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Katarina Frostensons Gedichte entwickeln ihre poetische Kraft aus dem Wechselspiel von Sprache und Bedeutung, die unablässig in Bewegung sind. Ob in Paris, Berlin oder Schweden, draußen oder drinnen - alles in der Welt ist im Fluss. Es ist eine Welt, die, so grausam und düster sie ist, große Schönheit besitzt und nach Empathie verlangt. "Katarina Frostenson begibt sich auf die doppelte Suche nach der Sprache und den Dingen. Es ist, als seziere sie die Dinge, um sie aufs Neue und anders beschwören zu können." Jan Wagner

Produktbeschreibung
Katarina Frostensons Gedichte entwickeln ihre poetische Kraft aus dem Wechselspiel von Sprache und Bedeutung, die unablässig in Bewegung sind. Ob in Paris, Berlin oder Schweden, draußen oder drinnen - alles in der Welt ist im Fluss. Es ist eine Welt, die, so grausam und düster sie ist, große Schönheit besitzt und nach Empathie verlangt. "Katarina Frostenson begibt sich auf die doppelte Suche nach der Sprache und den Dingen. Es ist, als seziere sie die Dinge, um sie aufs Neue und anders beschwören zu können." Jan Wagner
Autorenporträt
Katarina Frostenson, 1953 in Stockholm geboren, studierte Literatur-, Film- und Theaterwissenschaften. Sie verfasst Lyrik, Dramen und Prosa und übersetzt aus dem Französischen. Sie ist Mitglied der Svenska Akademien. Zuletzt ist bei Hanser ihr Gedichtband Sprache und Regen (2016) erschienen.

Verena Reichel, 1945 geboren, wurde für ihre Arbeit mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis. Sie übersetzte u.a. Ingmar Bergman, Katarina Frostensen, Lars Gustafsson, Henning Mankell, Anna-Karin Palm, Hjalmar Söderberg und Märta Tikkanen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Heinrich Detering findet die von Verena Reichel "kongenial" übersetzten Gedichte der Schwedin Katarina Frostenson geschliffen. Die Auswahl aus den Jahren 1999 bis 2011 führt ihm eindrucksvoll die Meisterschaft der Autorin beim Verwandeln von Schauplätzen in Klang vor Augen. Wie Frostenson archaische Mythen visionär synästhetisch abbildet, dabei mitunter politisch sensibel aktuelle Kriegsbilder verhandelnd, wie sie die Welt sich auflösen lässt in Sprache, um abermals eine Welt entstehen zu lassen, verfremdet und schön, das hat Detering an den 33 Gedichten des Bandes beeindruckt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.08.2016

Die Schneebeerensammlerin
Katarina Frostensons Landschaftsgedichte „Sprache und Regen“
Gefragt nach ihrem „Jahrhundertbuch“, entschied sich Katarina Frostenson vor einigen Jahren für Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“. Besonders fühle sie sich von den einsamen, über die Seiten gleitenden und „ungreifbaren“ Wegen der Gedanken angezogen: „Musil hat die Struktur des Romans als Kraftfeld beschrieben, als nahezu endlosen Raum für Verbindungen und Möglichkeiten des Zusammenhangs, mit sich kreuzenden Linien und Verwerfungen, unterirdischen Gängen, Raumvariationen.“ Vielleicht hat die 1953 in Stockholm geborene schwedische Autorin damit zugleich ihr eigenes Schreiben charakterisiert, dieses stets ungreifbare Gleiten zwischen sinnlichen Momenten und Gedanken, ein Kraftfeld aus Rhythmus, „Schneebeeren“ und Klang, das die unterschiedlichsten Sprachen in der Schwebe hält.
  „Lass / der Stimme Pelztier durch deine Zeilen ziehen“, heißt es an einer Stelle. Es ist der Auftakt zu einem Zyklus, der sich „Rede aus einem Monat“ nennt. Ein Ensemble von Stücken, von denen jedes kaum mehr als fünf Zeilen umfasst – und doch verwahrt der Zyklus auf wundersame Art und Weise einige der Ideen, die Katarina Frostensons Poetik ausmachen. Noch im unscheinbarsten Vers wird der Versuch erkennbar, der Sprache sinnliche Details einzuschmelzen, immer wissend, dass die Dinge in der Sprache verschwinden: „Sei in etwas, im Gelenk des Kiefers, in der Wange / wo es sticht. Schneegestöber früh, alles wirbelt durcheinander / in den Sinnen.“ Neben diese Wahrnehmungsmomente treten kleinste Wort- und Lautverwandlungen. Aus der „Wake“, einer offenen Stelle im Eis, wird hier die „Wange“, um im nächsten Stück „Wache“ zu sein.
  Doch die Dichterin gibt sich im Schneegestöber nicht dem Phantasma reiner Unmittelbarkeit hin. Alles wird getragen von einem poetischen Nachdenken darüber, wie sich das Einzelne und seine Fixierung in einem Begriff zueinander verhalten, wie groß der Spalt zwischen den Dingen und der Sprache ist, und wie die sprachlichen Schichten sich anfühlen, es mag ein Alltagswort sein oder die Sprache der Bibel. Am Grunde dieser Verse schimmert gleichwohl die Idee einer Rede durch die Zeilen, die sich von der Frage nach ihrer Bedeutung abgelöst hat. Es scheint so etwas wie der Fluchtpunkt von Frostensons Schreiben zu sein, das Pelztier, das seine Gänge in die Sprache gräbt: „Schneegestöber, Schneebeeren. / Rote Glocken schlagen in der Stille. Man kann sich durchströmen / lassen von diesem Monat, keine Fragen nach großem Sinn.“
  Vom Strömen indes führt eine direkte Verbindung in die Landschaft. Vor einigen Jahren nahm Katarina Frostenson an einem Dichtungsprojekt teil, das den schönen Namen „Die Poetische Landschaft“ trug. Es interessiere sie weniger, hielt sie damals fest, eine Landschaft abzubilden, als aus der Begegnung zwischen der Landschaft und der Imagination etwas Neues zu schaffen. Die Landschaft abtasten, hieß es damals, „ihre historischen Spuren, Materialisationen in den Dingen wie in der Sprache verfolgen, neu kombinieren, potenzieren; die Landschaft lesen und eine zweite, sprachliche jetzt, aus ihr hervorarbeiten.“
  Und so ordnen sich die Worte mit der Landschaft. Die Sprache scheint aus der Landschaft zu fließen und die Landschaft gleichermaßen aus der Sprache: „Satte Tage öffnen die Zeilen“. Nicht von ungefähr trägt die erste Gedichtsammlung, die von Frostenson auf Deutsch erschienen ist, den Titel „Die in den Landschaften verschwunden sind“ (1999). Es sind Landschaften, die oft von Flüssen durchzogen werden, Schwimmen und Fließen bilden dort die Aggregatzustände, das Auflösen fester Ordnungen und das Aufgehen in der Bewegung.
  In ihrem Band „Sprache und Regen“ nimmt Frostenson diese Lust an der Bewegung auf. „Entgleitend, anwesend“, sind die Verse, mal „Gemurmel“, mal „Gesangsrest“, mal ein Tümpel, mal eine Pfütze oder ein Rinnsal. Für diese Bewegung hat Frostenson ebenso bewegliche Formen gefunden: Hier verbinden sich die Sätze zu rhythmisch fein variierten Langzeilen, dort zu lockeren Konstellationen, in denen die Wörter manchmal wie Figuren auf dem Papier verteilt sind. Und so, wie die Verse ihren Rhythmus ändern, wechselt Frostenson zwischen den Genres hin und her, schreibt Landschaftsskizzen oder verwandelt sich antike Mythen an, entwirft Porträts (von Rosa Luxemburg zum Beispiel) oder Gemäldegedichte – wie sie überhaupt gern mit Farben schreibt.
  Dabei genügen sich die Verse nicht an ihrem Fließen. Sie mischen verschiedene Sprachschichten und nehmen Begriffe unserer Gegenwart, die „Krise“ etwa, kritisch in den Blick, indem sie die Wörter neuen Umgebungen aussetzen: „Ein Tiger schmal wie ein Futteral glitt aus der Zeile was die Krise gebiert / Wacholder schoss daraus hervor, ein Ast mit Astaugen“. Dazu holen sie historische Spuren in ihren Rhythmus, „Schlackenvorkommen“, Kriegsreste – und zeichnen nach, wie sie mit der eigenen Erinnerung verbunden sind.
  Verena Reichel hat in ihren Übersetzungen immer wieder schöne Lösungen für diese sprachlichen Verschränkungen gefunden. An manchen Stellen hätte man sich die schwedischen Texte zur Hand gewünscht, um einer allzu pathetischen Formulierung nachhorchen oder sich die eine oder andere Klangfigur ansehen zu können. Sei’s drum. Monika Rinck hat ein lesenswertes kleines Nachwort geschrieben, das ein wenig in die Wasserschichten der Verse hineinleuchtet. Es ist eine Bewegung in diesen Gedichten, ein Summen und Klopfen jenseits der bekannten Muster, mit Wegen und Gängen und Linien, die sich kreuzen – „dass nichts / vergeblich ist“.
NICO BLEUTGE
        
Katarina Frostenson: Sprache und Regen. Gedichte. Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Mit einem Nachwort von Monika Rinck. Carl Hanser Verlag, München 2016. 96 Seiten, 15,90 Euro.
Die Lust an der Bewegung,
am Schwimmen und Fließen,
rhythmisiert die Verse
Schreibt neben Lyrik auch Dramen und Prosa: Katarina Frostenson.
Foto: imago
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.08.2016

Dieser Blick auf die Lichtung aus Tönen
Geschliffen in doppelter Hinsicht: Katarina Frostensons seit 1999 entstandene Gedichte

Wer die Verse der schwedischen Dichterin Katarina Frostenson liest, müsse bedenken, "dass sie nicht beschreiben, sondern herstellen. Es sind neugeborene Gegenstände. Sie stellen ein Sprachgeschehen her": So erläutert die Dichterin Monika Rinck in dem schönen Nachwort, das sie dem Auswahlband "Sprache und Regen" beigegeben hat. Es ist das zweite Mal, dass die Gedichte Frostensons auf Deutsch zu lesen sind, nach dem 1999 erschienenen Band "Die in den Landschaften verschwunden sind". Die neue Auswahl, zusammengestellt aus Texten der Jahre 1999 bis 2011, macht abermals begreiflich, warum diese Autorin längst zu den wichtigsten Stimmen der skandinavischen Lyrik gehört.

Sie schreibe nicht in Bildern, hat Frostenson in einem poetologischen Essay erklärt, sondern sie schreibe gegen die Bilder an. Frostensons frühere Gedichte taten das mit den Mitteln der Aussparung, im Abbruch von Sätzen und Metaphern, in kalkulierten Inkonsistenzen und Lücken. Schon früh aber traten neben die Schriftzeichen die Klänge. Die Nymphe Echo, die im griechischen Mythos und in den Metamorphosen des Ovid ganz zum Widerhall wird, erschien im Zeichen einer feministischen Sprachkritik als Verkörperung dieser Poetik und selbst als poetische Figur. In "Sprache und Regen" ist sie nun wieder zu hören, in einem Gedicht von 1999, das "Echos Schlund" überschrieben ist; und diesmal lautet die Frage: "Stimme, was bist du für ein Tier".

Beharrlich verwandeln Frostensons Gedichte ihre Schauplätze in Klang, lösen ihn auf in so dunkle Beschwörungen wie das Gedicht über Marsyas, das den Band programmatisch eröffnet. Der Satyr, der den Musengott Apoll im Sängerwettstreit herausgefordert hat und von ihm zur Strafe bei lebendigem Leibe gehäutet wird, hängt hier auf einer "Lichtung aus Tönen", und auch er selbst ist im Augenblick seines Sterbens ganz zum Klang geworden: "ein Wahnsinnslaut / der ganze Wald dröhnt von dir". Am Ende nimmt Apoll "den Bogen von den Saiten" und gibt Ruhe. Und nun, da sein Opfer verreckt ist, vermerkt der Schlussvers in verbloser Lakonie: "im Augenblick des Tieres das Gedicht". Im Laufe dieser Verse hat sich die Szenerie aus Lauten und Klängen selbst ausgeweitet in eine visionäre Synästhesie: "Der Schein von Marsyas", den die Überschrift angekündigt hat, geht aus vom blutig glänzenden "Rotmund" des Sterbenden, im Lichtschein der verstummenden Stimme leuchtet die mythologische Landschaft vielfarbig auf.

Es gehört zu Frostensons poetischem Raffinement dass dieses Prologgedicht mit dem letzten Vers nur scheinbar endet. Denn die Fäden seines Motivgewebes werden in den nächsten Texten weitergesponnen. Stimme und Wunde des Marsyas verwandeln sich im zweiten Gedicht in "Echos Schlund", das wiederum gibt seine Überschrift an das dritte weiter und so fort. Mit dem Langgedicht "Schlund" lässt Frostenson zum ersten Mal in diesem Band die Zeitgeschichte einbrechen in die archaischen Mythen; von hier an zeigt sich eine politische Sensibilität, die in der Wahrnehmung ihrer Poesie zuweilen unterschätzt worden ist.

Da stürzt eine "Stimme aus der Nacht", die mit den ersten Worten angerufen wird, in albtraumhaften Wortkaskaden hinab "in die flammende / Halsröhre des Saddampferdes / die Welt bekommt jetzt das rote Tier zu sehen". Weil "das Wort" den Kriegsbildern aus New York und dem Irak ausgesetzt ist, weil es in die "Höllenkreise" einer Bild gewordenen Gewalt gerät, darum muss es nun selbst verstörende Metamorphosen durchlaufen, die an die Komposita des späten Celan erinnern. Da antwortet auf den "Klang aus dem Gebeine- / stapel" der "Laut der Abgrundbäckerei / das Wort das Gallensüße gärt jetzt". Erst im Schlussvers verschmelzen das Sichtbare und das Hörbare, im flüchtigen Triumph der Sprache über das Grauen: "Stimmritze: Welch Licht über der Gruft".

Immer wieder beginnen Frostensons Gedichte so in wiedererkennbaren Landschaften des Mythos und der Geschichte, an Schauplätzen, die so bedeutungsschwere Namen tragen wie "Subotica" oder "Berlin" oder "Austerlitz"; manchmal setzen sie ein mit Meditationen über gemalte Landschaften niederländischer Meister oder die Szenerien einer Fernsehserie. Und immer verwandeln sie diese Orte in ein Sprachgeschehen, in dem die menschliche Stimme um ihr Überleben kämpft.

Eine der letzten Stationen des Bandes ist Tomi: jene in Geschichte und Mythos versunkene letzte Welt, in der ein aus Rom ans Schwarze Meer verbannter Dichter namens Ovid, der einst auch von den Metamorphosen des Marsyas und der Echo gesungen hat, nach und nach seine Sprache verliert. Das Gedicht redet ihn an, der einsam auf einem Felsen sitzt: "übst die harten Laute / die Barbarensprache die du ausspuckst". Doch wie der Fels von der Meeresbrandung, so wird auch der auf ihm sitzende Sänger am Ende "geschliffen", bis er vergessen ist, verschwunden in Raum und Zeit. Selbst das Gedicht, das mit der Erinnerung an einen Namen und eine Inschrift begann, scheint vergessen zu haben, wie er genau lautete; irgendetwas mit "Naso" muss es gewesen sein. In diesem Paradox aber bleibt der Tote gegenwärtig: im abermals flüchtigen Sieg der Wörter über den Tod, im abgeschliffenen Epitaph, das dieses Gedicht selbst ist.

Was Welt war, löst sich in den Gedichten der Katarina Frostenson auf in eine mit sich selbst im Streit liegende, eine verletzte und sich fortwährend selbst verletzende, rastlos bewegte Sprache. Aus deren Strömen und Stauungen aber ersteht wundersam wieder eine Welt, aus lauter "neugeborenen Gegenständen" - nur zeigt sie sich jetzt albtraumhaft und verfremdet, schmerzhaft und schön. Wer "Sprache und Regen" liest, erfährt diese Doppelbewegung in jedem der dreiunddreißig Gedichte. Verena Reichel hat sie kongenial ins Deutsche gebracht.

HEINRICH DETERING

Katarina Frostenson: "Sprache und Regen". Gedichte.

Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Mit einem Nachwort von Monika Rinck. Edition Lyrik Kabinett. Hanser Verlag, München 2016. 96 S., geb., 15,90 [Euro].

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"Es ist eine Bewegung in diesen Gedichten, ein Summen und Klopfen jenseits der bekannten Muster, mit Wegen und Gängen und Linien, die sich kreuzen - 'dass nichts / vergeblich ist'." Nico Bleutge, Süddeutsche Zeitung, 09.08.16

"Was Welt war, löst sich in den Gedichten der Katarina Frostenson auf in eine mit sich selbst im Streit liegende, eine verletzte und sich fortwährend selbst verletzende, rastlos bewegte Sprache. Aus deren Strömen und Stauungen aber ersteht wundersam wieder eine Welt, aus lauter "neugeborenen Gegenständen" - nur zeigt sie sich jetzt albtraumhaft und verfremdet, schmerzhaft und schön." Heinrich Detering, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.08.16