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Siebzehn deutsche Schriftsteller erzählen von ihren Erfahrungen in einem Land, das sie Heimat nennen. Sie heißen Ljubic, Bánk, Müller, Gorelik, Barbetta oder Özdogan. Sie sind Deutsche, aber man nennt sie "Deutsche mit Migrationshintergrund". Hier äußern sie sich zur Debatte über Heimat, Herkunft und ihre Identität. Ein Plädoyer für einen neuen Blick auf das, was uns fremd erscheint.

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Produktbeschreibung
Siebzehn deutsche Schriftsteller erzählen von ihren Erfahrungen in einem Land, das sie Heimat nennen.
Sie heißen Ljubic, Bánk, Müller, Gorelik, Barbetta oder Özdogan. Sie sind Deutsche, aber man nennt sie "Deutsche mit Migrationshintergrund". Hier äußern sie sich zur Debatte über Heimat, Herkunft und ihre Identität. Ein Plädoyer für einen neuen Blick auf das, was uns fremd erscheint.
Autorenporträt
Nicol Ljubic, geboren 1971, lebt in Berlin. Als Sohn eines Flugzeugtechnikers der Lufthansa wuchs er in Griechenland, Schweden und Rußland auf. Er schreibt u.a. für SZ-Magazin, Zeit, Tagesspiegel, Merian, Geo Saison und Brigitte. Bei DVA erschien 2004 Genosse Nachwuchs, für einen Auszug daraus wurde ihm der Theodor-Wolff-Preis verliehen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Tanjev Schultz hat zwei Bücher gelesen, die sich in der Integrationsdebatte der Ausgrenzung durch (auch wohlmeinende) Ethnisierung zuwenden. Die von Nicol Ljubic herausgegebenen Geschichten von Autoren mit Migrationshintergrund sind fast alle biografisch, manche satirisch und viele ausgesprochen komisch, freut sich der Rezensent. Besonders amüsant fand er die Geschichte von Mely Kiyak, die ein Streiflicht auf die latenten und gar nicht böse gemeinten Vorurteile ihrer deutschen Bekannten wirft. Etwas bitterer, aber eben auch im Kern treffend, sind beim Rezensenten die zehn Gebote für Migranten, die sich als Deutsche fühlen, von Jagoda Marinic angekommen. Der Band führt die Probleme der teils ziemlich aufgeheizten Debatte um Integration sehr anschaulich vor Augen, findet der eingenommene Schultz.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.08.2012

Bestaunt wie eine
seltene Spezies
Deutsche fremder Abstammung haben es auch mit
wohlmeinenden Landsleuten nicht immer leicht
VON TANJEV SCHULTZ
Wer anders heißt oder aussieht, als man sich einen Deutschen gemeinhin vorstellt, muss regelmäßig Auskunft geben über sich und seine Herkunft. Ruckzuck wird er in eine Expertenrolle gedrängt und zum Integrationsbeauftragten seiner Mitmenschen ernannt. Viele, denen ihr Migrationshintergrund wie ein Schatten anhaftet, leiden darunter, dass man sie betrachtet wie Exemplare einer fremden Art. Auch im Lob, sie sprächen aber gut Deutsch, steckt dann stets ein Stachel, der sie schmerzt: „Du gehörst ja eigentlich nicht zu uns.“
  Nicol Ljubic hat eine ebenso ernste wie erfrischende Anthologie zu solchen Fremdheitserfahrungen im eigenen Land herausgegeben. Ljubic wurde in Zagreb geboren. Deutsch, so schreibt er, sei die einzige Sprache, die er akzentfrei spreche. Der Titel des Buches „Schluss mit der Deutschenfeindlichkeit!“ ist also keineswegs, wie rechte Populisten hoffen könnten, eine Polemik gegen die vielen angeblich integrationsunwilligen Einwanderer. Es ist der Stoßseufzer von Menschen, deren Heimat (auch) Deutschland ist, die sich aber immer wieder zurückgestoßen fühlen von wirren Leitkultur-Debatten und einem ausgrenzenden Integrationsgeschwätz.
  Das Buch versammelt wortmächtige Autoren, Herta Müller und Selim Özdogan, Petra Reski und Ijoma Mangold. Was sie in ausgefeilten Sätzen erzählen, ist jedoch nicht die exklusive Erfahrung einer kleinen Schar von Intellektuellen. Das „Zurechtgenagelt-Werden aufs ewige Migrantenbildchen“, wie Zsuzsa Bánk es nennt, erleben ja viele, die sich zwischen all den Wohlmeinenden und Missgünstigen im deutschen Bildungs- und Diskurssystem behaupten müssen. Wer hierzulande als „Migrant“ erfolgreich sein will, sieht sich allzu oft genötigt, die Reize des Exotismus und die Expertise des vermeintlich Fremden möglichst gewinnbringend einzusetzen. Die Schriftstellerin Zsuzsa Bánk, als Kind ungarischer Eltern in Frankfurt geboren, kann davon ein Lied singen. Sie wird zu allem Möglichen befragt, das Ungarn betrifft: „Ich bin noch nie zu einem deutschen Thema befragt worden.“
  Die Texte haben überwiegend einen biografisch-erzählenden Ton, manches ist offen satirisch. Jagoda Marinic präsentiert zehn Gebote, die nach Deutschland Zugezogene beherzigen sollten, wenn sie als Deutsche durchgehen wollen. Ein Gebot lautet: „Du sollst keine anderen Länder neben mir haben.“ Ein weiteres: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter nicht zu sehr ehren. Du sollst sie kaum ehren, wenn sie ungebildete Einwanderer sind.“ Das mag in deutschen Ohren ungerecht klingen, weil hier mit leichter Feder auch die Deutschen als ein geschlossenes Kollektiv dargestellt werden, das es so in Wirklichkeit nicht gibt. Doch so ist es eben, wenn man hineingerutscht ist in die Spirale der Ethnisierung.
  Mely Kiyak schildert höchst vergnüglich, wie sie einst Lisa, eine Bekannte aus einer Antifa-Gruppe, zu ihren Eltern nach Hause brachte. Der Vater kam aus der Fabrik und war müde. Lisa roch nach Patschouli-Öl und erklärte dem vermutlich etwas verdutzten Vater, dass man sich duze, und fügte unumwunden hinzu, dass sie lesbisch sei. „Vaters Adamsapfel sprang wie eine Billardkugel aus seinem Hals hervor und wieder zurück.“ Dann sagte er: „Herzlich willkommen unter unserem Dach. Hauptsache, du bist ein Mensch.“
  Hauptsache ein Mensch – in diese Richtung argumentieren auch Eva Maria Bachinger und Martin Schenk in einer Collage aus Analysen und Reportagen. Sie erzählen von Jugendlichen in Berlin-Kreuzberg, von einem indischen Tempel in der Schweiz, von Migranten im Seniorenheim und einer Geburtsstation in Linz. Nicht immer wird klar, was diese Momentaufnahmen für die überwölbende These des Buches leisten. Die Autoren halten kulturelle Differenzen offenbar für überschätzt. Sie betonen stattdessen die vielen sozialen Probleme und Statusunterschiede, die sich hinter der Oberfläche angeblicher Kulturkämpfe verbergen. Eine „Kulturalismus-Falle“ schnappe zu im Reden über Integration, lautet ihre Diagnose – „als was du geboren wurdest, das bist du“.
  Diese Gefahr, deren Auswirkungen in den sehr persönlichen Texten von Ljubics Anthologie greifbar werden, besteht nicht nur im Umfeld eines offenen oder latenten Rassismus. Sie existiert paradoxerweise auch dort, wo das Bemühen um Sensibilität sehr groß zu sein scheint: im „interkulturellen Dialog“ etwa, den man sich (allzu) fest vorgenommen hat. Da sollen zum Beispiel die Kinder in der Grundschulen lauter Speisen mitbringen, die für ihre Nationalität typisch sind. Doch ist das wirklich das, was sie regelmäßig zu Hause essen? Die einen frühstücken gar nicht, die anderen bevorzugen die üblichen Knusperflocken aus dem Discounter. Nun also sollen die Kinder sich als Repräsentanten „ihrer“ Kultur begreifen. So werden sie schon früh ethnisiert – nicht unbedingt wider ihren Willen, aber doch mit sanftem Druck.
  Ganz so unbedeutsam, wie Bachinger und Schenk es glauben machen wollen, sind kulturelle Unterschiede allerdings auch wieder nicht. So sehr man sich davor hüten muss, beispielsweise den Islam zu dämonisieren oder seine Vielschichtigkeit zu ignorieren, so unbestreitbar ist doch, dass es in modernen Gesellschaften kulturelle Auseinandersetzungen gibt, die sich an religiös gedeuteten Vorschriften entzünden. Die Konfliktlinien verlaufen kreuz und quer, in und zwischen Gruppen, Schichten und Milieus. Es nützt aber nichts, den Kulturbegriff ganz aufzugeben und so zu tun, als gäbe es jenseits von Einkommens- und Statusunterschieden keinerlei kulturelle Grenzziehungen.
  Entscheidend ist, ob innerhalb der gezogenen Grenzen noch Raum dafür bleibt zu sagen: „Hauptsache, du bist ein Mensch.“
  
Nicol Ljubic (Hrsg.): Schluss mit der Deutschenfeindlichkeit! Geschichten aus der Heimat. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2012. 207 Seiten, 17,99 Euro.
  
Eva Maria Bachinger, Martin Schenk: Die Integrationslüge. Antworten in einer hysterisch geführten Auseinandersetzung. Deuticke, Wien 2012. 207 S., 17,90 Euro.
„Willkommen unter
unserem Dach“, sagte der Vater.
„Hauptsache, du bist ein Mensch“
Schüler sollen landestypische
Speisen mitbringen – und werden
so an ihre Herkunft erinnert
Thilo Sarrazins Albtraum: So weit haben es die Deutschen mit ihrer Anbiederung an fremde Kulturen gebracht! Die Wirklichkeit sieht natürlich ganz anders aus – mal ist sie garstiger und mal viel komplizierter.  
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"Nicol Ljubic hat eine ebenso ernste wie erfrischende Anthologie zu Fremdheitserfahrungen im eigenen Land herausgegeben. " Sz, 21.08.2012