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Seine Leser hat er in die exotische Welt des Orients und des amerikanischen Westens versetzt, als wäre er selbst auf den Spuren von Winnetou und Old Shatterhand, Hadschi Halef Omar und Kara Ben Nemsi gewandelt. 33 Bände "Reiseerzählungen" hat er verfasst und ist doch so gut wie nie aus seiner sächsischen Heimat herausgekommen. Abenteuerlich war sein Leben trotzdem - Gefangenschaft, Geheimnis und Zweikampf im Namen der Ehre sind darin, wie in seinen Romanen, immer wiederkehrende Situationen. Aufgewachsen mit 13 Geschwistern in einer bescheidenen Weber-Familie, wird er aus materieller Not…mehr

Produktbeschreibung
Seine Leser hat er in die exotische Welt des Orients und des amerikanischen Westens versetzt, als wäre er selbst auf den Spuren von Winnetou und Old Shatterhand, Hadschi Halef Omar und Kara Ben Nemsi gewandelt. 33 Bände "Reiseerzählungen" hat er verfasst und ist doch so gut wie nie aus seiner sächsischen Heimat herausgekommen. Abenteuerlich war sein Leben trotzdem - Gefangenschaft, Geheimnis und Zweikampf im Namen der Ehre sind darin, wie in seinen Romanen, immer wiederkehrende Situationen. Aufgewachsen mit 13 Geschwistern in einer bescheidenen Weber-Familie, wird er aus materieller Not straffällig. Eine hart urteilende Justiz und seine schon da überschwängliche Phantasie treiben ihn immer tiefer in kriminelle Verstrickungen: Was mit einem Kleinstdiebstahl begann, endet in Amtsanmaßung und Hochstapelei. Im Zuchthaus entdeckt Karl May, 32-jährig, seine erzählerische Begabung. Er schreibt Dorfgeschichten und sentimentale Romane, bevor er die "Reiseerzählungen" zu seinem eigentlic hen Motiv macht. Fortan wird ihm das Schreiben zum Mittel der Selbstbefreiung, aber auch der Selbststilisierung. Sorgsam pflegt er die Legende des weltläufigen, dutzende Sprachen beherrschenden Abenteurers. Frederik Hetmanns Buch macht neugierig auf den Menschen Karl May, erzählt den sozialen und kulturhistorischen Hintergrund von Mays Schaffen und stellt dessen wichtigste Werke in pointierten Rezensionen vor.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.12.2000

Auf fremden Pfaden
Frederik Hetmanns Karl-May-Biografie
Bevor wir Frederik Hetmanns Karl-May-Biografie Old Shatterhand, das bin ich aufblättern, Asche aufs Haupt: Unser Bild des genialen sächsischen Erzählers ist trotz der Mühen emsiger Forscher immer noch ein ziemlich schiefes, geprägt vom unstillbaren Abenteurergeist, mit dem sich vorrangig pubertierende Jungmannen aufmachten, die Welt zu entdecken. Die Reiseführer und guten Kameraden, – geografisch und moralisch – waren Old Shatterhand respektive Kara Ben Nemsi, nebst einer Hand voll deutscher Mut- und Gutmenschen. Über allen thronte natürlich die Leitkulturfigur Winnetou. Das war so von Generation zu Generation, wird im Zeitalter von Harry Potter aber mehr und mehr das Privileg derjenigen, die mittels Wiederlesen der grünen Bände eines verlorenen Kapitels der Kindheit habhaft werden wollen. Einer Epoche also, in der noch alles offen schien, weil man die Wirklichkeit mit einem Seitenschlag unter der Bettdecke – und weniger mit einem Verwandlungszauber – hinwegfegen konnte.
Wir blättern nun also in Hetmanns Buch und stolpern alsbald über einen Satz wie diesen: „In diesem Augenblick zuckten die Tentakeln der kindlichen Objekt-Libido-Bindung endgültig ins eigene Ich zurück. ” – Weil der Satz leider keinen Kampf Kara Ben Nemsis mit einem wild gewordenen Tintenfisch im Roten Meer beschreibt, drohte er unmotiviert herumzuspuken, wenn wir ihn hier nicht dingfest machen würden.
Abgesehen von gelegentlichen sprachlichen Eskapaden ist Hetmanns Karl-May-Biografie nämlich eine erstaunlich aufschlussreiche Lektüre, spannend dazu. Der Biograf blickt nicht von oben auf Leben und Werk des Schriftstellers. Er bahnt uns vielmehr einen gangbaren Weg durchs Dickicht der Ereignisse. Unterwegs werden wir immer neugieriger und fühlen uns bald wie Waldläufer auf fremden Pfaden Durchs wilde Kurdistan. Der Satz über Karl Mays Mutterbindung allerdings, den Hetmann aus Hans Wollschlägers May-Biografie zitiert, mag für psychoanalytisch gebildete Leser begreifbar sein, in einem Jugendbuch wirkt er deplatziert.
Hetmanns Dilemma ist offensichtlich (und taucht beim Umgang mit wichtigen Erkenntnissen anderer Karl-May-Forscher öfter auf): Wie übersetzt man das Expertendeutsch so, dass junge Leser das Buch nicht in die Ecke schleudern? Aber Hetmann führt uns alsbald wieder auf den Pfad der Ereignisse und Geschichten zurück, beginnt einen Gang durch Karl Mays Werk. Der Expeditionsleiter behandelt dabei die Reiseromane, die unser Karl-May-Bild bestimmten, genauso sorgfältig wie die anderen literarischen Phasen: seine frühen Kolportageromane und das Alterswerk, das sich mehr und mehr vom wüsten Boden des Abenteuers zu den lichten Höhen von Glaube und Mystik emporschwingt. Nicht zuletzt werden auch Mays Kämpfe mit seinen einflussreichen Gegnern dokumentiert, die ihn als Schundautor, Verführer der Jugend, ja sogar als „geborenen Verbrecher' (Hauptfeind Wolfgang Lebius) verunglimpfen.
Am besten führt uns Hetmann immer dort durchs Dickicht, wo er das Milieu, in dem Mays ungeheure Phantasie gedeihen konnte – musste! –, lebendig werden lässt und mit den Gegenwelten des Schriftstellers koppelt. Deshalb nimmt Karl Mays karge Kindheit und Jugend im sächsischen Provinznest Ernstthal breiten Raum ein, ebenso die Ereignisse, die ihn für Jahre hinter Gitter brachten. Hetmann legt dabei – scheinbar en passant – Baustein für Baustein der komplexen Verflechtung von Realität und Fantasie frei: wie der Schriftsteller gravierende Ereignisse seines Lebens ungeheuer imaginativ bearbeitete und in sein Paralleluniversum einfließen ließ, bis ihm diese Welt zur realen wurde. Das verhinderte wohl vor allem anderen den seelischen Tod in der verhassten und ihn gleichzeitig prägenden spießigen Kleinbürgerlichkeit. Die Ökonomie folgte erst an zweiter Stelle. Vielleicht liegt in dieser Trutzburg der „Pseudologica Phantastisca” (Karl-May-Forscher Claus Roxin) der Schlüssel, der uns als jugendliche Leser so schwerelos die Türen zum Llano Estacado oder ins Wilde Kurdistan öffnete. Wir waren Brüder im Geiste, freiheitsliebend, allmachtsfantasierend und – allseits geknebelt von der bösen Macht des Faktischen. Hetmanns Karl-May-Biografie jedenfalls ist ein besonders empfehlenswerter Reiseführer, egal ob Richtung Ardistan, Radebeul oder Silbersee. Hoffentlich nicht nur für die Altvorderen. (ab 14 Jahre)
SIGGI SEUSS
FREDERIK HETMANN: Old Shatterhand, das bin ich – Die Lebensgeschichte des Karl May. Verlag Beltz & Gelberg 2000. 319 Seiten, 32 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Karl May war ein "Popstar des 19. Jahrhunderts" und die Erfolgsgeschichte hat kein Ende: Aus dem Nachlass kommt immer noch jährlich (!) ein neues Buch heraus und die Biografieforschung dürfte im Umfang derjenigen Goethes kaum nachstehen. Nun gibt es Mays Leben für Kinder erzählt und rausgekommen ist nichts geringeres als eine "bemerkenswerte Biografie", so Reinhard Osterroth. Mays "Abrutschen ins Kriminelle" werde ebenso eindringlich beschrieben wie seine Art zu Schreiben. Die Ausführungen über den "absoluten Erzähler" sind für Osterroth gar das schönste Kapitel.

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