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Ben Witter ist ein Meister der - in Deutschland - wenig geachteten kleinen literarischen Formen. Seine Texte schillern zwischen Reportage, Feuilleton, Satire, Glosse, Kurz-Essay, Short Story und ironisch zwinkerndem politischem Kommentar.
Mit seinen "Nebbichs" hat Witter eine ganz eigene, unverwechselbare Gattung des Kürzest-Romans von zwei, vier, sechs Zeilen geschaffen ("Sie breitete Teile ihres Vorlebens vor mir aus. Ich legte mich dazu."). Am bekanntesten wurde der Kolumnist der Wochenzeitung 'Die Zeit' durch seine "Spaziergänge mit Prominenten", darunter Oskar Kokoschka, Axel C.…mehr

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Produktbeschreibung
Ben Witter ist ein Meister der - in Deutschland - wenig geachteten kleinen literarischen Formen. Seine Texte schillern zwischen Reportage, Feuilleton, Satire, Glosse, Kurz-Essay, Short Story und ironisch zwinkerndem politischem Kommentar.

Mit seinen "Nebbichs" hat Witter eine ganz eigene, unverwechselbare Gattung des Kürzest-Romans von zwei, vier, sechs Zeilen geschaffen ("Sie breitete Teile ihres Vorlebens vor mir aus. Ich legte mich dazu."). Am bekanntesten wurde der Kolumnist der Wochenzeitung 'Die Zeit' durch seine "Spaziergänge mit Prominenten", darunter Oskar Kokoschka, Axel C. Springer, Helmut Schmidt, Rudolf Augstein.

"Belichtete Augenblicke", so nennt Siegfried Lenz die Arbeiten seines vor dreizehn Jahren verstorbenen Freundes: "Er hat ein Gespür für die Beweisfähigkeit des Augenblicks - und trifft damit das Ganze." Nachdem Witters zahlreiche Bücher einige Jahre lang vergriffen waren, liegen seine besten Texte mit dieser Auswahl endlich wieder vor."Nach der Lektüre von Witters Kunststücken ist man sogleich versucht, einen achtsameren Umgang mit sich selbst zu pflegen." Siegfried Lenz
Geht einfach so durch die Stadt. Hört zu. Schaut. Braucht keine Notizen. Kriegt aber alles mit. Hamburger Jung. Hafen vorm Haus. Schreibt einfach darüber, auch noch Bücher. - Das ist Ben Witter. Vom Nachtportier im Stundenhotel an der Elbe erfährt er mehr vom Leben als von Kollegen im Zweireiher. Und dann die "Damen", die froh sind, daß ihnen mal einer zuhört. Die Striptease-Tänzerinnen, wenn sie mal nicht lächeln müssen, sondern weinen möchten. Die Voyeure aus der Oberwelt, die hier herumhängen. Polizisten, Wachmänner, Alte, Einsame, Leichenbestatter, Grabräuber, die etwas verscherbeln wollen, Knastis, seelisch Verwirrte, Zuhälter, Nutten, Diebe, Totschläger, Schieber, Ausgekochte, Angeknackste, Portiers, Putzfrauen, Bordellwirte, Parkwächter, Kalfaktoren, Hafenarbeiter, Bugsier-Schipper, Luden.

Ausgerechnet der Wiener Hans Weigel hat das Ohr für diesen Seemanns-Ton: "Ich fühle mich außerstande, den Echtheits- und Wirklichkeitsgrad der Skizzen, Momentaufnahmen, Genrebilder, Noveletten aus der Welt der Ganoven dieses Knastologen, vermutlich sogar Knastosophen, zu beurteilen. Aber ich glaube sie ihm aufs Wort, weil er das Wörtliche des Milieus so atemberaubend echt handhabt, echt bis zur Heiterkeit ...
Man sieht den Stoff vor lauter Sprache nicht."
Autorenporträt
Ben Witter, 1920 in Hamburg geboren, Kolumnist der Wochenzeitung "Die Zeit", war nicht nur Journalist, sondern auch Poet zugleich, dabei unverwechselbar in Sprache und Stil. Neben Reportagen und Essays schrieb er Kurzgeschichten, Satiren und seine berühmten Nebbichs. Bekannt geworden ist er u. a. durch seine "Spaziergänge mit Prominenten". Ben Witter starb 1993 in Hamburg. Der Herausgeber: Dr. Rolf Michaelis, 1933 in Hall geboren, hat Germanistik, englische und franzö-sische Sprache und Philologie studiert. Nach der Promotion in Tübingen 1958 Feuilleton-Redakteur der "Stuttgarter Zeitung", von 1964 bis 1968 Leiter des Li-teraturblatts der "FAZ", danach deren Kulturkorrespondent in Berlin. Von 1973 bis 1985 Leiter des Literaturteils der "Zeit".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.11.2007

Mit Willy Brandt auf dem Venusberg
Streunendes Schreiben: Ben Witters’ Nachkriegsprosa
Heute würde man sagen: Er hat ein Format erfunden. Dieses Format war das ambulante Interview. Sein Trick bestand darin, mit den Gesprächspartnern an die Luft zu gehen: „Mit Oskar Kokoschka rund um das Haus”, „Mit Rudolf Augstein durch das Alstertal”, „Mit Axel Springer am Wannsee” oder – das war vielleicht der schönste Titel – „Mit Willy Brandt auf dem Venusberg”. Ab 1967 erschienen die Texte in der Zeit, 1969 die erste Sammlung als Buch: „Spaziergänge mit Prominenten”.
Das Signal war: Hier geht es nonchalant zu statt formell, hier herrscht die Abschweifung, nicht der Fragenkatalog, zwei gehen nebeneinander her, der Journalismus ist hier auf Augenhöhe mit den Prominenten, er hört ihnen einfach zu, statt sie auszuquetschen. Aber diese Lockerungsübung war nur die eine Seite. Die andere war: Form, Strenge, Stil. Aus den Spaziergängen gingen nicht O-Ton-Mitschriften hervor, sondern kleine, sorgfältig konstruierte Erzählungen, epische Feuilletons. Man muss nur die Anfangssätze lesen, um das zu sehen, etwa diesen: „Sein ungarischer Hirtenhund ruhte ausgestreckt in der Halle. Willy Brandt stieg über ihn hinweg”.
Ben Witter, geboren 1920 in Hamburg, starb 1993 daselbst. Auf dem Buchmarkt ist er ein wenig verschollen. Aber jetzt hat Rolf Michaelis einen Auswahlband mit kleiner Prosa herausgebracht, weitgehend chronologisch geordnet, von der Nachkriegszeit bis in die frühen neunziger Jahre, mit Protagonisten vom Schwarzmarkt 1947 bis zum Stasi-Mitarbeiter in der Wendezeit. Die Stadt Hamburg spielt darin eine Hauptrolle, denn die Spaziergänge mit Prominenten, von denen Michaelis einige aufgenommen hat, waren nur ein Spezialfall in Witters Schreiben, das insgesamt vom Gehen, Streunen, Stehenbleiben und Beobachten geprägt war.
In den stilisierten Ganovengeschichten und Kiezporträts vom Hafen, aus St. Pauli und drumherum haben die Namen – Locken-Harry und Leichen-Udo – etwas von Künstlernamen. Ben Witters eigentlicher Name war „Karl-Heinz”. Ben war seine erste Stilisierung, wohl ein Distanzgewinn zur Herkunft aus dem Fleischerladen. Und ein symbolischer Schritt in Richtung Jazz, Moderne. Dass hier einer aus der Generation schreibt, die noch im Krieg erwachsen wurde, zeigen nicht nur die Stücke über die Hamburger Bombennächte. Die gesamte literarische Existenz dieses Autors ist von Stilidealen der Nachkriegszeit geprägt: vom Misstrauen gegen das Pathos, vom Ausspielen der kleinen Worte gegen die großen, von der – bis zur Romantisierung reichenden – Aufwertung der unordentlichen, zwielichtigen Lebensläufe.
Ihre größte Stärke aber entfaltet die Prosa Ben Witters in den absichtslosen Notizen zum Gewöhnlichen. Willy Brandt hat beim Rundgang durch seinen Garten gerade erläutert, dass die Obstbäume von der Kantine des Auswärtigen Amtes abgeerntet werden, da verweist er seinen Gast auf eine unauffällige Tür. Sie führt in den Garten des Bundespräsidenten. Und dann folgt einer jener Sätze, in denen bei Ben Witter die Physiognomie der alten Bundesrepublik unvergesslich festgehalten ist: „Ein Seitenfenster des Hauses, das Lübke mit einem Bausparvertrag erbaut hatte, war schwach erleuchtet.” LOTHAR MÜLLER
BEN WITTER: Moment mal! 121 Versuche, den Augenblick zu retten. Herausgegeben von Rolf Michaelis. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007. 350 Seiten, 23 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lothar Müller freut sich über diesen Auswahlband mit Prosatexten von Ben Witter, da das Werk des 1993 gestorbenen Journalisten und Autors heute nur noch schwer greifbar ist. Als Erfindung einer neuen Form gelten dem Rezensenten die Gespräche, die Witter mit Prominenten auf gemeinsamen Spaziergängen geführt hat und die von 1967 an in der "Zeit" erschienen. Einerseits informell, andererseits stilistisch höchst ausgefeilt, präsentieren sich die Unterhaltungen mit berühmten Zeitgenossen als kleine Erzählungen, lobt der Rezensent. Daneben enthalte der Band Texte von der Nachkriegszeit bis in die 90er Jahre, in denen vor allem Witters Heimatstadt Hamburg sehr präsent ist und in denen sich sein besonderes Interesse an "zwielichtigen Lebensläufen" in Porträts von Kleingangstern und Kiezgrößen offenbart, so Müller angetan. Am meisten schätzt er die Art des Autors, das Nebensächliche und Alltägliche festzuhalten, denn gerade hier gelingt Witter ein treffendes Bild der alten Bundesrepublik, wie Müller lobt.

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