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Michael Lindberg, erfolgreicher Produzent von Fernsehshows, hat sein Leben voll im Griff. Mit einem Mal jedoch wird sein Selbstwertgefühl von unerwarteter Seite angegriffen: er kann keine Kinder zeugen. Von nun an strebt Lindberg nur noch nach einem: sich für die Nachwelt unsterblich zu machen. Zum Beispiel mit dem perfekten Verbrechen ...

Produktbeschreibung
Michael Lindberg, erfolgreicher Produzent von Fernsehshows, hat sein Leben voll im Griff. Mit einem Mal jedoch wird sein Selbstwertgefühl von unerwarteter Seite angegriffen: er kann keine Kinder zeugen. Von nun an strebt Lindberg nur noch nach einem: sich für die Nachwelt unsterblich zu machen. Zum Beispiel mit dem perfekten Verbrechen ...
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Es lohnt sicht, rät Jochen Hörisch, Fernseher, Computer und anderes elektronisches Gerät abzuschalten und stattdessen nach dem Romandebüt von Norbert Kron zu greifen. Der thematisiert darin auch die Medien, aber führt, berichtet der Rezensent, sämtliche Diskurse über Altersstruktur, Gentechnologie und die Medien selbst "elegant" zusammen und mit seinem Held Michael Lindberg ad absurdum. Der, ein "erfolgsverwöhnter Programmdesigner", will der Fernsehgesellschaft richtig eins auswischen und präsentiert dem Publikum frisch aus dem Gefängnis entlassene Gewalttäter, die über ihre Taten sprechen sollen. Doch dem Helden wächst sein Konzept über den Kopf. Die Geschichte sei spannend und souverän erzählt, lobt Hörisch, auch wenn sie an manchen Stellen stilistische Einbrüche verkraften müsse. "Ein beachtliches Debüt", staunt der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2002

Eiskalt wie Champagner
Norbert Krons Debütroman "Autopilot"

Auf den ersten Blick ist "Autopilot" natürlich eine ziemlich konventionelle Abrechnung mit den Medien. Die Fernsehwelt, die Norbert Kron in seinem ersten Roman abbildet, ist genauso verwerflich, wie man sie sich immer vorgestellt hat. Die Quote bestimmt das Bewußtsein. Um die Zuschauer bei der Stange zu halten, müssen immer abstrusere Talkshows produziert werden. Zu verantworten haben dies durchweg abgefeimte Emporkömmlinge, die koksen, in teuren Lofts wohnen und zu ihren Freundinnen "Baby" sagen. Bei Kron sind die Menschen eiskalt wie der Champagner, den sie trinken, und die blonden Praktikantinnen hüpfen schneller in die Betten ihrer Vorgesetzten als junge Rehe auf die Fahrbahn. Kein Wunder also, daß sich der Protagonist, ein Fernsehproduzent, dessen Lieblingswort "evident" ist, nicht mit gewöhnlichen Prominenten zufriedengeben will: In der Sendung, die Michael Lindberg entwirft, sollen Verbrecher zu Talkmastern werden. Wo die Abbilder verwerflich geworden sind, muß das Verwerfliche als das einzig Authentische erscheinen. Von ähnlicher gedanklicher Schlichtheit ist auch das Handeln der Hauptfigur. Um gegen die Windmühlen der Unterhaltungsindustrie anzukämpfen, steht Lindberg eines Tages mit einer Waffe hinter den Studiokulissen.

Wagt man jedoch einen zweiten Blick auf den Roman, entpuppt sich "Autopilot" als Geschichte der technischen Reproduzierbarkeit. Nicht nur, daß der Protagonist Kron einer inszenierten Wirklichkeit ausgeliefert ist, er wird eines Tages auch noch mit seiner Zeugungsunfähigkeit konfrontiert. Gemäß der Benjaminschen Feststellung, daß sich Echtheit der technischen Reproduzierbarkeit entziehe, müssen nun auch Lindbergs Versuche, mit Hilfe medizinischer Methoden doch noch Leben schaffen zu können, fruchtlos bleiben. Und wenn schließlich Lindberg, kurz bevor er sich an den Hoden operieren läßt, noch in der Produktionsfirma anruft, um Aufnahmetechnisches zu besprechen, denkt man gleich an Benjamins Bild vom Kameramann, der ins "Gewebe der Gegebenheit" eindringt wie ein Chirurg in den menschlichen Körper. Das einzige, was in Lindbergs Welt noch so etwas wie Aura hat, ist längst verschwunden. Gemeinsam mit den Wrackteilen eines abgestürzten Flugzeugs versank ein Gemälde von Picasso im Meer, und es gibt nur mehr ein paar Fernsehbilder in den Abendnachrichten zu sehen.

Auf den dritten Blick, und das ist zugleich der lohnendste auf das Buch, erkennt man, daß es Kron weniger um Medienkritik als um das Schauen selbst geht. Der Niedergang des Protagonisten zeigt sich am deutlichsten an der Verengung seines Gesichtsfeldes. Anfangs vermag sich Lindberg noch selbst auf eine Art zu beobachten, die er "helicopter view" nennt. Er kann die Realität in TV-Formate rastern, und bei jedem Liebesakt mit seiner Freundin hat er die passenden Pornobilder im Kopf. Doch je größer die Fülle an Bildern wird, die ihn umgibt, desto weniger nimmt er wahr. Als er bei einer wichtigen Fernsehaufzeichnung eine bestimmte Perspektive einfangen will, versagt seine Kamera, auf einem Schirm erscheint "Cannot execute". Andere, schlechtere Bilder müssen als Ersatz eingespielt werden, und Lindberg stellt fest, "nichts, was in meinem Namen hatte ans Licht dringen sollen, hatte die spiegelnde Oberfläche vor meinen Augen durchschlagen".

Auch der Blick nach innen eröffnet ihm keine biomedizinischen Weiten. Sich mit defektem Erbmaterial zu beschäftigen und von den Möglichkeiten der Reproduktion Abschied nehmen zu müssen, bedeutet für Lindberg vielmehr die letzte Einschränkung seiner Vorstellungskraft. Sein Wunsch, vor laufender Kamera ein Verbrechen zu begehen, hat daher nur einen Grund: Selbst "Projektion zu werden" und sich auszulöschen im Blick der anderen.

VERENA MAYER

Heute abend, 20 Uhr, Podewil, Klosterstraße 68-70, Mitte.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.07.2002

Der Amoklauf des Homo Faber
In Norbert Krons Debütroman fällt der „Autopilot” aus und der Held klont sich selbst
Der Mann ist das Wesen, das sich mit Gott vergleicht. Er ist der Erzeuger, er erschafft die Welt. In sieben Tagen oder mit einem einzigen Fick: „Ich habe Macht, Baby, ich bin das Wort”, denkt sich Michael Lindberg, der Held des Debütromans von Norbert Kron. Aber da ist es schon zu spät. Vor kurzem hat Lindberg erfahren, wie es wirklich um ihn steht: Was er für sein Sperma hielt, ist nichts als eine bedeutungslose Flüssigkeit, in der einsam ein paar verkümmerte Spermien schwimmen. Die Chance, dass sie jemals in eine weibliche Eizelle eindringen könnten, strebt gegen Null. Seine Macht ist dahin. Der Beischlaf scheint plötzlich ein sinnloser Akt: „Alles waren nur noch Wörter, es war Sex ohne das, was Sex zu mehr machte als Sex, zu einem Spiel mit dem Feuer – denn das war es doch, was bei jedem Fick insgeheim immer mitgeschwungen hatte, die Gefahr, die davon ausging für Leib und Leben: Ich habe Macht, Baby, ich bin das Wort, sag, dass ich über dich kommen und bestimmen kann. ”
Michael Lindberg ist Fernsehproduzent. Er modelliert sein Leben nach den Images der Warenwelt. Seit zwei Jahren lebt er mit seiner Freundin Bea in einer 250 - Quadratmeter- Jugendstilwohnung in der Mitte Berlins. Sechseinhalb Zimmer, das müsste genügen, wenn aus dem Spiel Ernst werden sollte. Denn zunächst ist es nichts als ein Spiel. Man stellt „die Verhüterei” ein und wartet, was passiert. Aber es passiert nichts. Und so wird aus dem, was eine Nebensache sein sollte – das Kind als Komplettierung des Bildes vom erfolgreichen Paar –, die Hauptsache: eine Obsession.
Aber geht es dabei wirklich um ein Kind? „Kinder sind Medien”, denkt sich Michael Lindberg ganz am Ende des Buches. Ein Kind bedeutet für ihn, auf besondere Weise „zu sich selbst zu kommen”. Unter allen Medien sei es „dasjenige, das jedem Menschen auf die einfachste Weise zugänglich ist und ihn am unmittelbarsten repräsentiert.” Stimmt das? Sind Kinder nicht vielmehr Wesen, die unsere Pläne durchkreuzen?
Dass Norbert Krons Debütroman ein so überaus bemerkenswertes Buch ist, hat mit der systematischen Verblendung seiner Hauptfigur zu tun. Wie eine Sonde taucht dieser Michael Lindberg ins kollektive Unterbewusste unserer Mediengesellschaft hinab und fördert Erstaunliches zu Tage. Er ist das Paradeexemplar eines Homo Faber im fortgeschrittenen Stadium des Medienzeitalters. Er formt die Welt nach seinem Bild und unterzeichnet es mit dem eigenen Namen. Und so hat er auch die Zeugung eines Kindes eingeplant, als eine weitere Manifestation seiner selbst in der Welt. Naheliegend, dass er die wenig schmeichelhafte Diagnose der Zeugungsunfähigkeit zunächst in bewährter Weise verarbeiten will: „Ich mußte mich von einem Bild verabschieden, das ich mir für meine zukünftige Person gut vorstellen konnte... Ich mußte die Unternehmensziele neu definieren, die meine eigene corporate identity betrafen. ” Tja, nur leider klappt das nicht. Warum?
Um seine Demütigung zu überwinden, entwickelt Lindberg ein neues Fernsehformat, das alles Bisherige in den Schatten stellen soll. Er will einen Medienstar der postmodernen Art als Moderator gewinnen: den jüngst aus dem Gefängnis entlassenen Verbrecher Doyen DuChenier. Und das Unglaubliche gelingt: DuChenier wird „Talk der Täter” moderieren, eine Sendung, in der Straftäter in lockerer Atmosphäre über ihre Verbrechen plaudern. Doch was Lindberg erhoffte, stellt sich nicht ein: keine „Natürlichkeit”, keine „Intimität”. Wie auch? Ein abstruser Gedanke. Weniger abstrus allerdings ist die Idee, dass Michael Lindberg genau das fehlen könnte: Natürlichkeit und Intimität.
Es ist das große Wagnis dieses Romans, die Verblendung seiner Hauptfigur bis zum Ende durchzuhalten. Lindberg sucht Intimität dort, wo sie niemals sein kann: in der Öffentlichkeit. Dort aber, wo sie hergestellt werden müsste, findet sie nicht statt. Es gleicht fast einem Slapstick, wie virtuos der 1965 in München geborene Autor sein kreatives Traumpaar aneinander vorbeireden und vorbeileben lässt. Möchte sie reden, dann muss er noch schnell zu einem Medien-Event, ist er endlich so weit, seinen Ego-Panzer ein bisschen zu öffnen, jettet sie nach New York, um ihre neueste Schmuckkollektion für die „Vogue” fotografieren zu lassen.
Weil es Lindberg nicht gelingt, seine Zeugungsunfähigkeit in eine neue „corporate identity” zu überführen, greift er am Ende des Romans zum letzten Mittel. Sich selbst will er noch einmal neu zur Welt bringen: als Medienfigur. Vor laufender Kamera möchte er einen prominenten Politiker mit einer (sicherheitshalber ungeladenen) Pistole bedrohen und ihm die provokante Frage stellen, ob er an Gott glaube. Eine „Tat”, die ihm mit einem Schlag Prominenz verschaffen soll: „Ich werde in Fernsehshows sitzen, ich werde Interviews geben, ich werde meine Biographie schreiben. Ich werde ein Bild sein, das einen Namen trägt. Ein Name, der ein Bild ist.”
Der Autor lässt Michael Lindberg in der Falle seiner verletzten Männlichkeit Amok laufen. Er führt seinen Helden vor. Das ist der Preis für die Wahrhaftigkeit seines Romans. „Autopilot” handelt von männlicher Unfruchtbarkeit, aber auch von einem Narziss im Stadium höchster Selbstverblendung: Er kann nichts mehr begehren außer seinem eigenen Bild. Und träumt davon, es millionenfach vervielfältigt zu sehen. Michael Lindberg ist bereits ein Klon seiner selbst, noch bevor er sich fortgepflanzt hat.
Für das Thema, das seinen Roman bis zum Zerreißen spannt, hat Norbert Kron ein treffendes Sinnbild gefunden: das Fliegen, mit allem, was dazu gehört. „Fliegen heißt, sich in sein Schicksal fügen”. Wir können uns Schicksal nur noch als Fügung in einen technischen Ablauf vorstellen, nicht mehr als ein von Gott gewolltes oder vom Dasein auferlegtes. „Wenn der Autopilot ausfällt, kannst du nur noch beten”, sagt der Vater des Erzählers zu seinem Sohn in jungen Jahren. Der aber sieht das anders: er will der Held sein, der – wie im Film – das Steuer übernimmt, wenn alles zu spät scheint.
MEIKE FESSMANN
NORBERT KRON: Autopilot. Roman. Hanser Verlag, München 2002. 261 Seiten, 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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"Norbert Krons Roman zeigt, daß es eine junge deutsche Literatur gibt, der es um einen so kritischen wie unterhaltsamen Blick auf die gegenwärtige Wirklichkeit geht." (Friedmar Apel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung")