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Ein unglaublicher Trip in die Swinging Sixties, deren Geschichte hier ganz neu geschrieben wird. Der große Wunschtraum aller Beatles-Fans wird wahr: Ein kleines nachträgliches Wunder verhindert, dass sich John Lennon und Yoko Ono kennen lernen. Doch der Preis für die Korrektur ist viel zu hoch - jedenfalls für einen Beatles-Fan. Anfang November 1966 trifft ein junger Zeitreisender aus dem 21. Jahrhundert in London ein. Er nennt sich Billy Shears, und er kommt in geheimer Mission: Als glühender Beatles-Anhänger will er die erste Begegnung zwischen John Lennon und Yoko Ono verhindern. Ohne Yoko,…mehr

Produktbeschreibung
Ein unglaublicher Trip in die Swinging Sixties, deren Geschichte hier ganz neu geschrieben wird.
Der große Wunschtraum aller Beatles-Fans wird wahr: Ein kleines nachträgliches Wunder verhindert, dass sich John Lennon und Yoko Ono kennen lernen. Doch der Preis für die Korrektur ist viel zu hoch - jedenfalls für einen Beatles-Fan.
Anfang November 1966 trifft ein junger Zeitreisender aus dem 21. Jahrhundert in London ein. Er nennt sich Billy Shears, und er kommt in geheimer Mission: Als glühender Beatles-Anhänger will er die erste Begegnung zwischen John Lennon und Yoko Ono verhindern. Ohne Yoko, davon ist er überzeugt, würden die Beatles noch heute durch überfüllte Stadien touren. Doch zu seinem Entsetzen nimmt die Popmusikgeschichte durch sein Eingreifen eine unvorhergesehene Wendung zum Schlimmsten. Während er verzweifelt die alte Ordnung wiederherzustellen versucht, begegnet er unter anderen Jimi Hendrix, Marianne Faithfull, David Bowie, Janis Joplin, Leonard Cohen, Jim Morrison, Eric Burdon und Eric Clapton. Dann verdichten sich im Sommer der Liebe plötzlich die Vorzeichen einer weiteren Schicksalswendung...
Autorenporträt
Gerhard Henschel, geboren 1962, war unter anderem Redakteur bei der Titanic und lebt heute als freier Schriftsteller bei Hamburg. 2012 wurde ihm der Hannelore-Greve-Literaturpreis verliehen, 2013 wurde er mit dem Nicolas-Born-Preis ausgezeichnet und 2015 mit dem Georg-K.-Glaser-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2005

Theo gegen den Rest der Popwelt
Keine Ballade von John und Yoko: Gerhard Henschels Roman über die "Beatles" / Von Edo Reents

Es gehört zum Wesen von Kunst, daß nicht nur nach ihrer Bedeutung gefragt wird, sondern auch nach den Umständen, die sie begünstigten, und solchen, die verhinderten, daß es noch mehr davon gibt. Das ist besonders bei den "Beatles" der Fall. Wie Blitzableiter ranken sich Mutmaßungen um diese Band und lenken die ungeheuren Energien, die bis heute davon ausgehen, in Randbereiche der Rezeption um, die mit ihrem eigentlichen Gegenstand wenig zu tun haben. Dies widerfuhr ihnen, im Gegensatz zu anderen, schon zu Zeiten ihres Bestehens.

Die Bereitschaft, Gerüchten Gehör zu schenken und über Lebensumstände zu spekulieren, die in anderen Fällen kaum von Interesse wären, ergab sich aus der Magie dieser Musik, die es, wie zur Goethe-Zeit, nahelegte, dem Geheimnis künstlerischen Ingeniums auf die Spur zu kommen. Entscheidend war aber noch etwas anderes: Die "Beatles" schienen allgegenwärtig, gaben aber nach 1966 keine Konzerte mehr und trennten sich früh, viele meinen, auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft; ihr Gemeinschaftswerk ist überschaubar. Daran ändern weder die vier Solokarrieren etwas, von denen zwei bereits für immer beendet sind, noch die Tatsache, daß die Popkultur insgesamt ins historisch-kritische Zeitalter eingetreten ist und sich zum offiziellen Werk in Form von Kompilationen und obskuren Funden ein inoffizielles gesellt.

Das alles vermochte es nicht zu verhindern, daß die Befassung mit dieser Kunst stets von einer Frage beherrscht wurde: Was wäre, wenn John Lennon seine zweite Frau nie kennengelernt hätte? Denn Yoko Ono trägt nach herrschender Auffassung die Hauptschuld daran, daß sich die Beatles im April 1970 trennten. "Man wird sich", hieß es in einem Leserbrief an das "Rolling Stone"-Magazin, "an Yoko Ono nicht wegen der positiven Kunst, die sie geschaffen hat, erinnern, sondern wegen der Kunst, die ihretwegen nicht geschaffen wurde." Was wäre also, wenn John Lennon am 9. November 1966 nicht die Londoner Galerie Indica aufgesucht hätte, in der er Yoko Ono kennenlernte?

Gerhard Henschel macht die Frage zum Ausgangspunkt eines glänzenden Romans: "Der dreizehnte Beatle" ist frei von dem Ressentiment, das sich gegen die Japanerin angestaut hat, und konzentriert sich darauf, das Was-wäre-Wenn ins Werk zu setzen: "Vielleicht hätten die Beatles sonst noch 23 Alben herausgebracht." Grund genug, alle Hebel in Bewegung zu setzen.

Es wäre ein leichtes gewesen, mit dem seelischen Müll, den viele hinter der verhängnisvollen Affäre vermuteten, den Roman vollzustopfen. Henschel interessiert etwas anderes: Wie lassen sich in einem von Drogen und Ausschweifungen geprägten Milieu prinzipieller Haltlosigkeit die Voraussetzungen für Popmusik schaffen? Das geht zunächst nur über persönliche Begegnungen, die zufällig sein mögen; aber der Romancier hilft dem Zufall nach. Eines aber kann er nicht: die Vergangenheit ungeschehen machen. Deshalb bedient sich Henschel eines Tricks, auf den normalerweise nur Kinder oder Phantasieautoren kommen: der Zeitreise. Sein Ich-Erzähler begegnet in seinem Hamburger Stammlokal einer Fee, die ihm drei Wünsche gewährt. Da muß der "Beatles"-Fan nicht lange nachdenken. Er wünscht sich die Aufnahme eines unveröffentlichten Songs, ein Portemonnaie, das niemals leer wird, und ein Ticket in den November 1966. So wird aus Daniel Seliger, diesem bisher recht normal sozialisierten wandelnden Poplexikon, ein Mann namens Billy Shears, der im Londoner "Ritz" eine Suite bezieht, Dienstpersonal einstellt und von hier aus seine Streifzüge durch die Stadt unternimmt, die auf dem Resonanzboden einer noch recht homogenen Popkultur mit Neuigkeitswert wirklich swingte. Das mit dem Geld könnte man als plumpen Kunstgriff abtun, und sicherlich ist es in dem Dschungel, durch den Billy Shears sich schlägt, nicht überlebenswichtig; aber es hält, wie bei Dostojewski, die Handlung zusammen und treibt sie voran. Wie jeder gute "Beatles"-Exeget wird Henschel wissen, daß es man es sich zu Zeiten, als es noch möglich gewesen wäre, einiges hätte kosten lassen, die Musiker wieder zusammenzubringen. Der Produzent Sid Bernstein versprach den Begehrten vorab 230 Millionen Dollar für ein einziges Konzert. Nicht ganz soviel wird bei Henschel ausgegeben, aber hier geht es um viel mehr - den Fortbestand einer Karriere, deren Möglichkeiten noch nicht ausgereizt sind. Zu dem Zeitpunkt, an dem Billy Shears ins Geschehen eingreift, gibt es ja erst "Revolver"; niemand, nicht einmal die "Beatles" selbst, dachte an die absolute Kunstfertigkeit des "Sgt. Pepper", des Weißen Albums und des ganzen verdammten Rests.

Auch die mythengesättigte Popgeschichtsschreibung muß sich mit Urteilen begnügen, die sie a posteriori gewonnen hat. Henschel ist so frei und tritt einen Schritt zurück; er will wissen: Wie ist Pophistorie a priori, also vor aller Erfahrung möglich? Oder, anders gefragt, wie kann jemand, der das Band der Ereignisse bis zu einem gewissen Punkt zurückgespult hat und von dort aus mit dem Wissen der Zukunft, aus der er kommt, die Fäden in die Hand nimmt - wie kann der den Lauf der Dinge nach seinen Vorstellungen beeinflussen?

Henschels Held ist indes kein smarter Michael J. Fox; er ist eine mit zerknirschter Selbstironie ausgeleuchtete verkrachte Existenz mit erheblichen Nehmerqualitäten; also eher, um beim Kinovergleich zu bleiben, ein Theo gegen den Rest der Londoner Popwelt. Seine Einmischungen sind Ausdruck einer sehnsüchtigen Idee, die nur den wirklichen Fan reitet - wie oft hat der Rezensent nicht schon einen gewissen Alistair Kennar verflucht, der in einer kalten Londoner Februarnacht 1980 den "AC/DC"-Sänger Bon Scott volltrunken im Auto schlafen und sterben ließ.

Der Wunsch, lebensverlängernde Maßnahmen in die Wege zu leiten, auf daß das Idol weitere Meisterwerke abwerfe, vermag, je nach Hitzegrad des Fangemüts, bizarre Formen anzunehmen und verkehrte sich im Falle des Lennon-Mörders Mark David Chapman wohl ins Gegenteil dessen, was auch der verrückteste Anhänger gerade noch wollen kann. Doch Billy Shears ist kein Wahnsinniger, sondern nur wahnsinnig beflissen, dreist und ungeschickt: An jenem 9. November 1966 versetzt er die Umgebung der besagten Galerie mit einer unbedachten Bombendrohung in Angst und Schrecken; John Lennon kollidiert in seinem Mini Cooper mit einem Polizeiauto und liegt dann wochenlang im Koma; wieder genesen, tritt er irgendwann mit Yoko Ono der Heilsarmee bei; die "Beatles" wird es nie wieder gegeben.

Anhänger der reinen Lehre würden dieses schuldlose Schuldigwerden tragisch nennen, und pophistorisch ist es das wohl auch - wenn alles wahr wäre. Der Zeitensprung wirft, denkt man ihm nur gehörig nach, erkenntnis- und erzähltheoretisch vertrackte Fragen auf. Das Ergebnis des Plots ist folgendes: Der "Beatles"-Manager Brian Epstein, der in Wirklichkeit 1967 starb und die Band damit in die Krise stürzte, verzehrt seinen Ruhm auf Mallorca; Ringo wird Kinoheld; Paul tourt mit seinen "Legs" (nicht "Wings"); George allerdings stirbt in der Tat am 29. November 2001.

Und "Sgt. Pepper"? Die Platte gibt es nicht, Billy hat ja auf ganzer Linie versagt, übrigens auch, was die vielen Warnungen betrifft, mit denen er der Pop-Aristokratie - unmöglich, alle Namen zu nennen, für jeden Interessierten ist's ein Fest! - auf die Nerven geht: Du sollst nicht soviel trinken, Drogen nehmen, schnell fahren, sonst stirbst du an dem und dem Tag. Und wie viele sind doch schon zur Unzeit gestorben! Billy Shears aber bekommt, was den ganz jungen "Beatles" vorenthalten wurde: einen Vertrag bei der Plattenfirma Decca, deren Manager Dick Rowe den größten Irrtum der Popgeschichte zu verantworten hat. Ihm pfeift Billy Melodien von Lennon und McCartney vor, das Repertoire wird weltberühmt, nur eben nicht in der vertrauten Fassung. Da hilft eigentlich nur eine zweite Zeitreise, die den Lapsus vom 9. November 1966 ungeschehen macht und den Dingen ansonsten ihren Lauf läßt. Das Ende vom Lied: Die "Beatles" trennen sich doch erst 1970. Ist das nichts?

Gerhard Henschel hat ein sehr komisches, sentimentales Buch geschrieben und war dabei klug genug, seinem Personal nicht zu nahe zu kommen. Die Kolportage stört nicht, sondern gehört zu einer Konstruktion, deren Geist den ersten beiden "Beatles"-Filmen unendlich nähersteht als der besserwisserischen Philologie. Jede Situation hat Timing, jeder Dialog sitzt. Dieser Autor ist kein Erbsenzähler, mit musikalischen Fachsimpeleien verschont er uns; es ist statt dessen eine im besten Sinne naive Freude an der Musik, die ihn umtreibt. Und was die "Beatles" betrifft, so hat Henschel etwas Wesentliches begriffen: "daß Erwachsenwerden auch anders ging, als sich das die Erwachsenen so dachten". Bleiben wir noch eine Weile jung, wenigstens für die Dauer dieses wunderbaren Buchs.

Gerhard Henschel: "Der dreizehnte Beatle". Roman. Verlag Hoffmann & Campe, Hamburg 2005. 206 S., geb., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Stephan Maus lässt kein gutes Haar an Gerhard Henschels Swinging-Sixties-Satire "Der dreizehnte Beatle". Für Maus ist das keine Satire, sondern nur "lächerliches Pop-Pidgin", bestehend aus "dösig kalauernden Sätzen". Das ist hart. Sprachlich also liegt nach Ansicht des Kritikers nicht nur manches, sondern so gut wie alles im Argen, und von der Handlung her hapert es auch gewaltig. Eine Endlosschleife der immer gleichen blöden Ulkereien ist das, so Maus, die nicht vergnüglicher dadurch werden, dass ab und an John Lennon und Yoko Ono auftreten oder Jimi Hendrix als "Gitarrengott" bezeichnet wird - so in etwa das Fazit des aufgebrachten Rezensenten. Denn eigentlich hält Maus seinen Autor für einen Guten, vermerkt auch noch einmal ausdrücklich die Güte der Vorgängerromane "Die Liebenden" und "Kindheitsroman". Dem "Dreizehnten Beatle" jedoch wünscht er ausdrücklich alles Schlechte. Der Ton des Romans klingt in seinen Ohren, "als würde Thomas Manns unverkennbarer dreiviertelironischer Schmunzel-Sound von unserem zauberhaften Stefan Raab neu abgemischt". Das ist vielleicht nicht recht verständlich, aber deutlich ist es allemal.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2005

Don’t beatle me, buddy!
Gerhard Henschel verdreht’s das Pilzköpfle: „Der dreizehnte Beatle” ist eine Zeitreise, weil die Generation Golf, Modell „Bon Jovi”, von den Blumenkindern träumt
Von Stephan Maus
Für Gerhard Henschel sind Bücher Zeitmaschinen. 2002 rekonstruierte er in dem dickleibigen Doku-Roman „Die Liebenden” mit Hilfe von Originalbriefen die ergreifende Liebesgeschichte seiner Eltern und schuf damit eine eindringliche Privatgeschichte der jungen Bundesrepublik. 2003 reiste der 1962 geborene Autor mit seinem voluminösen „Kindheitsroman” in die eigene Vergangenheit. Nach diesen gefeierten, detailversessenen Romanen war Henschel wohl der raumgreifenden Vergangenheitsbewältigungsmethoden seines verehrten Meisters Walter Kempowski etwas überdrüssig. Offensichtlich wollte er nun mit einem schlanken, schnellen Fluchtvehikel endlich einmal raus aus dem bundesrepublikanischen Muff und eine fröhliche Spritztour durch die große weite Welt unternehmen. Doch wie kommt man aus dem deutschen Hobbykeller, den genormten Sparkassenfußgängerzonen und den Winnetou-Sonntagen dorthin, wo das Leben endlich mal so richtig rockt, verdammt noch mal?
In einer Hamburger Galerie begegnet der Taugenichts und Beatles-Fan Daniel Seliger einer SMS tippselnden Fee: „Ihr Blick traf mich wie ein Stromschlag.” Holla, die SMS-Fee! Daniel zieht ihr einen Holzsplitter aus dem Feenpfötchen und darf sich stehenden Zauberstabes etwas wünschen. Die Fee hext dem wandelnden Pop-Lexikon ein selbstauffüllendes Zauberportemonnaie in die Gesäßtasche und katapultiert ihn ins delirierende London der Sixties, wo der zeitreisende Multimilliardär Daniel nun unter dem Namen Billy Shears durch die Clubs, Luxushotels und Landhäuser der Superstars zieht. So träumt man in bundesrepublikanischen Schriftstellerklausen von Weltflucht: ein bisschen Brüder Grimm, ein bisschen „(T)raumschiff Surprise”. „Es machte leise plopp, und das Portemonnaie füllte sich wieder mit Geld.” Welch eine Gaudi!
Wir schreiben das Jahr 1966, und der junge Mann namens Billyboy versucht, den drohenden Niedergang seiner Lieblingskapelle zu verhindern. Der Zausel muss die erste Begegnung zwischen Yoko Ono und John Lennon verhindern, denn Johns Liebe zu der japanischen Sleep-In-Hexe hat bekanntlich zum Untergang der Beatles geführt. Am 9. November sprengt Shears durch eine anonyme Bombendrohung eine Ausstellung in der Indica Art Gallery, in der Lennon die Liebe seines Lebens treffen sollte. Leider kollidiert Lennon in dem Durcheinander mit einem Polizeiauto und fällt ins Koma, was dazu führt, dass sich die Beatles schon 1966 auflösen. Unwiederbringlich, denn kaum wacht Lennon wieder aus dem Koma auf, tritt er mit Yoko Ono der Heilsarmee bei. Der Yesterday-Repair-Man setzt seine ganze Energie ein, um die Pilzköpfe wieder zusammenzubringen. Umsonst. Alle reagieren wie Ringo Starr: „Don’t beatle me, buddy.” Und dann gibt es auch noch Willibald, einen zeitreisenden Stones-Fan mit Wahrsager-Kugel. Ein gefährlicher Widersacher, dieser Willibald.
So kalauert sich Henschels Pop-Fantasie von einem Tiefpunkt zum anderen, bis Billy irgendwann für die Decca alle von ihm verhinderten Beatles-Songs komponiert, die dann von den Stones oder Elton John dargeboten werden, wobei Henschels Text klingt, als würde Thomas Manns unverkennbarer dreiviertel-ironischer Schmunzel-Sound von unserem zauberhaften Stefan Raab neu abgemischt. In endlos zäher Schleife wiederholt Henschel das einzige humoristische Muster seines Textes: Dank seines unermesslichen Reichtums arbeitet sich der Zeitreisende bis zu irgendwelchen Popstars, Plattenmanagern oder Schlagzeuger-Masseuren durch, stammelt seine prophetischen Warnungen bezüglich Leberzirrhose, Unfalltod oder kommende Drogenrazzia in gar drolligem Denglish heraus und erntet entweder Spott oder einen Schlag auf die Nase. Torten fliegen keine. Immerhin. Dafür schmeißen IRA-Terroristen Bierdosen. Mit kindlichem Vergnügen schaut der Autor seinem Helden beim Geldausgeben zu und freut sich alle zehn Seiten über das Zauberportemonnaie, als wäre das nun ein wirklich ganz köstlicher Einfall. Es ist schon sehr erstaunlich, wie hundertprozentig das Humororgan des Titanic-Zulieferers Henschel in seinem neuen Roman versagt hat. Dieser Mann hat doch einen Ruf zu verlieren.
Selbst wenn man unter Aufwendung aller Gutmütigkeit annimmt, dieser Text sei als Rollenprosa konzipiert und resultiere nicht schlichtweg aus der reinen Unfähigkeit seines Autors, anders als grottenschlecht zu formulieren, wird der klischeedurchtränkte Klamaukstil nicht erträglicher: „‚Never mind, Euer Durchlocht‘, sagte ich, um die Situation zu entkrampfen. ‚But, oh, by the way - mir schwillt da eine Frage im Gebeiß, Euer Lordschuft: Would you kindly remember me to Mister Danny Wilde?‘” Auf was bitte sollte eine solch hanebüchene Rollenprosa schon ein parodistisches Schlaglicht werfen? Doch wohl höchstens auf das Unvermögen des Satirikers in Henschel, ein halbwegs inspiriertes Stück phantastischer Literatur zu schreiben. Denn das ist der Fluch deutscher Autoren: Sie nehmen komische Unterhaltung einfach nicht ernst. Und dann kommt eben Didi Hallervorden heraus.
Zu allem Unglück führt Henschel auch noch ein angeberisches Hipster-Englisch Gassi: „Das war es also. Swinging London in its heyday, brimming with celebrities and sex and drugs and rock’n’roll. Und ich war mittendrin. Billy Shears, the world’s greatest ever trickster.” Dieses lächerliche Pop-Pidgin wird abgemischt mit dem blöden Jargon aus 40 Jahren Musikmagazin- und Booklet-Prosa, wobei Henschel immer wieder Gemeinplätze herauströtet, die kein Bravo-Special mehr drucken würde. Über Janis Joplin lesen wir: „Dieser Stimme hatte erst Whisky, Smack und Weltschmerz zur vollen Prachtentfaltung verholfen.” Hendrix? Ein „Gitarrengott.” Clapton? Ein „Gitarrengott”.
Man muss Henschel eine lange Lesereise wünschen, auf der ihn ein eisig schweigendes Publikum für jeden seiner dösig kalauernden Sätze schmoren lässt. Das einzig Bewegende an diesem Text ist des Autors deutlich spürbare Verzweiflung darüber, eben doch nur irgendwie der bescheuerten Generation Golf, Modell „Bon Jovi”, anzugehören, und nicht den interessant psychedelischen Blumenkindern. Das ist der Fluch der späten Geburt. Wer eine leichte, schnelle und geistreiche Pop-Fantasie über diese Sehnsucht der Spätgeborenen nach dem Swinging London lesen möchte, greife zu Christine Wunnickes wunderbarem Roman „Jetlag”. Hier wird das Phantastische noch ernst genommen und verkommt nicht zu einem kabarettistischen Notnagel, an dem ein bieder verschwatzter Fan seine Lieblingsdevotionalien und Anekdötchen aufhängt. Bleibt zum Schluss nur noch eine Frage: Wer bitte ist die böse Sleep-In-Hexe, die Henschel dazu bringt, solch aberwitzig dumpfe Prosa zu schreiben? Wir werden uns um sie kümmern müssen.
Gerhard Henschel
Der dreizehnte Beatle
Roman. Hoffmann und Campe, Hamburg 2005. 206 Seiten, 16,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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