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Sind Fußballfans nicht wie eine Horde wild gewordener Affen? Erinnert manch cholerischer Chef nicht an einen wütenden Gorilla? De Waal, der den Menschen irgendwo zwischen den sanften Bonobos und den aggressiven Schimpansen ansiedelt, beweist im direkten Vergleich zwischen Primaten, Managern und Politikern, dass das menschliche Verhalten im Grunde evolutionär bestimmten Schemata folgt. Ob es um Macht geht, um Gewalt oder Zuneigung: Der Mensch kann seine Verwandtschaft mit den Primaten nicht verleugnen. Eine unterhaltsame und kluge Erklärung, warum wir so sind, wie wir sind.

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Produktbeschreibung
Sind Fußballfans nicht wie eine Horde wild gewordener Affen? Erinnert manch cholerischer Chef nicht an einen wütenden Gorilla? De Waal, der den Menschen irgendwo zwischen den sanften Bonobos und den aggressiven Schimpansen ansiedelt, beweist im direkten Vergleich zwischen Primaten, Managern und Politikern, dass das menschliche Verhalten im Grunde evolutionär bestimmten Schemata folgt. Ob es um Macht geht, um Gewalt oder Zuneigung: Der Mensch kann seine Verwandtschaft mit den Primaten nicht verleugnen. Eine unterhaltsame und kluge Erklärung, warum wir so sind, wie wir sind.
Autorenporträt
Frans de Waal, geboren 1948 in Den Bosch, Niederlande, lehrt Primatenverhalten u.a. an der Emory University in Atlanta und zählt aufgrund seiner Bücher zu den bekanntesten Primatologen der Welt. Bei Hanser erschien zuletzt: Primaten und Philosophen. Wie die Evolution die Moral hervorbrachte (2008).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.10.2006

Dieser Affe ist ein Mörder
Zwei sehr verschiedene Bücher über die Gemeinsamkeiten von Mensch und Schimpanse
Seit einiger Zeit kommt wieder eine Wissenschaft zu Ehren, die ihre beste Zeit hinter sich zu haben und mit ihren unexakten Low-Tech-Methoden, der teilnehmenden Beobachtung vor allem, zur Herablassung einzuladen schien: die Verhaltensforschung. Mit besonderem Interesse richtet sich der Blick auf „unsere nächsten Verwandten”.
„Der Affe in uns. Warum wir sind, wie wir sind” nennt der niederländisch-amerikanische Primatenforscher Frans de Waal sein Buch – ein Titel, der den Argwohn weckt, hier würde das Offenkundige mit dem Fragwürdigen zu einem wenig ergiebigen Mus verrührt. Ganz unbegründet ist dieser Verdacht nicht; aber de Waal kennt seine Affen und liebt sie wahrhaftig, und davon wird das Buch am Ende gerettet. Obwohl er auch Beobachtungen an frei lebenden Schimpansen anführt, konzentriert er selbst sich doch vollständig auf die Affen im Zoo. Der Zoo ist für de Waal ebenso weit vom Tiergefängnis entfernt wie von der Arche Noah, eine Einrichtung, die es dem Menschen ermöglicht, mit dem Tier, dem Menschenaffen jedenfalls, Bekanntschaft und selbst Freundschaft zu schließen. Ohne dieses Höchstpersönliche hat keine Erkenntnis statt.
Frans de Waal kann, wie alle guten Verhaltensforscher, gut erzählen; er hat Humor, er weiß, wie man eigene und fremde Erlebnisse in eine Anekdote verwandelt, und er hält seinen Schimpansen und Bonobos die Treue. Viele soziale Tiere begrüßen einander; Schimpansen aber verabschieden sich auch. Man bedenke, was damit vorausgesetzt ist. Kann bei Affen von einer Moral die Rede sein? Dies nimmt de Waal so zwanglos als gegeben hin, dass er es nicht explizit sagen muss. Wer sich von diesem Buch Aufschluss darüber erhofft, wie scheinbar spezifisch menschliche Affekte – Scham, Dankbarkeit – entstanden sein mögen, wird eher enttäuscht sein: bei den Schimpansen finden sich diese Dinge bereits fast im selben fertigen Zustand vor wie bei uns.
De Waal berichtet von der Schimpansenfrau Kuif, die keine Milch hatte und der darum, zu ihrem großen Kummer, die Kinder wegstarben. Er holt einen Schimpansensäugling, der von seiner Mutter verlassen worden ist, und zeigt ihr, wie man ihn mit der Flasche stillt. Dann übergibt er ihr das Kind als ihr eigenes. Kuif traut sich dieses große Geschenk erst gar nicht anzunehmen, dann ist sie überglücklich. De Waal wandert nach Amerika aus; dreißig Jahre später stattet er dem Zoo von Arnheim, wo Kuif zu Hause ist, einen Besuch ab. Kuif erkennt ihn. „Kein anderer Affe der Welt reagiert auf mich, als wäre ich ein lange verloren geglaubtes Familienmitglied, will meine Hände halten und wimmert, wenn ich zu gehen versuche.”
Umgekehrt gibt es bei den Schimpansen auch das Böse. Nicht nur das so genannte Böse, wie Konrad Lorenz den Aggressionstrieb nannte, sondern die echte, auf Gewalt sinnende und die Gelegenheit abwartende Niedertracht. Der alte Yeroen ist der Hagen von Tronje im Arnheimer Affenhaus. Ein gestürztes Alpha-Tier, schmiedet er nun taktische Allianzen mit aufstrebenden jungen Schimpansenmännern. Erst überfällt er in einem günstigen Augenblick zusammen mit Nikkie den Anführer Luit und bringt ihm tödliche Verletzungen bei, dann sorgt er dafür, dass Nikkie bei einer Panik-Attacke im Wassergraben ertrinkt.
„Da dies schon der zweite durch Yeroen mitverursachte Todesfall war, muss ich zugeben, dass ich Schwierigkeiten habe, diesen alten Ränkeschmied zu beobachten, ohne einen Mörder zu sehen.” Das ist die Figur, die Kafka vor Augen gestanden hat, als er den „Bericht für eine Akademie” verfasste: der Affe, der aus drängender Not die Grenze zum Menschen überschreitet.
Um solcher Passagen willen, die in unaufdringlicher Weise einen gemeinsamen warmen Mantel um Mensch und Tier werfen, lohnt sich die Lektüre. Demgegenüber haben die Einsichten, die de Waal von hier auf das menschliche Sozialverhalten ausdehnen will, weit geringeres Gewicht. Mit dem Lernen aus der Verhaltensforschung steht es offenbar ganz ähnlich wie mit dem Lernen aus der Geschichte: Jeder lernt bevorzugt das, was er sowieso schon zu wissen glaubt.
Wenn de Waal berichtet, wie klare Rangordnungen in der Horde das allgemeine Stressniveau senken und einflicht: „Wir sehnen uns nach hierarchischer Transparenz”, dann ahnt man den Grund, weshalb die Primatenforschung gegenwärtig im Aufwind segelt: Es ist eine müde, ängstliche, in der Grundhaltung konservative Zeit, die daran Gefallen findet; sie wünscht eine Hierarchie, die menschliches Antlitz trüge, weil alle ihre Unausweichlichkeit begreifen. Und dieses menschliche Antlitz will sie vom Tier entlehnen. Steht einander bei – die Schimpansen tun es auch! Derartige postmetaphysische Versuche zur Begründung der Ethik haben etwas rührend Hilfloses. Der so handfeste wie feinfühlige de Waal mag solcher Regression persönlich ferne stehen; an seinem Ruhm ist sie gleichwohl beteiligt. Mehr als Indiz für die allgemeine geistige Lage denn als selbständiges Werk sollte man Richard Conniffs Buch „Was für ein Affentheater. Wie tierische Verhaltensmuster unseren Büroalltag bestimmen” zur Kenntnis nehmen. Der Titel sagt schon alles Nötige; und der Band wäre gewiss ohne substantiellen Verlust auch mit einem Drittel seiner 300 Seiten ausgekommen.
Außer einer Reihe mäßig unterhaltsamer Geschichtlein aus amerikanischen Chefetagen bringt er vor allem einen stark verdünnten und durch die permanente Geste des Schmunzelns über das Tierisch-Allzumenschliche ungenießbaren Aufguss der fragwürdigeren Aspekte von de Waals Buch. „Und was glauben Sie, wo diese uralten Verhaltensmuster bleiben, wenn Sie ins Büro gehen!?” Ruhig darf man den neuen stellvertretenden Personalchef auch mit einem Schleimaal vergleichen, der sich durch geeignete Körperöffnungen Zugang in den Körper seines Wirts verschafft; dafür gibt es ein eigenes kleines Merk-es-dir-Kästlein, farbig unterlegt. Das ist der Stil.
Die Gebetsmühle als Aufklärung
Man kann das Ganze auf sich beruhen lassen, wie alle solche Ratgeberliteratur, bei der nichts so sehr erstaunt, wie dass ein paar ganz unbestimmte, gebetsmühlenhaft wiederholte Sätze wirklich als Aufklärung empfunden und dankend entgegengenommen werden. Immerhin hat man, wenn man beide Bücher hintereinander liest, einmal einen konkreten Beleg dafür in der Hand, wie Kulturgeschichte funktioniert: Wie das Unwidersprechliche einer individuellen Erfahrung und das bedingt Richtige der Thesen, die dieses Individuum daraus ableitet, mit zunehmender Breite seiner Wirkung erst falsch und dann nichtssagend wird.
BURKHARD MÜLLER
FRANS DE WAAL: Der Affe in uns. Warum wir sind, wie wir sind. Aus dem Amerikanischen von Hartmut Schickert. Hanser Verlag, München 2006, 366 Seiten, 24,90 Euro.
RICHARD CONNIFF: Was für ein Affentheater. Wie tierische Verhaltensmuster unseren Büroalltag bestimmen. Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer. Campus Verlag, Frankfurt / New York 2006. 328 Seiten, 19,90 Euro.
Haben Affen eine Moral? Sollen wir denen glauben, die uns zurufen: „Steht einander bei – die Schimpansen tun es auch!”?
Foto: PURELINE
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Schau an, der Haarige mimt den Ritter
Zwischen Bonobo und Schimpanse: Frans de Waal taxiert den Korpsgeist des Menschen / Von Joachim Müller-Jung

Der Mensch kooperiert und konkurriert zugleich - und ist damit sicher seinen Weg auf der Stufenleiter der Evolution gegangen. Die Grundbausteine dieses Erfolgs findet der Primatologe de Waal bei den Menschenaffen.

Folgen wir dem niederländischen Primatologen Frans de Waal in den Zoo von Twycross in England, aus dem folgende unglaubliche Geschichte überliefert ist. Es geht um die mustergültige Bonobofrau Kuni und einen schicksalsgebeutelten Starenvogel ohne Namen. Eines Tages beobachtete Kuni, wie der Star gegen die Scheibe des Menschenaffengeheges prallte und hilflos am Boden kauerte. Kuni nahm den geschockten, aber offensichtlich unverletzten Vogel auf und stellte ihn vorsichtig auf die Füßchen. Der Vogel flatterte kurz und blieb sitzen. Daraufhin ergriff Kuni den Star, kletterte mit ihm auf die höchsten Wipfel im Baum des Außengeheges. Mit beiden Füßen - Bonobos können besser noch als die nahe verwandten Schimpansen ihre Füße wie Hände nutzen - klammerte sich Kuni an den Stamm, beugte sich vor, zog ganz vorsichtig mit den Händen die beiden Flügel auseinander und schubste den Findling so weit hinaus, wie sie konnte. Doch der Star schaffte es nicht, sondern landete kurz vor der Gehegemauer. Den ganzen Tag lang beschützte Kuni dann das Häuflein Elend vor den neugierigen Übergriffen der jungen Bonobos, bis sich der Vogel erholte und unbeschadet davonfliegen konnte.

Der Affe mimt den Ritter, und wir sollten uns wundern? Ja, sagt der Affenforscher Frans de Waal, denn Empathie als Charakterzug hat nicht nur für die Kultur des Oberprimaten Mensch eine geradezu konstitutive Funktion, ohne die soziale Feinjustierung im Kopf - ja ohne Menschlichkeit - war es schon viel früher nicht mehr gegangen. Wir gucken den Affen an und sehen unser Miteinander blühen.

Das ist zumindest die eine Hälfte unserer Schicksalsgeschichte, die der Affenforscher de Waal in seinem neuen Buch über den "Affen in uns" zu vermitteln versucht. Die andere betrifft unsere schwierige Schimpansennatur: Ja, der haarige Vetter, der uns in so vielen populären und auch de Waal zu verdankenden Schilderungen als der ebenso feingeistige wie ehrliche politische Kopf auf der Evolutionsleiter zum Menschen begegnet ist, nimmt in dieser neuen entwicklunsgpsychologischen Anekdotensammlung de Waals eine zwiespältige Rolle ein. Hier der noble Bonobo in uns, der friedensstiftende Primatenengel einer matriarchalen Gesellschaft, der mit seinen sexuellen Obsessionen pausenlos die weiße Fahne hißt und die Bande um sich schart wie dereinst John Lennon und Yoko Ono, als sie im Amsterdamer Hilton ein einwöchiges "Bed-in" gegen den Vietnamkrieg veranstalteten; dort der innere Schimpanse - Homo homini lupus -, der Wolf in uns, der Hiercharchien erzwingt, niedere Männerbünde schmiedet und seine Machtspiele auf dem Rücken der Schwächeren austrägt.

Indem der Menschenmann die Argumente des anderen zerpflückt oder, "etwas primitiver, dem anderen nicht die Zeit läßt, den Mund aufzumachen", gleicht er dem äffischen Patriarchen, der haaresträubend durchs Gehege wütet, "im Vorbeilaufen kleine Bäume ausreißt und auf allem herumtrommelt, was den Klang verstärkt". Es ist diese unsere "bipolare Natur", die de Waal in die Stammtafel der Primaten einzuordnen versucht. Nicht über dressierte Maler, Werkzeugmacher und andere kulturschaffende Einzelkönner unter den Vierfüßigen berichtet er, sondern über die Intelligenz der Kooperateure, die Wurzeln unseres Moralwesens. De Waal berührt damit eines der frischesten und zugleich brisantesten Themen der Primatenforschung und Anthropologie: Wie konnte es kommen, daß sich die "Darwinschen Urhorden" mit ihren egoistischen Wurzeln im Primatenzweig zum Kultur- und Moralwesen mit so ganz unterschiedlichen Ausprägungen an Korpsgeist und Bosheit wandelten? Tatsächlich ist die Primatenforschung hier an einem sensiblen Punkt angekommen - auch der Sozialphilosophie und Soziologie des Menschen. De Waal konnte der Versuchung offenbar nicht widerstehen, die Analogien empirielos bis in unsere Gegenwart zu konstruieren. Eine auch für den soziologischen Laien erkennbare Schwäche dieses durchweg unterhaltsamen Buches. Sätze wie der folgende erzeugen mehr Fragen als Antworten: "Auch in menschlichen Gesellschaften sind Vergewaltigungen und sexuelle Belästigungen seltener, wo immer Frauen in ein unterstützendes Netzwerk ihres Geschlechts eingebunden sind", und wirken als Beleg für die evolutionäre Überlieferung von weiblichen Allianzen gegen männliche Despoten wenig überzeugend. Auch wenn er von den wechselseitig abhängigen Affenhorden erzählt, die als europapolitisches Urgestein gewürdigt werden, bewegt er sich auf wackeligem Grund: "Wie die Affen, die gemeinsam fressen gelernt hatten, fürchteten die europäischen Volkswirtschaften sich jetzt gegenseitig". Und so wurden Invasionen ausgeschlossen und die Naivität der Europa-Ggegner ein für allemal unwiderlegbar.

Ja, der Affe hat schon als Projektionsfläche für manche Dummheit des Menschen herhalten müssen. Aber als Speerspitze der europäischen Erweiterungspolitik hat ihn noch niemand auf den Schild gehoben. Vielleicht ist der Niederländer de Waal ja schon zu lange, ganze zwanzig Jahre sind es, in seiner Wahlheimat im amerikanischen Bundesstaat Georgia zu Hause, als daß er den ihm gebührenden Abstand zum komplizierten Politgegeflecht Europas halten könnte.

A-propos Politik: Wer nach Erklärungen sucht, weshalb dem Irak der Krieg nach den Terrorangriffen vom 11. September aufgezwungen wurde und Microsoft wegen mangelnder Internetsicherheit am Marterpfahl steht, der gehe einfach in den Zoo. Dort, in irgendeiner Ecke des Menschenaffengeheges, wird er den Sündenbock finden, den sich jede anständige Schimpansenhorde als "Ventil" ihrer spannungsgeladenen Gemeinschaft leistet - leisten muß? Von Natur aus gewissermaßen?

Ja, aber, hört man da de Waal sagen. Einerseits sei die Sündenbock-Mentalität eine "der am tiefsten verwurzelten und am wenigsten bewußten psychischen Reflexe", der "gut und gerne auch fest verdrahtet sein könnte" - genetisch fixiert also. Andererseits wehrt sich de Waal am Ende, das menschliche Gehirn und das seiner nächsten Verwandten als "Schweizer Offiziermesser" zu betrachten, dem die Evolution ein Modul nach dem anderen für alles mögliche hinzugefügt habe. Nein, sowenig unsere Verwandten blinde Akteure sind, so wenig dürfe unser gemeinsamer Vorfahr vor ein paar Millionen Jahren und wir als seine rezenten Vertreter ein Sklave unserer Gene gewesen sein.

Was aber bleibt uns Menschen an exklusiven Charakterzügen, wenn wir wie unsere haarigen Vettern als psychologische "Improvisatoren" reüssierten und die Wurzeln unseres Gemeinschaftsgeistes wie unserer ordnenden Machtlüsternheit die gleichen wie die des Affen sein sollen? Ein höheres Ich-Bewußtsein? Auch Menschenaffen, wenn auch sie als einzige äffische Vettern, vermögen sich im Spiegelbild zu erkennen. Und auch Trost zu spenden schweißt uns mit der Gesellschaft der Menschenaffen zusammen. Aber was dann?

Von der "Theorie des Geistes", die der Leipziger Entwicklungspsychologe und Primatologe Michael Tomasello lange als das wahrscheinlich Trennende zum Affengeschlecht ausgemacht sah, hält de Waal grundsätzlich nicht viel. Die Idee, daß sich nur der Mensch in die Gesichter und Gestik seines Gegenübers hineinversetzen, dessen Gedanken und Pläne erahnen und damit sein eigenes Verhalten entsprechend anpassen kann, diese Idee hat der Populist de Waal offenbar schon lange begraben, bevor die akribischen Experimentatoren den Beweis dafür zu erbringen vermochten. Immer wieder, behauptet de Waal, kann er bei seinen zahllosen Beobachtungen von freilebenden und in Freigehegen gehaltenen Primatenhorden das Gegenteil beobachtet: wie Empathie und die anderen "kooperativen Impulse" zu bemerkenswerter "sozialer Intelligenz" mit ebensolchen kognitiven Fähigkeiten ausgewachsen sind.

Einfühlungsvermögen ist für ihn kein Luxus oder Statussymbol der sozialen Kultur, sondern ihr Grundbaustein. Und wie von selbst wurde daraus die Moral mit all den inneren Konflikten, die ausgelöst werden, wenn die Kompaßnadel ihr Gleichgewicht zwischen Konkurrenz und Kooperation sucht. Mit den farbenfrohen Schilderungen seiner Bonobo- und Schimpansengesellschaften hat de Waal diese beiden psychologischen Pole anschaulich umrissen. Als Aushängeschild der menschlichen Psychogenese bleiben sie eher blaß.

Frans de Waal: "Der Affe in uns". Warum wir sind, wie wir sind. Aus dem Englischen von Hartmut Schickert. Hanser Verlag, München 2006. 365 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Bestens unterhalten hat sich Joachim Müller-Jung bei der Lektüre von Frans de Waals' Buch "Der Affe in uns" - auch wenn er mit vielen Schlussfolgerungen des Primatologen nicht einverstanden ist. Überaus anschaulich findet er die vom Autor geschilderten Beobachtungen von Affengesellschaften, die sowohl Eigenschaften wie Empathie und soziale Intelligenz als auch Bosheit und Konkurrenz aufweisen. Zwischen diesen Eigenschaften, Kooperationsgeist und Konkurrenz, sehe der Autor auch die bipolare menschliche Natur aufspannt. Die zahlreichen Analogien, die de Waal von hier zum menschlichen Verhalten der Gegenwart zieht, können Müller-Jung allerdings nicht überzeugen. Er kritisiert sie als konstruiert und ohne empirische Belege. Der Affe scheint ihm hier wieder einmal zu einer Projektionsfläche des Menschen zu werden. Zu einem besseren Verständnis der menschlichen Psychogenese trägt dies seines Erachtens kaum etwas bei.

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"Frans de Waal kann (...) gut erzählen; er hat Humor, er weiß wie man eigene und fremde Erlebnisse in eine Anekdote verwandelt, und er hält seinen Schimpansen und Bonobos die Treue." Burkhard Müller, Süddeutsche Zeitung, 31.10.06 "De Waal hat mit 'Der Affe in uns' ein sehr vergnügliches, unverhohlen voluntaristisches Buch geschrieben." Gabriele Killert, Die Zeit, 07.12.06 "De Waals Ausführungen sind witzig und klug, lesen sich leicht und geben Anlass zu Nachdenken und Hoffnung." Geneviève Lüscher, Neue Zürcher Zeitung, 28.01.07