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Der renommierte Ägyptologe Jan Assmann über die politische oder theoretische Legitimation von Herrschaft. Wie seine Studien zu den Wurzeln der Religionen Ägyptens und Israels zeigen, fanden die Staaten- und Rechtsbildungen vor der Entwicklung der religiösen Weltbilder statt. Fundamentale Prinzipien wie Gerechtigkeit, Macht, Solidarität, Schuld, Gesetz und Recht wurden zuerst im Politischen umgesetzt, bevor sie ins Religiöse und Theologische transformiert wurden.

Produktbeschreibung
Der renommierte Ägyptologe Jan Assmann über die politische oder theoretische Legitimation von Herrschaft. Wie seine Studien zu den Wurzeln der Religionen Ägyptens und Israels zeigen, fanden die Staaten- und Rechtsbildungen vor der Entwicklung der religiösen Weltbilder statt. Fundamentale Prinzipien wie Gerechtigkeit, Macht, Solidarität, Schuld, Gesetz und Recht wurden zuerst im Politischen umgesetzt, bevor sie ins Religiöse und Theologische transformiert wurden.
Autorenporträt
Jan Assmann, geboren 1938, hatte von 1976 bis 2003 den Lehrstuhl für Ägyptologie an der Universität Heidelberg inne und leitet seit 1978 ein Grabungsprojekt in Luxor (Oberägypten). Seit 2005 ist er Honorarprofessor für Allgemeine Kulturwissenschaft und Religionstheorie an der Universität Konstanz, außerdem Ehrendoktor verschiedener Universitäten, darunter der Hebrew University, Jerusalem. 1998 erhielt er den Preis des Historischen Kollegs.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.04.2000

Herrschen, das göttliche Geschäft
Wächter der Erinnerung: Jan Assmann studiert die Praktiken der Politischen Theologie – nicht nur im alten Ägypten
Man nennt so etwas gern ein Phänomen. Aus einem der entlegensten Winkel kommend – er ist von Profession Ägyptologe – strahlen die Untersuchungen von Jan Assmann mittlerweile auf das gesamte Feld der Kulturwissenschaften und viele kulturelle Debatten aus. Er ist – geht es um die innere Verfasstheit unserer Gesellschaft, ihre prägenden Erinnerungsspuren – zu einer bestimmenden Figur, zu einem Meinungsführer geworden. Und für manchen ist er sogar zu einer Art wissenschaftlichem Sinnstifter avanciert. Das mag auch daran liegen, dass Assmann ein großer Stilist ist. Er verknüpft die große deutsche hermeneutische Tradition und neuere Kulturtheorien mit einer Mischung aus Klarheit und Geschmeidigkeit, die von souveräner Stoffdurchdringung Zeugnis gibt.
Zu einem Wächter der Erinnerung wurde Assmann wohl noch aus einem anderen Grund. Als er, in seinem letzten Buch Moses der Ägypter, über den Gründer des Judentums schrieb, wurde das im Subtext und scheinbar nebenbei für alle Mitglieder monotheistischer Kulturen zu einer grundlegenden Erzählung über die Frage aller Fragen. Assmann erzählte uns, wer wir sind, weil er erzählte, woher kommt, was wir glauben oder geglaubt haben.
Das neue Buch heißt Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Altägypten, Israel und Europa. Wer nun glaubt, dass Assmann hier aufs Ganze geht, dass er seine Untersuchungen in die Geschichte des modernen Europa weitertreiben würde, sieht sich zunächst enttäuscht. Erneut beschränkt sich Assmann auf Altägypten mit gelegentlichen Ausflügen nach Israel. Von den vier Teilen des Buches beschäftigen sich zwei mit der Herrschafts- und Gesellschaftsform Ägyptens, der vierte nimmt die Thesen von Moses der Ägypter auf.
Der erste Teil aber ist ein Vortrag den Assmann 1991 vor der Münchner Carl Friedrich Siemens Stiftung gehalten hatte. Hier formuliert er nicht nur seine Revision des traditionellen Ägyptenbildes: Der Pharaonenstaat war keine Despotie sondern ein Staat, der unter dem Leitbild kosmischer Gerechtigkeit, der sogenannten Ma’at, funktionierte und dadurch „vertikale Solidarität” verwirklichte. Assmann stellt diesem Ägypten nicht nur das sich emanzipierende Israel gegenüber, er setzt seine Forschungen auch in Beziehung zu Carl Schmitts berüchtigter politischer Theologie. Und da wird sein Buch nun doch aktuell.
Israel setzte an die Stelle des Königs das Volk. Dieses Volk verbündete sich mit Gott über einen Vertrag. Diese neue Beziehung zwischen Mensch und Gott ist für Assmann entscheidend: „Der politische Vertrag als Modell einer neuen Bestimmung des Beziehungsgeflechts von Gott, Volk und Individuum steht am Ursprung einer neuen Form von Religion, die nicht mehr in den politischen Ordnungen und Institutionen repräsentiert wird, sondern als eigenständige Ordnung neben der politischen Ordnung, ja zuweilen ihr kritisch entgegensteht. Dieser Schritt, den Israel im Bilde des Exodus formt und kommemoriert, ist die entscheidende Theologisierung des Politischen, die alle anderen Theologisierungen fundiert. ”
Wer sich etwa gefragt hat, warum ihm Israel näher oder sympathischer erscheint als Ägypten, oder warum Carl Schmitt die Schuld an der Auflösung der Einheit von Religion und Staat den Juden gegeben hat, hat hier die Grundlage für eine Antwort. Israel zerstörte eine vorhandene Einheit, zugunsten eines Gottes, dem man persönlich nah sein konnte, der nicht in Bildern repräsentiert werden, dafür in Schriftform vergegenwärtigt werden durfte, der aber auch beleidigt sein konnte und an dem man sich durch Untreue versündigen konnte. In dieser von Assmann sehr deutlich beschriebenen Verschiebung, Personalisierung und Beziehungsneufassung dürften sogar die heutigen Möglichkeiten der Kritik an der eigenen Gemeinschaft, die Individualisierung und die moderne Identitätsproblematik ihre geschichtlichen Wurzeln haben. Das wird jedoch weder ausgeführt noch angedeutet.
Hier liegt das erklärende und sinnstiftende Potential von Assmanns Überlegungen zu Gedächtnis und Gesellschaft. Auf dieser Schwelle stand Moses beim Auszug aus Ägypten, auf dieser Schwelle bewegte sich auch Sigmund Freud mit seinem Buch über jenen Moses und die monotheistische Religion. Freud erschien die Entdeckung der historischen Figur des Pharaos Echnaton, der in Ägypten eine monotheistische Religion etabliert hatte, wie eine Antwort auf seine Frage nach dem Schuldkomplex im Judentum. Indem er Moses zu einem Jünger Echnatons machte, meinte er die Wurzeln des Judentums und eine Lösung vieler ihn bedrängender Fragen gefunden zu haben. Der Monotheismus, mit dem sich automatisch die Frage nach wahrer und falscher Religion stellte, war bei Freud erstmals als der Sündenfall der Religion sichtbar geworden.
Assmann geht einen Schritt weiter. Für ihn ist Moses nicht eine geschichtliche Gestalt, sondern eine Figur der Erinnerung: in Moses und Echnaton fließen zwei Erinnerungsströme zusammen, zwischen denen eine gesellschaftliche Umschichtung und Sinnneufassung – Assmann nennt es „Umbuchung” – stattgefunden hat, die ihren Ausdruck dann in divergenten, sich widersprechenden Religionen gefunden hat. Diese Figur der „Umbuchung” stellt Assmann mit Herrschaft und Heil nun in den Horizont der politischen Theologie. Auf der Bühne des israelitischen Auszugs aus Ägypten entfaltet er die Auseinandersetzung zwischen konservativen und liberalen Gesellschaftsauffassungen, man könnte auch sagen zwischen Machtpolitik und kommunikativem Handeln, zwischen Carl Schmitt und Jürgen Habermas.
Assmann bewegt sich mit seiner dezidiert historischen, nicht normativen Studie auf dem Feld, das den Reiz von Schmitts Überlegungen ausmachte. Die großen Begriffe, Herrschaft, Gesellschaft, Recht, werden noch einmal neu durchdacht. Schmitts Politikentwurf ist ja weniger durch das bekannte Muster von Freund und Feind provozierend und faszinierend als durch seine Ablehnung einer säkularisierten Politikauffassung und damit auch des demokratischen Verfahrens. Schmitt wollte Herrschaft tiefer begründen. Assmann nun historisiert quasi Schmitts normative Setzung. Er betrachtet unter dem Begriff der politischen Theologie fast alle Bereiche der Gesellschaft und nimmt Schmitts Zuspitzung auf die Machtfrage – Herrschen sei letztlich ein göttliches Geschäft – damit ihre Schärfe. Und er dreht das Verhältnis von Religion und Politik um. Immer wieder zeigt er für Altägypten, dass Politik nicht säkularisierte Religion, sondern Religion sakralisierte Gesellschaft ist. Die gesellschaftliche Welt, so Assmanns These, bestimmt den Sinn, „der die Vorstellungen von Zeit, Schicksal und Geschichte organisiert”.
Was aber bringt diese Umkehrung über eine Entdämonisierung Carl Schmitts hinaus? Grundsätzlich steht auch bei Assmann Ägypten für die Ungeschiedenheit, Israel für die Trennung von Herrschaft und Heil. In den besten Passagen seines Buches verbindet er ohne Zweifel die Faszination an der archaisierenden Gedankenwelt von Schmitt mit der zivilen Aufgeklärtheit von Habermas. Dieser Schachzug gelingt, weil Assmann sich nicht nur den vertikalen Machtstrukturen, sondern auch den horizontalen Beziehungsstrukturen der Gesellschaft widmet. Merkwürdig an Herrschaft und Heil bleibt aber: Als aufgeklärter Historiker steht Assmann eindeutig auf der Seite von Habermas (und damit implizit von Israel), als sich identifizierender Vergegenwärtiger vergangener Welten auf der Seite Ägyptens. Man spürt immer wieder, dass er quasi mit jenem Ägypten sympathisiert, das viel später Modell konservativer Staatstheorien werden sollte. Wie dieser Widerspruch zu lösen ist, bleibt auch bei Jan Assmann eine offene Frage.
PETER MICHALZIK
JAN ASSMANN: Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Altägypten, Israel und Europa. Carl Hanser Verlag, München 2000. 340 Seiten, 45 Mark.
Das ist New York, New York, gesehen von Arnold Newman. Seit den Dreißigern hat er, für Life und Look und viele andere Zeitschriften, seine großen Zeitgenossen im Bild festgehalten, in rigoroser Komposition. Strawinsky zum Beispiel (unser Foto: „studying score”, 1966) oder Picasso (sein Auge im Schlitz), Kennedy und Capote, Duchamp und Cartier-Bresson, Stockhausen und Adenauer, Garfield und Monroe . . . (Arnold Newman, Taschen-Verlag, Köln, 276 Seiten, 49,90 Mark. )
Foto: Verlag
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2000

Ramses, der da genannt wird der reichlich Berappende
Urgeschichte der Aufklärung: Jan Assmann entdeckt die Anfänge der politischen Schuldkultur im alten Ägypten

Nicht jeder Geistesarbeiter ist ein Intellektueller. Steuerberater und Notare pflegen es nicht zu sein, und auch bei vielen Wissenschaftlern fehlt es an Ambitionen in dieser Richtung. Assyriologen und Ägyptologen beispielsweise bevorzugen Themen wie "Gartenbauflüche des Asarhaddon" und zeigen oft wenig Neigung, sich mit dem zu befassen, was nach Max Weber den Intellektuellen ausmacht: die Konzeption der Welt als eines Sinn-Problems.

Dass man gleichwohl auch als Ägyptologe Intellekteller sein kann, beweist Jan Assmann seit vielen Jahren. Auch sein jüngstes Buch belegt dies auf eindrucksvolle Weise. Es geht um politische Theologie in Altägypten, Israel und Europa und damit zugleich um eine These, die Carl Schmitt in einer klassischen Schrift aufgestellt hat: dass alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre säkularisierte theologische Begriffe seien. Assmann bestreitet diese These nicht, will aber zeigen, dass sie eine Vorgeschichte hat. In ihr, so der Leitgedanke des Buches, habe sich Religion fundamental gewandelt, von einer primären, nicht ausdifferenzierten Form zu sekundärer, durch die Unterscheidung von Wahr und Falsch bestimmter Religion; und dieser Wandel habe seinerseits politische Ursachen, resultiere aus der theologischen Überhöhung, Zuspitzung und Verschärfung genuin weltlicher, politischer Konstellationen. Der Ort, an dem sich dieser Wandel zuerst erfassen lasse, sei der ägyptisch-vorderasiatische Raum; die Zeit: die Bronzezeit.

Das alte Ägypten gehört nach Assmann zu den Kulturen, in denen Religion primär, das heißt Grundbedingung menschlichen Daseins ist. Allerdings ist hier das Göttliche nicht mehr unmittelbar anwesend, sondern nur noch mittelbar, im Pharao, im Staat, im Kult und vor allem: in den Bildern, die das Göttliche repräsentieren. Der Typus der politischen Theologie, der hier dominiert, ist demnach eine Theologie der Repräsentation, die institutionelle Umsetzung eine Einheit von Staat und Kirche, deren oberste Spitze die politische und religiöse Führung in einer Hand vereinigt.

Wo die Einheit nur mehr mittelbar existiert, können sich die einzelnen Glieder leicht verselbstständigen. Schon das Alte Reich kennt eine deutliche Unterscheidung von Recht und Kult, von politischer und religiöser Handlungssphäre, die zwar noch von der Ma'at, der Idee einer allumfassenden, kosmischen Gerechtigkeit, überwölbt wird, jedoch nichtsdestoweniger das Potenzial für dualistische Tendenzen enthält. Andere Anzeichen in Richtung einer Depotenzierung der primären Religion macht Assmann in der Herausbildung einer "Schuldkultur" aus, die den Horizont synchroner Interaktion um Vorwelt und Nachwelt erweitert, dem Menschen ein Gedächtnis und ein Gewissen macht und dadurch Individualisierung begünstigt; in der Sakralisierung, die die alltäglichen Normen durch die Idee des Totengerichts erfahren, die eine verantwortliche Lebensführung fördert; in der (allerdings erst spätzeitlichen) Theologisierung der Fremdheit, durch die das Eigene geheiligt, das Fremde dämonisiert wird; und nicht zuletzt in der Erfahrung einer ikonoklastischen Antireligion, wie sie mit Echnaton und dem Monotheismus der Amarna-Periode verbunden ist.

So tief greifend indes diese letztere Erfahrung auch gewesen sein dürfte, der wirkliche Bruch, der Schritt von der primären zur sekundären Religion, ist nicht in Ägypten, sondern in Israel vollzogen worden. Zwei genuin politische Voraussetzungen waren dafür entscheidend. Zum einen die Existenz einer akephalen, segmentären Gesellschaft, die sich in polemischer Gegenstellung zu den Staaten der damaligen Welt, insbesondere zum monokratisch-bürokratischen Staat Ägyptens, formte. Zum andern der übermächtige Eindruck, den ebendiese Staaten auf ein so kleines und schwaches Gemeinwesen wie Israel machen mussten. Der antistaatliche, gleichwohl politische Impuls zeigte sich in der Ersetzung Pharaos durch einen transzendenten Gott; der übermächtige Eindruck in der Idee, die Beziehungen dieses Gottes zu seinem Volk nach dem Modell des Bündnisses zwischen einem imperialen Staat und einem Vasallenstaat zu gestalten.

Genau dies ermöglicht die Geburt der (sekundären) Religion aus dem Geiste des Politischen: die Formen des Vertrages und des Rechtsbuches werden aus der soziopolitischen Sphäre in die Sphäre der Gottesbeziehung getragen, ursprünglich politische Loyalitäten gleichsam umgebucht, dem Konto religiöser Beziehungen gutgeschrieben. Das Göttliche existiert nun nicht mehr im Zustand der Repräsentation, in der vom Pharao geleiteten Staat-Kirche, sondern rein und unmittelbar; es ist nicht mehr in Bildern, Zeremonien und Monumenten gegenwärtig, sondern in Gestalt einer gebietenden Stimme, schriftlich niedergelegter Regeln sowie eines auserwählten Volkes, eines "Gottesvolkes", das als Vertragspartner des Einen Gottes agiert. Die Auswirkungen, die dies auf den Prozess der "Entzauberung" (Max Weber) hatte, sind schwerlich zu überschätzen.

Es liegt in der Natur eines jeden die Fachgrenzen überschreitenden Werkes, dass einzelne Urteile bestreitbar sind. Mit Blick auf die chinesische und spätrömische Geschichte mag man etwa die Behauptung bezweifeln, dass Gesetzeskodifikationen nur dort möglich seien, wo es kein Königtum gibt; mit Blick auf die durchaus nach außen gerichteten Rache- und Herrschaftsfantasien der vorexilischen Propheten die These, allein das Judentum habe es verstanden, den Monotheismus von einer Theologie der Gewalt freizuhalten. Die Geschichte des bronzezeitlichen Palästina sollte nicht auf die einer akephalen Stammesgesellschaft reduziert werden, und was die von Assmann versprochene Aufhebung und Verengung betrifft, die der Begriff des Politischen bei Carl Schmitt erfahren habe, so könnte es sehr gut sein, dass die vorgeschlagene Definition - das öffentliche Eintreten für Ziele, "die eine wie immer zu bestimmende überpersönliche Identität und Interessenlage betreffen" - eher die Aufhebung einer Fehldeutung und die Gewinnung eines adäquateren Schmitt-Verständnisses leistet (was nicht schon heißt: des Politischen).

Das alles aber sind Petitessen, die wenig wiegen angesichts der vielfältigen Anregungen, die dieses Buch auf beinahe jeder Seite bietet. Dass eine so fremde und für den Laien so unverständliche Kultur wie die ägyptische so viele Hinweise und Botschaften auch für das Selbstverständnis später Abendländer enthält, ist ein Ergebnis, das man immer wieder mit Staunen und Verblüffung zur Kenntnis nimmt. Durch Jan Assmann ist Ägypten, ist die Ägyptologie zum Teil unserer eigenen "Sinngeschichte" geworden.

STEFAN BREUER.

Jan Assmann: "Herrschaft und Heil". Politische Theologie in Altägypten, Israel und Europa. Carl Hanser Verlag, München 2000. 344 S., geb., 49,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

An dieser breit historisch angelegten Studie Altägyptens aus der Feder des "großen Stilisten" interessiert Peter Michalzik in einer ausführlichen Besprechung vor allem die Auseinandersetzung, die Assmanns Arbeit mit der "berüchtigten politischen Theologie" Carl Schmitts ermöglicht. Während für Freud die Entdeckung des ägyptischen, durch Echnaton eingeführten Monotheismus der "Sündenfall" ist und ihm die Frage nach dem Schuldkomplexes des Judentums klären half, geht Assmann, schreibt Michalzik, "einen Schritt weiter". Indem er nämlich den historischen Moment des Übergangs von Echnaton zu Moses als Auseinandersetzung zwischen konservativer und liberaler Gesellschaftsauffassung entwirft, "historisiert" er Schmitts "normative Setzung" einer höheren, göttlichen Rechtfertigung von Herrschaft. Michalzik ist fasziniert von dieser dem Autor gelungenen Ersetzung der Schmittschen "Politik als säkularisierte Religion" durch die Idee einer "Religion als sakralisierte Gesellschaft". Dennoch findet der Rezensent bemerkenswert, wie sich die Sympathie des Autors recht gleichmäßig auf beide Seiten verteilt - hier Ägypten, das für Schmitt, und da Israel, das gewissermaßen für Habermas stehen kann - und keine Lösung des Widerspruchs findet.

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"Durch Jan Assmann ist Ägypten, ist die Ägyptologie zum Teil unserer eigenen "Sinngeschichte" geworden." Stefan Breuer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.03.00 "Man nennt so etwas gern ein Phänomen. Aus einem der entlegensten Winkel kommend - er ist von Profession Ägyptologe - strahlen die Untersuchungen von Jan Assmann mittlerweile auf das gesamte Feld der Kulturwissenschaften und viele kulturelle Debatten aus. Er ist - geht es um die innere Verfasstheit unserer Gesellschaft, ihre prägenden Erinnerungsspuren - zu einer bestimmenden Figur, zu einem Meinungsführer geworden." Peter Michalzik, Süddeutsche Zeitung, 01.04.00 "Assmann ist ein großer Stilist. Er verknüpft die große deutsche hermeneutische Tradition und neuere Kulturtheorien mit einer Mischung aus Klarheit und Geschmeidigkeit, die von souveräner Stoffdurchdringung Zeugnis gibt." Peter Michalzik, Süddeutsche Zeitung, 01.04.00 "Diese Methode, von souveräner Gelehrsamkeit, gedanklicher Klarheit und ungewöhnlicher Darstellungsfähigkeit gestützt, hat Assmann mit Recht allgemeine Aufmerksamkeit verschafft." Heinz Schlaffer, Frankfurter Rundschau, 22.03.2000