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Politische Missstände, persönliche Tragödien, die Ironie des Schicksals oder moralische Konflikte – das sind Themen, die Doris Lessing ein Leben lang beschäftigt haben. Die Geschichten in ihrem neuen Buch erzählen eindrucksvoll davon. Zum Beispiel vom ganz alltäglichen, subtilen Rassismus, dem sich ein junges schwarzes Mädchen in London gegenübersieht, als sie einem weißen Jungen aus einer reichen Familie begegnet. Oder von der engen Beziehungen zweier Freundinnen, die so weit geht, dass zuerst die Männer von der Bildfläche verschwinden und sie dann eine Affäre mit dem Sohn der jeweils anderen…mehr

Produktbeschreibung
Politische Missstände, persönliche Tragödien, die Ironie des Schicksals oder moralische Konflikte – das sind Themen, die Doris Lessing ein Leben lang beschäftigt haben. Die Geschichten in ihrem neuen Buch erzählen eindrucksvoll davon. Zum Beispiel vom ganz alltäglichen, subtilen Rassismus, dem sich ein junges schwarzes Mädchen in London gegenübersieht, als sie einem weißen Jungen aus einer reichen Familie begegnet. Oder von der engen Beziehungen zweier Freundinnen, die so weit geht, dass zuerst die Männer von der Bildfläche verschwinden und sie dann eine Affäre mit dem Sohn der jeweils anderen beginnen. Aber auch von der unstillbaren Sehnsucht eines Vaters um sein „Kind der Liebe, das in Kriegszeiten gezeugt wurde und das er nie mehr wiedersehen soll. In knapper Prosa entwirft Lessing in ihrem Buch eine ganze Welt: wahrhaft und provokant, aber auch gefühlvoll und nachdenklich. „Schwer zu sagen, welche die beste dieser Geschichten ist, denn jede ist gekonnt und sehr verschieden von den anderen … Ein brillant geschriebenes Buch. Library Journal
Autorenporträt
Doris Lessing, 1919 im heutigen Iran geboren und auf einer Farm in Südrhodesien aufgewachsen, lebte seit 1949 in England. 1950 veröffentlichte sie dort ihren ersten Roman und kam 1953 zu Weltruhm. In Deutschland hatte sie ihren großen Durchbruch 1978. Heute ist Doris Lessing eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der Gegenwart, ihr umfangreiches Werk umfasst Lyrik, Prosa und autobiographische Schriften. 2007 wurde sie mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Doris Lessing verstarb 2013 im Alter von 94 Jahren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2005

Drill und Däumchendrehen
Erotisches Quartett: Doris Lessings neue Erzählungen

Ein Kränzchen dem Verlagslektor: Er hat die "four short novels" aus Doris Lessings Prosaband "The Grandmothers" mit Augenmaß gelesen - und für die deutsche Ausgabe die schwächste gleich ganz gestrichen und die stärkste aufs Titelblatt gehoben. "Ein Kind der Liebe" ist ein kurzer Roman mit langem Atem. In der Story rund um einen durchschnittlichen jungen Mann namens James geht die vielgerühmte, vielgerügte Autorin ihre klassischen Themen Krieg und Kolonialgeschichte, Frauenleben und Männertode noch einmal durch. Und mag sich James auch nicht gerade zu einem Hans Castorp mausern, so hat er doch Format - das Format jedenfalls, den Leser bei der Stange zu halten; was etwa den Großmüttern in der gleichnamigen Erzählung nicht gelingt.

Auf einem Bahnsteig stolpert James in seine Erweckung: Ein alter Klassenkamerad sieht den gehemmten Handelshochschüler, nimmt ihn auf der Stelle unter seine Fittiche und schleppt ihn einen Sommer lang von Vortrag zu Vortrag, egal, ob es um den Spanischen Bürgerkrieg geht, ums britische Empire oder um "Dichtung als Waffe im Kampf". James entdeckt sein Faible für Poesie und - dank allerlei "moderner" junger Frauen - sein Filmstar-Profil. Im Frühjahr 1939 wird er einberufen - und was Doris Lessing literarisch aus dieser Nullerfahrung macht, aus Drill und Däumchendrehen, aus Soldatenkoller und Soldatenglück, gehört zum Besten nicht bloß dieses Bandes der 1919 geborenen britischen Nobelpreisaspirantin.

Das überladene Truppenschiff mit seiner bauchigen Hölle fährt nach Kapstadt und fährt und fährt; schlingert und schlingert. Die Männer speien und stöhnen, hungern und dürsten, werden elend, krank, wahnsinnig. Unter sengender Sonne geht es mal knapp am Schiffbruch vorbei, mal an den U-Booten der Deutschen. Alle hängen in den Seilen, Disziplin ist ein Fremdwort, alles löst sich auf. Die Ankunft in Kapstadt scheint ein Wunder zu sein, und zu diesem Wunder gesellen sich wunderbare Wesen, engelsgleiche Wohltäterinnen - Kapstadts Frauen, die den Soldaten ein mehrtägiges Fest ausrichten. James findet seine Frau Chauchat und für ein paar Tage und Nächte seinen siebten Himmel (und die Erzählung einen, vielleicht den einzigen Tiefpunkt). Dann geht es weiter, nach Indien, erneuter Drill, erneutes Däumchendrehen, die Zeit tröpfelt, zerrinnt, Jahre vergehen, Jahrzehnte. James wird seine große Liebe nie wiedersehen, und sein Sohn bleibt ein auf ewig Achtjähriger auf einem verstohlen zugesteckten Foto.

In "Kind der Liebe" entsteht Stimmung ohne Stimmungsmache, fein, fast wie von selbst spinnt die Geschichte aus einer anderen Zeit ihre Fäden zum Leser, der von tränenreichen Tremoli hier beinahe verschont bleibt. Um so dramatischer (weinen, sich vor Qualen hin und her wälzen und alles, was dazugehört) geht es dagegen in "Die Großmütter" zu. Zwei Busenfreundinnen können - emotional - voneinander nicht lassen, leben Seite an Seite, bekommen Söhne, verlieren die Beziehung zu ihren Männern. Aus den Müttern, diesen Urmüttern, werden die Liebhaberinnen der Söhne, man liebt sich über Kreuz, lebt im glücklichen Quartett, bis es Zeit wird für die konventionelle Ehe der beiden Jungs: Zeit auch für Zähren. Und in ein geradezu absurd stereotypes Tableau kommt ein wenig - stereotype - Bewegung: Eine der Alibi-Ehefrauen begehrt auf, weil, ja, weil sie einen alten Liebesbrief gefunden hat.

Weniger holzschnitthaft nimmt sich "Victoria und die Staveneys" aus. Das kleine schwarze Mädchen mit dem ironischen Namen Victoria steht zwar von Anfang an auf der Verliererseite, als hätte Lessing in schlechten viktorianischen Romanen gekramt: Die Mutter stirbt, den Vater gibt es nicht. Und kaum tut sich an der (schlechten) Schule im sozialen Brennpunkt eine Hoffnung für das fleißige Geschöpfchen auf, erkrankt die gute Tante, die das Waisenkind bei sich aufnahm, an Krebs. Victoria muß zu Hause bleiben und die Sterbende pflegen. Nach deren Tod wird sie stante pede aus der Wohnung geworfen. In dieser Erzählung sind es die Details, geschöpft aus Lessings Kenntnis der Londoner Verhältnisse, die aus den Klischees Charaktere machen. Lessing weiß, wie es lärmt in den Sozialwohnungsbauten. Sie weiß auch, wie ein leises, süffisantes Kichern eine ganze Villa erfüllen kann. Mit zart satirischer Färbung skizziert sie mit der Familie der Staveneys die Doppelmoral liberal denkender Linker der upper middle class. Schade, daß sie den klaren Konturen dieser Geschichte am Schluß den Garaus macht: Sie schickt alle ihre Figuren aus der Stadt aufs Land in ein Toskana-Fraktions-Quartier - und mitten hinein in ein ausfransendes Finale.

Dieses jüngste Buch zeigt uns Doris Lessing nicht als Meisterin der kunstreichen Erzählung, aber als Könnerin einer informierten fiction, eines faktengestützten Phantasierens. Im Bauch des Truppenschiffs kann es wachsen, das "Kind der Liebe"; unserer Liebe.

ALEXANDRA KEDVES

Doris Lessing: "Ein Kind der Liebe". Aus dem Englischen übersetzt von Barbara Christ. Verlag Hoffmann & Campe, Hamburg 2004. 288 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Lob dem Lektor des Hoffmann und Campe Verlags: Er habe die schwächste der "four short novels" weggelassen und die beste zur Titelgeschichte befördert. Denn "Ein Kind der Liebe" macht nach Ansicht von Rezensentin Alexandra Kedves einer "Nobelpreisaspirantin" alle Ehre. Vor allem die literarische Umsetzung der "Nullerfahrung" der Soldatendaseins - die Mischung aus "Drill und Däumchendrehen", die der Protagonist James im Zweiten Weltkrieg erlebt, während er mittendrin die Liebe seines Lebens trifft, um sie dann, fortgeschleppt von der Kriegsmaschinerie zu mehr vom gleichen Einerlei, nie wieder zu sehen  - hat die Rezensentin begeistert. Nur mäßig zufrieden war sie dagegen mit "Victoria und die Staveneys" ("ausfransendes Finale"), während sie "Die Großmutter" beinahe misslungen fand (melodramatisch, "holzschnitthaft"). Alles in allem: Kurzromane unterschiedlicher Qualität zu Lessings "klassischen Themen Krieg und Kolonialgeschichte, Frauenleben und Männertode".

© Perlentaucher Medien GmbH