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»Hier ist endlich der polnische Roman, auf den wir alle gewartet haben. Abartig, intelligent, bewegend, lustig, ironisch (und selbstironisch)!« Krzysztof Maston in 'Rzeczpospolita'
Der Held dieses Buches ist ein rechter Schlemihl. Während sein Vater erst ein tapferer Soldat und dann ein pflichtbewusster Angestellter war, der keinen Tag in der pharmazeutischen Abteilung seines Krankenhauses gefehlt hat, und seine Mutter, die eigentlich Konzertpianistin und Dichterin werden wollte, große Hoffnungen für ihren Sohn hatte, sitzt dieser auch mit 46 Jahren noch den lieben langen Tag in seiner…mehr

Produktbeschreibung
»Hier ist endlich der polnische Roman, auf den wir alle gewartet haben. Abartig, intelligent, bewegend, lustig, ironisch (und selbstironisch)!« Krzysztof Maston in 'Rzeczpospolita'

Der Held dieses Buches ist ein rechter Schlemihl. Während sein Vater erst ein tapferer Soldat und dann ein pflichtbewusster Angestellter war, der keinen Tag in der pharmazeutischen Abteilung seines Krankenhauses gefehlt hat, und seine Mutter, die eigentlich Konzertpianistin und Dichterin werden wollte, große Hoffnungen für ihren Sohn hatte, sitzt dieser auch mit 46 Jahren noch den lieben langen Tag in seiner winzigen, mit Büchern vollgestopften Warschauer Wohnung, beobachtet seine Nachbarn, spekuliert an der Börse und denkt ergebnislos über die »Sprache der Zukunft« nach.

Der Roman spielt an einem einzigen Tag, knapp zehn Jahre nach dem Ende des Kommunismus in Polen. Der 17. Januar ist der Jahrestag der "Befreiung" Warschaus durch die Rote Armee und der letzte Arbeitstag seines Vaters, aber warum dieser Tag auch für Zbigniew Hintz der wichtigste Tag seines Lebens sein wird, erfährt der Leser erst am Schluss dieses mit feinem Humor geschriebenen Romans, der die symbolfixierte Befindlichkeit der polnischen Intelligentsija und die unglückliche Vergangenheit dieses Volkes in nuce erfasst.
Autorenporträt
Mentzel, Zbigniew
Zbigniew Mentzel, geboren am 20. April 1951 in Warschau, studierte polnische Philologie, war bis zum 13. Dezember 1981, als in Polen das Kriegsrecht eingeführt wurde, Assistent an der Warschauer Universität und schrieb für Polityka. Anschließend arbeitete er für den Londoner Exilverlag Puls. Nach dem Ende des Kommunismus in Polen wurde er Repräsentant des Verlagshauses in Polen und Herausgeber der Zweimonatsschrift 'Puls'. Er ist Verfasser zweier Erzählbände und einer satirischen Chronik des kulturellen Lebens in den letzten Monaten der Volksrepublik Polen. Seine Haupteinnahmequelle sind Börsenspekulationen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2006

Intellektuelle Impotenz
Zbigniew Mentzel erzählt witzig-ironisch von Sprachlosigkeit

Dieser Mann hat nichts Charismatisches, nichts Magisches an sich, und doch zieht er den Leser dermaßen in seinen Bann, als verkündete er eine ultimative Lebensweisheit nach der anderen. Dabei sind Reife und Erfahrung genau das, woran es Zbigniew Hintz - so der Name des Hauptprotagonisten in Zbigniew Mentzels Debütroman - trotz seiner sechsundvierzig Jahre immer noch fehlt. Im Grunde ist er ein notorischer Versager und Pechvogel. Früher hat er als Journalist und Literaturkritiker gearbeitet, heute geht er aber kaum noch aus seiner kleinen, mit Büchern und Zeitungen vollgestopften Warschauer Wohnung, wo er seine Tage mit kleinen Börsenspekulationen, banalen Alltagsritualen, Ausschneiden von alten Zeitungsartikeln und vor allem mit der Grübelei über sich und sein mißratenes Leben füllt.

Der Tag, an dem die Handlung des Romans spielt, ist allerdings ein besonderer Tag. Hintz soll seinem zweiundachtzigjährigen Vater, der jahrzehntelang im städtischen Krankenhaus als Apotheker gearbeitet hat und nun aus dem Dienst scheidet, einen Gefallen tun: Er soll den alten Herrn samt selbstgemachten Kuchen und Keksen zu seiner Abschiedsfeier fahren - für jeden halbwegs praktisch Veranlagten eine Lappalie, für ihn, einen realitätsfremden Intellektuellen, aber eine Herausforderung, die ihn in einen besonderen Zustand versetzt: Auf die plötzliche Störung seines gewohnten Tagesablaufs reagiert er mit innerer Anspannung, und diese wiederum setzt eine Menge Erinnerungen und Gedanken frei.

In kurzen, reflexartig beschworenen Bildern erinnert er sich an die Zeit seines Heranwachsens im kommunistischen Polen, an das spezifische Klima der fünfziger und sechziger Jahre, an die Absurditäten des Regimes. Und vor allem an sein Elternhaus, die dort herrschende Atmosphäre der Enttäuschung und Resignation, die häufigen Spannungen zwischen Vater und Mutter, die den Mangel an gegenseitiger Liebe und Achtung durch überhöhte Erwartungen an den Sohn kompensierten. Es war in erster Linie die Mutter, die in ihm beharrlich ein hochbegabtes Kind sehen und aus ihm abwechselnd einen berühmten Pianisten, Rezitator, Fernsehstar und - für den Fall, daß alle Stricke reißen und er im Ausland sein Glück suchen müßte - einen Polyglotten machen wollte.

Wenigstens den letzteren Wunsch wollte Hintz ihr erfüllen, doch obwohl er sich sehr bemühte - er lernte halbe Wörterbücher auswendig und verbrachte mehrere Monate in England -, hat er bis heute keine einzige Fremdsprache gelernt. Er hat oft nach den Gründen seiner "Sprachlosigkeit" gesucht, doch erst, als ihm eine Episode aus der Zeit in London einfällt, in der er weder einer Amerikanerin noch einer Polin verbal gerecht werden konnte, begreift er: "Wie sollte ich in einer fremden Sprache reden, wenn ich die eigene nicht konnte?"

Das ist es also: Zbigniew Hintz - und mit ihm seine ganze Generation, wie der Autor suggeriert - leidet an akuter Unfähigkeit zu kommunizieren, sich mitzuteilen, für sich und sein Lebensgefühl adäquate Ausdrucksmittel zu finden. Doch die Gründe seiner Blockade sind weder philologischer noch philosophischer Natur; vielmehr liegt es an den besagten historischen, politischen und familiären Koordinaten seiner Existenz. Nicht zufällig spielt die Handlung am 17. Januar 1997, am Jahrestag der Befreiung Warschaus durch die Rote Armee und knapp zehn Jahre nach dem Sturz des Kommunismus. Die Geschichte ist in diesem Roman allgegenwärtig und schreibt sich auch seit Generationen in die Schicksale der Familie Hintz ein.

Dieses Hineingreifen ist oft bis in die Gegenwart spürbar. Seine Wohnung etwa verdankt Zbigniew einem Familienerbstück: einer goldenen "Traueruhr", die seine Ururgroßmutter im Andenken an den Januaraufstand von 1863 gekauft hat. Die gereizte Atmosphäre in seinem Elternhaus ging wiederum auf die Kapriolen der neueren Geschichte zurück - auf die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und die anschließende jahrzehntelange Demütigung durch den Kommunismus. Der Vater, ein ehemaliger Offizier, erfüllte seine Apothekerpflichten mit eiserner Disziplin, in seinem sonstigen Alltag legte er eine Mischung aus Resignation und Selbstzufriedenheit an den Tag. Die Mutter gab sich zwar rebellischer, allzuweit kam sie damit aber auch nicht. Die Strapazen des kommunistischen Alltags, das Leben an der Seite des ungeliebten Ehemanns und der nie verwundene Tod ihrer Jugendliebe haben auch sie traurig, mutlos und bitter gemacht. Und da sind schließlich die neuesten Kapitel der Zeitgeschichte, die der Protagonist am eigenen Leib erfahren hat: die volksrepublikanische Realität, der Sturz des Regimes, der unsanfte Übergang von den kommunistischen zu den kapitalistischen Spielregeln.

All das hat Hintz zu einem "defekten", weitgehend identitätslosen Menschen gemacht. Seine Suche nach der eigenen Stimme wird nicht zuletzt durch zwei Träume symbolisiert, die den Anfang und das Ende dieses sorgfältig komponierten Romans bilden. Der erste ist ein Albtraum: Hintz sieht darin "unzählige menschliche Zungen, die Toten und Lebenden herausgerissen wurden, Zungen, aus denen unsichtbare Hände ein Gebilde in Form einer Pyramide entstehen ließen". Der Schlußtraum hingegen ist "wunderschön": Eine Stimme fordert Hintz auf, zu sprechen, alles zu sagen, was er schon immer sagen wollte - und auf einmal kann er es. Mit Verve und Eloquenz erzählt er davon, "was mir an diesem Tag passiert war", und davon, "was mir in meinem ganzen Leben passiert war". Er spricht polnisch, ihm ist aber, "als würde ich in allen Sprachen der Welt sprechen".

Sein Erfolg ist von kurzer Dauer, wie es scheint - es ist ja nur ein Traum. Doch auf der anderen Seite: Nimmt er mit allem, was er in diesem Traum erzählt, nicht den Roman "Alle Sprachen dieser Welt", diese wunderbar geschriebene, klug-ironische Chronik einer intellektuellen Impotenz, vorweg?

Durch diese letzte scherzhafte Volte schmelzen plötzlich der Autor, Zbigniew Mentzel, und sein literarischer Held, Zbigniew Hintz - den er ohnehin von der ersten Seite an unmißverständlich als sein Alter ego präsentierte - zusammen. Der eine konnte sich von Anfang an über Mangel an Erfolg nicht beklagen - dies verdankt er seinen beiden Sammlungen literarischer Skizzen, die er 1998 und 2001 publizierte, und vor allem seinen Feuilletons, die in "Rzeczpospolita" und "Tygodnik Powszechny" erscheinen -, der andere hat offenbar gerade seine Krise überwunden. Sollte der Roman "Alle Sprachen dieser Welt" im Oktober auch noch den renommierten Nike-Preis bekommen (für den er nominiert ist), wird die Verbindung der beiden Herren zu einem wahren Triumph.

MARTA KIJOWSKA

Zbigniew Mentzel: "Alle Sprachen dieser Welt". Roman. Aus dem Polnischen von Paulina Schulz. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2006. 176 S., br., 12,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hellauf begeistert ist Marta Kijowska von diesem Roman des polnischen Feuilletonisten Zbigniew Mentzel. Seinen Helden, Zbigniew Hintz, findet sie einfach großartig und beschreibt ihn uns als einen alltagsuntauglichen Intellektuellen, einen "Versager und Pechvogel", dessen Leben komplett missraten ist. Er spricht keine Fremdsprachen, und auch im Polnischen kann er nicht wirklich kommunizieren. Selbst die Bitte seines betagten Vaters, ihn zu einer Feier zu bringen, überfordert den Mann. Die Blockade des Mannes erklärt Kjowska mit den historischen, politischen und familiären Koordinaten polnischer Begebenheiten: Aufgewachsen im kommunistischen Nachkriegspolen, aufgezogen von einer verbitterten Mutter, die ihren Mann nicht liebt, führt er nun im kapitalistischen Polen eine "identitätslose" Existenz. "Wunderbar geschrieben" findet Kijowska diese "klug-ironische Chronik einer intellektuellen Impotenz", die sie für die höchsten Literaturpreise empfehlen kann.

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