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Nach "Hotels" und "Tropen" der neue große Gedichtband von Raoul Schrott: Gedichte über die Liebe. Eingetragen in ein Logbuch der Reisen zur See und zu Land und geschrieben in einer ebenso kunstvollen wie leichtfüßigen Sprache. Raoul Schrott zeigt, wie spannend und voller Geschichten Gedichte sein können. So dass man mit ihnen eine ganze Welt in der Tasche hat.

Produktbeschreibung
Nach "Hotels" und "Tropen" der neue große Gedichtband von Raoul Schrott: Gedichte über die Liebe. Eingetragen in ein Logbuch der Reisen zur See und zu Land und geschrieben in einer ebenso kunstvollen wie leichtfüßigen Sprache. Raoul Schrott zeigt, wie spannend und voller Geschichten Gedichte sein können. So dass man mit ihnen eine ganze Welt in der Tasche hat.
Autorenporträt
Raoul Schrott, geboren 1964, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Peter-Huchel- und den Joseph-Breitbach-Preis. Bei Hanser erschienen zuletzt u.a. Homers Heimat (2008) und seine Übertragung der Ilias (2008), Gehirn und Gedicht (2011, gemeinsam mit dem Hirnforscher Arthur Jacobs), die Erzählung Das schweigende Kind (2012), die Übersetzung von Hesiods Theogonie (2014), der Gedichtband Die Kunst an nichts zu glauben (2015) sowie Erste Erde (Epos, 2016), Politiken & Ideen (Essays, 2018), Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal (Roman, 2019) und Inventur des Sommers (Über das Abwesende, 2023). Raoul Schrott arbeitet zurzeit im Auftrag der Stiftung Kunst und Natur an einem umfangreichen Atlas der Sternenhimmel. 2023 hatte er die Ernst-Jandl-Dozentur der Universität Wien inne.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.12.2004

Wildwochen mit Laura
Vom Augenblick zur Ewigkeit: Raoul Schrotts Gedichte über das Heilige, die Jagd und die Frau

Nein, Laura nennt er sie nicht. Er nennt sie "meine liebe" oder Marah und Marlen, Janne, Ina, Anna, Isha, Eva, Batseba, Judit, Julia, er nennt sie "windsbraut" und "hinterindische zigeunerin" oder einfach nur Du. Aber er hätte sie alle Laura nennen können. Denn Petrarca hat ihm die Feder geführt. Zwar nicht mit dem Canzoniere, aber doch mit den Trionfi, aus denen Raoul Schrott nicht nur alle Motti zu den sieben "Stücken" gewählt hat, in die sein neuer Gedichtband "Weissbuch" eingeteilt ist, sondern die ihm auch zum Vorbild für die Bezeichnung seiner eigenen "Triumphe" diente: Wie bei Petrarca trifft man auf den "Triumph des Todes", den "Triumph der Ewigkeit", den "Triumph der Reinheit" (bei Petrarca "triumphus pudicitie"), den "Triumph der Liebe" und den "Triumph der Zeit"; allerdings verändert Schrott die Reihenfolge der Triumphe und verdoppelt sie so, daß sich eine spiegelbildliche Kreisbewegung ergibt. Nur Petrarcas "Triumph des Ruhms" fehlt ganz; statt dessen gibt es bei Schrott den "Triumph des Hungers" und den "Triumph der Jagd".

Lauter Triumphe! Das mag heutzutage ein wenig befremdlich wirken, wenn man darunter nur hochgemute, gar eitle Beglückungen und fragwürdige Siegesbeweise versteht. Davon kann bei Schrott jedoch nicht die Rede sein: "Jeder ,Triumph' liegt . . . stets nur im Scheitern mit offenen Augen", heißt es in seinem Nachwort. Spricht er von Triumphen, geht es ihm um die Inszenierung von Affekten nach Art eines Triumph- oder Festzuges, um die mit Bedeutung ausgestattete allegorische Anordnung und Zuordnung der einzelnen Figuren oder Positionen innerhalb dieses Zuges, mit anderen Worten: um das Arrangement der einzelnen Details innerhalb des Ganzen. Das Motto zum letzten "Stück" des Bandes beispielsweise zitiert Verse aus dem Zweiten Gesang des "Triumphes des Todes" von Petrarca: "die erste stunde wars, des sechsten tages im april, / die mich einst band, und jetzt, ach, wieder entbindet. / wie wechselt doch fortuna beständig ihren stil!"

Die präzise Angabe der Daten und sogar der Uhrzeit der ersten Begegnung mit Laura und des Zeitpunkts ihres Todes hat Petrarca so konstruiert, daß er der Übereinstimmung dieser Daten mit dem Hinweis auf Fortuna eine allgemeine Bedeutung abgewinnen konnte. Schrott erinnert mit dem Motto am Ende seines Buches offensichtlich deshalb daran, weil er auf diese Weise sein eigenes Verfahren der Verbindung der einzelnen Daten mit dem Ganzen des Gedichtbandes kennzeichnen kann. Denn fast alle seine Gedichte sind auf den Tag genau datiert und mit Angaben zum Ort des Entstehens versehen; häufig finden sich auf der jeweils gegenüberliegenden Seite tagebuchartige Notizen, die vor Ort Gesehenes und Gelerntes, Merkwürdiges und Aufhebenswertes festhalten. So bietet sich die faszinierende Gelegenheit, die Notate des Augenblicks mit den dichterischen Gestaltungen zu vergleichen und den Vorgang der Poetisierung des Autobiographischen gleichsam nachzuvollziehen. Im Titel des Gedichtbandes, "Weissbuch", findet diese Verbindung des Dokumentarischen mit dem Persönlichen ihre vieldeutige Metapher.

Die meisten Gedichte gehen auf Eindrücke, Beobachtungen und Hinweise zurück, die Schrott auf Reisen zuteil wurden. Auch das lassen die genauen Zeit- und Ortsangaben zu seinen Gedichten erkennen. Schrott präsentiert sich wieder einmal - wie schon in seinem Gedichtband "Hotels" (1995) - als Weltreisender, ständig unterwegs, nirgends daheim, immer neugierig, erpicht auf Erkundungen. Er ist ein hochgebildeter Globetrotter, der seine Verse den Reisen in alle Welt verdankt: Havanna und Bukarest, die Insel Kri und das südirische Bishop's Luck, Rio de Janeiro und Samarkand, Sizilien, Teheran und Heidelberg - um nur einige der Orte zu nennen. Leichte Zweifel an der Authentizität dieser Daten kommen nur auf, wenn man liest, daß sowohl das Gedicht "Lisa del Giocondo" als auch "Wildwochen VIII" auf den 28. März 2002 datiert sind, wobei das erste angeblich in Paris, das zweite jedoch in Tokio entstanden sein soll. Doch unabhängig davon, ob diese Übereinstimmung der Daten zutrifft oder fingiert ist oder nur ein Irrtum - die Allgegenwärtigkeit ist außerordentlich charakteristisch für den Autor Raoul Schrott.

Er überwindet seit je Zeiten und Räume im Flug. Schon seine emphatische Anthologie "Die Erfindung der Poesie" bezeugte das, und der Weg vom Detail zum Universum, vom Augenblick zur Ewigkeit ist für ihn ein Katzensprung geblieben. Vom Zerteilen eines Delphins durch Fischer an der Arafurasee ("Szenen der Jagd III") gelangt er pfeilschnell zur Einteilung der Welt in Oben und Unten, Hell und Dunkel, Ost und West. Im Nachwort "Über das Heilige, die Jagd und die Frau II" - das Vorwort heißt, mit Ziffer I versehen, ebenso - kann man die Theorie dazu nachlesen: "Das Heilige wird über die alltäglichsten Objekte identifiziert; noch das banalste Ding kann zu seiner Verkörperung werden: ein beliebiger Gebrauchsgegenstand wird . . . zum Fetisch, ein Stein zum Bild, ein Ort zum Hain. Auf diese Weise ausgegrenzt, ist es dem Werden und seinem Fluß enthoben, in sich ruhend, vollständig und für sich, suggeriert es jene Ewigkeit und Unendlichkeit, mittels deren Zeit und Raum erst ihre gedankliche Kontinuität erhalten."

Solche Kontinuitäten entdeckt Schrott auch in der Sprache. Er ist wortgläubig bis zur Manie. Aus dem Gleichklang des lateinischen Jägers (venator) und der Venus schließt er über die ihnen gemeinsame "indoeuropäische" Stammsilbe *uen nicht nur, daß Jagd und Frau sich "über eine zielgerichtete Suche nach Objekten der Begierde" definieren; vielmehr behauptet er darüber hinaus unter Rückgriff auf die spiegelbildliche Umkehrung dieser Stammsilbe (also *neu: "etwas übermächtig Fremdes, das sich einem zuwendet"), daß sich Jagd und Frau durch das Numinose "symbolisch zu einem Beziehungsdreieck" verbinden. Aus solchen schönen, wenngleich spekulativen Kombinationen speist sich Schrotts Theorie- und Zuordnungseifer. Er begründet seine Texte, aber er schadet ihrer Erscheinungsform. Er trocknet die Gedichte aus zu bloßen Exempeln eines holistischen Denkens, dem alles heilig, erhaben, wert und vor allem bedeutend ist, was sich von alten Zeiten, Riten, Sprüchen herleitet.

Diese Bedeutungzuweisungs-Lust ist auch dafür verantwortlich, daß den einzelnen Gedichten mit den Überschriften eine Uniform übergestülpt wird, die zwar ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Texten signalisiert, zugleich aber auch die individuelle Einzigartigkeit der Gedichte - und sie sind einzigartig! - nivelliert. Nicht weniger als zwanzig Gedichte tragen, mit entsprechender Numerierung, den Titel "Über das Heilige", fünfzehn geben sich als "Szenen der Jagd" zu erkennen, zehn firmieren unter dem Titel "Wildwochen". Neben das Gliederungsprinzip nach dem Vorbild von Petrarcas Trionfi und neben das entstehungsgeschichtliche Ort/Zeit-Anordnungsschema tritt hier also ein drittes Zuordnungsgesetz, das die Gedichte nach stofflich-thematischen Gesichtspunkten zueinander in Beziehung setzt.

Dieses dreifache Gliederungsprinzip läßt Schrotts Gedichtband als einen wohlbedachten Zyklus erkennen, der mehrere Einzelprojekte miteinander verbindet. Aber: Es tut den einzelnen Gedichten Gewalt an. Dabei gibt es in der Lyrik der Gegenwart kaum so charmante, zugleich drängende und selbstironische, heitere Liebesgedichte zu lesen wie in diesem Band: "dunkel ists · ich schau zum fenster hinunter auf den hof die kopfsteinpflaster bogengänge und bänke und / eine japanische quitte - oder ist es eine zeder? die krone hat sie jedenfalls in den wolken so wie ich den kopf / darin als beeideter lust und luftschloßbauer ein burgwart aller castelli di spagna und kastellan des himmels / die rolle voller baupläne hinterm breiten rücken versteckt blaupausen so gut wie statistische berechnungen / denn von den kartenhäusern meine liebe ist nichts zu halten". So beginnt ein übermütiges Werbunggedicht, das auf geistreiche Weise ,im Bild bleibt'.

Was mag wohl Laura, die "Heilige", die nicht Laura heißt, zu diesen und den vielen anderen schönen Erfindungen des Bandes gesagt haben? Schrott verschweigt es nicht; er habe, heißt es in einem Gedicht, alle Mitbringsel von seinen Reisen nur für sie geschmuggelt, "den ganzen kokon von worten · all das bunte das ich für dich gefunden hatte bis du mich endlich auch deinen marco polo nanntest". Damit, so scheint es, ist er am Ziel, und wir haben Freude daran.

Raoul Schrott: "Weissbuch". Gedichte. Hanser Verlag, München 2004. 188 S., geb., 17,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Wulf Segebrecht ist beeindruckt: Wieder einmal erweist sich Raoul Schrott als "hochgebildeter Globetrotter", der seine Beobachtungen in "einzigartige" Gedichte verwandelt. Nur manchmal scheint es ihm, es gebe etwas zu viel "Bedeutungszuweisungs-Lust" bei Schrott. Er hat seine Gedichte nach Motti zu Petrarcas Trionfi gegliedert. Außerdem datiert und mit Ortsangaben versehen, daneben stehen tagebuchartige Notizen, die dem Leser die "faszinierende Gelegenheit" bieten, die Aufzeichnungen des Augenblicks mit den dichterischen Gestaltungen zu vergleichen. Und schließlich sind die Gedichte noch nach "stofflich-thematischen" Gesichtspunkten geordnet. Alles sehr eindrucksvoll, aber ein wenig schadet es auch "ihrer Erscheinungsform", findet Segebrecht. Schrott "trocknet die Gedichte aus zu bloßen Exempeln eines holistischen Denkens, dem alles heilig, erhaben, wert und vor allem bedeutend ist, was sich von alten Zeiten, Riten, Sprüchen herleitet". Dass die Dame seines Herzens den Dichter erhört hat, kann Segebrecht dennoch gut verstehen. Denn niemand schreibe zur Zeit "so charmante, zugleich drängende und selbstironische, heitere Liebesgedichte" wie Raoul Schrott.

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"Schrott schraubt sich mit Leichtigkeit durch zeitgeschichtliche und sprachliche Ebenen ..." Thomas Kraft, tageszeitung, 16.10.2004