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"Max springt Trampolin auf unserem Sofa und erreicht gleich den niederen Plafond und schreit: "Ich hab Glück! Ich hab Glück! Ich hab bis an die Decke Glück und keine hohe Mauer!" Er freut sich, daß er wieder hier ist. "Und weil ein bißchen Salz dran ist!" ruft er noch. Hab ihm gerade was von Mauern und Salz erzählt, aber er hat völlig recht. Ich weiß nicht, wo mir das Messer steckt. Mal im Zwerchfell und mal im Herzen. Die Luft ist weiß und das Haus schwankt."
Glück, Hoffnung, Verzweiflung, Liebe, Enttäuschung, Selbstaufgabe, Lebensmut: Wer zwischen den Zeilen lesen kann, liest in diesen
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Produktbeschreibung
"Max springt Trampolin auf unserem Sofa und erreicht gleich den niederen Plafond und schreit: "Ich hab Glück! Ich hab Glück! Ich hab bis an die Decke Glück und keine hohe Mauer!" Er freut sich, daß er wieder hier ist. "Und weil ein bißchen Salz dran ist!" ruft er noch. Hab ihm gerade was von Mauern und Salz erzählt, aber er hat völlig recht. Ich weiß nicht, wo mir das Messer steckt. Mal im Zwerchfell und mal im Herzen. Die Luft ist weiß und das Haus schwankt."

Glück, Hoffnung, Verzweiflung, Liebe, Enttäuschung, Selbstaufgabe, Lebensmut: Wer zwischen den Zeilen lesen kann, liest in diesen Aufzeichnungen von Sarah Kirsch einen ergreifenden Lebensabschnitt, in dem sie, selbstverständlich nicht ganz unabhängig von den kulturellen Bedingungen in der DDR, an die Grenze ihres existentiellen Vermögens geriet und schließlich den "Rieselfeldern" doch entstieg, wie andere den Bleikammern. Es war wohl die dramatischste Zeit im Leben der Dichterin im Berlin der siebziger Jahre, und grausam sind auch die Begebenheiten im "Igor-Lied", das, übersetzt von der Autorin, in dieses poetische Dokument der Liebeswirren eingebettet ist.

Autorenporträt
Sarah Kirsch, geboren 1935 in Limlingerrod im Harz, studierte Biologie und Literatur. Sie war als Lyrikerin schon während ihrer DDR-Zeit stark beachtet. Sie lebte in Schleswig-Holstein als freie Schriftstellerin und Malerin. Für ihr Werk wurde sie unter anderem mit dem Heinrich-Heine-, dem Hölderlin- und dem Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur ausgezeichnet. 1996 erhielt sie den Georg-Büchner-Preis, 2005 den Jean-Paul-Preis und 2006 den Johann-Heinrich-Voß-Preis. Sarah Kirsch starb im Mai 2013.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.06.2003

Da krächzten die Raben nicht weiter
Wendezeit: Sarah Kirsch und ihr poetisches Tagebuch „Tatarenhochzeit”
„Lustvolle Instrumentalisierung dichterischer Existenz”: so definierte schon kurz vor der Wende Hugo Dittberner in einem schönen kritischen Essay die Eigenart der Texte von Sarah Kirsch. Dazu gehört ganz wesentlich das „komplizenhafte Sprechen zu den Dichterfreunden, der intime Hallraum der Texte.” Aber schon damals zeichnete sich deutlich auch die Bemühung ab, nicht mehr über solche Solidaritäten mit anderen die Welt zu poetisieren, sondern allein über die Arbeit an der Sprache. Der umfangreiche zuletzt erschienene Gedichtband „Schwanenliebe” wagt sich hier wohl bis an die äußerste Grenze vor. Mit der poetischen Verdichtung, so sieht es aus, erfindet die reife Dichterin wie zufällig noch einmal die klassische Form des japanischen Haiku: „Stillhalten: Schwarze Vögel Unglücks / Kinder nisten auf / Meinem Kopf.”
Diesen Weg hat Sarah Kirsch schon vor ihrer „Umsiedlung” in den Westen 1977 beschritten. Gerade deswegen mag die Öffnung der Mauer für die Dichterin wie für mehrere ihrer der DDR früh entronnenen Dichterfreunde ein irritierendes Ereignis gewesen sein. Dichtete Volker Braun damals den berühmt gewordenen Vers „Da bin ich noch: mein Land geht in den Westen”, so konnten sich die Umgesiedelten sagen, dass ihr Land ihnen nachgelaufen kam. In dem bebilderten poetischen Tagebuch „Spreu”, das den Zeitraum vom 4. Mai 1988 bis 27. Mai 1990 umfasst, kommt kein 9. November vor, nur beiläufig am 21. November: „Lese, dass Grass in Leipzig nun liest. Die Dissis aber werden nicht reingelassen. Loest will ja unbedingt hin.” Das liest sich heute wie Verdrängung des großen Themas zugunsten der eigensinnig festgehaltenen persönlichen Eindrücke einer Lesereise per Bahn.
Liebt Ix Ypsilon?
Die Tatarenhochzeit ist auch ein kleines poetisches Tagebuch, aber nicht so fleißig durchdatiert wie „Spreu”; nur einmal findet sich ein richtiges Datum vor dem Text: „Erster Mai 74”. Das war also vor knapp dreißig Jahren und klingt von Anfang an, als ob Verdrängtes wie selbstverständlich hervortritt, gar nicht aus ferner Erinnerung, sondern wie fein säuberlich notiert auf kleinen Blättern. Die meisten dieser skizzenhaften Texte besetzen kaum eine halbe Seite. Sie erinnern damit an Prosagedichte, wie sie Sarah Kirsch schon früher schrieb („La Pagerie”, „Irrstern”), aber ihr Inhalt ist heterogen und ergreift seine Welt fast ausschließlich in Episoden des Alltags, die sich der Schreiberin und damit auch den Lesern aufdrängen. Die kleinen ironisierenden und distanzierenden KirschManierismen machen den Leser sofort heimisch in diesem Text, sind da doch gleich auf der ersten Seite wieder „Meubeln”, und die Tagebuchschreiberin ist „kapores nach der ganzen herzzertrümmernden Liebesgeschichte”. Da ist, auch gleich auf der ersten Seite, noch der kleine Sohn Moritz (er heißt hier aber Max und wird dann später eingeschult), und „Ix ruft bei Jutta an, ob ich Ypsilon liebe.” Geheimnisvoll heißt es: „Morgen muss Igor endlich aus der Gefangenschaft entfliehen und sein Sohn die Tatarentochter ehelichen, wenn ihr alter Vater das auch nicht überlebt. Wenig übergesetzt in letzter Zeit.”
Tagebücher schreibt man für sich selbst – und für andere: Es folgt auf der zweiten Seite in hoher epischer Prosa der Anfang der Erzählung von Fürst Igor, der sich anschickt, mit seinen Russen das Land der Polowzer zu erobern. Erst viel später klärt sich die Andeutung „wenig übergesetzt” dahingehend, dass die Autorin dabei ist, die altrussische Igorerzählung für ein Sagenbuch zu übersetzen, das ihr Freund Franz herausgibt.
Das ist nun ein wirklich gelungener kompositorischer Handstreich der Dichterin, kurze Passagen des epischen Textes sozusagen zwischen ihre Tagebuchblätter zu legen. Die Übersetzungstätigkeit gehört zum Alltag (am Schluss heißt es: „Ich bin fertig mit meiner Arbeit, Fürst Igor ist auf russischer Erde. Heilige Gottesmutter von Pirogostscha, hab ein Auge auf uns!”), doch die Poesie, der längst verklungene epische Ton des umstrittenen, wohl noch aus dem 12. Jahrhundert stammenden Prosastücks schafft eine durchaus aleatorisch wirkende, aber ganz und gar literarisch geprägte Lektüre der autobiographischen Erinnerungsfetzen. Natürlich ist nicht gemeint, dass man nun geheimnisvolle Parallelen oder gegenseitige Kommentarfunktionen für den autobiographischen Klartext und die gescheiterte Heerfahrt des Fürsten Igor suchen soll, aber wer wird nicht aufmerken, wenn das Prosa-Epos gerade die unheimlichen Lieblingsvögel von Sarah Kirsch, die Krähen, zelebriert: „Da krächzten die Raben nicht weiter, die Krähen verstummten ...” In „Spreu” nannte sie „verschiedene sehr große, flutende Krähenschwärme”: „uns nah mit ihren mitteilsamen irdischen Stimmen.” Dass die Natur in diesem wunderbaren poetischen Denkmal aus den Anfängen Russlands mit Stimmen redet, lässt das Werk stellenweise so romantisch oder so modern erscheinen, dass man an seiner Echtheit zweifeln konnte. Zwischen den Seiten des prosaischen Tagebuchs liefert dieser Text nun poetische Miniaturen von großer Eindringlichkeit, die beinahe wirklich aus der Feder der Sarah Kirsch geflossen sein könnten: „Vor Kummer welkten die Blumen, und die Bäume neigten die Kronen zur Erde.” Und Igors angstvolle Gattin Jaroslawna klagt: „Sonne, dreimal helle Sonne! Für alle scheinst du warm und schön.”
Darum geht es aber eigentlich nicht. Nach fast dreißig Jahren tauchen aus dem Nebel des Älterwerdens die Personen und Ereignisse des Jahres 1974 auf, jünger, aber wie auf vergilbten Fotos. Sarah Kirsch kann damit rechnen, dass ihre Leser verhältnismäßig viel über ihren damaligen Umgang, über Freundinnen und Freunde, über die Dichterkolleginnen und -kollegen, über die Lebensumstände in der DDR und insbesondere über den Literaturbetrieb in Ost und West wissen. Sie rechnet auch wirklich oder spielt jedenfalls damit. „Was gab es noch? Einen herrlichen Tag in Wilhelmshagen. Mit Bernward, Edi, Jandl, Mayröcker, Eisendle, Heinrich Müller.”
Von ganz oben geplant
Es gibt auch noch Katja Arendts „weggezogene Freunde, Ernst Bloch, Kuhauge und Celan” oder Ossi Wiener, Robert Wolfgang, Kunert und die Geliebte von Hacks, und Ix und Ypsilon muss man natürlich kennen. Das klingt zwar immer sehr authentisch, und es ist auch nicht ohne Reiz, sich auf das von der Autorin geplante Ratespiel einzulassen (es gibt ja auch noch Rita, Frank, Jörg, Lola, Birgitt, Konrädchen, und natürlich Christa, deren Haus vom Waldbrand verschont bleibt...), aber selbst als Zeitgenosse und wieviel mehr, wenn man, sagen wir, um das Jahr 1974 erst geboren ist, wird man sich in diesem „intimen Hallraum der Texte” überflüssig finden. Das Hoffen und Harren auf Reisepapiere, der exotische Reiz des „Schnappsacks aus Assisi”, einer Bluse aus Westberlin, „dieses Baumwollkittels aus Rom”, die Zwänge (selbst für Privilegierte: „Ich musste vor zwölf über die Grenze”) fühlt man gerne nach; einmal erhebt sich das Private auch zu literaturhistorisch- politischer Sicht: „Die zukünftigen herrlichen Gedichte werden ganz Oben geplant, das ist das Revolutionäre hier an der Kunst.” Aber es ist doch die Liebesgeschichte mit Ypsilon, welche die tiefsten Zweifel aufreißt: „Wie soll das weitergehen mit mir und dem Arbeiterland.”
Das Arbeiterland ist der Dichterin noch einmal nachgeschlichen. Dank ihrem poetischen Talent und dem Genie des Igor-Dichters ist die Begegnung freundlich verlaufen. Und wenn sie nicht stattgefunden hätte?
HANS-HERBERT
RÄKEL
SARAH KIRSCH: Tatarenhochzeit. DVA, München 2003. 80 S., 16,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.2003

Good morning, Lenin
Ypsilon und Julia: Sarah Kirschs Selbstporträt als junge Liebende

Damals, zu der Zeit, von der die Prosaminiaturen ihres neuen Buches handeln, war die Dichterin noch keine vierzig und lebte in einem Land, das sie in einem Gedicht "klein" und "wärmend" genannt hatte. Sie galt als eine Hoffnung der dortigen Literatur und hatte schon erfahren, wie man mit Hoffnungen umging. Eines ihrer Gedichte, das vom Kaffeemahlen handelte, wurde 1969 auf dem Ost-Berliner Schriftstellerkongreß als düster und pessimistisch kritisiert. Bloß weil der Vers den gemahlenen Kaffee rückwärts in "schöne schwarze Bohnen" zusammengesetzt hatte. Ein "Rückwärts" durfte es nicht einmal als Zauberei geben. So ernst nahm man in der DDR die Poesie, so ernst jede Abweichung von der offiziell verordneten Linie.

Von Abweichung hatte Sarah Kirsch ihre eigenen Vorstellungen. Sie schrieb mit dezidiertem Trotz: "Ich weiche ab und kann mich den Gesetzen / Die hierorts walten länger nicht ergeben." Wer das politisch las, mußte sich gefoppt fühlen. Das weibliche Rollen-Ich erklärte lediglich, warum es sein Lager fortan nicht mit einer Frau, sondern mit einem "Bärtigen" teilt: "Ich kann nicht wie die Schwestern wollen leben." Das Gedicht stand 1973 in der Sammlung "Zaubersprüche", die noch in der DDR erschien. Drei Jahre gab es im Gefolge der Biermann-Ausbürgerung einen wahren Exodus von Autoren. Sarah Kirsch verließ - mit ihrem kleinen Sohn Moritz - im August 1977 die DDR. "Trennung", eines der letzten Gedichte, die sie noch in Ost-Berlin geschrieben hatte, zeugte von dem Leidensdruck, unter dem die Autorin gestanden haben mußte: "Wenn ich in einem Haus bin, das keine Tür hat / Geh ich aus dem Fenster."

Eben in dieser Zeit, in den mittleren siebziger Jahren, da Sarah Kirsch die Desillusionierung ihrer politischen Hoffnung erlebte, schrieb sie zugleich ihre schönsten Liebesgedichte. Manche davon frappieren noch heute durch ihr politisches Moment. "Herzschöner", fragt eines, "wollen wir Julia und Romeo sein?" Doch nicht die Feindschaft zweier Familien, sondern die zweier Staaten trennte die Liebenden. Die Rolle des Romeo war übrigens durchaus erkennbar besetzt. Auch er, dieser "Freundbruder aus Wolfsland", war ein Dichter; und er erscheint später - nach Kirschs Übersiedlung nach Berlin - als der "Dichter M. im Grunewald".

Es schadet nicht, wenn man bei der Lektüre von "Tatarenhochzeit" diese Umstände im Kopf hat. Sie sind in dem neuen Büchlein allenfalls angedeutet. Vor allem aber sind sie poetisiert, verwandelt, verhext. Was Sarah Kirsch warnend vor die Prosa-Chronik "Allerleih-Rauh" (1988) setzte, gilt auch hier: "Alles ist frei erfunden und jeder Name wurde verwechselt." Jetzt, in "Tatarenhochzeit", erscheint das Söhnchen Moritz als Max. Im "Dichter Franz vom Walde" dürfen wir Franz Fühmann erkennen und im Lyriker Ypsilon den schon erwähnten Dichter M. Andere Figuren erscheinen mit ihren Klarnamen, etwa Erich Arendt und Heiner Müller. Christa, deren Haus von einem Feuer verschont bleibt, ist für Sarah Kirsch noch nicht die stasiverstrickte Frau Lupus, sondern jene Christa Wolf, die später über einen Sommer der Gemeinsamkeit ihr "Sommerstück" schreiben wird. "Tatarenhochzeit" schildert in den kleinen Szenen aus dem Jahr 1974 eine Freundeskultur, wie sie nur unter den besonderen Gegebenheiten der DDR möglich war.

Der Basso continuo dieser Aufzeichnungen ist ein Mini-Roman. Ebenjener von Romeo und Julia zwischen zwei verfeindeten Staaten, zwischen der westlichen "Halftown" und Ost-Berlin. Die Erzählerin hat Ypsilon im Februar kennengelernt. Leider gibt es noch eine Lola und, wie sich zeigt, weitere Freundinnen. Sie muß nach Mahlow hinter Berlin in eine Fastenklinik und entläßt sich selbst, als Ypsilon für drei Tage aus Frankreich herüberkommt. Es wird viel telefoniert, und die Genossen von der Sicherheit hören mit. Die Reisepapiere für die geplante Frankreichreise machen Probleme. Leider auch Ypsilon mit seinen diversen Geliebten. Max kommt in die Schule, der Vater stirbt, und die Übersetzung des Igor-Lieds, an der sie die ganzen Monate gearbeitet hat, wird fertig. Der Schluß bleibt offen: Ypsilon wohnt bei einer anderen Geliebten, und schlechtgetarnte Spitzel teilen mit der Erzählerin den Fahrstuhl. Für die weiteren Ereignisse in Liebe, Leben und Politik ist die Wirklichkeit zuständig.

Diese ist nun gut drei Jahrzehnte weitergerückt, und wenn sie gestorben sind, leben die Figuren von einst in neuen Konstellationen. Was Sarah Kirsch in ihren Epiphanien aufleuchten läßt, ist eine merkwürdig besonnte Vergangenheit, von einigen jähen Wolkenschatten überflogen. Nichts von politischer Dokumentation, nichts von expliziter Depression. Nur an wenigen Stellen wetterleuchtet es. "Es fallen mir kaum noch Haare aus", heißt es einmal. Oder: "Die Wohnwabe ist grauenhaft im Sommer, grauenhaft im Winter". Die dunkle Grundierung der Idylle überläßt Sarah Kirsch dem eingeblendeten Igor-Lied, auf das auch der schön-schreckliche Titel ihres Büchleins verweist.

HARALD HARTUNG

Sarah Kirsch: "Tatarenhochzeit". Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 2003. 73 S., geb., 16,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Samuel Moser ist hingerissen von Sarah Kirsch: von ihrer Nonkonformität, die sich auch in ihrer Prosa aufs Schönste ausdrücke. Moser gelingt es, seine Begeisterung zu präzisieren: Einmal ist ihm sympathisch, dass sich Kirsch ihre Probleme von niemandem diktieren lassen möchte. Sie ist störrisch und eigensinnig, aber ohne Verbitterung, schwärmt Moser. Während andere die DDR heute verklären oder ironisieren würden, nehme Kirsch ihr damaliges Leben ernst. Wenn auch nicht zu ernst. Da wird nicht abgerechnet, nicht gerechtfertigt, nicht aufgeklärt, sondern beschrieben. "Tatarenhochzeit" behandelt die siebziger Jahre, die Zeit, bevor Kirsch in den Westen ging. Kirschs Prosa verrät die lebenslange Schule der Lyrikerin, meint Moser, jedes Wort, jeder Satz behalte seinen poetischen Eigensinn, zugleich sei der Bau dieser Prosa locker, fast nervös, bezeuge den Bewegungsdrang der Autorin, die in diesen Tage "de passage" war, weshalb für Moser ihre Prosastücke "gerade in ihrer Zerstreutheit bei der Sache" sind.

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