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Der bekannte Fernseh- und Talkshowmoderator Joseph Kalb verliert während seiner Live- Sendung die Sprache. Nicht sein Gehirn, aber seine Sprachmuskeln sind wie gelähmt, mit Mühe schafft Kalb ein letztes "Mmmh". Mehr gibt es nicht mehr. Die Wörter sind sozusagen alle. Die Gründe für seine plötzliche Sprachlosigkeit sind Kalb halb bewusst, halb schleierhaft. Klar ist ihm, dass er gern oft geschwiegen hätte, nicht klar ist ihm, wieso sich dieser unterbewusste Wunsch derart auf seine Motorik auswirkt. Kalb lernt, mit seinem Schweigen recht vorteilhaft zu leben, allerdings in einer hühnerhaft…mehr

Produktbeschreibung
Der bekannte Fernseh- und Talkshowmoderator Joseph Kalb verliert während seiner Live- Sendung die Sprache. Nicht sein Gehirn, aber seine Sprachmuskeln sind wie gelähmt, mit Mühe schafft Kalb ein letztes "Mmmh". Mehr gibt es nicht mehr. Die Wörter sind sozusagen alle.
Die Gründe für seine plötzliche Sprachlosigkeit sind Kalb halb bewusst, halb schleierhaft. Klar ist ihm, dass er gern oft geschwiegen hätte, nicht klar ist ihm, wieso sich dieser unterbewusste Wunsch derart auf seine Motorik auswirkt.
Kalb lernt, mit seinem Schweigen recht vorteilhaft zu leben, allerdings in einer hühnerhaft aufgeregten Gesellschaft aus öffentlicher Privatheit und privater Öffentlichkeit, die nichts weniger duldet als das Verstummen eines ihrer Protagonisten. Der stille Kalb findet sich wieder in einem immer lauter werdenden Konzert, das seine Mitstreiter, Kollegen, seine Freunde und seine Familie um ihn herum aufführen. Teils, um ihn zum Reden zu bringen, teils, weil sie noch nicht gelernt haben zu schweigen.
Autorenporträt
Alexander Gorkow, 1966 in Düsseldorf geboren, studierte Mittelhochdeutsche Literatur und Philosophie; seit 1993 bei der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, zunächst als politischer Reporter, dann als Leiter der Medienseite; heute leitet er die Wochenendbeilage der SZ.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.2003

Blaues Wunder im Rotlichtmilieu
Dr. Murke macht jetzt Talkshows: Alexander Gorkows Mediensatire

Ein Journalist schreibt seinen Debütroman, und weil der Journalist lange für die Medienberichterstattung einer großen Zeitung zuständig war, spielt dieser Roman eben in der Welt der Medien. Das klingt natürlich erst einmal besorgniserregend.

Die Medien also mal wieder. Die gehören ja nun vielleicht nicht unbedingt zu den Dingen des Lebens, über die man immer schon mal einen Enthüllungsroman lesen wollte, weil sie so rätselhaft sind. Sie machen vielmehr den Eindruck, daß sie ganz gut alleine zurechtkommen, weil sie nicht nur selbsterklärend, sondern praktischerweise auch gleich selbstempörend sind. Wenn also nun schon soviel von den Betroffenen selbst über die Medien gesagt worden ist, dann stellt sich die Frage, warum man nun noch einen Roman über einen plötzlich verstummenden Talkshowmoderator lesen sollte. Daraufhin stellt sich aber als nächste Frage, warum man es dann trotzdem mit so großem Vergnügen tut. Vielleicht liegt das daran, daß Alexander Gorkow einen verblüffend zwingenden Tonfall gefunden oder vielmehr aus dem Stoff entwickelt hat. Er läßt die zwischen Zynismus und Depression changierende Sprache einer Branche - in der die statistische Lebenserwartung ja nicht ohne Grund nur von der Gastronomie noch unterboten wird - einfach gegen sich selbst sprechen.

Der später verstummende Joseph Kalb ist nämlich am Anfang noch ein sehr beredter Moderator, einer, der unter der eigenen Plapperroutine leidet, unter einem Reportierzwang, der bereits Metastasen in seine Innenwelt gesetzt hat: Er denkt in sendefähig pointierten O-Tönen und in illustrativen Geräuschen. Er denkt "Kröck", wenn er eine Taube überfährt, und "Flapp", wenn er das Gefühl hat, daß die Worte wie Sand aus ihm herausrieselnn, bis er irgendwann völlig leer ist und seine äußere Hülle in sich zusammenfallen wird. Und er fühlt sich schon sehr, sehr leer nach dreihundert Sendungen "Bei Kalb", "immer dienstags". Es kommen auch beeindruckend viele Tauben zu Tode in diesem Buch, wo sie als Metapher für einen ganzen, eher unsympathischen Berufsstand herhalten müssen, der sich nämlich nicht nur vom Dreck des Alltags ernährt, sondern noch viel mehr ausscheidet.

Überhaupt hängt ein sehr apokalyptischer Himmel über dieser Medienlandschaft, wo narzißtische Jungdichter in Talkshows herumpöbeln, wo drittklassige Schauspieler erzählen, daß sie nächstens einen Baum darstellen werden, wo sich abgehalfterte Prominentengattinnen ziellos empören und Leute aus dem sogenannten wirklichen Leben das größte Risiko für den reibungslosen Sendeablauf sind. Das übliche Fernsehelend eben, nur unwesentlich übertrieben.

Es passiert dann das, was man bei wirklichen Moderatoren immer nur befürchtet, aber leider nie erlebt: Kalbs "rhetorischer Autopilot" versagt. Elf Minuten vor Ablauf der Sendezeit kriegt er keinen Ton mehr raus und stürzt die Welt um ihn herum in ein um so aufgeregteres Geschnatter. Er tut das, was ein Moderator selbst bei größter Gedankenlosigkeit nicht tun darf: Er hört auf zu funktionieren und produziert einen Krater im Programmablauf - und alle anderen müssen zusehen, daß sie ihn mit Worten wieder auffüllen, damit sie nicht hineinstürzen. "Es geht um Rührung oder Entrüstung oder Betäubung, den Rest können wir bitte vergessen", so hatte Kalb zuvor noch umrissen, worauf es ankommt. Eine Rundfunktheorie der sehr weichen Nachrichtenfaktoren ist das. Und Kalb selbst ist allenfalls noch gerührt, wenn so drollige Wörter wie "Götterspeise" aus dem Babyphon purzeln.

Seine Abgestumpftheit wird zum Gradmesser für die Ehrlichkeit des Sentiments, und es ist allerhöchstens die Sorge des Vaters um seine Kinder, die ihn wieder zum Sprechen bringen könnte. Kalb setzt erst einen grandiosen Sog aus schlechter Laune und lakonischen Haßtiraden in Gang, um dann plötzlich auszusteigen und nur noch zuzuschauen, wie die Entrüstungsmaschinerie anläuft - und vermutlich amüsiert er sich dabei genauso wie der Leser. Denn das Ganze ist zum Teil brüllend komisch und am Ende ein Beweis, daß Misanthropie großen Spaß machen kann, wenn sie nur konzentriert genug daherkommt.

Gorkows Roman scheitert nicht an seinen vielen Risiken, weil er sie ziemlich beherzt bei den Hörnern packt: Das Buch ist ein Gegenentwurf zu der elegischen Innerlichkeit jener neuen deutschen Erfolgsliteratur, wo ständig Tee getrunken und dann eine geraucht wird, obwohl es im wesentlichen genau dasselbe liefert: einen großen inneren Monolog über eine stillstehende Welt, in der wenig passiert und viel geredet wird. Nur viel lustiger. Es ist eine eigentlich sehr konservative, kulturpessimistische Medienkritik. Aber eine ganz besonders grantige. Als Böll seinen Dr. Murke die Sprechpausen zu einem großen entlarvenden Schweigen zusammenschneiden ließ, ging es immerhin noch um Kulturfunk. Gorkow läßt seinen Kalb auf einem noch viel deprimierenderen Gebiet kämpfen: auf den Schlachtfeldern des Vollprogramms, des Boulevards und der Live-Sendungen. Es ist die beklemmende Beschreibung von Welten, die mühsam in Echtzeit hergestellt werden müssen, von Zeitflächen, die schematisch und um jeden Preis mit Worten vollgepinselt sein wollen und aus Mangel an Ereignissen auch die Ereignislosigkeit, die Langeweile, das Nichts irgendwie materialisieren. Es ist ein absurdes Desaster, und jeden Tag kann man es vor dem Fernseher aufs neue durchleiden. Schon deshalb sollte man ihn schleunigst ausschalten und Gorkows Buch lesen: denn das ist wesentlich kurzweiliger.

PETER RICHTER

Alexander Gorkow: "Kalbs Schweigen". Roman. Heyne Verlag, München 2003. 224 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.04.2003

Roman
Schweigen ist Gold
Alexander Gorkow, Chef der SZ-Wochenendbeilage, leitete früher die Medienseite der Süddeutschen Zeitung. Diese Erfahrung muss den 36-Jährigen stark geprägt haben, denn sein Debütroman „Kalbs Schweigen” spielt eben dort, in der Medienszene. Der Fernsehmoderator mit dem dumpfen Namen Joseph Kalb ist der König der Talkshows. Er quasselt und plappert ohne Unterlass. Seine Arbeit hat ihn bereits so geprägt, dass er in pointierten, fernsehtauglichen Sätzen denkt. Nach dreihundert Livesendungen „Bei Kalb”, „immer dienstags”, dann das Desaster: der Mann verstummt. Mitten in der Sendung. Mehr als ein „Mmmh” will nicht mehr über seine Lippen. Die Wörter sind weg. Alle. Gorkow teilt das Schicksal seines Protagonisten glücklicherweise nicht. Er liest am Dienstag, 6. Mai, um 21 Uhr im Café Muffathalle, Zellstraße 4, aus seinem Erstling, den die Frankfurter Allgemeine Zeitung als „sehr konservative, kulturpessimistische Medienkritik” beschrieben hat. Telefon 45 87 50 10. auf
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine Mediensatire müsste ihn eigentlich zum Gähnen bringen, hatte Peter Richter vermutet, doch Alexander Gorkows Roman "Kalbs Schweigen" hat ihn wider alle Erwartung erheitert und unterhalten. Dabei hat die Branche gar keinen weiteren Enthüllungsroman nötig, findet Richter, weil sie eh "selbsterklärend und praktischerweise auch noch selbstempörend" veranlagt sei. Der Held mit Namen Kalb aus Gorkows Roman leidet auch an der üblichen "Plapperroutine", wie Richter es nennt, bis es eines Tages bei ihm zum Totalausfall kommt. Nachdem Kalb die Sprache wiedergefunden hat, berichtet Richter, kann er nur noch Hasstiraden produzieren - die der Rezensent um so vergnüglicher findet, je mehr sich der Protagonist in Rage redet. Ein Beweis, schreibt Richter, "dass Misanthropie großen Spaß machen kann". Für Richter ist Gorkows Roman ein - im Prinzip kulturkonservativer - Gegenentwurf zu den elegischen Ergüssen, wie er es nennt, der neuen deutschen Erfolgsliteratur, wo "wenig passiert und viel geredet" wird. Bei Gorkow, schwärmt Richter, ist das gar nicht so viel anders - aber viel amüsanter.

© Perlentaucher Medien GmbH