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"Das Literaturverzeichnis und ein Register machen den Band zu einem Nachschlagewerk, das in seiner Art konkurrenzlos ist." Märkischen Allgemeine
Nicht nur in Deutschland zählt das 20. Jahrhundert zu den dunkelsten der Geschichte. In fast allen anderen europäischen Nationen gab es Diktaturen; Millionen von Menschen wurden Opfer von Zwangsherrschaft, Verfolgung und Krieg. Gerhard Besiers Darstellung untersucht erstmals im großen Zusammenhang, wie es zur Destabilisierung der europäischen Staaten in der ersten Hälfte des Jahrhunderts kommen konnte und wie sich die neu entstehenden rechten und…mehr

Produktbeschreibung
"Das Literaturverzeichnis und ein Register machen den Band zu einem Nachschlagewerk, das in seiner Art konkurrenzlos ist." Märkischen Allgemeine
Nicht nur in Deutschland zählt das 20. Jahrhundert zu den dunkelsten der Geschichte. In fast allen anderen europäischen Nationen gab es Diktaturen; Millionen von Menschen wurden Opfer von Zwangsherrschaft, Verfolgung und Krieg. Gerhard Besiers Darstellung untersucht erstmals im großen Zusammenhang, wie es zur Destabilisierung der europäischen Staaten in der ersten Hälfte des Jahrhunderts kommen konnte und wie sich die neu entstehenden rechten und linken Diktaturen wechselseitig stützten und einander beeinflußten. Der Autor vergleicht die unterschiedlichen Zwangsregime, die Deutschland, Rußland und Italien geprägt haben, aber auch viele weitere kleinere und größere europäische Staaten, von Griechenland bis Polen, von Portugal bis Rumänien. In dieser perspektivischen Weite liefert Besiers Werk eine grundlegend neue Analyse der antidemokratischen Vergangenheit unseres Kontinents.
Autorenporträt
Gerhard Besier, geboren 1947, ist Theologe und Historiker und seit 2003 Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung an der TU Dresden. Bei DVA erschien von ihm 2004 Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland. Die Faszination des Totalitären.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kein gutes Haar lässt Henning Köhler an Gerhard Besiers Band über Diktaturen. Das Werk scheint ihm völlig unausgegoren. Inwiefern hier eine "neue Geschichte des 20. Jahrhunderts" erzählt werde, bleibt für ihn "vollends rätselhaft". Schon die Einleitung, in der sich der Autor gegen eine Relativierung der deutschen Kriegsschuld ausspricht, ist ihm ein Dorn im Auge. Auch am weiteren Verlauf der Arbeit hat er keine Freude. Merkwürdig scheint ihm die Begrifflichkeit Besiers, der von Konsensdiktaturen, von konstitutionellen Diktaturen, die zu totalitären Diktaturen werden, von Königs-, Präsidial- und Abwehrdiktaturen redet. Der Abhandlung der Diktaturen in Russland, Deutschland, Italien und anderen Ländern hält er "darstellerische Dürftigkeit" und "viele Ungenauigkeiten" vor. Den "absoluten Tiefpunkt" des Bands markiert für Köhler schließlich die Abhandlung der Weimarer Republik und der NS-Diktatur. Als "ungeheuerlich" gar empfindet er die Behauptung Besiers, das Wissen vom Holocaust sei deutsches Allgemeingut gewesen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.2007

Auf der Couch und darunter
Gerhard Besiers Kompendium über Diktaturen

In diesem Buch passt wenig zusammen. Bereits Titel und Untertitel sind irreführend. Ein "Europa der Diktaturen" gab es nicht, und es wird nicht einmal der Versuch zu seiner konzeptuellen Begründung gemacht. Vollends rätselhaft bleibt, inwieweit das Buch eine "neue Geschichte des 20. Jahrhunderts" präsentiert. Der Band besteht aus drei Teilen: einer Abhandlung über die im Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit entstandenen Diktaturen, einer Darstellung der Entwicklung des sowjetischen Satellitengürtels bis zum Zusammenbruch des Sowjetblocks und einer politikwissenschaftlichen Bestandsaufnahme mit vorsichtiger Bewertung der Zukunftsperspektiven dieser Staaten. Autor ist Gerhard Besier, der Direktor des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts, ein protestantischer Kirchenhistoriker und Psychologe. Daher stellt sich die Frage, wie er nun plötzlich ein Kompendium unterschiedlich langer Staatengeschichten vorlegen kann, selbst wenn eine polnische Wissenschaftlerin als Mitarbeiterin ausgewiesen ist.

Statt einer problemorientierten Einleitung gibt es Vorbemerkungen ganz eigener Art. Da ist zunächst vom Genozid der Deutschen an den Eingeborenen von Deutsch-Südwest und der deutschen Mitverantwortung an den Armeniermassakern die Rede. Dann wird die alleinige deutsche Kriegsschuld am Ersten Weltkrieg hochgehalten und jeder Versuch zu ihrer Differenzierung barsch zurückgewiesen, da so etwas der "Exkulpation Deutschlands dienen" könnte. Übergangslos ist von "Wellen der Diktaturerhebungen" mit ganz eigener Begrifflichkeit die Rede - von Konsensdiktaturen, von konstitutionellen Diktaturen, die zu totalitären Diktaturen werden, von Königs-, Präsidial- und Abwehrdiktaturen. Normalerweise denkt man bei Diktaturen als Folge des Weltkrieges mehr in Richtung Faschismus, an das stichwortgebende Italien, Deutschland und die sich an diesen Vorbildern ausgerichteten Diktaturen. Hier wird jedoch anders verfahren, indem auch die zeitlich etwas frühere sowjetrussische Diktatur mit einbezogen wird, obwohl die Begründung dafür keineswegs überzeugend ist.

Auf knapp 300 Seiten, dem umfangreichsten Teil des Buches, werden die historischen Abläufe, die Entstehung und politische Entwicklung dieser Diktaturstaaten geschildert. Die meisten Abschnitte - die Republik Österreich verdient als Ausnahme dankbare Erwähnung - erschrecken durch die darstellerische Dürftigkeit und viele Ungenauigkeiten. Oft ist der Text kaum verständlich, denn innenpolitische Details und die Erörterung der fast überall vorhandenen Grenzstreitigkeiten nehmen breiten Raum ein, obwohl sie für die Bestimmung, welche politische "Qualität" die jeweilige Diktatur aufgewiesen habe, wenig besagen.

Die Verfahrensweise ist strikt chronologisch. So folgen der bolschewistischen Diktatur die Regime in den baltischen Staaten mit einem Gewirr von Namen und Fakten, die sich niemand merken kann, bevor die Herrschaft Mussolinis an die Reihe kommt, und so geht es weiter fort, bis schließlich Albanien als besonders deplaziertes Beispiel an der Reihe ist. Eine wichtige Diktatur fehlt freilich: der "Etat Français" des Marschalls Pétain. Der Auftakt zum Kapitel über Russland macht einen desolaten Eindruck. Was am 7. November 1917 in Petrograd geschah, bleibt dunkel. Nichts vom Sturm auf den Winterpalast oder vom Kreuzer "Aurora". Zur Steigerung der Verwirrung wird alles nach dem alten russischen Kalender datiert, als wollte man darauf hinweisen, warum es Oktoberrevolution heißt. Später bekommt die Darstellung mehr Konsistenz. Des Rätsels Lösung: Nun lehnt man sich an die in der Tat hervorragende Arbeit von Manfred Hildermeier, "Geschichte der Sowjetunion 1917-1991", an und vermeidet so grobe Schnitzer. Vom italienischen Faschismus begreift man kaum etwas. Nicht einmal so simple Sachverhalte wie der Mythos von Fiume können verständlich gemacht werden.

Den absoluten Tiefpunkt erreicht der Band mit dem Untergang der Weimarer Republik und der NS-Diktatur. Hier hilft nur noch Sarkasmus. Pilsudski soll Präventivkriegspläne gegen Deutschland verfolgt haben: "Im März 1932 konzentrierte er Truppen um Ostpreußen . . . Das führte zu Regierungskrisen in Deutschland." Das war bisher unbekannt. Ist Reichskanzler Brüning von Polen gestürzt worden? Natürlich ist das so unsinnig wie die Behauptung, ein polnisches KZ sei "übrigens auf den Rat Goebbels' hin eingerichtet worden".

Nicht einmal die Raumaufteilung kann befriedigen. So bekommt das "Dritte Reich" den gleichen Platz wie Albanien eingeräumt. Um das nationalsozialistische Regime im Krieg zu zeigen, benötigt der Autor gerade drei Seiten. Der Diplompsychologe Besier konstatiert bei Hitler "eine Art Erlösungswahn", erheblich Negativeres aber beim deutschen Volk. Das sei ein "Volk von Nutznießern der Hitlerschen Verbrechen" gewesen. Dabei bleibt es aber nicht, Besier versteigt sich zu einer ungeheuerlichen Behauptung: "Das Wissen vom Holocaust war deutsches Allgemeingut." Natürlich fehlt dafür jede Begründung, denn hier geht es nicht mehr um Wissenschaft. Will der Direktor eines hochdotierten staatlichen Forschungsinstituts eine geschichtspolitische Leitlinie verkünden oder nur seine Unfähigkeit zum Ausdruck bringen, dass er eine über fünfzigjährige Forschung nicht differenzierend aufnehmen kann? Soll Hannah Arendts Wort nicht mehr gelten, dass der Nationalsozialismus "den Zusammenbruch aller deutschen und europäischen Traditionen" dargestellt habe? Soll stattdessen die Kollektivschuld auf primitivstem Niveau propagiert werden?

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird die Entwicklung der Sowjetunion und die Errichtung und Kontrolle ihres Satellitengürtels abgehandelt. Eine Begründung dafür, dass die Diktaturen der Zwischenkriegszeit mit den osteuropäischen "Volksdemokratien" zusammengefasst werden, fehlt, obwohl die Unterschiede gravierend sind. Das Sowjetsystem war auf Dauer angelegt. Es war ein Herrschaftssystem, das die Satellitenstaaten und ihre Gesellschaft im Lauf der Jahrzehnte tief geprägt hat.

Bei den Systemtransformationen nach 1989 zeigen die Autoren mehr Fähigkeit zur kritischen Analyse als in den Abschnitten zuvor. Einen besonderen Reiz vermittelt der Ausblick in die gemeinsame europäische Zukunft, die durch den Transfer europäischer Normen bestimmt sein werde, um "die jeweilige nationale politische Kultur kompatibel mit dem europäischen Gesellschaftsmodell" zu machen. Man kann nur hoffen, dass Europa auch diese schwere Aufgabe lösen wird. Aber zu Optimismus besteht wenig Anlass, wenn man sich die brüchigen staatlichen Traditionen und die gesellschaftlichen Umbrüche der Nachfolgestaaten der Diktaturen vergegenwärtigt.

HENNING KÖHLER.

Gerhard Besier, unter Mitarbeit von Katarzyna Szoklosa: Das Europa der Diktaturen. Eine neue Geschichte des 20. Jahrhunderts. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006. 879 S., 29,90 [Euro].

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