18,80 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

»Man muß sich klarmachen, daß die kulturschaffenden Zivilisationen der Menschheit auf dem Zifferblatt der vier Milliarden Jahre zählenden geologischen Uhr gerade mal die letzten paar Sekunden ausmachen« - mit diesem ernüchternden Hinweis auf den kurzen Augenblick, mit dem wir es zu tun haben, wenn wir über Kultur und Technologie sprechen, beginnt Stanislaw Lems neuester Essayband.
Die Welt geht unter, daran besteht für den großen polnischen Zukunftsforscher und Science-fiction-Autor Lem kein Zweifel, aber über das »Wie« läßt sich diskutieren. Lems zivilisationskritische Sicht hat im
…mehr

Produktbeschreibung
»Man muß sich klarmachen, daß die kulturschaffenden Zivilisationen der Menschheit auf dem Zifferblatt der vier Milliarden Jahre zählenden geologischen Uhr gerade mal die letzten paar Sekunden ausmachen« - mit diesem ernüchternden Hinweis auf den kurzen Augenblick, mit dem wir es zu tun haben, wenn wir über Kultur und Technologie sprechen, beginnt Stanislaw Lems neuester Essayband.

Die Welt geht unter, daran besteht für den großen polnischen Zukunftsforscher und Science-fiction-Autor Lem kein Zweifel, aber über das »Wie« läßt sich diskutieren. Lems zivilisationskritische Sicht hat im Vergleich zu seiner waghalsigen Neugier in der Summa technologiae (1964) an Schärfe zugenommen. Der Fortschrittsoptimismus ist mehr als gedämpft; wir drohen, so Lem, im Informationsmüll zu ersticken, die virtuellen Realitäten führen dazu, daß wir den überblick über unsere Welt verlieren. Aber Lem ist Philosoph genug, um zu wissen, daß er nicht weiß, was die Zukunft bringt: Wer jedoch bereitist, ihm auf seinen faszinierenden interdisziplinären Argumentationswegen zu folgen, erhält aufregende Erkenntnisse zu Evolution und technischer Entwicklung, zu Biotechnologie und Gentechnik, zu Computerwissenschaft, Informationstechnologie und »Künstlicher Intelligenz«.

Autorenporträt
Lem, StanislawStanislaw Lem wurde am 12. September 1921 in Lwów (Lemberg) geboren, lebte zuletzt in Krakau, wo er am 27. März 2006 starb. Er studierte von 1939 bis 1941 Medizin. Während des Zweiten Weltkrieges musste er sein Studium unterbrechen und arbeitete als Automechaniker. Von 1945 bis 1948 setze er sein Medizinstudium fort, nach dem Absolutorium erwarb Lem jedoch nicht den Doktorgrad und übte den Arztberuf nicht aus. Er übersetzte Fachliteratur aus dem Russischen und ab den fünfziger Jahren arbeitete Lem als freier Schriftsteller in Krákow. Er wandte sich früh dem Genre Science-fiction zu, schrieb aber auch gewichtige theoretische Abhandlungen und Essays zu Kybernetik, Literaturtheorie und Futurologie. Stanislaw Lem zählt heute zu den erfolgreichsten Autoren Polens. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, verfilmt und in 57 Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.05.2002

Die Straße der überfahrenen Rollschinken
Panzer, die Elefanten imitieren, und Elefanten, die Panzer imitieren: Die Zukunft sieht bei Stanislaw Lem nicht sehr futuristisch aus
Ist Geschichte eine Wissenschaft? Das bleibt höchst umstritten. Eigentlich, meint Schopenhauer, sei sie nur ein Wissen; und nicht einmal das scheint über jeden Zweifel erhaben. Aber ganz bestimmt befindet sich hinsichtlich der Zukunft absolut jeder im Unschuldszustand des blutigen Laien, und das Fach der Futurologie zeichnet sich gegenüber Nachbardisziplinen wie z.B. der Astrologie hauptsächlich durch seinen Mangel an Präzision aus.
Niemand weiß das besser als Stanislaw Lem, der vor vielen Jahren schon den satirischen Roman „Der futurologische Kongress” verfasst hat; nicht die Zukunft hatte sich dem Protagonisten dort eröffnet, sondern, indem Schicht um Schicht einer drogeninduzierten Täuschung abfiel, die Gegenwart, die sich schließlich als kläglichste Verkommenheit enthüllte. Lem legt jetzt einen Band von Essays vor, in denen er die Aussichten für das neue Jahrhundert abschätzt.
Die Grammatik der Ironie
Wer grundstürzend neue Prognosen oder Mutmaßungen erwartet, wird enttäuscht werden. Fast zärtlich verweilt der Autor am Ende eines langen und überaus fruchtbaren Schriftstellerlebens bei seinen vielfältigen früheren Spekulationen, sei es, dass sie sich inzwischen bewahrheitet haben, sei es, dass nicht – der Unterschied ist ihm offenbar nicht mehr so wichtig. So blickt er gewissermaßen auf die Zukunft zurück: eine Zeitform, von der die Schulgrammatik nichts weiß, ein Tempus der Ironie. Ausdrücklich hebt Lem die Beschränkungen im kommunistischen Polen als Voraussetzung seiner Produktion hervor, eine Zeit, die er nachträglich gleichwohl zum Teufel wünscht: „Kaum jemand hat heute noch eine Vorstellung von der Besonderheit der damaligen Zeit, als die Feder sich kurvenreich in den Fußstapfen des Äsop zwischen der Skylla der Unklarheit und der Charybdis der Konfiskation hin und her bewegen musste.”
Auch der mangelnde Zugang zu den zeitgenössischen Diskussionen war ihm zugute gekommen, indem sie ihn zu kühner Unbedarftheit ermutigte. Heute, so viel lässt er durchblicken, wäre das nicht mehr möglich; der letzte Essay trägt den Titel „Logorrhea” und berichtet, dass die Teilnehmer eines Kongresses über künstliche Intelligenz vorab anderthalb Kilo Papier geschickt bekamen, in denen u.a. deren Nützlichkeit zum Trocknen von Gemüse, insbesondere von Zwiebeln, betont wird.
Der Achtzigjährige, der Stanislaw Lem heute ist, präsentiert sich vor allem als Skeptiker. Wie wird es mit den Robotern weitergehen? Keine Ahnung, sagt er, aber wir sollten nicht aus den Augen verlieren, dass es bis heute nicht gelungen ist, einen elektronischen Dienstboten zu bauen, der imstande wäre, die Spinnweben von der Decke zu fegen, ohne zugleich die darunter zum Trocknen aufgehängte Wäsche zu ruinieren; und selbst wenn es gelänge, dieses Problem zu lösen, so entfiele doch das Vergnügen einer kleinen Plauderei. Wie steht es mit der biotechnologischen Revolution? Wir haben die genetische Information, aber wir wissen nicht, was sie bedeutet, und so haben wir sie doch auch wieder nicht. Kontaktaufnahme mit fremden Intelligenzen im Weltall? „Es scheint mir, es wäre doch besser, wir blieben im Weltall allein.” (Lem denkt dabei anscheinend mehr an die Gefahr, die von uns für andere Lebensformen ausgeht; aber es ließe sich natürlich auch vorstellen, dass wir diejenigen wären, die dabei Pech haben, im Sinne von Lichtenbergs Aphorismus: Als die Indianer den Kolumbus entdeckten, war das für sie eine schlechte Entdeckung.)
Lem beschäftigt sich nicht in erster Linie mit den technischen Neuerungen und den Perspektiven, die sie eröffnen; mehr liegt ihm an den Konstanten, die er, bei aller Instabilität der menschlichen Verhältnisse, aus der historischen Erfahrung in die Zukunft hinein fortgesetzt sieht. Zum einen erwartet er, dass die Ungleichzeitigkeit dessen, was sich synchron auf der Erde tummelt, anhalten wird; so, wie der Sputnik über ein Reich flog, in dem die Frauen Wasser mit Eimern vom Brunnen heimtrugen, so hält er es auch für möglich, dass die Kolonisierung der Nachbarplaneten von einer hungernden Erde aus in Angriff genommen wird. Und er glaubt nicht, dass die menschliche Dummheit, in ihren beiden Aspekten des Bösen und des Lächerlichen, nachlässt. Neben der bereits existierenden (obwohl leider schon lange nicht mehr aktualisierten) „Enzyklopädie der Ignoranz” weist er auf das Desiderat einer „Enzyklopädie der Windbeutelei” hin; nicht weniger als dreimal erscheint die Maxime: „Mundus vult decipi, ergo decipiatur” - die Welt will betrogen sein, also werde sie betrogen.
Dabei zieht er sich aber keineswegs auf ein altersweises Schmunzeln zurück, als gäbe es eben nichts Neues unter der Sonne. Lem weiß, dass die Verwirklichung auch nur eines Teils dessen, was uns heute angepriesen wird, zu ökonomischen, sozialen, historischen Wandlungen führen wird, die wir heute noch nicht einmal ahnen können.
Weitsichtige Dummheit
Der bestürzend naive Progressivismus, der sich in einem Titel wie dem kürzlich erschienenen „Die Darwin AG” ausspricht und der seine Traumschlösser von Bio- und Nanotechnik baut, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, dass die Welt nicht in alle Ewigkeit nach den Grundsätzen des amerikanischen Venture-Kapitalismus laufen könnte, ist seine Sache nicht. Lem unterscheidet zwischen einer kurz- und einer weitsichtigen Dummheit; in den Visionen Craig Venters, so ließe sich sagen, sind beide auf einmal am Werk.
Wie also haben wir uns die Zukunft zu denken? Lems Schlusstableau sieht so aus: „Von Fach- und Nichtfachzeitschriften Tausende Male totgesagte Geschwülste werden sich leider weiterhin in bester Verfassung befinden. Die Automobilprototypen der künftigen Menschen, das sei noch nebenbei bemerkt, werden einem überfahrenen Rollschinken ähneln, mit krankhaft herausstehenden Augen und einem aerodynamischen Schwanz. Horden von Entdeckern, Erfindern, Wissenschaftlern und synthetischen Kamelen mit nackten Mädchen zwischen den Höckern sowie Panzer, die Elefanten imitieren und Elefanten, die Panzer imitieren, werden sich jedem aufdrängen, der ihnen über den Weg läuft. Armbanduhren werden mit einem Kuckuck von der Größe eines Marienkäfers ausgestattet, Pickelhauben der uniformierten Schutzmänner wiederum werden synthetisches Sperma mit Vanilleeisgeschmack spritzen.”
Hier fehlt es unverkennbar am nötigen Ernst. Aber dass ein sehr alter Mann noch so mit ganzem und glühendem Herzen an der Zukunft Anteil nimmt wie ein Achtzehnjähriger – das wäre wohl auch ein bisschen viel verlangt!
BURKHARD MÜLLER
STANISLAW LEM: Riskante Konzepte. Essays. Aus dem Polnischen von Andreas Lawaty. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2001. 152 Seiten, 18,80 Euro.
Der 1931 vom Verlag Langewiesche herausgegebene Bildband „Das Werk. Technische Lichtbildstudien” begann mit einem Aufruf an Fotografen. Nicht die sachlich korrekte fotografische Wiedergabe technischer Objekte war gewünscht, sondern „die photographische Erfassung der Objekte so zu steigern, daß die Aufnahmen das geistige Erlebnis moderner Technik zu vermitteln vermögen.” Die Werbeabteilung der Zeppelin G.m.b.H. konnte sich mit dem Foto „Auf großer Fahrt” qualifizieren. Wir entnehmen es dem Neudruck des Buchs, das in Begleittexten eindrucksvoll die Technikästhetik der dreißiger Jahre erklärt. (Neudruck hrsg. von der Albertina, Wien, im Verlag K. R. Langewiesche Nachfolger Hans Köster, Königstein 2002. 139 Seiten, 19,80 Euro.) ukü
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Burkard Müller zeigt sich recht angetan von Stanislav Lem Essayband "Riskante Konzepte", in dem er die Aussichten für das neue Jahrhundert abschätzt. Wer sich davon grundlegend neue Prognosen und Visionen erwartet, wird nach Ansicht Müllers allerdings ein wenig enttäuscht sein, verweilt Lem doch "fast zärtlich" bei seinen früheren Spekulationen über die Zukunft. Mit Ironie und Skepsis behandelt der nunmehr achtzigjährige Lem Themen wie die Roboterforschung, die biotechnologische Revolution und die Kontaktaufnahme zu fremden Intelligenzen im Weltall, berichtet Müller. Müller hebt hervor, dass es Lem nicht so sehr um technische Neuerungen und Perspektiven geht, sondern um "Konstanten, die er, bei aller Instabilität der menschlichen Verhältnisse, aus der historischen Erfahrung in die Zukunft hinein fortgesetzt sieht". Dazu zählen laut Müller für Lem eben auch menschliche Dummheit mit ihren beiden Aspekten des Bösen und des Lächerlichen. Lem ziehe sich aber keineswegs auf ein altersweises Schmunzeln zurück, lobt Müller. Im Gegenteil: Er mache deutlich, dass die Verwirklichung auch nur eines Teils der heute gepriesenen Projekte ungeahnten zu ökonomischen, sozialen, historischen Wandlungen führen wird. Wenn Lem dann ein Bild der Zukunft malt, in der Autos "überfahrenen Rollschinken" ähneln oder Panzer "Elefanten imitieren", dann fehlt es ihm nach Ansicht des Rezensenten etwas am nötigen Ernst - was er ihm aber nicht weiter krumm nehmen mag.

© Perlentaucher Medien GmbH
…mehr