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Neue Geschichten aus der Hölle, die Familie heißt. Der vergötterte Vater ist in Wirklichkeit ein peinlicher Wicht, die Mutter hat dich sowieso nie verstanden, die Kameraden sind alle cooler und reicher als du. David Sedaris versteht es, die Schrecken des Jungseins und des Familienlebens so haarsträubend komisch und charmant zu schildern, dass sich plötzlich alle kleinen und großen Katastrophen der Jugend wie eine urkomische Autobiografie lesen.

Produktbeschreibung
Neue Geschichten aus der Hölle, die Familie heißt. Der vergötterte Vater ist in Wirklichkeit ein peinlicher Wicht, die Mutter hat dich sowieso nie verstanden, die Kameraden sind alle cooler und reicher als du. David Sedaris versteht es, die Schrecken des Jungseins und des Familienlebens so haarsträubend komisch und charmant zu schildern, dass sich plötzlich alle kleinen und großen Katastrophen der Jugend wie eine urkomische Autobiografie lesen.
Autorenporträt
David Sedaris geboren am 26.12.1956 in Johnson City, New York, aufgewachsen in Raleigh, North Carolina, lebt zur Zeit in Paris. Er schreibt u. a. für 'The New York Times', 'The New Yorker' und 'Esquire'. Mit seinen Bücher 'Naked", "Fuselfieber' oder 'Ich ein Tag sprechen hübsch' wurde er zum Bestsellerautor.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.12.2004

Hör mal, wer da hämmert
Der Idiot der Familie: Neue Geschichten von David Sedaris

Wir wissen: In Lübeck wohnt keine Familie namens Buddenbrook. Und nach einem Herrn Samsa, Vorname Gregor, braucht man in Prager Telefonbüchern gar nicht erst zu blättern. Denn diese literarischen Figuren wurden von ihren Schöpfern erfunden - oder doch zumindest umgetauft und mit allen Wassern der Verfremdung gewaschen. Beim amerikanischen Schriftsteller David Sedaris, der seit seinem 1997 erschienenen Bestseller "Naked" an einem in Kurzgeschichten aufgesplitterten Roman über Familie und Freunde schreibt, sieht das jedoch anders aus.

Im Internet findet man ohne Schwierigkeiten die Parkettfirma seines komplexfreien Bruders Paul in der Heimatstadt Raleigh, North Carolina. Man betrachtet ein kleines Foto des mopsigen Firmeninhabers - und sieht vor dem inneren Auge jene aberwitzige Szene aus der neuen Geschichtensammlung, wo dieser lustige Mann seine Dänische Dogge darauf abrichtet, den Kot der Mopshündin seiner Freundin zu verschlingen. Man entdeckt auf einer Künstlerseite aus Somerville, Massachusetts, ein "3D Mosaik" seiner verschrobenen Schwester Tiffany, die ihre Werke aus Abfall zusammenbastelt - und weiß aus dem Erzählband, daß Tiffany in ihrer verwahrlosten Hippieküche gefrorene Truthähne aus fremden Mülltonnen aufwärmt.

Sedaris-Lektüre ist so, als könnte man auf der Homepage der Buddenbrooks unvorteilhafte Schnappschüsse vom letzten Familientreffen bestaunen oder Gregor Samsas altkluge Einträge in Newsgroups über Insektenforschung nachverfolgen. Doch die Überschreitung der Schamgrenze ist im narrativen "Nachtprogramm" schon angelegt. Deutlicher als je zuvor bei Sedaris erwächst aus diesem Band, welche den Leser durch seinen psychedelischen Op-art-Einband fast in Hypnose versetzt, die Figur eines Erzählers, der sich mit der Allzweckwaffe des Notizblocks durchs Leben schlägt und als Idiot der Familie zugleich die Rolle des Paparazzo übernimmt. "Sie hat Angst, mir irgend etwas Wichtiges zu erzählen", mutmaßt der Autor bei einem Kurzbesuch im kleinstädtischen Eheleben seiner Schwester Lisa, "weil sie weiß, daß ich darüber schreiben werde." Einer der traurigsten Augenblicke in diesem an seinen besten Stellen wieder urkomischen Buch: Je aufmerksamer man die Welt belauscht, desto mehr hüllt sie sich in Schweigen.

Dennoch gelingt Sedaris ein bei aller Peinlichkeit sehr liebevolles Porträt seiner vielköpfigen Familie, die ihre Underdogmoral trotz des Aufstiegs in die Mittelschicht nie ablegt. Fast glaubt man, ins aufgeschnittene Wohnzimmer einer Sitcom zu blicken und hämisches Konservengelächter zu vernehmen: Der hilflose Vater, der in Khakishorts aus dem Keller kommt und kernige Phrasen drischt, die verbitterte Mutter, die mit ihrem Weinglas auf dem Fernsehsofa sitzt und sarkastische Bemerkungen abfeuert, und nicht zuletzt der schwule Sohn David, der jedem Konflikt ausweicht und die Alltagskatastrophe mit der unbeugsamen Ironie eines Stand-up-Komödianten aus dem Off kommentiert: "Unser Fernseher war so heiß, daß wir immer Küchenhandschuhe brauchten, um das Programm zu wechseln."

Ein großer Wurf ist "Nachtprogramm", das Texte aus Magazinen wie "The New Yorker", "Esquire" oder "G.Q" enthält, trotzdem nicht - was vielleicht auch daran liegt, daß Sedaris über den kolumnenhaften Blick anscheinend nicht hinauskommt. Hotelwitze der Marke "Die Seife war hart und roch wie Spülmaschinenentkalker" oder Beobachtungen wie jene, daß Handygespräche "mit geographischen Angaben" anheben, opfern den Entwurf eines satirischen Privatuniversums oft für ein handelsübliches Gagfeuerwerk. Doch immerhin nutzt Sedaris selbst Kennen-Sie-das-auch?-Klischees wie die Odyssee, die ein Paar auf Immobiliensuche durchläuft, für unentdeckte Pointen: Als Stadtwohnung ihrer Träume entdecken David und sein Freund Hugh auf einem Ausflug nach Amsterdam, vom eigenen Geschmack schockiert, das Anne-Frank-Haus. Der einstige Außenseiter aus dem amerikanischen Süden entschied sich, wie Sedaristen schon wissen, für Paris als Wohnsitz. Sein Leben ist längst Roman geworden.

ANDREAS ROSENFELDER

David Sedaris: "Nachtprogramm". Aus dem Amerikanischen übersetzt von Georg Deggerich. Wilhelm Heyne Verlag, München 2004. 271 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.11.2004

Die Maus muss sterben
David Sedaris kompostiert seinen sorgfältig angehäuften Psychomüll zu mehr als vergnüglichen Satiren
Natürlich klingt der Originaltitel so sophisticated, wie man das von David Sedaris erwarten darf: „Dress Your Family in Corduroy and Denim” - das ist so verschwurbelt, wie seine Geschichten auf den ersten Blick scheinen. Doch schnell ist man mittendrin im grauenhaft miefigen Kleinstadtmilieu, in dieser tölpelhaften Südstaatenfamilie - nach wie vor das Lieblingsthema des Autors. Familie und Kindheit, die etwas verwahrloste und ordinäre, aber dominante Mutter, der machohafte, aber in allen Dingen kläglich scheiternde Vater, schließlich Sedaris selbst als schlimmster Verlierer - ausgelacht, gemobbt und angespuckt.
Die Rache für erlittene Schmach kommt spät, aber mit Wucht. Sehr lange muss Sedaris diesen ganzen Psychomüll angehäuft haben, um ihn nun gewinnbringend zu kompostieren. Selbst wenn nur die Hälfte seiner Geschichte wahr ist, so bleibt noch immer genug, um sich vor Entsetzen und Ekel zu schütteln angesichts dieser trostlosen Kindheit. Sedaris rechnet mit dieser Reaktion, er spielt damit, treibt den Leser in schiere Verzweiflung, um ihn dann mit einer kleinen Pointe oder einer ganz unpassenden Sichtweise zu erlösen. Auch in der Übersetzung durch Georg Deggerich bleiben die meisten Gags erhalten; er trifft den schnoddrigen Tonfall, die oft lakonische Art des Erzählens. Denn es handelt sich in der Tat um Erzählungen, nicht bloß um witzige Alltagssatiren.
Der gedankliche Untergrund wie auch die emotionale Basis ist nicht Sozialmoral, sondern - trotz greller Farbtöne - ein subtiler, psychologisch treffender Ansatz; vor allem der Mut, das Scheitern und die dazu führenden Umstände möglichst wertfrei zu sehen, auch wenn sie einst schmerzlich berührten und traumatisierten. Die Freiheit, die aus dieser Haltung erwächst, ermöglicht jene wohlkalkulierten Erzählstränge, die auf dem Grad zwischen geistreich Absurdem und reinem Unsinn recht sicher gespannt sind. Das verlangt sprachliche Virtuosität, und dazu gehören auch wunderbar abseitige Metaphern.
Es ist ziemlich egal, ob Sedaris von einer Prügelei auf dem Schulhof berichtet oder von dem Versuch, eine Maus umzubringen. Er strickt das Thema so weit fort, verstrickt sich und den Leser soweit hinein, dass alles in einem Strudel von abstrusen Begebenheiten und sich überschlagenden Formulierungen kulminiert. Der Leser hat kaum Zeit, etwas wirklich abstoßend und die Sichtweise von Sedaris zynisch zu finden, er wird mitgerissen vom virtuosen Erzählschwall. Sedaris schafft es, die tragischsten Ereignisse unversehens in Klatsch und Tratsch zu verwandeln und alles, worüber Sozialpädagogen die Hände über den Köpfen zusammenschlagen würden, als schiere Normalität zu verkaufen.
HELMUT MAURÓ
David Sedaris
Nachtprogramm
Aus dem Amerikanischen von Georg Deggerich. Heyne Verlag, München 2004. 271 Seiten, 20 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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"Sedaris' burleske Beobachtungen haben einen Stil, der die amerikanische Kritik kaum Luft holen lässt, wenn sie ihm zu Ehren Mark Twain, Flannery O'Connor, James Thurber oder gar Cervantes zitiert. Es sind die Ungezogenheiten, die den kleinen David zum Albtraum aller Eltern macht - und die Bücher des großen David Sedaris zum Traum einer Menge Leser"

Neue Zürcher Zeitung

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Auf dem schmalen "Grad zwischen geistreich Absurdem und reinem Unsinn" hat sich Helmut Mauro von David Sedaris' recht sicher gespannten, "wohlkalkulierten Erzählsträngen" leiten lassen. Begegnet sind ihm dabei "wunderbar abseitige Metaphern" und eine "sprachliche Virtuosität", mit denen der Autor sein Lieblingsthema bearbeitet: Familie und Kindheit in einer tölpelhaften Südstaatenfamilie mit dominanter Mutter, scheiterndem Vater und Sedaris selbst - "ausgelacht, gemobbt und angespuckt". Sedaris hat es darauf angelegt, seine Leser mit seinem angehäuften Psychomüll in die schiere Verzweiflung zu treiben, mutmaßt Mauro, der die Methode des Autors anerkennend wie folgt beschreibt: "Er strickt das Thema so weit fort, verstrickt sich und den Leser soweit hinein, dass alles in einem Strudel von absurden Begebenheiten und sich überschlagenden Formulierungen kulminiert". Der Rezensent hat sich von diesem Wortschwall bereitwillig mitreißen lassen und hatte dabei noch nicht mal Zeit, das Erzählte abstoßend oder zynisch zu finden.

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