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Jakub ist Juraprofessor an der Danziger Universität, gut aussehend, selbstbewusst, wohlsituiert. Er weiß, was richtig ist, und als ein Mädchen sich beschwert, sie sei zu Unrecht durch die Prüfung gefallen, lässt er sie hochmütig stehen. Bis er eines Tages zufällig erfährt, dass sie sich umgebracht habe. Sein Gewissen beginnt ihn zu plagen. Er begeht kleine Ladendiebstähle, trennt sich von seiner Frau, verliert Arbeit und Wohnung und irrt schließlich als Obdachloser durch die Stadt. Ein fesselnder Roman über das Leben und darüber, wie es plötzlich zerbrechen kann.

Produktbeschreibung
Jakub ist Juraprofessor an der Danziger Universität, gut aussehend, selbstbewusst, wohlsituiert. Er weiß, was richtig ist, und als ein Mädchen sich beschwert, sie sei zu Unrecht durch die Prüfung gefallen, lässt er sie hochmütig stehen. Bis er eines Tages zufällig erfährt, dass sie sich umgebracht habe. Sein Gewissen beginnt ihn zu plagen. Er begeht kleine Ladendiebstähle, trennt sich von seiner Frau, verliert Arbeit und Wohnung und irrt schließlich als Obdachloser durch die Stadt. Ein fesselnder Roman über das Leben und darüber, wie es plötzlich zerbrechen kann.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.2005

Diese dumme Sache in Danzig
Polnische Literatur als moderne Weltliteratur: Stefan Chwins berührender Roman über eine unselige Passion

Dies hier, diese "dumme Sache" mit der Studentin, habe wirklich nicht verdient, Schicksal genannt zu werden, meint Jakub, Professor an der Juristischen Fakultät zu Gdansk, als er noch einmal darüber nachdenkt, ob er dabei wohl Schuld auf sich geladen habe. Eigentlich war es ja doch nur "ein Augenblick der Unaufmerksamkeit, Dummheit, Zerstreutheit, ein Zusammentreffen unglücklicher Umstände, nichts weiter". Nur - ist es nicht immer so? "Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt - es ist niemals gutzumachen", wie es bei Kafka heißt. Jedenfalls wird keine Selbstbeschwichtigung diesen Jakub davor bewahren, nach der "wichtigen Lehre" zu suchen über das, "was am ersten Juli geschehen war". Es wird sein Weg in die Tiefe, in den Abgrund und erst über den Tod in die Verklärung.

Geschehen aber war dies: Eine Studentin hatte sich bei ihm beschwert, daß er, Jakub, ihr nach einer mündlichen Prüfung eine falsche, eine schlechte Note gegeben habe - genau habe sie gesehen, wie er ein "Gut" ins Examensprotokoll eingetragen habe. Aber Jakub kann das Protokoll nicht mehr finden und weist die junge Frau barsch ab. Universitätsalltag? Monate später kommt ihm zu Ohren, daß sich in seiner Fakultät eine Studentin wegen falscher Prüfungsresultate das Leben genommen habe, wenngleich niemand mehr genau weiß, wie sie hieß und ob es überhaupt stimmte. Je mehr sich jedoch die Tatsachen festem Zugriff entziehen, desto heftiger verdichtet sich nun in Jakub die "dumme Sache" zum Schicksal, weil er im Grunde bereit dafür war. Und so wird Stefan Chwins Roman über Professor Jakub und seinen goldenen Pelikan-Füllfederhalter "made in Germany" zur Geschichte einer Passion, eines Dornenwegs; in christlicher Heraldik sind Pelikane bekanntlich beliebte Symbole für Leiden und Opfer Christi, nur daß in der modernen Konsumgesellschaft solch emblematische Tiere wohl auch zuweilen als Ware daherkommen mögen.

Trotz dieser heilsgeschichtlichen Perspektive ist Chwins Roman sein bisher privatestes Buch. Stefan Chwin lehrt und schreibt in Danzig, wo er 1949 geboren wurde; die Stadt spielt in seinen früheren Büchern sogar eine zentrale Rolle. Danzig oder Gdansk? Das ist für Chwin eigentlich keine Alternative, denn ebendie kulturelle Vielfalt ihrer Geschichte ist es, die für ihn Reiz und Reichtum seiner polnischen Heimatstadt als "Gedächtnisort" ausmachen - er hat darüber in seinen Dresdner Poetikvorlesungen gesprochen. Wenn Grass mit den Erzählungen von Leben und Taten des blechtrommelnden Oskar Matzerath und dessen zahlreicher Verwandtschaft der deutschen Stadt Danzig einen Nekrolog schrieb, ließ Chwin in dem Roman "Tod in Danzig" (der auf polnisch zuerst 1995 unter dem Titel "Hanemann" erschien) das moderne Gdansk aus den Trümmern des Kriegsendes allmählich neu erstehen. Auf Angst und Panik deutscher Flucht aus der brennenden Stadt folgen die Sorgen, Unsicherheiten und Existenzängste der neuen Bewohner, die ihrerseits Vertriebene aus den östlichen polnischen Provinzen waren und nicht als neue Herren kommen.

Jakubs Passion freilich ereignet sich erst im neuen Jahrtausend - das polnische Original erschien 2003 -, und bei aller Privatheit ist auch sie in Geschichte gebettet. In einer fulminanten Ouvertüre umgibt Chwin seinen Helden mit dem Panorama eines ganzen Zeitalters, ja der Weltgeschichte schlechthin. Denn als Jakub geboren wurde, so heißt es, entdeckten Gelehrte "des großen Landes jenseits des Ozeans" gerade, daß die Entstehung des Lebens auf der Erde über fünf Billionen Jahre zurückliegt. Ein stets bedrohtes Leben sei es indes: Das exotische Wort "Hiroshima" rief Panik auf dem ganzen Planeten hervor. Diesseits des Ozeans, dort, wo Jakubs Stadt lag, herrschte und drohte dann das "russische Imperium", und so rollten denn eines Tages Panzer in Richtung Danziger Werft. Doch das Imperium zerfiel, lokale Kriege brachen aus und erloschen wieder. Das menschliche Genom wurde entdeckt, Kühe wurden wahnsinnig, Düsenflugzeuge bohrten sich in einer stolzen, mächtigen Stadt in Türme aus Stahl und Glas, das durchsichtige Spinngewebe des Internets verband alle Kontinente - und die Ackersleute säten und schnitten, der Müller mahlte, und die Schmiede hämmerten, und die Professoren prüften und prüften.

Professor Jakub aber ging morgens in seine Universität und wußte noch nicht, auf welchen Weg ihn seine Hand und sein Federhalter weisen würden. Chwin ist ein gebildeter Autor, aber schreibt nicht Literatur, die unter Wissenslasten ächzt. Die vielfältigen feinen, in alles Erzählte hineingeflochtenen Bezüge auf historische Ereignisse oder Mythen sind der Poesie, dem Ganzen eines Kunstwerks untergeordnet und steigern eher den Reiz des Buches, als daß sie die Lust an einer eminent spannenden Geschichte hemmen könnten. Denn geradezu atemberaubend wird das Tempo von Jakubs Sturz in die Abgründe seiner Stadt, seiner Zeit und seiner selbst. Ein Stationendrama vollzieht sich beim Weg durch die gesellschaftlich etablierten Hilfsinstitutionen von Polizei, Ärzten, speziell den Psychiatern und Analytikern, und von Priestern verschiedener Couleur - für Kenner der Danziger Szene dürfte hier ein beträchtlicher Wiedererkennungseffekt vorhanden sein. Das Resultat für den Suchenden indes ist nur vertiefte Hilflosigkeit. Seine Ehe zerbricht; Jankas brutaler Auszug aus der gemeinschaftlichen Wohnung wird zu einer unvergeßlichen Szene. Und dann beginnt der Abstieg in die eigentliche Tiefe; aus dem Professor wird der Ladendieb und Penner, der Bettler, Verlorene, aus dem Aussteiger der Ausgestoßene.

Wie sich das im einzelnen vollzieht, was Jakub an Gewalt und Demütigungen erlebt, wie er dann das gespenstische Totenreich unterhalb seiner Stadt durchschreitet und am Ende jener Studentin wiederbegegnet, von der die ganze "dumme Geschichte" ausging, das hat Chwin mit einer derartigen Kraft und Anschaulichkeit erzählt, daß es schwer wird, ihm Vergleichbares in gegenwärtiger Literatur an die Seite zu stellen. Natalia, also die Wiedergeborene, heißt diese junge Frau, wie manche andere literarische Erlösergestalten vor ihr, und jene Liebe soll sie spenden, die Eros und Caritas zugleich ist und nach der sich dieser Jakub wohl sein Leben lang sehnte, ohne daß er es wußte. Ein Held unserer Zeit? Wie konkret auch immer dieses Buch die Geschichte eines polnischen Intellektuellen erzählt - es trägt zugleich gut erkennbar die Male universaler seelischer Nöte dieses Zeitalters. Stefan Chwins "Goldener Pelikan" ist gewiß traurig und beklemmend, zugleich aber ein faszinierender, schöner, wunderbarer Roman: polnische Literatur als moderne Weltliteratur.

Stefan Chwin: "Der goldene Pelikan". Roman. Aus dem Polnischen übersetzt von Renate Schmidgall. Hanser Verlag, München 2005. 302 S., geb., 19,90 [Euro].

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.11.2005

Dünn wie Hostien sind diese Mädchen
Das Ornament auf dem Siegel der Kunst: Stefan Chwin erzählt vom postsozialistischen Danzig
Als vor kurzem in Polen die Nationalkonservativen unter der Führung der Brüder Kazcynski die Parlamentswahlen gewannen und wenig später Lech Kaczynski bei der Stichwahl zum Amt des Staatspräsidenten triumphierte, wuchs hierzulande die Sorge vor einer Verschlechterung des deutsch-polnischen Verhältnisses. Allzu ungehemmt hatten Lech Kaczynski und sein Zwillingsbruder Jaroslaw im Wahlkampf die antideutsche Karte gespielt. Kenner der polnischen Innenpolitik aber trauen den Kaczynskis außenpolitischen Pragmatismus durchaus zu. Zu den Gesten, mit denen Lech Kaczynski nach seiner Wahl versicherte, ihm sei an guten Beziehungen zu Deutschland gelegen, gehörte auch das demonstrative Bekenntnis, sein Lieblingsroman sei der „Zauberberg”.
Die potentiellen Konfliktthemen zwischen dem Polen des 21. Jahrhunderts und Deutschland, dem von seiner Geschichte überschatteten Nachbarn im Westen, sind in der Nachkriegsliteratur beider Länder allgegenwärtig. Die Stadt Danzig spielt dabei eine besondere Rolle. Im Werk von Günter Grass tritt der Schilderung des Kampfes um die Danziger Post in der „Blechtrommel” in der Novelle „Im Krebsgang” die Versenkung des Flüchtlingsschiffes „Wilhelm Gustloff” in der Danziger Bucht und damit das Thema „Vertreibung” an die Seite. Und die polnischen Autoren aus der Nachkriegsgeneration verzahnen nicht nur die Geschichte beider Länder, sondern auch deren Literaturen. „Castorp” heißt der jüngste Roman des 1957 in Danzig geborenen Pawel Huelle. Aus einem Nebensatz in Thomas Manns „Zauberberg” steigen darin die Semester Castorps am Polytechnikum des preußischen Danzig auf. „Tod in Danzig” (1995) hieß auf deutsch der Roman „Hanemann”, in dem der 1949 geborene Stefan Chwin vom Schicksal eines deutschen Anatomen im Danzig des Jahres 1945 erzählte.
Im Jahre 2000 hat Stefan Chwin die Poetikdozentur an der Universität Dresden innegehabt. Jetzt sind die Vorlesungen auf deutsch erschienen. Sie enthalten nicht nur eine kurze Geschichte des Wiederaufbaus der Stadt nach 1945, sondern zugleich und vor allem ausführliche Erläuterungen des Autors zur „Privatarchäologie” seiner Heimatstadt: Danzig als „Palimpsest”: die frischesten Schriftzeichen polnisch, darunter das Russische, darunter „in schwarzer gotischer Schrift” das Deutsche, durchsetzt mit Inschriften in Hebräisch.
Chwin neigt zu Mythologisierungen, er will partout ein modernes Troja aus Danzig machen. Aber das Schlüsselereignis, auf das er seine Geburt als Romancier datiert, der von seiner Stadt erzählt, ist ein präzises Datum. Es lag vor seiner Geburt und es fand nicht in Danzig statt, sondern in Warschau: am 7. August 1944, als seine Mutter, Sanitäterin der polnischen Heimatarmee („Armia Krajowa”) in der umkämpften Stadt, einen verletzten Deutschen medizinisch versorgte, obwohl sie am Tag zuvor noch, die Massenerschießungen von Zivilisten durch die Deutschen vor Augen, geschworen hatte, „keinen Gegner mehr zu verschonen”.
Chwin beschreibt diese Szene im schmucklosen Stil einer Chronik. Wenn er die Angst in den Augen des Verletzten in eine Metapher fasst, dann ist sie naturgeschichtlicher Art: „er erstarrte wie ein Insekt, das sich im Schatten eines herannahenden Menschen tot stellt”. Die Frage, warum die Mutter so handelte, wie sie handelte, sagt Chwin, stand am Ursprung seines Romanwerks. Wer aber seine Romane kennt, weiß, dass neben dieser Frage ein zweiter Ursprungsimpuls stand: der Wille zur großen Kunst. Diesem Willen ist die Chronik nicht genug: Er zielt auf Symbol, Mythos, Metapher. Möglichst verschlungen soll das Ornament auf dem Siegel der Kunst sein, das er der Geschichte aufprägt.
Die inneren Gefährdungen, die dem Romancier Stefan Chwin durch seinen Willen zur Kunst erwachsen, lassen sich an seinem jüngsten Roman gut ablesen. „Der goldene Pelikan” ist in Polen 2003 erschienen. Sein Schauplatz ist das Danzig der unmittelbaren Gegenwart: Krieg und Vertreibung, aber auch Sozialismus und Solidarnosc sind nur noch Vergangenheit, das Angebot an Waren und Weltanschauungen unterscheidet sich nicht von dem im Westen. Der Held ist im Danzig der unmittelbaren Nachkriegszeit geboren, wie sein Autor als Kind von Flüchtlingen, die es in die Stadt verschlagen hat. Er hat es zum arrivierten Bürger gebracht, zum Professor an der Juristischen Fakultät, und er ist Mitglied der Weltgesellschaft, die den Anschlag auf die Twin Towers in New York erlebt hat und nun von Irak, von Guantanamo und von der Marssonde Galileo liest.
Seinem verheirateten, aber kinderlosen Helden bereitet Chwin ein Schicksal, wie es die Figuren in der Romanwelt von Georges Simenon häufig trifft: Ein anfänglich als geringfügig erscheinendes Ereignis entfaltet eine ungeahnte Eigendynamik und bringt das gesamte Lebensgefüge des Helden zum Einsturz. Der Professor, ein wenig unaufmerksam bei einer Prüfung, wehrt den Protest einer Studentin gegen ihre schlechte Benotung unwirsch ab. Als er zufällig vom Selbstmord einer gescheiterten Kandidatin hört, beginnt der Verdacht seiner möglichen Schuld seine Existenz zu unterminieren. Stufe um Stufe fällt er aus seiner Welt, verliert Frau, Beruf, Wohnung, wird obdachloser Bettler, bis ihn kurz vor seinem Tod eine Frau rettet, in der er die Examens- und Selbstmordkandidatin zu erkennen meint.
„Die Stadt, in der Jakub auf die Welt kam, war verwüstet und leer.” Mit diesem Satz beginnt der Roman. Aber den Ton der Legende wird er nicht durchhalten, der biblische Name, der hier wie in Joseph Roths „Hiob” den Helden umgibt, kann daran nichts ändern. Denn wie mit dem Erzählmuster „Legende” experimentiert Chwin auch mit dem Muster „Romananfang à la Musil”, und wenn er die Nachkriegsjahrzehnte im Zeitraffer Revue passieren lässt, schlägt er den Johann Peter Hebel-Ton an. Die Legende aber verträgt sich weder mit der Stilmischung noch mit der Form des Essays und schon gar nicht mit den Energien von Ironie, Satire und Polemik.
All dies aber hat Chwin seinem Roman beigemischt. Der Besuch des Helden bei einem New Age-inspirierten Therapeuten folgt dem Standardmodell einer Satire auf die Psychologie, die nichts von der Seele weiß, ein reaktionärer und ein modernistischer Pfarrer demonstrieren die Aporien der Seelsorge in nachmetaphysischen Zeiten. Ein eigens erfundenes Gastspiel der „Körperwelten” des Gunther von Hagens in der Kirche des modernistischen Pfarrers macht das Ausmaß der geistigen Krise auch dem Begriffstutzigsten klar. Und nicht eben unaufdringlich wird der Leidensweg des Helden mit den Weltkriegs-Toten in der Ostsee, in den Friedhöfen und verrottenden Tunnels Danzigs verknüpft. Jakubs Unterweltfahrt gleitet in schwarze Kolportage, seine Rettung durch die verzeihende Frau in erotisch gefärbten Erlösungskitsch ab.
An keiner Stelle, selbst nicht, als er im Supermarkt kleine Diebstähle begeht, entwickelt Jakub auch nur ein Quentchen juristischer Phantasie. Dafür ist der Jura-Professor zu vollgestopft mit Mythologie und Symbolik. Und mit der neuen Mythologie der „drei Könige Guerlain, Kenzo, Lagerfeld” und ihres Hofstaates. Seine Studentinnen leben in der Welt der Markennamen, sind aber dünn „wie Hostien”. Über Danzig steht „die rote Hostie der Sonne”, Jakub glaubt im eigenen Brustkorb seine Seele zu sehen „wie eine lebendige, soeben geschluckte Hostie”. Sein letzter Blick fällt auf eine kalte Münze, die glänzt „wie eine Hostie”. Aber der Metaphernzauber kann dem Roman die Arbeit der Verknüpfung von Seelenwelt und postsozialistisscher Warenwelt nicht abnehmen. Denn Chwin ist leider nicht Simenon gefolgt, dem großen Lehrmeister einer Prosa des beiläufigen Unglücks, sondern dem Willen zur Kunst. LOTHAR MÜLLER
STEFAN CHWIN: Der goldene Pelikan. Roman. Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Carl Hanser Verlag, München 2005. 302 Seiten, 19,90 Euro.
STEFAN CHWIN: Stätten des Erinnerns. Dresdner Poetikvorlesung 2000. Aus dem Polnischen übersetzt von Sylvia Miodona, Alfred Sproede und Bogumila Partyk-Hirschberger. Mit einer Einleitung von Roland Erb, einem Nachwort und einer Bibliographie von Alfred Sproede. Thelem Universitätsverlag, Dresden 2005. 218 Seiten, 12, 80 Euro.
Die restaurierte Danziger Marienkirche im Jahre 1961
Foto: Alfred Strobel
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Jörg Magenau kann Stefan Chwins Roman "Der goldene Pelikan" wenig abgewinnen, er findet ihn "merkwürdig aufgeladen". Das Thema des polnischen Autors ist die individuelle Schuld jenseits politischer Wertesysteme, stellt der Rezensent fest und mutmaßt, dass dieses Sujet im "postkommunistischen" Polen wohl noch "neu und ungewiss" ist. Weil er eine Studentin durch die Prüfung hat fallen lassen und diese sich augenscheinlich deswegen umbringt, wird der Professor Jakub derart von Schuldgefühlen gepeinigt, dass schließlich sein gesamtes Leben zerbricht und er als Obdachloser am Bahnhof landet, umreißt Magenau die Handlung. Sein größtes Problem mit dem Buch ist, dass Chwin darin offenbar ein "Exempel statuiert" und Jakub und seinen sozialen Abstieg als reine "Kopfgeburt" präsentiert, wie er moniert. Dabei mixe der Autor seine Professorengeschichte um die "Abstiegsangst" der polnischen Mittelschicht mit Rückblicken in die Geschichte Polens des 20. Jahrhunderts, mit jeder Menge Katholizismus und mit griechischer Mythologie, erklärt der Rezensent, dem das zusammengenommen einfach zu viel ist. Er findet es sehr bezeichnend für die polnische Gesellschaft, dass sie diesen Roman als "literarische Sensation" feiert und kann sich über den "katholischen Heiligenkitsch", in den der Roman mündet, nur wundern.

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"Ein faszinierender, schöner, wunderbarer Roman: polnische Literatur als moderne Weltliteratur."
Gerhard Schulz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.09.05

"Geradezu atemberaubend wird das Tempo von Jakubs Sturz in die Abgründe seiner Stadt, seiner Zeit und seiner selbst. ... Chwin erzählt mit einer derartigen Kraft und Anschaulichkeit, daß es schwer wird, ihm Vergleichbares in gegenwärtiger Literatur an die Seite zu stellen."
Gerhard Schulz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.09.05

"Spannung, Komik und Lesbarkeit mit gedanklicher Tiefe vereint."
Gregor Dotzauer, Tagesspiegel, 02.09.05

"Grandios an Chwins neuem Roman ist neben dem atmosphärischem Zauber, den er entfaltet, vor allem die beharrliche Ausweitung des Blicks vom kleinen Menschlein ins geografisch und historisch Ungeheure."
Martin Ebel, Tages-Anzeiger Zürich, 24.09.05