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Auf die Anpassung folgt die Panik. Innerhalb der letzten Jahrzente haben sowohl die katholische als auch die protestantische Kirche einen großen Schub an Modernisierung gefordert - und erlitten. Nie hat sich die Kirche so stark gewandelt wie in dieser Zeit. Am voläufigen Ende dieses Weges steht ein dramatischer Verlust an Mitgliedern und öffentlichem Gewicht. Und der Auseinandersetzung mit anderen Religionen, insbesondere mit dem Islam, zeigt sich die christliche Kirche nicht recht gewachsen.
Laut dem Autor sollen die Wörter "modern" und "unmodern" für die Religion abgeschafft werden, denn
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Produktbeschreibung
Auf die Anpassung folgt die Panik. Innerhalb der letzten Jahrzente haben sowohl die katholische als auch die protestantische Kirche einen großen Schub an Modernisierung gefordert - und erlitten. Nie hat sich die Kirche so stark gewandelt wie in dieser Zeit. Am voläufigen Ende dieses Weges steht ein dramatischer Verlust an Mitgliedern und öffentlichem Gewicht. Und der Auseinandersetzung mit anderen Religionen, insbesondere mit dem Islam, zeigt sich die christliche Kirche nicht recht gewachsen.

Laut dem Autor sollen die Wörter "modern" und "unmodern" für die Religion abgeschafft werden, denn in religiösen Dingen sind fast alle Positionen nach kurzer Zeit erstarrt oder solche von vorgestern unerhört aktuell .
Autorenporträt
Klaus Berger wurde 1940 geboren und habilitierte 1971. Von 1974 bis 2006 war er Professor für das Neue Testament an der Theologischen Fakultät in Heidelberg und hat bereits 70 Bücher publiziert. Seit 1994 ist er Familiar des Zisterzienserordens (Heiligenkreuz).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2005

Gegen ihn greifen auch Ratsvorsitzende zur Feder
Klaus Bergers Widerworte, anstößig vorgetragen im munteren Stil des theologischen Anti-Theologen

Der Autor hat das, was man salopp "eine gute Schreibe" nennt, und so macht das Lesen dieser "Positionspapiere" Spaß, und noch beim Wiederlesen kann man über vieles schmunzeln. Doch wer Tagesaktuelles nach bis zu zehn Jahren wieder auflegt, provoziert nicht nur die Frage, ob das gegenwärtig noch so bedeutsam sei, sondern vor allem auch das gründlichere Nachdenken über die vorgebrachten Meinungen und ihre Begründung.

Klaus Berger ist in seinem Heidelberger "Diasporakatholizismus" spürbar von theologischen und praktischen Entwicklungen seiner - der römisch-katholischen - Kirche umgetrieben. Er tritt in immer erneuten Anläufen gegen den Zeitgeist der "theological correctness" an, deren Heimstatt er offenbar an theologischen Fakultäten und bei der deutschen Bischofskonferenz ausgemacht hat. Es geht Berger um einen Glauben, der das rational Unerklärliche und das Wunder für möglich hält, der geheimnisvoll und "mystisch" bleibt. Es geht um die neue Wahrnehmung der theologischen Tradition und insbesondere des liturgischen Schatzes der Kirche. Es geht um das priesterliche Amt, die apostolische Sukzession und die Legitimation seiner Kirche, dieser "alten Dame", und des Papstes. Es geht um einen schonenden, nicht allzu kritischen Umgang mit der Bibel, es geht um klare Wegweisungen und Grenzen, ja Abgrenzungen.

Das gemeinsame Abendmahl von Katholiken und Lutheranern (daneben kommen am Rande noch "Calvinisten" vor - mit schönen Grüßen in die Deutsch-Schweiz) wird zwar - wie Berger zu Recht und mit Empörung feststellt - nicht nur auf ökumenischen Kirchentagen längst gefeiert. Aber solche "Ökumene von unten" ist für ihn theologisch unausgegoren, ökumenische Gefühlsduselei, eine "gefährliche Mogelpackung", und vor allem für die Katholiken ein Ausverkauf des eigenen Profils. Die gegenseitige Anerkennung der Taufe, die nach Berger "bei getrennten Christen seit je" geschieht (man muß auch im Jahr 2005 Europa nicht verlassen, um sich vom Gegenteil zu überzeugen), geht schon in Ordnung. Die Eucharistie hingegen brauche das gemeinsame Amt. Im Neuen Testament steht das zwar nicht, aber es wird schon stimmen.

Man hätte Berger freilich falsch verstanden, würde man ihm die Sehnsucht nach der kirchlichen Einheit der Christen absprechen. Ganz im Gegenteil: Das Ziel ist eine echte eucharistische Gemeinschaft, keine bloße "versöhnte Verschiedenheit". Daß solche Kirchengemeinschaft an der Frage des Amtes hängt, ist allgemein bekannt, und Kompromisse, das heißt, ein Abgehen von der römischen Linie, sind da für jemanden, der wie der Autor schon im Neuen Testament die Priesterweihe angelegt findet, ausgeschlossen.

Die Ablehnung einer verflachenden theologischen und sehr westdeutschen volkskirchlichen Moderne nimmt sich bisweilen etwas antiquiert aus. Der Autor selbst bemerkt ja, daß seine Lieblingsgegner "alle zwischen 63 und 83 Jahren alt" sind. Berger empfiehlt eine bessere Wahrnehmung des Wechselspiels von "Autorität und Norm einerseits und Realität andererseits", anders gesagt: "die Mentalität eines rheinischen Katholiken", die möglicherweise sogar im Himmel herrsche. Man sollte vielleicht Kardinal Meisner fragen. Denn in der Tat ist eine solche Haltung "für Protestanten unverständlich", intellektuell jedenfalls. Berger ist kein Reaktionär oder Fundamentalist. Er ist ein Konservativer mit Lust an der Provokation, ein theologischer Anti-Theologe, wenn man so will, vergleichbar einem soziologischen Anti-Soziologen wie Friedrich Tenbruck. Von solchen in allen Zünften ansässigen Streithähnen geht bei allem Anstößigen allemal viel Befruchtendes aus.

Am lebhaftesten und am polemischsten wirkt Berger denn auch, wenn er auf die eigene Profession, auf die Ausbildung von Theologen und den wissenschaftlichen Umgang mit der Bibel, zu sprechen kommt. Er plädiert zu Recht für den fremden Bibeltext, für das Einlassen auf den hermeneutischen Abstand zwischen Text und Leser, für das Sich-Befragen-Lassen auf die eigenen Vorurteile. Das war aber auch schon bei Karl Barth zu lernen. Er beklagt nicht ohne Grund den "lebenslangen exegetischen Schnupfen", den sich manche Theologen in ihrem Studium holen. Er sieht klar das große Defizit protestantischer Theologenausbildung, daß nämlich die Philosophie im Pflicht-Curriculum kaum vorkommt. Er beklagt mangelnde Spiritualität bei angehenden Theologen und empfiehlt "Kloster auf Zeit" - aber ist das "Kloster"?

Berger will eine Theologie, die den Naturwissenschaften die Deutungshoheit über die Welt mutig streitig macht. Bei aller Sympathie für theologisches Selbstbewußtsein: Es wäre doch schon viel gewonnen - und der wissenschaftliche Diskurs in Deutschland treibt gerade die ersten zarten Blüten -, wenn Theologie und Naturwissenschaften in ein wirkliches Reden mit- und nicht übereinander kämen. Seit Bultmanns Zeiten haben sich nicht nur Exegese und Theologie gewandelt. Ob man will oder nicht - ein Zurück hinter die geistige Globalisierung der Aufklärung gibt es nicht.

HERMUT LÖHR

Klaus Berger: "Widerworte". Wieviel Modernisierung verträgt Religion? Insel Verlag, Frankfurt am Main, Leipzig 2005. 176 S., br., 14,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Antje Schrupp wird mit Klaus Bergers Kritik an den Modernisierungsbestrebungen des Christentums nicht ganz warm. Zwar spreche der Heidelberger Neutestamentler durchaus einige tatsächlich beklagenswerte Punkte an, etwa die Verwendung von isolierten Bibelzitaten zum Beleg für alle möglichen Meinungen. Bei der angeblich fehlenden Frömmigkeit der Theologen aber muss Schrupp widersprechen. Gerade die neue Generation lebe ihre Religion. Und vor allem: "sie schauen nach vorn, während Berger zurückschaut". Krupp findet es "besserwisserisch", wenn nicht sogar "weltfremd", wenn Berger die "Entmythologisierung" der biblischen Texte oder die Aufnahme von Frauen ins Pfarramt kritisiert. Vor der Aufklärung sei die Kirche beileibe nicht besser oder die Gläubigen frömmer gewesen, meint die Rezensentin. Es habe nur einfach keine Konkurrenz wie die Esoterik, den Rationalismus oder den Islam gegeben. Sie gesteht Berger zwar zu, die Bedeutung eines überzeugenden und mitreißenden Christentums zu Recht heraus zu streichen. "Allerdings sind seine eigenen Texte davon meilenweit entfernt."

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