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Die Reise in eine fremde Welt ungeahnter Kontraste und bezaubernder Geschichten, heraufbeschworen in kraftvollen Fotografien und fesselnden Erzählungen: "Weltensammler" Ilija Trojanow und Christian Muhrbeck reisten jahrelang durch Bulgarien, um die Facetten des dortigen Lebens zu erkunden, zwischen archaischer Kultur, Postsozialismus und den Spannungen der jüngsten Vergangenheit. Entstanden sind Fotografien, die jenseits aller Klischees den Alltag am Rand von Europa festhalten. Verbunden mit dieser Bilderwelt sind Erzählungen, die zwischen Reportage und Poesie schweben, und eine Region…mehr

Produktbeschreibung
Die Reise in eine fremde Welt ungeahnter Kontraste und bezaubernder Geschichten, heraufbeschworen in kraftvollen Fotografien und fesselnden Erzählungen: "Weltensammler" Ilija Trojanow und Christian Muhrbeck reisten jahrelang durch Bulgarien, um die Facetten des dortigen Lebens zu erkunden, zwischen archaischer Kultur, Postsozialismus und den Spannungen der jüngsten Vergangenheit. Entstanden sind Fotografien, die jenseits aller Klischees den Alltag am Rand von Europa festhalten. Verbunden mit dieser Bilderwelt sind Erzählungen, die zwischen Reportage und Poesie schweben, und eine Region präsentieren, die bisher weitgehend verborgen blieb, auch wenn sie längst Teil unseres gegenwärtigen Europa ist.
Autorenporträt
Christian Muhrbeck, 1969 in Berlin geboren, studierte Grafikdesign mit Schwerpunkt Fotografie an der Hochschule für Künste Bremen. Seit 1999 lebt und arbeitet er als freiberuflicher Fotograf in Berlin. Für seine Fotoprojekte war er in Afrika und über viele Jahre auf dem Balkan unterwegs.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.10.2013

Die Essenz des Balkans
Der Schriftsteller Ilija Trojanow und der Fotograf Christian Muhrbeck begeben sich in den
Osten Europas. Am Rand der Gesellschaft finden sie spannende Geschichten
VON HANS GASSER
Es wird viel geraucht in diesem Buch. Über die Gesichter ziehen sich Falten, tief wie die Schluchten des Balkans. Von dessen Ländern und vor allem dessen Menschen erzählt Ilija Trojanows neues Werk „Wo Orpheus begraben liegt“. Der Schriftsteller, in Bulgarien geboren, illustriert darin mit kurzen Texten die Schwarz-Weiß-Fotos von Christian Muhrbeck. Oder ist es umgekehrt?
  Es findet sich nur ein Hinweis im Buch, dass die sämtlich in Bulgarien entstandenen Fotos nicht die Personen aus den Geschichten darstellen. Manches wirkt dennoch wie gemeinsam recherchiert, anderes ergänzt sich. In jedem Fall aber funktioniert beides nur miteinander. Auf den Fotos sind vor allem Menschen abgebildet, die am Rand der Gesellschaft leben, Alte, Arme, Kinder: Ein Schafhirte treibt seine Herde zwischen Plattenbauten hindurch, ein lachender Mann stemmt auf einer Müllhalde eine Hantel aus Schrott in die Höhe, eine alte Frau zeigt beiläufig ihre Pistole und ihren goldenen Eckzahn her. Sähe man nur die Fotos, man könnte sie für gut gemachte Klischees vom wilden Osten halten, in bester Fortsetzung der Filme von Emir Kusturica. Erst Trojanows Texte loten aus, erklären, was hinter den Bildern steckt: die individuellen Schicksale, und durch sie auch die Geschichte und das Schicksal ganzer Völker.
  „Sofia duftet, seinen Erinnerungen entgegen. Paprikaspätsommer. (. . .) Paprika, die ganze Stadt wird duften, das ist gewiss, die Stadt wird sich in eine einzige schwarzgebratene Paprika verwandelt haben (. . .).“ In dieses Idyll stößt ein Mann. Er war neun Jahre im Gefängnis und besucht seinen Bruder. Der sitzt da mit seiner Frau, sie häuten Paprika. „Das macht 1500 Paprika, wir haben sie ohne dich gebraten, geschält eingelegt, gegessen, du hast 1500 Paprika verpasst. Setz dich und reich mir eine.“ So beiläufig wird der Bruder empfangen, der, wie man erfährt, politischer Häftling war. Nichts hat sich geändert. Die Menschen legen immer noch Paprika ein; und sein Leiden war umsonst, so erscheint es ihm.
  Es sind solch literarische Miniaturen, mit denen Trojanow eine Essenz des Balkans destilliert. Mal sind es Geschichten aus vergangener Zeit, mal spielen sie im Hier und Jetzt und gehen in Richtung Reportage, allerdings meist aus der Sicht der Protagonisten erzählt. So etwa ein Besuch des Autors bei den Dale, sogenannten Zigeunern, die ihr Leben auf einer Müllhalde fristen und vom Verkauf des Metallschrotts leben. In dieses Elend bricht die Nachricht, dass einer von ihnen, Zanko, auf einer Hochzeit musizieren soll, ein gut bezahlter Auftrag, „das wird die Familie monatelang ernähren“. Das Problem ist: Für eine Hochzeit muss sich Zanko rasieren, aber er hat seinen Rasierer verloren. Also müssen seine Kinder auf der Müllhalde danach suchen. „Schule? Welche Schule denn, wer Lumpen trägt, darf nicht in die Schule.“ Trojanow verknüpft Aussagen der Dale mit Vorurteilen über sie: „Die Zigeuner werden losgeschickt, sie rauben dein Haus aus, stehlen dein Vieh, verwüsten deine Felder.“ Am Ende werden die Kinder fündig – das Einkommen der Familie ist gerettet. Doch nur für kurze Zeit: Eine Müllsortieranlage wird gebaut – mit EU-Geldern. Der Fortschritt bringt den Dale einen Rückschritt, sie werden ihre Geldquelle verlieren.
  Hier und in anderen Geschichten geht es um die Verwerfungen des wirtschaftlichen Wandels und gleichzeitig um das Fortbestehen der alten Riten. Dieses Spannungsfeld erzeugt nicht selten auch Komik. Etwa, wenn Trojanow beschreibt, wie eine junge Journalistin in die Provinz geschickt wird, um über die Beerdigung eines 100-Jährigen zu berichten. Wer will schon in ein „Kaff am Arsch der Welt, wo es nichts gibt außer Türken und Zigeunern und Eseln?“ Dort angekommen, erhält sie von der Trauergesellschaft eine Lehrstunde in Weltläufigkeit und darüber, dass nicht alles ist, wie es zu sein scheint. Der Verstorbene war ein Tabakgroßhändler, daheim in der ganzen Welt, bevor er alles verspielt hat und ihm nichts übrig blieb, als zurück in die Provinz zu gehen. „Gott möge ihm vergeben“ ruft einer beim Leichenschmaus. „Und der Welt“, ruft seine Witwe, „wer vergibt der Welt?“
Ilija Trojanow, Christian Muhrbeck: Wo Orpheus begraben liegt. Hanser Verlag, München 2013. 224 Seiten, 24,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Sehr gerne lässt sich Sabine Vogel von Autor Ilija Trojanow und Fotograf Christian Muhrbeck in die fernen Regionen von Bulgariens Osten entführen: Dort treffen beide, von touristischen Interessen völlig frei, auf die ganz gewöhnlichen Bewohner der Peripherie Europas, wo Muhrbecks Kamera Armut und Schmutz einfängt, während Trojanow, der selber aus Bulgarien stammt, für seinen "leisen Bericht" den "Geschichten der Überflüssigen, Abgehängten und Abgewickelten" einfach nur zuhört, wie die Kritikerin erklärt. Besonders wird ihr Interesse von der brachen Ästhetik dieser urlaubstouristischen Ansprüchen nicht gerecht werdenden Welt geweckt, die Muhrbecks Fotografien nicht als illustrativer, sondern als gleichberechtigter Bestandteil dieses Bandes dokumentiert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.2014

Fahrendes Volk

Die Aufnahme von Christian Muhrbeck ist ein klassisches Reportagefoto: Ein Mann mit zerfurchtem Gesicht, hellem Käppi und Jogginghose steht vor dem Rumpf eines Autobusses. Er zieht an einer Zigarette. Der Blick schweift in die Ferne. Doch die verrostete Karosse verspricht keine Reise mehr. Einige Seiten weiter schreibt Ilija Trojanow: "Sein Heim ist ein Blechkasten auf vier Rädern, Marke Robur, made in the GDR, sein Wohnzimmer, sein Schlafzimmer, sein Lager, der Laderaum ein Kaninchenstall." Ein kleiner Hinweis im Buch warnt vor dem Fehlschluss: Trojanows Texte beschreiben keineswegs die Menschen auf den Bildern. Das Buch "Wo Orpheus begraben liegt" versammelt auch keine Reportagen - es verwischt vielmehr die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Muhrbeck und Trojanow sind über Jahre hinweg immer wieder gemeinsam durch Bulgarien gereist. Die körnigen Schwarzweißfotografien präsentieren über weite Strecken ein beklemmend rückständiges Land: Holzöfen, Häuserruinen, Müllberge. Nur ab und zu durchbricht ein ironisches Motiv oder ein fröhliches Gesicht die Tristesse. Muhrbeck beweist einen Blick für Details und spannende Perspektiven. Doch einige seiner Bilder liefen Gefahr, ins Klischeehafte abzudriften, gäbe es da nicht Trojanows Texte - kurze Erzählungen, Notizen, Gedanken. Wer spricht hier, was wird beschrieben? Die intime Prosa kontrastiert mit der Frontalität der Fotografien. Das Experiment, Text und Bild so nebeneinanderzustellen, gelingt - gemeinsam fügen sie sich zum spannenden Porträt eines Landes am Rande Europas.

bieb

"Wo Orpheus begraben liegt" von Ilija Trojanow (Text) und Christian Muhrbeck (Fotos). Hanser Verlag, München 2013. 224 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 24,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Die Intimität der Geschichten ergänzt kongenial die Intimität der Bilder. Hier wird nichts vorschnell erklärt und eingeordnet, hier gibt es keine schnellen Rezepte." Tim Schleider, Stuttgarter Zeitung, 04.09.13

"Ilija Trojanow und Christian Muhrbeck begeben sich in den Osten Europas. Am Rand der Gesellschaft finden sie spannende Geschichten." Hans Gasser, Süddeutsche Zeitung, 08.10.13

"Mit- und Ineinander ergeben Bild und Wort ein Gesamtkunstwerk, eine eindringlich-persönliche Annäherung an ein Land zwischen Archaik und Postsozialismus." Andreas Wirthensohn, Wiener Zeitung, 21./22.09.13

"Ein faszinierender Band." Jörg Plath, Deutschlandradio Kultur, 17.12.13