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Ein Vater und seine Tochter. Er hat sie nach dem Krieg als Kind in Wien verlassen und ist nach Argentinien gegangen, wo er jeden Sinn für die Realität verloren hat. Sie hat jahrelang Abbitte dafür geleistet, dass er im Krieg auf der falschen Seite stand. Jetzt, fast ein halbes Jahrhundert später, kommen beide in ihre jugoslawische Heimat zurück und finden dort ihre Vergangenheit wieder - und die eines ganzen Landes: Ein großer europäischer Roman von einer der außergewöhnlichsten Stimmen der Gegenwartsliteratur in Deutschland.

Produktbeschreibung
Ein Vater und seine Tochter. Er hat sie nach dem Krieg als Kind in Wien verlassen und ist nach Argentinien gegangen, wo er jeden Sinn für die Realität verloren hat. Sie hat jahrelang Abbitte dafür geleistet, dass er im Krieg auf der falschen Seite stand. Jetzt, fast ein halbes Jahrhundert später, kommen beide in ihre jugoslawische Heimat zurück und finden dort ihre Vergangenheit wieder - und die eines ganzen Landes: Ein großer europäischer Roman von einer der außergewöhnlichsten Stimmen der Gegenwartsliteratur in Deutschland.
Autorenporträt
Norbert Gstrein, 1961 in Tirol geboren, lebt in Hamburg. Er erhielt u. a. den Alfred-Döblin-Preis, den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung, den Uwe-Johnson-Preis, den Österreichischen Buchpreis 2019, den Düsseldorfer Literaturpreis und den Thomas-Mann-Preis. Bei Hanser erschienen Die Winter im Süden (Roman, 2008), Die englischen Jahre (Roman, Neuausgabe 2008), Das Handwerk des Tötens (Roman, Neuausgabe 2010), Die ganze Wahrheit (Roman, 2010), In der Luft (Erzählungen, Neuausgabe 2011), Eine Ahnung vom Anfang (Roman, 2013), In der freien Welt (Roman, 2016), Die kommenden Jahre (Roman, 2018), Als ich jung war (Roman, 2019), Der zweite Jakob (Roman, 2021), mit dem er für den Deutschen Buchpreis nominiert war, sowie zuletzt Vier Tage, drei Nächte (Roman, 2022).
Rezensionen
"Ein beträchtliches sprachliches Kunstwerk von hoher stilistischer Brillanz, dessen Reiz im ganz und gar unaufgeregten, gleichmäßig fließenden, musikalischen Rythmus der Sätze liegt." Tilman Krause, Die Welt, 23.08.08

"Ein grandioses Buch." Thomas David, Neue Zürcher Zeitung, 10.08.08

"Es ist die Intensität der Figuren und Szenen, der Milieus und Orte, die Gstreins Roman die Glanzlichter aufsetzt, und dies umso mehr, als sie in betörend weit ausschwingenden, sinnlichen Satzperioden daherkommt." Andreas Breitenstein, Neue Zürcher Zeitung, 26.08.08

"Die große Stärke des Romans: seine Charakterstudien. Da zeigt sich Gstreins Fähigkeit, in geschmeidiger Sprache und oft nur in einem Nebensatz punktgenau ein ganzes psychisches Universum zum Vorschein kommen zu lassen." Christoph Schröder, Frankfurter Rundschau, 23.08.08

""Die Winter im Süden" erzählt von der Wirkkraft der Geschichtsbilder, die unser Handeln und unsere Lebensläufe formen, legitimieren oder auch delegitimieren. ... Zwischen der Gewalt des Krieges und dem Pomp der Geschichtsbilder hat Norbert Gstrein einen großen Roman über die Verlorenheit geschrieben." Ijoma Mangold, Süddeutsche Zeitung, 11.09.08

"Einer der wichtigsten deutschen Romane dieses Herbstes." Volker Hage, Der Spiegel, 42/2008

"Gstrein ist ein Meister der scharf konturierten Charakterzeichnung, facettenreich und mit sensibel-eleganten Sätzen weiß er seine Figuren psychologisch auszuleuchten und auszudeuten." Gerrit Bartels, Der Tagesspiegel, 28.09.08

"Gstreins größte Leistung ist es, dass seine Sprache diesmal einen herb-melodischen Sound gewinnt, der die überaus handfeste Frage des Texts, warum Menschen von Gewalt und Krieg nicht loskommen, nicht verdeckt, sondern immer eindringlicher werden lässt." Hans-Peter Kunisch, Die Zeit, 04.12.08
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.09.2008

Der unheimliche Kokon
Ein Wiedergänger der Geschichte im Kroatien der 1990er Jahre: Norbert Gstreins Roman „Die Winter im Süden”
Man stelle sich vor: Ein überzeugter Nationalsozialist und Mitglied der SS flieht 1945 als junger Mann nach Südamerika, wo er als Geschäftsmann reüssiert. 1989 fällt die Mauer und darin erkennt der nun alte Mann das Zeichen, dass die Zeit seiner Verbannung und Verdammung vorbei sei. Er, der sich immer als aufrechten antibolschewistischen Nationalisten gesehen hat, kehrt im Triumph nach Deutschland zurück und setzt sich an die Spitze der Wiedervereinigungsbewegung.
Ein unrealistisches Szenario? Rein biographisch gesehen, durchaus denkbar. Wer 1945 25 Jahre alt war, ging 1989 auf die siebzig zu, wäre also noch politikfähig gewesen. Doch war 1989 für Deutschland, obwohl das manche befürchtet hatten, kein revisionistisches Datum. Es mag die eine oder andere Kameradschaft ihre private Deutschlandflagge in den neuen Bundesländern zwischen der Wartburg und dem Leipziger Völkerschlachtdenkmal gehisst haben, das blieb aber gänzlich sektiererisch und lokal – woran auch die Horden von Skinheads, die plötzlich wie Pilze aus dem Boden schossen, nichts zu ändern vermochten. Der Lauf der Geschichte kehrte mit dem Ende des Kalten Krieges nicht zu dessen Vorgeschichte zurück, eine Reichs-Restitution fand nicht statt, die Ewig-Gestrigen, wie man zu sagen pflegte, wurden nicht rehabilitiert.
Eine solche gespenstische Geschichtsschlaufe aber fand nach 1989 im ehemaligen Jugoslawien statt. Davon erzählt Norbert Gstrein in seinem neuen Roman „Die Winter im Süden”. Seine Geschichte ist fiktiv, aber von zahllosen realen Lebensgeschichten unterfüttert. Sie handelt von einem Ustascha-Kämpfer, der die Zeit des Kalten Kriegs in Argentinien überwintert hat – die Diaspora hatte ihn umschlossen wie ein Kokon, an dem alle Veränderungen der Zeit und der Gesellschaft spurlos vorbeigehen und der perfekt ein anachronistisches Weltbild konserviert. Jetzt aber geht das Reich des Bösen, der Kommunismus, zu Ende, und der unverbesserliche Kroate sieht seine Zeit für gekommen: „Es wird Krieg geben”, sagt er immer wieder. Er kann es kaum erwarten, er wittert Morgenluft. Er möchte, dass sich sein Lebenskreis noch einmal schließt: Er, der einst ein Held der Ustascha war, möchte wieder an die Front und zum Helden in jenem Krieg werden, der seine Heimat Kroatien aus den Fängen des kommunistischen Tito-Gebildes Jugoslawien befreit.
Dieser Haudegen, Militarist und gnadenlose Antisemit heißt bei Gstrein nur „der Alte”. Er hat sich eine sehr persönliche Geschichtsphilosophie zurecht gelegt. Und etwas von dem intellektuellen Grusel, der von Gstreins Roman ausgeht, hat auch damit zu tun, dass diese private Geschichtsversion durchaus ihre Logik hat. Für den Alten war das 20. Jahrhundert vom Kampf gegen den Bolschewismus geprägt. Der Faschismus war nur die entschlossene, heroische Speerspitze dieses Kampfs. Die Westalliierten waren in seinen Augen nach 1945 zu kleinmütig, um ihre Kriegsmaschinerie sogleich entschlossen gegen den wahren Feind, die Sowjetunion und ihre Satrapenstaaten, zu werfen. Statt über Hiroshima und Nagasaki hätten die Amerikaner, findet er, die Atombombe über Moskau und Belgrad abwerfen sollen: „,Damit wären uns 50 Jahre in der Warteschleife erspart geblieben‘, sagte er. ,Wir hätten damals schon da sein können, wo wir heute vielleicht hinkommen, wenn alles gutgeht.‘”
Jedes Bild weckt Zweifel
Schon in seinem letzten Roman, dem „Handwerk des Tötens”, hatte sich der österreichische Schriftsteller Norbert Gstrein mit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien befasst – und zwar auf eine Weise, wie es eben nur der Roman vermag: nämlich als eine reflexive Geschichte von der Schwierigkeit, sich ein Bild von der Wirklichkeit dieses Krieges zu machen. „Das Handwerk des Tötens”, die mehrfach gespiegelte Geschichte eines Kriegsreporters, war mindestens so medienkritisch wie die Haltung Peter Handkes, aber ohne deshalb das gängige Meinungsbild einfach nur um 180 Grad auf den Kopf zu stellen. Der Romancier Gstrein nimmt sich selbst nämlich von seinem Erkenntniszweifel nie aus. Sein Roman fragte nach den Bedingungen der Möglichkeit, vom Krieg zu berichten, er forschte nach den privaten, biographischen Motiven und Sehnsüchten der Berichterstatter, nach den Stilisierungen der Reporterrolle – der Roman war transzendental auch gegen sich selbst und sein Figurenkabinett.
„Die Winter im Süden” ist verglichen damit fast ohne Sprachzweifel, ohne Bildskepsis. Direkter, als man es von Gstrein gewöhnt ist, erzählt er von der Wirkkraft der Geschichtsbilder, die unser Handeln und unsere Lebensläufe formen, legitimieren oder auch delegitimieren. Drei Daten wirken dabei wie Chiffren der Geschichtspolitik: 1945, 1968 und 1989. Denn die Geschichte des Alten, der hofft, mit 1989 wieder an 1945 anknüpfen und so die Zwischenzeit der Ächtung als bloßes Interregnum, als Irrtum ungeschehen machen zu können, wird gegengeschnitten mit der Geschichte Marijas. Marija ist die Tochter des Alten, die ein sechsjähriges Kind war, als dieser sie und ihre Mutter in Wien zurückließ und nach Argentinien floh, weil er als Ustascha-Kämpfer die grausame Rache der Antifaschisten fürchtete.
Marija wächst in Wien auf und heiratet Albert, einen selbstgefälligen Revolutionsromantiker, der später, mittlerweile ein behäbiger Alt-68er geworden, als einflussreicher linker Gesinnungsjournalist Karriere macht. Albert verliebte sich in Marija auch als eine Trophäe seiner antifaschistischen Gesinnung. Als ihm Marija erzählt, dies sei ein Missverständnis, denn ihr Vater habe auf der anderen Seite gekämpft, hält er ihr in privaten Auseinandersetzungen gerne ihre reaktionäre Herkunft vor. „Die Winter im Süden”, durchaus ein Dostojewskijhafter Roman, entwirft ein Bild vom Leben, das stets vom Gefühl nihilistischer Leere bedroht ist und deshalb nach Sinnstiftungen giert, die das seelische Überleben sichern. Das gilt für den Alten nicht anders als für Albert oder Marija.
Und der Krieg ist immer noch, gleichgültig, wie man sich zu ihm verhält, ein starker Sinnproduzent. Am Beginn des Romans, wir schreiben den Sommer 1991, hat Marija ihren fünfzigsten Geburtstag bereits hinter sich. Sie spürt Ennui, auch einen liebevollen Überdruss an ihrem Eheleben und bittet ihren Mann, sie für einige Monate ziehen zu lassen in die Heimat ihrer Eltern. Albert ist naturgemäß entgeistert. Ausgerechnet jetzt, wo dort jeden Moment der Krieg ausbrechen kann, wolle sie nach Kroatien reisen! Aber sie lässt sich nicht aufhalten – und die Gefahr und die Gewalt des Krieges wirken auch bei ihr auf verstörende Weise existenzvertiefend. Biographien verlangen danach, um ihrem Leben Gewicht zu geben, Teil einer größeren Erzählung zu sein.
Die einzige Figur des Romans, die außerhalb der Schlachtordnung des Weltbürgerkriegs und seiner Geschichtsideologien angesiedelt ist, ist Ludwig. Aber auch er hat ein ,Sinnproblem‘. Polizist außer Dienst, hatte er seine Kollegin und Geliebte bei einem Einsatz verloren, bei dem er seinerseits den Mörder seiner Geliebten tötete. Aus allen bürgerlichen Bahnen geworfen, geht er nach Buenos Aires, wo ihn der Alte als persönlichen Adjutanten anheuert, um mit ihm in den kroatischen Krieg zu ziehen. Auch für Ludwig stellt sich die Frage: Wie kann man Lebenssinnkrisen überwintern?
In Zagreb steuern dann die Geschichten von Vater und Tochter aufeinander zu. Die Hohlheit aller geschichtsideologischen Existenzaufladung mag man auch daran ermessen, wie leer, wie verstörend diese Begegnung ausgeht. Zwischen der Gewalt des Krieges und dem Pomp der Geschichtsbilder hat Norbert Gstrein einen großen Roman über die Verlorenheit geschrieben.IJOMA MANGOLD
NORBERT GSTREIN: Die Winter im Süden. Roman. Hanser Verlag, München 2008. 284 S., 19,90 Euro.
Kriegszerstörungen in Zagreb, 1992 Foto: Milena Soree / Corbis
Norbert Gstrein Foto: Thomas Lohnes
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Keine leichte Kost, der neue Roman von Norbert Gstrein, auch in "Winter im Süden" bleiben die Figuren in ein "streng choreografiertes Seelenballett" eingebunden, aber den Rezensenten Andreas Breitenstein hat dies nicht weiter gestört: Er hat sich dem "grandiosen Sog" hingegeben, in den ihn Norbert Gstrein mit seiner "infinitesimalen Ästhetik" und seinen Figuren von "eigensinniger Eleganz" gezogen hat, von Wien bis Zagreb und Buenos Aires in Zeiten der jugoslawischen Sezessionskriege. Ein ganzes Panorama der weltpolitischen Zerrüttung und inneren Misere sieht Breitenstein von Gstrein aufgemacht: Die in Wien lebende Marija glaubt in einer Zeitungsannonce ihren Vater wiederentdeckt zu haben, einen alten Ustascha-Kämpfer, den sie 1945 auf der Flucht von Kroatien nach Österreich verloren und totgeglaubt hatte. Sie trennt sich von ihrem Freund, einem zynischen Kolumnisten und korrumpierten Alt-68er und macht sich auf nach Zagreb. Es ist tatsächlich der Vater, der mittlerweile in Buenos Aires zu einem Vermögen gekommen ist, aber wie wir Breitensteins Hinweisen entnehmen, nicht unbedingt zu Anstand. Er spielt ein "obszönes Spiel" mit seiner Tochter, allerdings findet sich Breitenstein hier auch vom Autor im Stich gelassen, der nie aufklärt, was es damit auf sich hat. Sehr intensiv findet der Rezensent jedoch die Schauplätze geschildert, das Zagreb des Sezessionskrieges erscheint ihm sehr unheilvoll zwischen "manischer Aufgekratzheit und Starre".

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