Marktplatzangebote
10 Angebote ab € 4,20 €
  • Gebundenes Buch

Das Porträt eines jungen Mannes im Amsterdam der 70er Jahre: Als Dichter, Dieb, Revoluzzer und Gigolo wechselt er, der nicht weiß, ob er Männer oder Frauen liebt, zwischen den Lagern hin und her wie ein Spion. Alles dreht sich um die eine Frage: Wie will ich leben? Ein gnadenloser Rückblick auf die eigene Education sentimentale des Autors.

Produktbeschreibung
Das Porträt eines jungen Mannes im Amsterdam der 70er Jahre: Als Dichter, Dieb, Revoluzzer und Gigolo wechselt er, der nicht weiß, ob er Männer oder Frauen liebt, zwischen den Lagern hin und her wie ein Spion. Alles dreht sich um die eine Frage: Wie will ich leben? Ein gnadenloser Rückblick auf die eigene Education sentimentale des Autors.
Autorenporträt
Adriaan van Dis wurde 1946 in Bergen, Holland geboren, nachdem seine Eltern aus Niederländisch-Ostindien, dem heutigen Indonesien zurückgekehrt waren. Er veröffentlichte u.a. Romane, Kurzgeschichten und Reiseprosa.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Auch wenn es um die "education sentimentale" eines jungen Mannes geht - dem Autor, einem in den Niederlanden berühmten Fernsehjournalisten, muss Dorothea Dieckmann am Ende der Lektüre fehlende Reife bescheinigen. Eine Identitätssuche als Rollenspiel - der Held irrt durch wechselnde Kulissen, verkleidet sich, probiert sich als Student, als Nachtmensch, als Linker, und der Roman tut es ihm nach. Erzählerische Posen und wechselnde Perspektiven, so Dieckmann, sollen den Inhalt in der Form nachvollziehen, doch der Ausgangspunkt ist auch der Endpunkt: das "Grundmotiv eines wandlungssüchtigen ästhetischen Daseins", immer wieder durchgespielt. Manches, findet Dieckmann, könnte als Kurzprosa Bestand haben, zusammengewürfelt bleibe es aber, nun, zusammengewürfelt - richtungslos, spielerisch, nichtssagend. Ein "literarischer Kramladen", aus dem die Rezensentin nur aus Höflichkeit ein paar Kleinigkeiten mitnehmen mochte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.09.2004

Eine Träne für den Vater
Adriaan van Dis’ süßer kleiner Pornoroman „Doppelliebe”
„Diese von außen kommenden Assoziationen und erborgten Gefühle tragen die jungen Leute über den gefährlichen weichen seelischen Boden dieser Jahre hinweg, wo man sich selbst etwas bedeuten muss und doch noch zu unfertig ist, um wirklich etwas zu bedeuten.” Adriaan van Dis schmückt jedes der Kapitel seines Romans „Doppelliebe. Geschichte eines jungen Mannes” mit einem Motto, und wie immer sind es schwere Worte berühmter Männer - von Platon bis zu Couperus, dem niederländischen Roman- und Reiseschriftsteller der Dekadenz. Musil aber, der mit dem zitierten Satz die „Verwirrungen des Zöglings Törleß” beschreibt und begründet, hat van Dis, trotz der thematischen Nähe seines Werkes mit dem des Wiener Autors, ausgelassen. Die Unähnlichkeit im Ähnlichen stäche denn doch zu sehr ins Auge.
Beide Werke beschreiben die Initiation eines Jünglings ins Erwachsenendasein, die sexuellen Halluzinationen der Pubertät, ihre Enttäuschung durch die Wirklichkeit, die geschlechtliche Unentschiedenheit des Gymnasiasten, seinen Widerstand gegen die Normalität des Ehe- und Familienlebens, vor allem aber die Hoffnung, ein „Anderer” zu sein, ein Auserwählter unter den Mitmenschen.
Auf einem „gefährlichen weichen seelischen Boden” wie Musils Zögling aber wankt van Dis’ Hauptfigur kaum je, da sie aus der Souveränität des Rückblicks ihre Jugendgeschichte erzählt. Philosophischen Fragen, wie sie Törleß zusammen mit seinen erotischen Wünschen aus der Psyche aufsteigen, beunruhigen diesen Erzähler nie. Sadistische Wünsche wandeln sich bei ihm nicht zu metaphysischen Visionen, und nur spotten könnte er, wenn er, wie Törleß, aus den Verwirrungen seiner Jugend hervorginge als ein Mensch mit einer „verfeinerten Seelenbildung”.
Kein Knutschfreund
Dabei ist das Leitbild von van Dis’ „jungem Mann”, der Schauspieler werden will und Dichter wird, die Epoche der Dekadenz. Er liebt es, den vom Vater geerbten „Chamberlook” zu tragen und sich darin in die Rolle eines Dandy im Stil von Daudet und Wilde hineinzuträumen. Doch mehr als die Seelenstudien dieser Dichter leiten ihn Autoren wie Baudelaire oder Couperus, aus deren Werken er Ekstasen, Exzesse und Perversionen bezieht, die zur Tat schreiten. So beginnt der Roman mit Szenen, deren pornographische Attacken den Jüngling zwar überfordern, doch gelingt es ihm immerhin, die Niederlagen durch Heiterkeit und Selbstironie auszugleichen. An seiner höheren Bestimmung hält dieser junge Mann dennoch entschieden fest: „Ich war kein Knutschfreund. Ich war ein Quatschfreund”, weshalb er denn auch von Orten ohne geistigen Flair flieht: „Nichts wie weg, und zwar so schnell wie möglich. Diese Kneipe war viel zu laut für ein gutes Gespräch.”
Die höheren Weihen, um die sich der junge Mann bewirbt, werden ihm dennoch nie zuteil. Dies ficht ihn wenig an, denn er findet stets eine humorvolle Entschuldigung für sich. Die Leidenschaft, Schauspieler zu werden, scheitert an einem Zuviel an Intellekt. Von vornherein kann er sich nur voller Ironie seinem Wunschtraum hingeben: „Ich stand in der Vorhalle des Ruhmes - der Turnhalle der Schauspielschule”, und da ihn die Übungen dort nicht weiterbringen, entschließt er sich zu studieren: „Klammheimlich hatte ich mich an der Universität immatrikuliert. Für Niederländisch, das Fach mit dem geringsten Widerstand.” Dabei macht er eine fachtypische Erfahrung: „Schwul zu werden war ein schwereres Studium als Niederländisch.” Auch seine Heldentaten in der Studentenbewegung scheitern: „Die Bombe lag schon bereit, es fehlte nur noch die Presseerklärung. Morgen Abend um diese Zeit würde sie mir in die Jan Steenstraat gebracht.” Trotz Presseerklärung aber geht die Bombe nicht los, und so verliebt sich der Revolutionär, statt das Proletariat zu befreien, in die Tochter eines reichen Arztes.
Ein kleiner Schritt vom Wege
Einige kursiv gedruckte Seiten zu Anfang und Ende des Romans analysieren die Gründe für die Wanderschaft dieses Taugenichts durch die Institutionen und erkennen darin das wohl bekannte Problem, sich vom Vater zu lösen. „Nur Verkleidungen konnten meine Hässlichkeit kaschieren. Dabei halfen mir vor allem Vaters abgelegte Kleider” - wozu freilich auch dessen abgestandene Ideen von Bildung und Kunst gehörten. Alles, was der Sohn tut, ist nichts als immer nur ein kleiner Schritt ab vom Wege, den der Vater vorgezeichnet hat, und am Ende ist des Widerspenstigen Zähmung schließlich doch gelungen: Am Grabe weint er dem Vater die gehörigen Tränen nach.
Dieser Generationenkonflikt gebiert einigen Humor, wie ihn Gymnasiasten gern gegen die sie behütende Familie und Gesellschaft aufbringen, er entbindet aber keine riskanten Energien erotischer oder intellektueller Art. In van Dis’ Werk ist der Schelmenroman wieder auferstanden. In der Bar „Sjeng” trifft der Pikaro auf Huren, Dealer, betrunkene Matrosen und Chinesen, die auch einmal die Messer spielen lassen. Der Gegenwart passt van Dis diesen Jugendroman an, indem er jede poetische Übertreibung, jegliche Phantastik, jegliche Kühnheit des Abenteuers meidet.
In diesem holländischen Pornoroman erzählt ein Jüngling von heute, dessen Erziehung dem Gesetz der freien Entfaltung folgte und dem nach aller Bildungsanstrengung auch noch die neueste Freiheit zugestanden wird: das Findungsjahr. Findungsjahre, nicht „Lehrjahre”, sind es denn auch, Zwischenzeiten des beschwipsten Stolperns, was van Dis beschreibt.
HANNELORE SCHLAFFER
ADRIAAN VAN DIS: Doppelliebe. Geschichte eines jungen Mannes. Roman. Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas. Carl Hanser Verlag, München 2004. 320 Seiten, 21,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr