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Die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts ist der brisante Stoff, aus dem Klaus Kordons Meisterwerke sind: Stasi-Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen. In der Zelle 102 sitzt Manfred Lenz, in einer anderen seine Frau Hannah. Ihre Kinder Silke und Michael sind im Kinderheim untergebracht. Eine missglückte Republikflucht, im Sommer 1972, hat die Familie auseinandergerissen. Viele Monate Einzelhaft, Schikanen, endlose Verhöre durch die Stasi. In dieser Zeit rekapituliert Lenz sein Leben: Da ist die Kneipe der Mutter am Prenzlauer Berg, in der er nach dem Krieg aufwächst. Beim…mehr

Produktbeschreibung
Die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts ist der brisante Stoff, aus dem Klaus Kordons Meisterwerke sind:
Stasi-Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen. In der Zelle 102 sitzt Manfred Lenz, in einer anderen seine Frau Hannah. Ihre Kinder Silke und Michael sind im Kinderheim untergebracht. Eine missglückte Republikflucht, im Sommer 1972, hat die Familie auseinandergerissen. Viele Monate Einzelhaft, Schikanen, endlose Verhöre durch die Stasi.
In dieser Zeit rekapituliert Lenz sein Leben: Da ist die Kneipe der Mutter am Prenzlauer Berg, in der er nach dem Krieg aufwächst. Beim Einmarsch sowjetischer Panzer auf dem Potsdamer Platz, am 17. Juni 1953, ist der zehnjährige Manne dabei. Da ist, nach dem Tod der Mutter, das Kinderheim, in dem sechshundert Kinder und Jugendliche mit militärischem Drill zu jungen Sozialisten erzogen werden sollen und aus dem Manne Lenz bald rausfliegt. Da ist die Insel in der Spree - dreißig Jungen im Jugendwohnheim - und nur wenige hundert Meter entfernt die verlockende Grenze nach WestBerlin.
Nach dem 13. August 1961 flüchten seine besten Freunde - der 18-jährige Manfred Lenz geht nicht mit. Die Liebe zu Hannah, ihre frühe Hochzeit, die schwierige Zeit als Wehrpflichtiger und der berufliche Aufstieg als Exportkaufmann, der Reisen bis ins ferne Asien mit sich bringt, bestimmen fortan Lenz` Leben. Er könnte zufrieden sein, vielleicht sogar glücklich, nach dem Prager Frühling 1968 aber sitzt ihm das "Krokodil" im Nacken ...
Am Ende des Romans werden die Häftlinge Manfred und Hannah Lenz von der Bundesrepublik freigekauft. Erst ein Jahr später dürfen ihre Kinder folgen.

Ein Zeitpanorama, wie es spannender nicht sein könnte.
Autorenporträt
Klaus Kordon, geb. 1943 in Berlin, war Transport- und Lagerarbeiter. Er studierte Volkswirtschaft und unternahm als Exportkaufmann Reisen nach Afrika und Asien, insbesondere nach Indien. Klaus Kordon ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und lebt heute als freischaffender Schriftsteller in Berlin. Zahlreiche seiner Veröffentlichungen wurden in verschiedene Sprachen übersetzt und mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. Für sein Gesamtwerk erhielt er den "Alex-Wedding-Preis" der Akademie der Künste zu Berlin und Brandenburg und 2013 wurde er mit dem "Großen Verdienstkreuz" der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Rezensent Christoph Vormweg liest die Neuausgabe von Klaus Kordons autobiografischem Klassiker über das Leben in der DDR-Diktatur mit Spannung. Das Jugendbuch hat laut Rezensent nichts von seiner Sprengkraft verloren, weil es DDR-Alltagsrealität ungeschönt beschreibt. Wie der Protagonist nach misslungener Flucht mit der Familie im Stasi-Knast landet und eine Schriftstellerkarriere aus dem Geist des Widerspruchs beginnt, erzählt Kordon für den Rezensenten, eingängig, sinnlich, dialogreich und differenziert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2002

Tagträume in der Rumpelkammer
Klaus Kordons Zellenmarathon durch die deutsch-deutsche Geschichte

Sechzehn Schritte Bewegungsfreiheit sind dem knapp dreißig Jahre alten Häftling Manfred Lenz in Zelle 102 geblieben. Acht hin, acht zurück. Der Spielraum im Kopf ist größer, freier macht ihn das nicht. War es richtig, die Republikflucht zu planen? Was ist mit Hannah, seiner ebenfalls inhaftierten Frau? Werden die Kinder, jetzt getrennt von den Eltern, je verstehen, was die Familie zur Flucht aus der DDR trieb? Aus der erdrückenden Enge des Stasi-Gefängnisses läßt Klaus Kordon auf fast achthundert Seiten deutsche Wirklichkeit lebendig werden, die Lebensgeschichte eines Mannes, aber auch die des Staates, in dem er erst freiwillig bleibt, den er aber nicht aus freien Stücken verlassen darf. Der Umfang muß nicht bange machen: In diesen Roman will man ein- und aus ihm nicht wieder auftauchen.

Lenz wird 1943 geboren. Als Kind flieht er oft in die Rumpelkammer der Berliner Kneipe seiner Mutter - sein "Amerika", wie er sein beengtes Traumland nennt -, um sich die Welt schön zu denken. Die wirkliche taugt nur wenig: Der Stiefvater ist ein Mann von "taubem Herzen", der Bruder verunglückt, und die Mutter stirbt ebenfalls, als Manfred gerade dreizehn ist. Es folgt "Gemeinschaftserziehung" in Heimen. Lenz wird nicht vergessen, was ihm Max Rosenzweig, der jüdische Schneidermeister, der den Krieg im Keller überlebt hat, gesagt hat: "Ein Mensch kann ungeheuer viel aushalten. Du auch."

Er bleibt ein Träumer, dieser Manne Lenz, der seine Gedanken zu verstecken weiß hinter jugendlicher Pseudo-Abgeklärtheit und erwachsener Ironie, selten hinter Wut, oft hinter erzwungener Gleichgültigkeit. Manfred Lenz hätte weiter funktioniert, wäre da nicht dieses Tier in seinem Kopf gewesen, das Krokodil, das ihn im Nacken packte. "Wer nicht lebt, wie er denkt, wird irgendwann denken, wie er lebt" - ein Kalenderspruch wird zum Lebensmotto.

Manfred Lenz ist kein Widerständler, er macht Karriere. "Sie hatten Manne Lenz die Wurst hingehalten und Manne Lenz hatte Männchen gemacht." Nur nach einer Wurst will er nicht schnappen: der des Parteieintritts. Weil das Diskutieren nicht lohnt und offenes Verlachen nicht erlaubt ist, reagiert er sich schreibend ab, höhnt, klagt an - für die Schublade. Doch das Krokodil weist ihn immer lauter auf faule Kompromisse hin. Es wird schwerer, dem Vieh einen Maulkorb anzulegen.

Ein Leben lang kann man sich nicht auf die Zunge beißen. Manfred Lenz ist kein Sympathisant des Westens, aber Meinungsfreiheit wird ihm zu einem unverzichtbaren Gut, bis aus dem Fluchtgedanken Absicht wird. Doch statt endlich fern des geliebten Berlin "in sich zu Hause zu sein", wird er zu fast drei Jahren Haft verurteilt. Erst nach einem Jahr wird das Paar von der Bundesrepublik freigekauft, ein weiteres Jahr später dürfen die Kinder ausreisen. In einem der zahllosen Verhöre hört Lenz das vielleicht größte Lob: "Kritische Realisten, wie Sie einer sein wollen, braucht unsere Gesellschaft nicht."

Klaus Kordon hat schon manchen seiner Figuren Fragmente seiner Biographie geliehen, nun gibt er mit der Geschichte des Manfred Lenz sein ganzes Leben preis. Bis zum Mauerbau ist er ein Grenzgänger zwischen Ost und West, und seine Innenansichten geben sensiblen Einblick in den Alltag der DDR, ohne an Sentimentalität zu ersticken. Es ist ein Werk voller Selbstironie und außergewöhnlichem Gespür für die schönen und komischen Momente im Erwachsenwerden.

Diese Aufarbeitung des Vergangenen ist gefühlvoll, ohne aufdringliche Intimität und fern jeder übertriebenen Selbstbezogenheit. Kordon schreibt und beschreibt vorurteilsfrei bis in Feinheiten, ohne Groll und Verbitterung. Vielleicht ist dies die einzige Schwäche des Buches: sein Bemühen, auch dann noch allem gerecht zu werden, wenn die Ungerechtigkeit schon zum Himmel schreit.

Daß historisch und politisch zuverlässige Informationen in spannenden Erzählungen für Jugendliche aufgehen können, hat Kordon schon mit seinen früheren Büchern bewiesen. Als etwa Mitte der siebziger Jahre die jugendliterarische Aufarbeitung der jungen deutschen Vergangenheit begann, konnten nur wenige Autoren dies überzeugend gestalten. Kordon gehörte dazu. Wie schon in seiner "Trilogie der Wendepunkte", in "Ein Trümmersommer" oder in "Brüder wie Freunde" ist der Zeithintergrund auch jetzt plastisch und plausibel dargestellt, ohne daß der Ton der Erzählung melodramatisch wäre. Und immer sind es Geschichten vom Überleben, ob sie nun in Berlin oder Bombay spielen.

Vor den Lesern, die nahezu nichts mehr von der DDR als totalitärem Staat oder vom ostdeutschen Alltag wissen, breitet sich ein Panorama aus, das Kordon hervorragend mit menschlichen Wünschen und Ängsten verwoben hat. Genauer und verläßlicher könnte der Blick darauf nicht sein. Und auch die Wissenden werden an Manfred Lenz gespannt verfolgen, wie eine beschädigte Welt zwar prägen kann, aber nicht deformieren muß.

ELENA GEUS

Klaus Kordon: "Krokodil im Nacken". Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2002. 796 S., geb., 19,90 [Euro]. Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2003!

"Geschichtsschreibung in Romanform - keiner kann dies besser als Kordon." (Focus)

"Kordons Romane sind eine besondere Art der Geschichtsschreibung von unten." (Die Zeit)

"Er ist, ähnlich Fallada, ein moralischer, ein ehrlicher Erzähler." (Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.11.2002

Fluchtversuch
Klaus Kordon erzählt vom langen Leiden an der DDR
KLAUS KORDON: Krokodil im Nacken, Beltz & Gelberg, Weinheim 2002. 796 Seiten, 19,90 Euro.
„Wer nicht lebt, wie er denkt, wird irgendwann denken, wie er lebt.” War er selbst schon auf dem Wege dahin, zu denken, wie er lebte? „War der mutige Schubladenschreiber Lenz in Wahrheit eine Lusche, ein Feigling, einer, mit dem man alles machen kann?” Als Manfred Lenz, Alter Ego des renommierten Jugendbuchautors Klaus Kordon, sich diese Frage stellt, kennt der Leser bereits die Antwort. Denn Kordons Autobiographie „Krokodil im Nacken” beginnt im Jahr 1972 – mit einem missglückten Fluchtversuch der Familie Lenz in die BRD.
Klaus Kordon, 1943 in Berlin geboren, lebte lange Jahre in der DDR, war dort Lagerarbeiter, studierte später Volkswirtschaft und reiste als Exportkaufmann in alle Welt. Heute ist er freier Schriftsteller in Berlin. Seine Kinder- und Jugendbücher sind vielfach ausgezeichnet worden – doch der Weg zu Ruhm und innerer Ruhe war hart. Denn einst setzte Kordon eine gesicherte Zukunft, persönliches Glück aufs Spiel, um auf die andere Seite der Mauer, in die Bundesrepublik, zu kommen.
Tagträume
Während der Isolationshaft in der DDR quält ihn der Untersuchungsrichter mit der Frage nach dem Warum und auch mit seinem Buch sucht Lenz alias Kordon die Antwort darauf. Die Methoden der Ankläger, die psychische Folter anwenden, verunsichern den Erzähler, lassen ihn an sich selbst zweifeln. Hat er nicht leichtsinnig seine Familie gefährdet? Schließlich war er doch schon immer einer, der sich mit viel Phantasie in ein anderes Leben wünschte. Das war schon so, als er als Kind in der Kneipe seiner Mutter am Prenzlauer Berg hockte, und das änderte sich auch später nicht, als die Mutter gestorben war und er in Kinderheimen untergebracht war. „Tagträumen, in Wunderwelten entfliehen, Abenteuer bestehen und Sieger bleiben. Hier redete ihm keine Realitäthinein, gab es keine zerstörten Häuser, im Krieg gebliebene Väter und Gäste, die ihm die Mutter nahmen.”
Lenz war immer der Unangepasste, wusste sich geschickt jeglichem Druck zu verweigern, las gerne und schrieb – aber nur für die Schublade. Das Ost- West-Problem sah er als Jugendlicher eher locker. Sensibilisiert war er allerdings durch die Gespräche mit der Mutter und den Gästen in der Kneipe – Menschen, die ihre sehr eigenen Geschichten hatten, die Kordon ausführlich erzählt. Der Propaganda in Ost und West glaubte er daher nicht. „Er wohnte im Osten, wusste, dass vieles, was im Westen über den Osten gesagt wurde, furchtbar übertrieben war oder gar nicht stimmte und umgekehrt genauso. ”
Die Jahre in den Kinderheimen mit ihrem Drill und militärisch geregelten Tagesablauf, mit den harten Strafen, die als „sozialistische Erziehungsmaßnahmen” begründet wurden, konnten ihn zwar nicht für das Regime einnehmen. Aber an Flucht dachte er lange nicht. Erst als Lenz nach vielen beruflichen Umwegen eine erfolgversprechende Karriere im Außenhandel, angereichert mit Auslandsreisen und Privilegien, vor sich hatte, und der Staat als Gegenleistung von ihm den Kotau erwartete, konnte er sein Gewissen, dieses „Krokodil im Nacken”, nicht mehr beschwichtigen. Überdies war er zunehmend verstört durch die sozialistische Erziehung seiner Kinder; das Vorgehen der Stasi gegen unliebsame Genossen erschütterte ihn. Sie ließen in ihm und seiner Frau den Entschluss reifen, mit Hilfe der Schwägerin, die in der Bundesrepublik lebte, zu fliehen. Die Folgen der aufgedeckten Flucht: Trennung der Familie, ein Jahr DDR-Haft.
Klaus Kordon hat nichts vergessen. Um zu ertragen, was man ihm antat, schob er einen inneren Chronisten zwischen das Unfassbare und die eigene Person, um Jahre später an seinem Schicksal exemplarisch die Geschichte der DDR aufzuzeichnen. Dazu gehört auch das scheinbar glückliche Ende, die Farce der Gerichtsverhandlung, der Freikauf durch die Bundesrepublik – aber all das konnte die Erlebnisse in der DDR nicht auslöschen. Das Regime hielt, quasi als letzte Schikane, seine Kinder noch ein weiteres Jahr im Osten fest.
Die unglaubliche Fülle von Erfahrungen, die Kordon durchgemacht hat, sind bei ihm weder Stoff für eine staubtrockene deutsch-deutsche Geschichte noch für eine sentimentale Anklage geworden. Wie schon in seiner ausgezeichneten Trilogie zur deutschen Geschichte hat Klaus Kordon in „Krokodil im Nacken” sein Talent bewiesen, das Komische auch in schwierigen, aussichtslosen Situationen zu sehen: „Da waren die täglichen Mahlzeiten: mittags eine dünne Brühe wie die berühmte ,Fußlappensuppe’(Weißkohleintopf) oder ,tote Oma’ (Blutwurst mit Sauerkraut und Kartoffeln), abends eine Leberwurst-Abart, angereichert mit ,BBB’ einer Margarine zum ,Braten, Backen und Bohnern’.”
Kordon entwickelt Dialoge, in denen ein lakonischer Tonfall manchmal das Entsetzen verdeckt, in denen Namen und Wortspiele die Brutalität demaskieren. Er beschönigt nichts, und lässt einen Mithäftling sagen: „Wer gefoltert wird, bleibt gefoltert – sein Leben lang! Ob nun körperliche oder psychische Folter, das macht keinen großen Unterschied.”
Zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung wird hier an Ereignisse der deutsch- deutschen Geschichte erinnert, deren Folgen noch nicht überwunden sind. Klaus Kordon hat seinem Alter Ego den Namen Lenz gegeben. Der gleichnamige Dichter des Sturm und Drang war ein Aufklärer und politischer Visionär.
ROSWITHA
BUDEUS–BUDDE
„War der Schubladenschreiber in Wahrheit ein Feigling?” Jugendbuchautor Klaus Kordon befragt sich selbst.
dpa
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"Geschichtsschreibung in Romanform - keiner kann dies besser als Kordon." (Focus)