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Als Frau kann man heute eigentlich nichts falsch machen: Wenn es mit der Karriere nicht klappen will, sind die männlichen Strukturen im Betrieb daran schuld. Wenn die Kinder nerven, dann liegt es daran, dass ER sich nicht zuständig fühlt. Und wenn eine Frau erst gar keine Kinder bekommt, dann ist dafür eine Mischung aus beidem verantwortlich. Egal wo es hakt - Männer sind ignorante Egoisten. Und Frauen damit fein raus. Oder?
Noch immer sind Frauen im Beruf benachteiligt, noch immer müssen sie mehr kämpfen als Männer, um zu bekommen, was ihnen zusteht, daran hat auch die Emanzipation nichts
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Produktbeschreibung
Als Frau kann man heute eigentlich nichts falsch machen: Wenn es mit der Karriere nicht klappen will, sind die männlichen Strukturen im Betrieb daran schuld. Wenn die Kinder nerven, dann liegt es daran, dass ER sich nicht zuständig fühlt. Und wenn eine Frau erst gar keine Kinder bekommt, dann ist dafür eine Mischung aus beidem verantwortlich. Egal wo es hakt - Männer sind ignorante Egoisten. Und Frauen damit fein raus. Oder?

Noch immer sind Frauen im Beruf benachteiligt, noch immer müssen sie mehr kämpfen als Männer, um zu bekommen, was ihnen zusteht, daran hat auch die Emanzipation nichts geändert. Doch die weibliche Wahl der Waffen ist neu - und alles andere als gerecht, denn sie besteht darin, sich entweder als Opfer des Patriarchats oder als heilige Alleskönner, als bessere Menschen gegen den ewigen Gegner Mann durchzusetzen. Das Ergebnis ist aber nicht Gleichberechtigung, sondern das, was Theresa Bäuerlein und Friederike Knüpling "Tussikratie" nennen: die Herrschaft von Frauen, hinter deren Feminismus nichts anderes steht als eine krankhafte Ich-Besessenheit, die am Ende dazu führt, dass Männer das unerwünschte Geschlecht sind. Und zunehmend die Orientierung und Stärke verlieren, die jeder Mensch braucht - Frauen und Männer.
Autorenporträt
Friederike Knüpling, geboren 1981, ist Literaturwissenschaftlerin und schreibt über kulturelle und gesellschaftliche Phänomene. Sie war Redakteurin beim jetzt-Magazin, Kolumnistin bei Neon und Dozentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Theresa Bäuerlein, freie Journalistin und Autorin, geb. 1980 in Bonn, lebt seit einiger Zeit in Tel Aviv. Sie hat u.a. für NEON und jetzt.de geschrieben. Theresa Bäuerlein träumt, unter anderem, von einer Welt ohne dumme Sonnenbrillen und Angst, hält sich für einen Menschen, der vielleicht manches kann, aber große Probleme hat, sich zwischen zwei Sorten Joghurt zu entscheiden.

Friederike Knüpling, geboren 1981, ist Literaturwissenschaftlerin und schreibt über kulturelle und gesellschaftliche Phänomene. Sie war Redakteurin beim jetzt-Magazin, Kolumnistin bei Neon und Dozentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.04.2014

Big Sister weiß, was gut für dich ist

Ein sehr gutes Buch - mit einem sehr bescheuerten Titel. Der Essay "Tussikratie" zeigt, wie wenig damit gewonnen ist, wenn die Frauen für alles, was nicht klappt, nur die Männer verantwortlich machen. Das Problem liegt ganz woanders

Ach du liebes bisschen, denkt man, wenn man die neonorangefarbene Sprechblase sieht, aus der einen das Wort "Tussikratie" anschreit. Nein, eigentlich will man dieses Buch über Feminismus nicht lesen, denn das Wort Tussi ist ein hässliches, gemeines, die Wortschöpfung ist bescheuert, und anschreien lässt man sich auch nicht gerne. Okay, danke, tschüss, denkt man, schon wieder irgendwelche Frauen, die anderen Frauen sagen wollen, wie sie leben sollen und was sie alles falsch machen.

Dass die erste Begegnung mit dem Buch der Autorinnen Theresa Bäuerlein und Friederike Knüpling so völlig missverständlich ausfällt, liegt allerdings nur an dem Feminismusangriffstitel. Ihm nach zu urteilen, müsste auf den 320 folgenden Seiten nur verurteilt und geschossen werden, aber das stimmt eben überhaupt nicht, und das ist so schön. Hätte aber auch schiefgehen können, im Sinne von: der feminismusinteressierte Mensch verbrennt das Buch sofort, was sehr schade wäre, weil es wichtig ist, dieses Buch - auch wenn das Gerede über die "Tussi" wirklich nervt, und man kann sich schon fragen, warum die Autorinnen so einen fiesen Schreihalsbegriff wählen, um eine bestimmte Gruppe gleichgesinnter Frauen zu beschreiben. Merkwürdig, aber zum Inhalt.

Friederike Knüpling und Theresa Bäuerlein stellen die Existenz einer (autsch) "Tussikratie" fest, die sie folgendermaßen beschreiben: Frauen fühlten sich, wie vielfach zu lesen und zu hören ist, benachteiligt, weil sie weniger verdienen, seltener in Vorständen sitzen und dann auch noch den Haushalt schmeißen würden, ferner hätten sie unter Männern zu leiden, die mit starken Frauen einfach nicht zurechtkämen. Als ihre Gegner hätten sie, ja, "die Männer" identifiziert. Diese brutalen, egoistischen, in Sauberkeitsfragen komplett unfähigen, waschlappenhaften Männer seien schuld an dem schlechten Leben der Frauen, die heute so unglücklich seien wie nie und die Männer entweder belächeln oder verachten würden. Denn es sei eben eine komfortable Situation, die Verantwortung dafür, dass es zu Hause, mit der Karriere, also insgesamt nicht so laufe, wie man das gerne hätte, den Männern zuzuschieben.

Denn natürlich möchte man als Mensch einen möglichst konkreten Grund dafür haben, warum es ist, wie es ist, nämlich beschissen. Und natürlich muss hier hinzugefügt werden, dass nicht alle Frauen auf diese bequeme Position zurückgreifen.

Es geht den Autorinnen jedoch mehr um die Beschreibung einer Mentalität, einer gesellschaftlichen Tendenz, und das Tolle an diesem Buch ist eben exakt, dass es ohne Zuschreibungen, "die Frauen" und "die Männer" betreffend, auskommt, sondern im Gegenteil versucht, deutlich zu machen, dass es das nicht gibt, die Frauen, die Männer als homogene Gruppen, was eine extrem schwachsinnige Annahme ist. Und auch wenn das nach einer simplen Einsicht klingt, möchte man den Autorinnen nur dafür irgendeinen Preis verleihen. Ergebnis jener im Gesellschaftsbewusstsein angekommenen Annahme der benachteiligten Frau sei die Reaktion, nun den Mann oder kleine Jungs zu benachteiligen. Man dreht einfach alles um, den Frauen ging es so lange schlecht, und jetzt sind bitte die Männer dran. "Frauen haben die frauendominierte Berufswelt zu räumen, Jungen die männerdominierte. Barbie soll raus aus dem Traumhaus, und Ken soll darin einziehen. Genau das passt in das Weltbild der Tussikratie: Sie will Kindern ihre traditionellen Rollen klar aberziehen. De facto werden die Kinder so in ihrer Wahl wieder eingeengt, diesmal allerdings unter umgekehrten Vorzeichen."

Und das ist dann halt ein bisschen schildbürgermäßig und kleinkariert, dieses "vor und zurück und wieder vor". Denn dann ist man ja hauptsächlich damit befasst, seinen Gegner, also Männer beziehungsweise Frauen, zu bekämpfen, statt größere, systematische Fragen zu stellen. "Die Geschlechterdebatte befasst sich mit Fragen, die eigentlich nicht nach geschlechtsspezifischen Antworten verlangen." Und führe mit ihrer Geschlechter-Hypersensibilität eher zur Festschreibung von Rollen als zu deren Dekonstruktion. Yes! So: Aha, sie trägt High Heels und offenbart also a) und am schlimmsten ihren unbewussten Umgang mit der Aussage, die damit verbunden ist, oder b) anders, aber eigentlich genauso schlimm: sie findet es toll, bunny-mäßig durch die Gegend zu taumeln und, oh Gott, auf die anerkennenden Blicke des Patriarchats sogar ANGEWIESEN zu sein. Was soll sie jetzt machen? Die High Heels ausziehen, also einfach das Gegenteil, die engegengesetzte Rolle wählen? Natürlich nicht. Außerdem: Wen geht das überhaupt etwas an?

Es ist nicht so, dass die Autorinnen sagten, dass der oder die Gender-Pay-Gap, das Frauen-Vorstands-Thema oder Babys-als-Karrierekiller nicht existierten. Absolut nicht. Es geht nicht darum, die teilweise ja sehr berechtigten und wichtigen Anliegen der Frauen als falsch zu outen. Die Autorinnen nehmen all das nur sehr genau auseinander und stellen dann andere Fragen als die, die gewöhnlich gestellt werden. Zum Beispiel, ob es nicht weniger ein Frauen-Männer-Ding ist, mit dem wir es zu tun haben, sondern viel mehr ein Arbeitsproblem, das heißt, wie lange und für wie viel Geld, wie frei wir arbeiten. "Man könnte auch ganz einfach davon sprechen, dass mehr Frauen als Männer sich nicht den Erfolgsgesetzen des Jobmarkts anpassen können - oder wollen." Man habe es nicht mit einem Genderproblem, sondern mit einem Klassenproblem zu tun, und da sei es doch überhaupt nicht clever, sich gegenseitig zu zerfleischen. Besser wäre es, würde man versuchen, zusammen etwas zu ändern. Jaaaaaaaaaaaa!, will man da lesend rufen. Jaaaaaaaaaa! Und liest also weiter: Nicht nur Frauen würden schlecht bezahlt, sondern Mitarbeiter unterschiedlichster Branchen. Arbeiten lohne sich einfach nicht mehr so richtig (verstehe ich auch überhaupt nicht, diesen Zusammenhang zwischen vierzig Stunden, also quasi ununterbrochen arbeiten und dann immer so wenig Geld zu haben. Überhaupt mehr arbeiten, als frei zu haben, ist total absurd). Genau das beschreiben die Autorinnen etwas ausführlicher, also die prekäre und immer globalere Arbeit, und sie fragen, wie viel emanzipatorische Kraft weiblicher Karrierewille eigentlich besitze, wenn die Karrieren, die man heute machen könne, möglicherweise grundsätzlich schlecht für den Menschen seien. Oder anders: Ist der deutschen Bevölkerung wirklich geholfen, wenn ein paar hundert Frauen in Top-Positionen sitzen? "Wie kann es sein", fragen sie, "dass Erfolg im Leben von fast allen an Einkommen und Macht gemessen wird?"

Diese überhaupt nicht antifeministischen, sondern kapitalismuskritischen Fragen führen zu einem nächsten zentralen und wirklich unerträglichen Punkt, den das Buch thematisiert: Die Diskursherrschaft von Feministinnen (sie nennen sie "Tussis", "Diskurspolizei" oder "Big Sister"), von Menschen also, die für sich in Anspruch nehmen zu wissen, wie man als Frau heute zu sein hat. Beim Sex, im Umgang mit dem Freund oder Mann. Und was man zu wollen hat, und das ist gegenwärtig auf keinen Fall eine Teilzeitstelle, sondern eine krasse Karriere. Ferner muss man eine bestimmte Meinung haben zum Gender-Pay-Gap, zu Sexismus und zur Kinderbetreuung, sonst fliegt man sofort raus, und Theresa Bäuerlein und Friederike Knüpling sind nach diesem Buch mit Sicherheit aber so was von rausgeflogen, was die Rausschmeißer natürlich einwandfrei als Diktatoren disqualifiziert. Und das ist so mühsam, unproduktiv und langweilig, weil absolut berechenbar. Folgt man der Gender-/Feminismus-/Frauendebatte, dann möchte man sie manchmal wirklich am liebsten durchstreichen. Es liegt in der Natur der Sache, dass über dieses Thema viel gestritten wird, denn es geht immerhin um die Frage, wie man lebt, wie man gut lebt, und das verstehen manche Diskutanten dann oft falsch und glauben, es ginge um die Frage, wie man richtig lebt, dass es da überhaupt so etwas wie richtig gibt, oder noch knapper: Wie man richtig ist. Eine Albtraumfrage.

Und dann sitzt man da vor der Diskussion auf Twitter und will am liebsten alles, was im Internet mit Feminismus zu tun hat, löschen. Weil man komplett wahnsinnig wird von den vielen Regeln, Vorschriften und Zuschreibungen, und das ist schade. Von genau jenem Überdruss scheint auch dieses tolle Buch mit dem blöden Titel getragen zu sein, und so wünscht sich Friederike Knüpling in einem Kapitel über ihre Freizeitaktivität, das Boxen, so etwas wie Naivität zurück. Nicht überbewusst sein, was das eigene Geschlecht angeht (aha, ich bin eine Frau, ich boxe, das gilt als untypisch, deswegen benimmt sich der Trainer so und so), sondern "eine bestimmte Art von Blindheit, etwas Unreflektiertes", wenn es darum geht, etwas zu tun, boxen zum Beispiel. Am Ende habe ihr bei ihrem Wunsch, eine gute Boxerin zu werden, vor allem eins geholfen: boxen. Und nicht so viel darüber nachzudenken, dass sie eine Frau ist. Man könnte Friederike Knüpling jetzt natürlich irgendwo anzeigen, weil sie sich tatsächlich, zumindest zeitweise, einen unreflektierten Zustand wünscht, und natürlich kann man immer nur momentweise hinter sein Bewusstsein zurück oder einfach vergessen, dass es da ist. Und dennoch ist dieser Wunsch sehr verständlich, und er zeigt vor allem, dass mit der Feminismusdebatte etwas nicht stimmt. Sie ist kaputt. Sie hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Sie muss endlich verstehen, dass es nicht den Feminismus und die Frauen gibt und dass das alles ohnehin nichts wird, wenn man nicht über die Verfasstheit unserer Ordnung, den Kapitalismus, nachdenkt. Mit den Männern am besten.

ANTONIA BAUM

Theresa Bäuerlein, Friederike Knüpling: "Tussikratie". Heyne, 320 Seiten, 16,99 Euro

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"Ein sehr gutes Buch" Antonia Baum, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nee, ganz so einfach ist es dann doch nicht, meint Heide Oestreich angesichts dieses Buches, verfasst von zwei am Küchentisch feministisch überindoktrinierten Journalistinnen. So umfassend, wie von Theresa Bäuerlein und Friederike Knüpling dargestellt, ist die moralische Herrschaft der Feministinnen ja gar nicht, findet die Rezensentin. Und auch sonst rennen die Autorinnen offene Türen ein, schlagen ins Leere, so Oestreich, weil der Postfeminismus das alles auch schon gesagt hat etwa. Oder weil es den Autorinnen an Beweisen mangelt für ihre Anschuldigungen gegen die angeblich bedrohliche "Tussikratie". Dass es ein Kollektivierungsproblem im Feminismus gibt, möchte Oestreich gar nicht bestreiten, nur gebe es immer auch schon kritische Debatten darüber.

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