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Ein reich kommentiertes klassisches Zeugnis einer kritischen und illusionslosen 'Italienischen Reise', authentisch und intim dokumentiert in Briefen und Tagebuchaufzeichnungen 1788 -1789.
Knapp zwei Monate nach der Rückkehr Goethes aus Rom brach dessen älterer Freund Johann Gottfried Herder im August 1788 nach Italien auf. Er fand allerdings weder Goethes "Arkadien" noch die persönliche Bereicherung, die er erhofft hatte, vielmehr erfuhr er sich als Nordländer, dem die unbeschwerte Sinnlichkeit des Südens für immer fremd blieb. Seine fast einjährige 'Italienische Reise' wird damit zum…mehr

Produktbeschreibung
Ein reich kommentiertes klassisches Zeugnis einer kritischen und illusionslosen 'Italienischen Reise', authentisch und intim dokumentiert in Briefen und Tagebuchaufzeichnungen 1788 -1789.

Knapp zwei Monate nach der Rückkehr Goethes aus Rom brach dessen älterer Freund Johann Gottfried Herder im August 1788 nach Italien auf. Er fand allerdings weder Goethes "Arkadien" noch die persönliche Bereicherung, die er erhofft hatte, vielmehr erfuhr er sich als Nordländer, dem die unbeschwerte Sinnlichkeit des Südens für immer fremd blieb. Seine fast einjährige 'Italienische Reise' wird damit zum klassischen Beispiel einer kritischen, illusionslosen Italienerfahrung.

Gerade weil Herder im Gegensatz zu Goethe und Seume seine Reise nicht in einer eigenständigen Beschreibung festhielt, entsteht in der Zusammenschau von Tagebuch, Notizen und Briefwechsel - mit Frau Caroline und den Kindern, mit dem Herzogshof in Weimar und Freunden und Bekannten - , eine eindringliche und unstilisierte Darstellung. Kein Italienerlebnis eines Deutschen ist in ähnlich intimer und authentischer Weise dokumentiert.

Zum 200. Todestag von Johann Gottfried Herder am 18.12.2003 erscheint diese seit langem vergriffene Originalausgabe erneut bei dtv: ein reich kommentiertes klassisches Zeugnis einer kritischen und illusionslosen 'Italienischen Reise', authentisch und intim dokumentiert in Briefen und Tagebuchaufzeichnungen 1788 -1789.
Autorenporträt
Johann G. von Herder, geb. am 25. August 1744 Mohrungen, Ostpreußen, gest. 18. Dezember 1803 in Weimar, wuchs als Sohn des Kantors und Schullehrers Gottfried Herder und dessen zweiter Ehefrau Anna Elisabeth Peltz in bescheidenen Verhältnissen auf. Er entschied sich im Jahr 1762 nach Königsberg zu gehen und Chirurg zu werden. Erkannte jedoch, dass er für diesen Beruf ungeeignet war und schrieb sich als Student der Theologie an der Universität in Königsberg ein. In den Jahren 1762-64 besuchte er Vorlesungen über Astronomie, Logik, Metaphysik, Moralphilosophie und Mathematik bei Immanuel Kant. Bereits während des Studiums schrieb Herder Essays über philosophische Themen und sowie Gedichte. 1764 wurde er als Aushilfslehrer an die Domschule nach Riga berufen, wo er bis 1769 blieb und in eine Loge des Freimaurerbunds aufgenommen wurde. In dieser Zeit entstanden seine ersten größeren Veröffentlichungen zur Sprachphilosophie, die sein Freund Johann Friedrich Hartknoch verlegte. Herder postulierte, dass die literarischen Erzeugnisse aller Nationen durch den besonderen Genius der Volksart und Sprache bedingt seien. Zusammen mit Christoph Martin Wieland, Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller zählt Herder zum klassischen 'Viergestirn' von Weimar. Aus seiner Ehe mit Maria Caroline Flachsland stammten sechs Söhne und eine Tochter.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.12.2003

Sieben Hügel des Unmuts
Zu Herders 200. Todestag: Eine fatale Italienreise
Im November 1537 hatte Ignatius von Loyola, der Begründer des Jesuitenordens, auf seiner Reise nach Rom, kurz vor dem Erreichen des Ziels, in dem Flecken La Storta seine Vision Christi mit dem Kreuz. Im September 1788 machte Johann Gottfried Herder, Generalsuperintendent in Weimar, auf seiner Reise nach Rom ebenfalls in La Storta Station. Er befand sich, wieder einmal, auf einem Gipfel des Unmuts. Schon in Deutschland hatten die Querelen begonnen. Zwar hatte ihn der adlige Domherr Johann Friedrich von Dalberg mit den überschwänglichsten Komplimenten für sein schriftstellerisches und philosophisches Werk zu der Reise nach Italien eingeladen, aber als es dann ans Bezahlen ging, zeigte er sich mehr als einmal ausweichend. Und davon, dass Dalberg von seiner Geliebten begleitet sein würde, die an das Geld- wie das Zeitbudget der Reisenden einige Ansprüche stellte, war im Vorhinein nicht die Rede gewesen.
Nun aber war man kurz vor Rom, und Herder wandte einige Mühe auf, sich „diesem Abgrunde der alten Welt” mit der „wunderbaren Erwartung” zu nähern, die ihm angemessen und vielleicht in der Lage war, den Unmut in Schach zu halten. Als äußeres Zeichen der Bereitschaft zur inneren Wandlung ließ er sich von seinem Bedienten Werner rasieren. Aber, so schreibt er einige Wochen später, in einem der vielen, vielen Briefe an seine Frau Caroline, über diese Szene, „mein Gemüt war ahndungsfähig und siehe da, Werner schneidet mich zum erstenmal.” Und fügt hinzu: „Ich fühlte und wußte nicht was; nun weiß ichs.” Bei der missglückten Rasur hätte es das ungünstige Schicksal eigentlich belassen können. Aber es setzte noch einen drauf: „Traurig und äußerst bekümmert gehe ich drauf und setze mich in den Schatten vor einer Kapelle nieder, ganz unfähig, auch nur das Auge aufzuschlagen. Dalberg kommt und über mir steht: ego tibi Romae propitius ero / ich will Dir in Rom günstig sein. Worte, die Ignatius gehört haben sollte auf dem Ort, als er bekümmert nach Rom ging.”
Odysseus ohne Sirenen
In Rom aber geriet Herder auf immer neue Gipfel des Unmuts. Er blieb der Stadt fremd, sie ihm. Je länger er in Italien war, desto hartnäckiger definierte er sich als Deutscher. Dass es ihm gelegentlich, vor allem in Tivoli und bei dem Abstecher nach Neapel Anfang 1789, anders, freundlicher erging, änderte wenig am Ganzen: in ihrem Zentrum, Rom, missglückte Herders Italienreise insgesamt. Ein Hinweis darauf ist, dass Herder diese Reise zwar gemacht, aber, anders als Goethe, keine „Italienische Reise” geschrieben hat. Als er am 18. Dezember 1803 starb, war, was er ihr an Schriftlichem abgewonnen hatte, im Nachlass verstreut. Die Korrespondenz mit seiner Frau Caroline und seinen Söhnen, die Briefe von und an Goethe, Knebel, den Herzog und andere Adressaten aus dem Weimarer Kreis, in den dieser Reisende aus dem Norden im Süden stets gebannt blieb. Die Briefe Herders an Caroline hat Henrich Düntzer 1859 erstmals publiziert. Walter Dietze und Ernst Loeb haben fügten 1980 in ihrer Ostberliner Ausgabe neben dem schmalen Reisetagebuch einige Briefe aus den übrigen Korrespondenzen hinzu. Die nun pünktlich zum heutigen 200. Todestag Herders erschienene, kundig kommentierte Edition von Albert Meier und Heide Hollmer übertrifft beide Vorgänger.
Das Zauberwort, unter das Goethe Jahrzehnte später seine „Italienische Reise” stellte, deren zweiter Teil wie der „Faust II” ihn bis ins hohe Alter begleitete, war schon im Sommer 1788, kurz nach der Rückkehr, gefunden: „Wiedergeburt”. Es wird Herder kaum zufällig in den Sinn gekommen sein, als er an seinem Geburtstag, dem 25. August 1788, an seine Frau schrieb und „Deinen Segen zu meiner Wiedergeburt u. Reise” erbat. Es war Herders 44. Geburtstag, Goethe, in unmittelbarer Nachbarschaft, am 28. August geboren, war fünf Jahre jünger. Als Herder abreiste, war er ein – gelegentlich prekärer – Freund. Nach Herders Italienreise war Goethe ein so gut wie verlorener Freund. Und der Altersabstand schien sich zu einem Jahrzehnt geweitet zu haben.
Am 11. September schickte Caroline Herder an ihren Gatten einen langen Brief, der darauf berechnet war, der erste zu sein, der ihn in Rom erreichte. Viel ist darin von Goethe die Rede: wie er Zeichnungen aus Italien vorzeigt, wie er bei einem Ausflug nach Kochberg mit der Reisegesellschaft über Herder spricht, wie er aus Aufsätzen über die Kunst, über die Witterung und über die heilige Cäcilie in Palermo vorliest, wie er von seiner Arbeit am „Tasso” erzählt und schließlich, angeregt durch Schiller, grundsätzliche Überlegungen über die Eigenschaften anstellt, die die Alten in ihrer Kunst in den Gestalten der Götter und Helden dargestellt haben.
Dann folgt ein Satz, den die Ehefrau als Repräsentantin des gebildeten Publikums nach Rom schreibt: „Ihr Beide geht, wie zwei Genien der Menschheit zu Einem Ziel.” Gerade weil Herders Italienreise an diejenige Goethes anschloss, tritt im Rückblick das Scheitern der Zwillingskonzeption, in deren Zeichen er sie antrat, umso schärfer hervor.
Der Kontrast der äußeren Bedingungen mag dazu beigetragen haben: Goethe reiste selbständig und materiell gut versorgt, Herder als abhängiger Begleiter in ständiger Sorge um das Geld. Goethe, obwohl hoher Beamter, machte sein Inkognito zur Spielform der Verantwortungslosigkeit und schlug daraus reichlich Kapital, Herder war stets der protestantische geistliche Würdenträger aus Weimar. Goethe beherrschte das Italienische, Herder eignete es sich erst kurz vor und während der Reise eher mühsam an.
Mindestens so stark aber wie der Kontrast der äußeren tritt in Herders Reisebriefen die Spannung der inneren Konstellation hervor, die seine Italienreise zur Antipodin der Goetheschen macht. Ihre vielleicht wichtigste Frucht ist die zunehmend trotzig formulierte Einsicht: nicht so wie Goethe werden zu wollen. Und zwar in doppelter Hinsicht: weder so sinnlich noch so ausschließlich der Kunst verschrieben.
Einmal, noch in Ancona, das Meer vor Augen und in leicht erhöhter Stimmung, greift Herder zur Odyssee und vergleicht sich mit Odysseus, der sich angesichts der Sirenen an den Mast binden lässt. Das soll Caroline signalisieren: Ihn wird die berühmte italienische Sinnlichkeit nicht gefährden. Je mehr man aber in seinen italienischen Briefen liest, desto deutlicher wird, dass er sich gar nicht hätte festbinden müssen.
Zum geselligen Leben Roms, so behauptet der Reisende jedenfalls, findet er nur wenig Zugang, die vatikanische Bibliothek zeigt sich spröde, allein die geliebten Statuen sind ihm ein Ausgleich für das verachtete politische und katholische Rom. Wenn er, selten genug, einmal ausführlicher über seine Kunsterfahrungen oder den Genuss der Landschaft schreibt, dann nicht in Briefen an einen Gelehrten oder an Goethe oder gar an eine Zeitschrift, sondern in der Regel in den Briefen an die Kinder.
Am 27. Dezember 1788 kommt es zum Showdown. An diesem Tag schreibt Goethe in Weimar einen Brief, der wieder einmal Weimar zum kalten Norden, Italien zum freundlich-heilsamen Süden verklärt und Herder dazu beglückwünscht, dass „du in der freien schönen Welt herumwandelst”. Es ist aber bitter kalt in Rom, wo Herder am gleichen Tag sitzt, seinen Jahresabschluss-Brief an Goethe schreibt und sich zum Norden bekennt: „Ich will nur dagegen kämpfen, daß ich nicht in deine Fußstapfen trete, und eine ,Gleichgültigkeit gegen die Menschen’ nach Hause bringe, die mir übler bekommen würde als Dir, weil ich keine Kunstwelt, wie Du, an die Stelle des Erloschenen zu setzen wüßte. Fast möchte ich sagen, daß ich von der Kunst nie kühler gedacht habe als hier, da ich sie in ihrem Werden, Tun und Wirken dem ganzen Umfange nach vor mir sehe. . . Auch sonst läßt die römische Welt meine Seele entsetzlich leer. . . Ich fürchte, ich fürchte, Du taugst nicht mehr für Deutschland, ich aber bin nach Rom gereist, um ein echter Deutscher zu werden und wenn ich könnte, würde ich eine neue Irruption germanischer Völker in dies Land, zumal nach Rom veranlassen.”
LOTHAR MÜLLER
JOHANN GOTTFRIED HERDER: Italienische Reise. Briefe und Tagebuchaufzeichnungen 1788-1789. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Nachwort von Albert Meier und Heide Hollmer. Dtv, München 2003. 742 Seiten, 15 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit leichtem Spott, aber nicht lieblos nimmt Lothar Müller Johann Gottfried Herders Italienreise aus den Jahren 1788 und 1789 auf, die im Gegensatz zu Goethes unter einem eher unglücklichen Stern stand. Es herrschte Verdruss beim Herrn Herder: Ständig war das Geld knapp, als Geldgeber hatte er einen Adligen samt Geliebter auf dem Hals, und kurz vor Rom wurde er auch noch beim Rasieren geschnitten. Die Kunst langweilte ihn und für die Sinnlichkeit des Landes war der protestantische Würdenträger auch nicht sonderlich empfänglich. Zu einem Buch hat Herder seine Erfahrungen nie zusammengefasst, vielmehr haben die Herausgeber Albert Meier und Heide Hollmer aus dem Nachlass Herders Briefe an seine Frau Caroline und an Goethe zusammengefasst, und dabei, wie Müller lobt, alle Vorgänger-Editionen weit übertroffen. Zum Schluss noch ein von Müller dargereichtes Zitat vom missmutigen Herder: "Ich aber bin nach Rom gereist, um ein echter Deutscher zu werden und wenn ich könnte, würde ich eine neue Irruption germanischer Völker in dies Land, zumal nach Rom veranlassen."

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