der welten, welten aus traum." So steht es in "Brevier", einem der letzten Gedichte, die Zbigniew Herbert vor seinem Tod im Jahr 1998 geschrieben hat. Es scheint, als wollte sich dieser wohl bekannteste polnische Lyriker des letzten Jahrhunderts am Ende seines Lebens zudem aus seiner angestammten Literaturgattung verabschieden.

Sind aber diese Verse nicht auch eine Todesanzeige der Gedichtkunst selbst? Zwar kennt die polnische Literaturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts nicht nur große Lyriker - mit Witold Gombrowicz, St. I. Witkiewicz und Stanislaw Lem wären sogar einige ihrer prominentesten Protagonisten zu nennen, die gar keine Gedichte geschrieben haben. Und doch hatte die Verskunst hier einen Stellenwert wie in kaum einer anderen großen europäischen Nationalliteratur. Gleich zwei polnische Lyriker - Wislawa Szymborska und Czeslaw Milosz - erhielten im vergangenen Jahrhundert den Nobelpreis; die Lyrik galt lange Zeit als Königsgattung der polnischen Literatur. Nicht erst seit der Jahrtausendwende haben aber Prosa-Autoren das Zepter fest in der Hand. Man kann in diesem Zusammenhang auf den 1970 in Oppeln geborenen Lyriker Tomasz Rózycki verweisen - doch gilt der als Ausnahmetalent. Die beste polnische Lyrik findet sich heute in den Songtexten kluger Rapper, in der Popmusik.

Somit trägt die Anthologie "Polnische Gedichte des 20. Jahrhunderts", die der große Übersetzer und unentwegte Kulturvermittler Karl Dedecius nun in einer zweisprachigen Ausgabe bei Insel vorlegt, Züge eines Nachrufs - diese Blütenlese versucht sich an einer letzten Bewahrung und Kanonisierung einer unwiederbringlich verlorenen Art. Dass die Buchdeckel dieses Bandes keine Grabsteine sind und sich beim Blättern, Stöbern und Lesen nicht das Gefühl einstellt, man müsse den Staub von den Seiten blasen - das liegt auch an den vielen Neuentdeckungen, die diese Sammlung gerade für den deutschen Leser bereithält.

Da finden sich zum Beispiel die "Küsse" von Maria Pawlikowska-Jasnorzewska, ein Gedicht aus den zwanziger Jahren; der Vierzeiler ist eine Meditation über die dunkle Seite der Liebe: "Jede Tugend, gottgefällig, / nichtig mir scheint. / Mich macht nur eine selig: / Ich liebe dich, mein FEIND . . .". Die Tochter des berühmten Historienmalers Wojciech Kossak verfocht wie viele ihrer Schriftstellerkolleginnen der Zwischenkriegszeit auch für Frauen das Recht, Leidenschaft und Gefühle ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Konventionen auszuleben. Auch der Alltag, der bisher als unpoetisch gegolten hatte, floss in ihre pointierten Miniaturen ein: "Ich seh dich zögernd stehn vor kleinen Lachen, / mit Rose, Schirm, im Pelz, gemütlich warm, / ein Pekinesenhündchen unter deinem Arm . . . / Und wie wirst du den Schritt in die Unendlichkeit machen?"

Da ist Antoni Slonimski, hierzulande allenfalls als Science-Fiction-Autor ("Zweimal Weltuntergang") bekannt, dessen kurzes Gedicht "Rebellion" von 1920 dem Wesen des polnischen Revolutionärs gilt: "Mein Herz zu rühren braucht es nur sehr wenig. / Mein Wort entlädt sich leicht wie ein Gewehr. / Im Königreich bin ich ein Revolutionär, / Und in der Republik lobpreise ich den König."

Liebesgedichte schrieb auch der Dichter, Übersetzer und Orientalist Waclaw Rolicz-Lieder, ein Vorläufer des polnischen Modernismus. Von 1903 stammt das seinem deutschen Freund gewidmete Liebes-Poem "An Stefan George, mit einem Bild": "Hier ist das Bild: Wie es uns widerfahren, / Das weiße Zimmer scheint auf uns zu warten, / Dort, wo im Abendrot vor vielen Jahren, / Als uns die Spatzen zwitscherten im Garten, / Zwei Seelen sich befangen offenbarten." Rolicz-Lieder übertrug Georges Lyrik ins Polnische, und George lernte Polnisch, nur um Lieders Gedichte ins Deutsche übersetzen zu können. Selten hat sich deutsche und polnische Literatur so eindrucksvoll befruchtet wie hier.

Dieser Band legt Gedichte wie Köder aus, die uns zu Autoren und von dort weiter zu anderen Autoren führen; die Linien verästeln sich und ergeben am Ende ein vielfältigstes Geflecht aus Querverbindungen und Übertragungen. Zugleich spiegelt die Auswahl die persönlichen Lektürevorlieben ihres hoch verdienten Herausgebers. Es gibt Erstübersetzungen darin, aber auch Gedichte, die schon übersetzt waren. Dedecius, der demnächst achtundachtzig Jahre alt wird, erhebt durchaus den Anspruch, den gesamten Kanon der polnischen Lyrik in seiner eigenen Sprache zu fassen. Vielen Dichtern, darunter Milosz, der als "globaler Berufspendler" galt, aber auch Szymborska, die immer in Krakau wohnen blieb, Adam Zagajewski, Ryszard Krynicki und sogar dem genialen Konstruktivisten Julian Przybos ist Karl Dedecius persönlich begegnet. Und er hat ihr Werk einer deutschen Leserschaft überhaupt erst zugänglich gemacht.

Mit dem gleichaltrigen Tadeusz Rózewicz verbindet ihn eine Freundschaft, wie er sie auch mit den bereits verstorbenen Zbigniew Herbert und dem großen Humoristen Stanislaw Jerzy Lec ("Es ist nicht ausgeschlossen zwischen dem einen und dem anderen Gedanken - glücklich zu sein") gepflegt hat.

Ein ganzes Jahrhundert der Poesie wird hier durchschritten, vom Fin de Siècle bis in die jüngste Vergangenheit. Der Leser verfolgt den Wandel der polnischen Sprache und spürt darin all jene Veränderungen auf, die das Land in dieser so dramatischen wie tragischen Epoche erlebte. Das macht diese Lyrikanthologie auch zu einem außergewöhnlichen Geschichtsbuch.

STEFANIE PETER

"Polnische Gedichte des 20. Jahrhunderts". Polnisch und Deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Karl Dedecius. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2008. 543 S., geb., 38,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Stefanie Peter bietet diese zweisprachige Lyrik-Anthologie viel mehr als einen Einblick in die Königsgattung der polnischen Literatur. Den Herausgeber Karl Dedecius lobt sie als einen großen Übersetzer und Kulturvermittler, weil dem Leser das Gefühl erspart, er müsse den Staub von den Seiten blasen. Peter staunt über die - häufig in Erstübersetzung - versammelten vielen Neuentdeckungen, Maria Pawlikowska-Jasnorzewska etwa mit ihren "pointierten Miniaturen" oder Antoni Slonimski. Was Dedecius aus der Zeit vom Fin de Siecle bis in die jüngste Vergangenheit für den Leser an Schätzen ans Licht bringt, führt die Rezensentin oft mitten hinein in ein ganzes Geflecht an Verbindungen zwischen Autoren (zum Beispiel zwischen Waclaw Rolicz-Lieder und Stefan George). Der Band offenbart ihr schließlich ein ganzes Jahrhundert der Poesie, an dem sich der Wandel der polnischen Sprache und weiter der eines ganzes Landes nachvollziehen lässt.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Das macht diese Lyrikanthologie auch zu einem außergewöhnlichen Geschichtsbuch.« Stefanie Peter Frankfurter Allgemeine Zeitung