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Am 30. November 2000 jährte sich der Todestag Oscar Wildes zum einhundertsten Mal. Detailliert schildert Norbert Kohl das Leben und Lebensgefühl dieser facettenreichen und faszinierenden Persönlichkeit. Auf der Basis des aktuellen Forschungsstands deutet und kommentiert er die Werke Oscar Wildes, darunter die Märchen und Erzählungen, die Gesellschaftskomödien sowie die Ästhetik Wildes. Sein besonderes Augenmerk richtet der Biograf auf die Aktualität des Schriftstellers. So vergleicht er unter anderem die radikale Ich-Bezogenheit im Werk Wildes mit dem Lebensgefühl der selbstverliebten und…mehr

Produktbeschreibung
Am 30. November 2000 jährte sich der Todestag Oscar Wildes zum einhundertsten Mal. Detailliert schildert Norbert Kohl das Leben und Lebensgefühl dieser facettenreichen und faszinierenden Persönlichkeit. Auf der Basis des aktuellen Forschungsstands deutet und kommentiert er die Werke Oscar Wildes, darunter die Märchen und Erzählungen, die Gesellschaftskomödien sowie die Ästhetik Wildes. Sein besonderes Augenmerk richtet der Biograf auf die Aktualität des Schriftstellers. So vergleicht er unter anderem die radikale Ich-Bezogenheit im Werk Wildes mit dem Lebensgefühl der selbstverliebten und erlebnisorientierten Yuppie-Generation.
Oscar Wilde gehört in Deutschland zu den bekanntesten Autoren der englischen Literatur. Es dürfte kaum jemanden geben, der seinen Namen nicht mit Das Bildnis des Dorian Gray, mit Salome und Bunbury oder Wie wichtig es ist, ernst zu sein verbände, der sich nicht an das eine oder andere Märchen erinnern, nicht den einen oder anderen seiner Aphorismen zitieren könnte.
Die vorliegende Biographie verbindet das Lebensporträt des Autors mit der Darstellung und Deutung seines Oeuvre. Norbert Kohl zeichnet das Leben dieses ebenso facettenreichen wie faszinieren Autors nach und kommentiert auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes seine wichtigsten Werke, darunter die Märchen und Erzählungen, die Gesellschaftskomödien sowie die Ästhetik Oscar Wildes.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2000

Das Fitness-Studio "Dorian Gray"
Kaninchen im Hut: Norbert Kohls Biographie über Oscar Wilde

Brauchen wir eine weitere OscarWilde-Biographie? Muss man dieses bekanntlich exzentrische und aus jedem Rahmen fallende Leben noch einmal ganz anders erzählen? Glaubt man dem Waschblatt der Monographie, die der Anglist Norbert Kohl über den Londoner Autor und Dandy verfasst hat, so liefert Wilde das Programm zum "Neuen Hedonismus", zum "Tanz um das goldene Selbst". Der düstere Klang der Gegenwartsdiagnose macht den Leser auf einen konservativen Ansatz gefasst: Ist Wilde am Ende doch das soziale Gift gewesen, für das ihn seine Feinde hielten? Die zwei Stellen, an denen der Autor den Nexus der beiden Fin-de-Siècle-Epochen aufgreift, lassen kaum andere Schlüsse zu.

Haben die Erben Oscar Wildes doch heute eine "Erlebnis-Gesellschaft" geschaffen, in der "es Pflichten und Verantwortung nicht mehr gibt", sondern Genusssucht, die Fetischisierung der Jugend und radikale Ich-Bezogenheit den Ton angeben? "Was Wildes Romanfigur auf märchenhafte Weise gelang", heißt es über Dorian Gray, "erscheint aus gegenwärtiger Sicht als Ziel der Besucher von Fitness-Studios und Schönheitschirurgen." Routinemäßige Nasenkorrekturen sind ebensolche Symptome einer bedenklichen Dorian-Grayisierung wie "Kinn- und Po-Implantate".

Sobald der Autor allerdings in den Brunnen der Vergangenheit hinabsteigt, verkehrt sich seine Perspektive. Nun lauert das Böse im Lager der Nicht-Hedonisten: "Verbargen sich hinter der Fassade von prätentiösem Moralismus, hochfliegenden Idealen und steifen Konventionen nicht oft genug Heuchelei, ,das charakteristischste Laster der Zeit', kruder Materialismus, die Ungleichbehandlung der Geschlechter, Pharisäertum allenthalben?" Kohl lässt seinen Röntgenblick von den oberen zu den darunter liegenden Gesellschaftsschichten schweifen: "Der puritanisch unterfütterte, pseudomoralische Fundamentalismus und der damit einhergehende Konformitätsdruck hatten in der viktorianischen ,middle-class' eine Mentalität der Intoleranz und des Pharisäertums erzeugt, die jede Normabweichung tabuisierte." Gegen den ersten Anschein plädiert diese Studie offenbar nicht für bestimmte moralische Werte - mögen sie nun auf Seiten der Love Parade oder der King's Parade liegen -, sondern für das Recht auf Abweichung und Einzelgängertum: Eine Gesellschaft ist unerträglich, nicht weil sie das Po-Implantat gelten lässt, sondern weil sie das gesunkene Gesäß des Eigenbrötlers verspottet.

Auch Kohls Studie, die nach eigenem Bekunden dem fünfaktigen Aufbau einer klassischen Tragödie folgt, ist nicht eben griechisch proportioniert. Das Buch hat einen geschwollenen Bauch, sein dritter Teil, "Im Zenit", nimmt die Hälfte des gesamten Platzes ein. Hier werden Wildes Hauptwerke erörtert und Schritt für Schritt nacherzählt. Wir erfahren, dass "Das Bildnis des Dorian Gray" ein "Anti-Bildungsroman" sei, dass er das "seit der Romantik so beliebte Doppelgängermotiv" aufgreife, den Narzissmusmythos bediene und dass in dem titelgebenden Bildnis das "zentrale Symbol" des Buches auszumachen sei - lauter Erkenntnisse, mit denen man Gymnasiasten seit fünfzig Jahren quält. Immerhin entfaltet die Studie die These, Wildes spätere Bekanntschaft mit dem Dorian Gray nicht unähnlichen Lord Alfred Douglas sei ein Beleg für die ästhetizistische Behauptung des Künstlers, nicht die Kunst imitiere das Leben, sondern dieses die Kunst.

Biedere Geister, die Gegensätzliches behaupten möchten, werden mit einer großzügigen Geste aus dem Feld geräumt. Wildes Werk ist, so Kohl, an der Jahrtausendschwelle "gereinigt von den Interpretationsschlacken positivistischer Einflussphilologen", befreit "von zählebigen Deutungsmustern, die Generationen moralisierender Biographen und biographisch argumentierender Kritiker hinterlassen haben". Seltsam nur, dass diese Studie "den Mechanismus von Geheimnis und (drohender) Enthüllung in Wildes Komödien "als literarisch verschlüsselten Ausdruck des ganz persönlichen Dilemmas" liest, dass sich ihr für das "Salomé"-Drama neue Deutungsperspektiven eröffnen, "wenn man die homosexuelle Orientierung des Autors mitbedenkt", dass der mit der Biographie des Autors Vertraute in "The Importance of Being Earnest" eine "Fülle von Details entdecken" kann, "die, zusammengenommen, in der Tat einen für Eingeweihte leicht entschlüsselbaren homoerotischen Subtext bilden". In einem Brief habe Wilde "die Maske gelüftet" und zum "Dorian Gray" selbst eine "verblüffende, autobiographische Deutung der Figurenkonstellationen" geliefert.

Die Kampfansage an alles biographische Rätselraten passt schlecht zum Kaninchen der Homoerotik, das Kohl als der Weisheit letzter Schluss immer wieder aus dem Hut zieht. Die Übertretung frisch gezogener Grenzen hat in diesem Buch Methode. Anlässlich von Wildes Essay "The Critic as Artist" moniert Kohl "eine nicht ganz uneitle ,name-dropping'-Parade, die den nicht überdurchschnittlich Belesenen eher einschüchtert als ihm Einsichten vermittelt". Doch schon in den nächsten zwei Absätzen erinnert sich der Autor en passant an einen Befund Friedrich Schlegels, ein Bonmot Alfred Kerrs, eine Äußerung Matthew Arnolds und eine Definition von Anatole France. Ist es am Ende der Biograph selbst, den Wildes "name-dropping" einschüchtert und der Gleiches mit Gleichem vergilt? Der Studie eignet eine gewisse spiegelbildliche Beflissenheit, die von der Fiktion lebt, Oscar Wilde sei noch immer ein verpönter Autor, dem man Gerechtigkeit verschaffen müsse. Der Eindruck des Überlebten - als sei das Buch selbst das alternde Bildnis des Dorian Gray - mag daran liegen, dass Norbert Kohl, wie sein Vorwort mitteilt, im "werkbezogenen Kommentar" auf die Ergebnisse seiner zwanzig Jahre zurückliegenden Wilde-Monographie zurückgreift. Bleibt als Grund für dieses wenig homogene Buch, dessen linke Hand nicht weiß, was die rechte tut, nur Wildes hundertster Todestag, der in dieses Jahr fällt.

INGEBORG HARMS

Norbert Kohl: "Oscar Wilde. Leben und Werk". Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2000. 333 S., geb., 48,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Oscar Wilde ist vor hundert Jahren gestorben und der Buchmarkt produziert zu diesem Anlass Wildeiana en masse. Holger Gumprecht hat sich einige der Neuerscheinungen bzw. Neuausgaben angesehen und informiert (nach einer länglichen biografischen Einleitung zum unglücklichen Schicksal des Autors) darüber in einer Sammelbesprechung. Mut gehört schon dazu, stellt der Rezensent fest, nach Richard Ellmans Monumentalwerk eine weitere ambitionierte Wilde-Biografie zu schreiben. Der Anglist Norbert Kohl aber habe seine Kennerschaft bereits als Herausgeber der Insel-Ausgabe und in vielen Aufsätzen unter Beweis gestellt - und auch das neue Buch enttäusche nicht. Holger Gumprecht lobt den "leicht lesbaren Erzählstil" und findet es bemerkenswert, dass sogar Spuren von Humor und Ironie zu entdecken sind. Um aber keinen falschen Verdacht aufkommen zu lassen, legt er Wert darauf, dass trotz Humor die "wissenschaftliche Akkuratesse" gewahrt bleibe.

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