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Seit seine Frau Siri vor zwölf Jahren bei einem Schiffsunglück starb, stellen sich Thomasson viele Fragen. Wäre alles anders gekommen, wenn er sie damals nicht betrogen hätte? Oder er auf jenem Schiff nach Schweden mitgefahren wäre? Über seinen Schuldgefühlen hat er den Umgang mit anderen Menschen fast verlernt. Bis der Eigenbrötler eines Tages einem kleinen Jungen hilft, der von Gleichaltrigen schikaniert wird. Endlich tritt der alte Mann wieder in Kontakt mit der Welt und findet noch einmal ins Leben zurück. Asbackas warmherziger Roman handelt von der Zerbrechlichkeit der menschlichen…mehr

Produktbeschreibung
Seit seine Frau Siri vor zwölf Jahren bei einem Schiffsunglück starb, stellen sich Thomasson viele Fragen. Wäre alles anders gekommen, wenn er sie damals nicht betrogen hätte? Oder er auf jenem Schiff nach Schweden mitgefahren wäre? Über seinen Schuldgefühlen hat er den Umgang mit anderen Menschen fast verlernt. Bis der Eigenbrötler eines Tages einem kleinen Jungen hilft, der von Gleichaltrigen schikaniert wird. Endlich tritt der alte Mann wieder in Kontakt mit der Welt und findet noch einmal ins Leben zurück. Asbackas warmherziger Roman handelt von der Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz, der Liebe und dem Alter - und spürt den großen existenziellen Fragen am Ende des Lebens nach.
Autorenporträt
Verena Reichel, geboren 1945 in Grimma, Sachsen, wuchs zweisprachig in Stockholm und in Süddeutschland auf. Nachdem sie eine Ausbildung an einer Journalistenschule absolviert hatte, studierte sie Skandinavistik, Germanistik und Theaterwissenschaft. Seit 1972 arbeitet sie als freie Übersetzerin von Prosa, Lyrik und Theaterstücken aus dem Schwedischen, Norwegischen und Dänischen.
Verena Reichel ist Mitglied im Verband Deutschsprachiger Übersetzer Literarischer und Wissenschaftlicher Werke im Verband Deutscher Schriftsteller. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen: 1987 den Übersetzerpreis der Schwedischen Akademie, 1992 den Helmut-M.-Braem-Preis, 1995 den Petrarca-Preis und den Nossack-Akademiepreis der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz (zusammen mit Lars Gustafsson), 1998 den Übersetzerpreis der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung sowie 2008 den Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.05.2010

Der Sog in die Tiefe
Nach dem Untergang der „Estonia“: Robert Åsbackas Roman „Das zerbrechliche Leben“
Die Titanic und die Andrea Doria haben sich im kollektiven Gedächtnis besser festgesetzt, aber auch der Untergang der Estonia zählt zu den großen Katastrophen in der Schifffahrt des 20. Jahrhunderts. Die Fähre, die von Tallinn nach Stockholm unterwegs war, sank am
28. September 1994 in finnischen Gewässern; von den rund tausend Passagieren kamen nur 137 mit dem Leben davon. Die Unglücksursache ist nie zweifelsfrei geklärt worden: Gab es ein Leck unterhalb der Wasserlinie? War das Abreißen der Bugklappe an allem schuld? Wurde die Klappe möglicherweise gesprengt? Offenbar waren auf dem Schiff auch illegal militärische Güter unterwegs – das klingt nach einem Stoff, aus dem die Liebhaber von Verschwörungen gerne ihre Theorien schneidern.
Der alte Thomasson, die Hauptfigur in „Das zerbrechliche Leben“, hat bei der Havarie der Estonia seine Frau verloren. Fast hätte er sie damals auf ihrem Kulturtrip begleitet, war dann aber zu Hause geblieben. Jetzt macht er sich Vorwürfe. Immer wieder muss er sich ausmalen, wie Siris letzte Momente wohl ausgesehen haben: „Er denkt, es ist vielleicht so, wenn er alle Möglichkeiten ausgelotet, alle Gedanken gedacht hat, dann hat er getan, was er konnte. Er wird zwar noch immer nicht mit Sicherheit wissen, was geschehen ist, aber er hat es jedenfalls gedacht. Er ist da gewesen, er hat sie die Treppe hinunterfallen und von dem Schrank eingequetscht werden sehen, er hat gesehen, wie sie an der Schiffsseite herabgeglitten ist, wie sie an einem Davit hängenblieb und in die Tiefe gezogen worden ist, und er hat sie gegen die Kabinentür gedrückt gesehen, während das Wasser gestiegen war und die Lichter erloschen.“
Den fast Achtzigjährigen, der in einer finnischen Kleinstadt lebt, plagen aber noch weitere schwere Gedanken. Er grübelt über sein Versagen als Kaufmann; weil er das elterliche Geschäft nicht halten konnte, musste er als Lagerverwalter anheuern, unter anderem auf der Estonia . Dass er Siri einmal betrogen hat, geht ihm ebenso nach wie der Tod eines jungen Mannes, den er vor Jahren indirekt verschuldet hat. Seine Tochter ist als junge Frau an Krebs gestorben; sie ist Thomassons einzige, imaginäre Gesprächspartnerin. Und dann sind da noch die Malaisen des Alters: Thomasson ist unsicher zu Fuß; bei Stürzen bricht er sich erst die Hand, dann das Bein.
Berücksichtigt man diese Kette kleiner und großer Schicksalsschläge, die der Roman schildert, müsste er so aufgewühlt sein wie die raue See, der die Estonia zum Opfer gefallen ist. Aber das Gegenteil ist der Fall: Eher fühlt man sich beim Lesen an den Anblick eines stillen Weihers erinnert, in den ab und zu ein Stein geworfen wird. Wie gedämpft Robert Åsbacka erzählt, wird gerade im Vergleich mit Samuel Beckett deutlich, der auf „Das zerbrechliche Leben“ einen starken Einfluss ausgeübt hat. Ein Zitat aus „Malone stirbt“ dient als Motto; überdies wird dieser Roman Becketts mehrfach als wichtiger Lektüreeindruck Siris und ihres Mannes erwähnt. Und am Ende kommt es zu einer Laientheater-Aufführung von Becketts „Happy Days“.
Die Parallelen, die Åsbacka zieht, sind unübersehbar: Der wortkarge Thomasson, der letztlich im Rollstuhl landet, ist ein Wiedergänger der traurigen Clowns, der Greise und Krüppel, die Beckett so lieb waren, und wie im Werk des irischen Autors geht es auch hier um die letzten Dinge, um Einsamkeit, Vergänglichkeit und Tod. Nur dass Åsbacka kein unnachgiebiger Formensprenger ist, sondern ein solider Handwerker. Zudem lässt er in seine epische Welt einiges Licht fallen: Nach und nach gelingt es Thomasson, sich eine nette, neue Ersatzfamilie zu schaffen. Schlimm ist alles, so schlimm aber auch wieder nicht. Die grundsätzliche Unaufgeregtheit, mit der Robert Åsbacka erzählt, hat etwas Sympathisches. Ein wenig bieder ist sie allerdings auch. Eher für seine Humanität ist dieser Autor zu bewundern als für seine Saccharin-Version des herben Beckett.
CHRISTOPH HAAS
ROBERT ÅSBACKA. Das zerbrechliche Leben. Roman. Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Hanser Verlag, München 2010. 320 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.07.2010

Glückliche Tage des Untergangs
Allzu routiniert: Robert Åsbacka lässt in seinem Roman zwei Greise "Das zerbrechliche Leben" neu entdecken

Zwei gebrechliche alte Männer, aufeinander angewiesen und dennoch einsam, gehen auf das Sterben zu. Beide finden durch unverhoffte alltägliche Begegnungen zu einem neuen Blick auf ihre Nachbarn, auf das Leben, auf sich selbst. Und beide suchen ihrer Sterblichkeit auf unterschiedliche Weise künstlerische Gestalt zu geben und so Halt zu finden. Zum Orgelbauer und Liebhaber barocker Kirchenmusik wird der eine, als glückloser Amateurschauspieler im Laientheater versucht sich der andere. Erinnerungen und Geschichte vermischen sich in ihren Gedanken und Gesprächen, Menschheitsfragen und politische Tagesereignisse der Wende zum einundzwanzigsten Jahrhundert; Ahnung und Gegenwart durchdringen einander wie Trauer und Trost.

Der 1961 geborene Schriftsteller Robert Åsbacka, der mit diesem Roman in Skandinavien bei Lesern und Kritik einen Sensationserfolg errungen hat, ist ein Grenzgänger. Er gehört (wie auch sein Romanheld) zur schwedischsprachigen Minderheit Finnlands, die einige der experimentierfreudigsten und bedeutendsten Dichter hervorgebracht hat. Als müsse er diesem Ruf genügen, hat er sein stilles Buch mit literarischen Anspielungen, biblischen Reminiszenzen und selbstreflexiven Wendungen beladen, deren Anstrengung sich auf den Leser überträgt.

Dabei ist diese Geschichte durchaus konventionell erzählt. Vom ersten bis zum letzten Satz folgt sie der Innensicht des einsamen Thomasson, auf dessen Liebhaberei sich der schwedische Originaltitel bezieht. Thomasson ist "Der Orgelbauer". Denn seit seine Ehefrau beim katastrophalen Untergang der "Estonia" ums Leben gekommen ist, hat er begonnen, seine barocke Orgel zu bauen. Sein Lieblingskomponist ist Dietrich Buxtehude, sein Lieblingsstück sind die Membra Jesu nostri, die 1680 in Stockholm uraufgeführte musikalische Meditation, die den Gekreuzigten in seiner ganzen geschundenen Leiblichkeit betrachtet, geduldig und genau: "Füße, Knie, Hände, Seite, Brust, Herz und schließlich Gesicht". Diese sieben Worte bilden zugleich die Kapitelüberschriften des Romans, in dem all dies erzählt wird - als bilde der polyphone Text, diese Orgel aus Wörtern und Sätzen, den leidenden Leib Christi nach.

Schon dies ist ein ziemlich gewagtes und ambitioniertes Erzählprogramm, und es ist bemerkenswert, dass es erst so spät abstürzt. Das aber tut es spätestens in dem Augenblick, in dem neben den barocken Musiker der zweite Schutzheilige dieses Romans tritt: jener Dichter, in dessen Schauspielen der zweite Alte Ausdruck und Form, Halt und womöglich sogar Trost findet in seinem Verfall. Denn was dem einen Buxtehude, das ist dem anderen Beckett. Der leitmotivischen Kreuzesmeditation begegnet das plappernde Untergangsszenario von "Glückliche Tage", in dessen Laienaufführung Thomassons Freund unverhofft erfolgreich die Rolle der Winnie spielt. Damit aber ist die Romankonstruktion vollends überfüllt und überfordert.

Denn auch den Namen Becketts, so lautet das elfte Gebot für Schriftsteller, sollst du nicht unnützlich führen. Zu groß ist die Fallhöhe zwischen der Sprachkunst seiner Stücke und der (hier vom Motto an zitierten) Romantrilogie und den Kalenderweisheiten, in denen Åsbacka sie versanden lässt. "Auf dem Theater und im Leben", so liest man, "sind die Augenblicke unwiderruflich", oder: "Was man vergessen will, holt einen immer ein." Wer sich an so eng verwandte Texte erinnert wie die Erzählung "Morgen und Abend" des Norwegers Jon Fosse, bemerkt schmerzlich das Gefälle zwischen der forcierten Tiefe hier und der unaufdringlichen Meisterschaft, mit der dort die Zwielichtzone zwischen Leben und Tod vergegenwärtigt wurde. Während sie bei Fosse den Text selbst durchdringt und so zum Leseerlebnis wird, bleibt sie hier bloß ein Thema, das in einem allzu routinierten Betroffenheitston besprochen wird. Selbst die wie immer souveräne Übersetzung Verena Reichels kann nicht viel ändern an diesem betont herben und lakonischen, aber gerade darum so gefährlich an der Sentimentalität entlangbalancierenden Kurzsatz-Stil, der in der neueren skandinavischen Erzählprosa zur Marotte geworden ist. Der Besinnlichkeit suggerieren soll. Und Tiefe. Und der auf die Dauer beträchtlich nervt.

Dass es dann doch kein Fiasko wird, verdankt sich der psychologischen Sensibilität, mit der Åsbacka seine allzu kluge Konstruktion immer wieder unterläuft. Oft genug vermag er die Gedankenströme, ja auch die Körperlichkeit seines alternden Helden, die leise Dramatik seiner alltäglichen Begegnungen so nuanciert und anstrengungslos zu vermitteln, dass sie den Leser wie von selbst berühren, ohne Beckett und Buxtehude. Als wäre es einfach nur ein stilles, schönes Buch aus Schweden.

HEINRICH DETERING

Robert Åsbacka: "Das zerbrechliche Leben". Roman. Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Hanser Verlag, München 2010. 317 S, geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ach wäre es doch einfach nur ein stilles Buch aus Schweden! Heinrich Detering wünscht sich, dieser Roman von Robert Asbacka bestünde nur aus seinen besten Momenten, wenn kein Beckett bemüht wird, die Lücke zwischen Leben und Tod auszumessen und dabei doch nur Kalenderweisheiten herauskommen, wenn die Herbheit und Lakonie des Stils nicht extra betont werden, sondern die psychologische Sensibilität des Autors und eine leise Dramatik anstrengungslos herrschen. Zum Glück kommt das vor in dieser Geschichte über die Begegnungen zweier alter Männer und ihrer (ziemlich konventionellen) Leidenschaften. Schade bloß, dass Detering es als "Unterlaufen" der eigentlichen "allzu klugen" Romankonstruktion empfindet.

© Perlentaucher Medien GmbH