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Das Baby: Ein rot anlaufendes, schreiendes Bündel, ein saugender kleiner Wurm, ist so etwas überhaupt literaturfähig? Ja, meint Marie Darrieussecq und hat daher ihre Beobachtungen und Gefühle während der ersten Lebensmonate ihres Sohnes aufgeschrieben. Ein einzigartiges, ebenso ergreifendes wie komisches Buch - fern der bekannten Klischees.

Produktbeschreibung
Das Baby: Ein rot anlaufendes, schreiendes Bündel, ein saugender kleiner Wurm, ist so etwas überhaupt literaturfähig? Ja, meint Marie Darrieussecq und hat daher ihre Beobachtungen und Gefühle während der ersten Lebensmonate ihres Sohnes aufgeschrieben. Ein einzigartiges, ebenso ergreifendes wie komisches Buch - fern der bekannten Klischees.
Autorenporträt
Marie Darrieussecq, geb. 1969 in Bayonne, studierte Literaturwissenschaft an der Ecole Normale Supérieure in Paris.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Verena Mayer hat "lange nichts mehr von den Thirty-somethings gehört" und hofft nach der Lektüre dieses Romans - und mit einem ängstlichen Seitenblick auf den Prenzlauer Berg -, dass es dabei bleibt. Und dass jetzt bloß nicht alle auf die Idee kommen, über ihre Babys zu schreiben. So wie Marie Darrieussecq, die von einer jungen Mama im Kinderglück erzählt: "Literarisch beschworen wird ein Kindchen, wie es schläft und saugt und sabbert", und wie alle fremden Kinder, so Mayer, ist das zuerst ganz süß, und dann gewaltig nervig. Und als die Autorin ihr auch noch einreden wollte, dass der Alltag mit Kind das Erfüllendste und Interessanteste überhaupt ist, war die Rezensentin mit ihrer Geduld am Ende: "In der Summe ergibt das jenen Tonfall in sich ruhender Selbstzufriedenheit, der an jungen Müttern generell schwer auszuhalten ist." Aber als Literatur getarnt: schrecklich! Ihr Fazit: das "Protokoll eines Verlusts. Das Kind wird mobiler und selbstständiger, die Mutter in ihrer Wahrnehmung eingeschränkt." Und man hat nicht das Gefühl, dass sie damit nur die Erzählerin dieses Buches meint.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.01.2005

Schwanger für immer
Marie Darrieussecq beschwört ein Neugeborenes, wie es schläft und saugt und sabbert
Schon lange nichts mehr von den Thirty-somethings gehört. Brüten sie über neuen Generationenbüchern, gründen sie Zeitschriften oder holen sie zum finalen Schlag gegen die 68er aus? Oder sind sie, wie schon die Generationen X und Z, einfach in der Versenkung verschwunden? Es ist viel schlimmer: Sie haben Kinder bekommen und schreiben darüber. Sie tun das meistens in Kolumnenform, doch manchen ist selbst das zu wenig. Der 1969 geborenen Autorin Marie Darrieussecq zum Beispiel. Mit dem Roman „Schweinerei”, einer Art Satire auf Männerphantasien, wurde die Französin vor einigen Jahren berühmt. Ihr neues Buch heißt „Das Baby”. Titel und Inhalt stimmen weitgehend überein, literarisch beschworen wird ein Kindchen, wie es schläft und saugt und sabbert. Darrieussecqs Mitteilungsbedürfnis ist enorm: „Inzwischen isst es gekochtes Fleisch und gekochten Fisch. Seine Scheiße stinkt jetzt anders.” Und es gibt noch viele Autoren unter den Thirty-somethings. In Berlin-Prenzlauer Berg zum Beispiel. Wenn man bedenkt, wie viele Frauen zwischen 20 und 40 dort wohnen, alles potentielle Mütter, schwant einem Schreckliches.
Mit Marie Darrieussecqs „Baby” geht es einem wie mit jedem fremden Baby. Man findet alles erst ganz süß und interessant, und am Ende ist man ziemlich genervt. Das Buch ist in zwei „Hefte” gegliedert, das erste heißt „Frühling, Sommer”, das zweite „Sommer, Herbst”. Die Ich-Erzählerin, eine Schriftstellerin, hat einen Sohn bekommen und ist voll mütterlicher Verliebtheit. In lockerer Tagebuchform berichtet sie, wie sie das Kind wickelt, füttert und schlafen legt. „Wenn es beim Aufwachen weint, und ich es in die Arme nehme, dann - hui! - rette ich es. Sechsmal pro Tag, wenn es aufwacht, rette ich es. Aufgerissene Augen, ein letzter Schluchzer, es keucht, es stöhnt, es schnieft; es beruhigt sich.” Jede Kleinigkeit des Mutter-Kind-Universums wird unendlich groß gemacht, das neue Leben ist der Maßstab für alles Leben. „Das Baby kann Ja oder Nein sagen: Es stößt den Schnuller mit der Zunge weg oder verschlingt ihn. Diese Zustimmung oder Weigerung hängt von ihm allein ab. Am Schnuller kann es seine Macht und seine Willenskraft äußern. Hier beginnt seine neuronale Strukturierung: Ja und Nein, 0 und 1. Der Lulli begründet das Binäre. Führt die Dialektik ein.”
„Das Baby” ist ein mühsames Buch. Auf der einen Seite ist die Handlung wenig überraschend. Das Kind steht im Mittelpunkt, die Mutter hat Stress. Andererseits will die Autorin einem weismachen, dass Stillen und Wickeln so anregend sein können wie der Intellektuellenstammtisch in einem Pariser Café. Neben Reklame für Hautcreme („Hat das Baby einen weichen Po, dann ist auch die Mama froh”) werden Passagen aus Ulysses oder den „Essais” von Montaigne zitiert. In der Summe ergibt das jenen Tonfall in sich ruhender Selbstzufriedenheit, der an jungen Müttern generell schwer auszuhalten ist. Vorgetragen mit halbliterarischem Pathos wird er allerdings unerträglich.
Ich will es wieder machen
Das Buch verspricht Babysprache abseits der Klischees. Der Berliner Liedermacher Funny van Dannen hat es vorgemacht: „Bitte mach mir ein Kind, sagen so viele Frauen / weil Kinder die Zukunft sind, in die wir gerne schaun / Der Mann sagt okay, wird sofort gemacht / und nachher finden sie, das hat’s jetzt voll gebracht.” Marie Darrieussecqs Versuch fällt hingegen krampfhaft aus. „Als es auf die Welt kam, wollte ich sofort wieder schwanger werden. Ich wollte es noch einmal machen, dieses Baby, dasselbe. Ich wollte es doppelt und dreifach haben, seine Klone sammeln, es in einer ewigwährenden Gegenwart immer wieder zur Welt bringen.” Wahrscheinlich schließt mütterliche Liebe das Stilmittel der Selbstironie einfach aus. Eine Mutter, die die Geburt ihres Kindes, sagen wir, als Beginn einer lebenslangen Freiheitsstrafe beschreiben würde, wäre zwar komisch, aber sie hätte es eher schwer, als gute Mutter durchzugehen.
Je salbungsvollere Worte die Ich-Erzählerin also für ihr Mutterglück findet, desto mehr empfindet der Leser „Das Baby” als Protokoll eines Verlusts. Das Kind wird mobiler und selbstständiger, die Mutter in ihrer Wahrnehmung eingeschränkt. Nach und nach blendet die Ich-Erzählerin aus, was ihr Leben einst ausgemacht hat. Der Vater des Kindes spielt kaum eine Rolle, alle anderen Personen werden nur durch ihr Verhältnis zum Baby definiert. Die sprachliche Entwicklung des Kindes ist an den Sprachverlust der Mutter gekoppelt. Je mehr das Baby artikulieren kann, desto einsilbiger werden die Sätze der Erzählerin, die dies festhalten. „Es ist entzückt, wenn man ihm mit ‚a-öhh‘ antwortet oder neue Laute vorschlägt wie ‚töh‘. Es legt die Hände zusammen, und dann, auf die ganze Länge eines Ausatmens: ‚grö-ö-öh.‘” Vergangenheit kommt in „Das Baby” nur als Erinnerung an Schwangerschaft und Geburt vor, von der Außenwelt nimmt die Erzählerin meistens nur die Bäume vor den Fenstern wahr. Der Satz „Ein Flugzeug rammt das World Trade Center” steht als kurze Notiz zwischen Ausführungen über Gläschenbrei und Babyhusten. Spätestens an dieser Stelle will man das Buch beiseite legen. Um auf die Straße zu rennen und für mehr Kinderbetreuungseinrichtungen zu demonstrieren, die Frauen wie Marie Darrieussecq den Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglichen.
VERENA MAYER
MARIE DARRIEUSSECQ: Das Baby. Aus dem Französischen von Frank Heibert. Carl Hanser Verlag, München 2004. 151 Seiten, 14,90 Euro.
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"Überbordend, sinnlich, witzig. Das Baby ist entgegen einer gängigen Meinung sehr wohl literaturfähig." Nina Toepfer, NZZ am Sonntag, 19.09.04 "Ein blitzgescheites und hochpoetisches Wunderbuch..." Barbara Villiger Heilig, NZZ, 17.11.04