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Am Eingang dieses Buches begrüßt uns Diogenes von Sinope, der nichts haben will, nicht einmal von Alexander dem Großen. Er ist freilich die Ausnahme. Die meisten Menschen haben gern, und deshalb mangelt es auch nicht an Gründen und Anlässen, sich über das Haben zu äußern. In einer höchst unterhaltsamen Reise durch die Sinnwelten des Habens eröffnet Harald Weinrich, der Grandseigneur der europäischen Sprachwissenschaft, verblüffende Einsichten in unseren Gebrauch des Wörtchens Haben - und unser Haben-Denken, das sich darin offenbart.
Von den philosophischen Kategorien des Aristoteles, von
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Produktbeschreibung
Am Eingang dieses Buches begrüßt uns Diogenes von Sinope, der nichts haben will, nicht einmal von Alexander dem Großen. Er ist freilich die Ausnahme. Die meisten Menschen haben gern, und deshalb mangelt es auch nicht an Gründen und Anlässen, sich über das Haben zu äußern. In einer höchst unterhaltsamen Reise durch die Sinnwelten des Habens eröffnet Harald Weinrich, der Grandseigneur der europäischen Sprachwissenschaft, verblüffende Einsichten in unseren Gebrauch des Wörtchens Haben - und unser Haben-Denken, das sich darin offenbart.

Von den philosophischen Kategorien des Aristoteles, von denen eine das Haben ist, bis zu Romeo und Julia, die nur noch sich selber haben, und Martin Luther King, der einen Traum hat, betrachtet Harald Weinrich in seinem neuen Buch den Umgang mit dem Wort Haben. Selbst der "Habenichts" Hitler kommt darin zu Wort. Weinrichs Blick gilt aber nicht nur den Philosophen und Dichtern, den Tyrannen und Freiheitshelden. Auch das leidige Haben und Nicht-Haben, das Haben, das man nun einmal nicht besitzen kann, das höflichere Haben und der (andere) Umgang mit dem Haben in anderen Sprachen und Grammatiken finden in dieser kleinen Aufklärung über das Haben ihren eleganten Portraitisten.
Autorenporträt
Harald Weinrich, geb. 1927, war nach Professuren in Kiel, Köln, Bielefeld und München zuletzt Professor für Romanistik am Collège de France, Paris. Er hat für sein Lebenswerk unter anderem den "Sigmund-Freud-Preis", den "Hanseatischen Goethe-Preis" und den "Joseph-Breitbach-Preis" erhalten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2012

Ich hab's, ein jegliches hat seine Linguistik!

Auf dem Weg genauer Sprachkenntnis zu anthropologischen Einsichten: Harald Weinrich widmet sich in seinem neuen Buch unserer vielfältigen Rede vom Haben und der reichen Literaturgeschichte des Besitzens.

Die Minderschätzung des Habens ist eine Konstante der europäischen Ideengeschichte. Große Bücher heißen, selbst wenn sie das Haben mitbehandeln, einfach nicht "Haben und Zeit" oder "Das Haben und das Nichts" oder "Die Welt als Wille und Habe". Dabei ist das entsprechende Verb ja durchaus nicht weniger ruhelos im Einsatz als "sein" oder "denken": Der Mensch "hat" Vernunft, Sorgen, Likör, Geschichte, Gefühle, Geist, Schwimmunterricht und so weiter.

Doch das Eigentum im engeren Sinne überließ die Philosophie zumeist gern den Juristen und noch für die wenigen, die es anders hielten, war die Habe nicht viel mehr als Ausdruck getaner Arbeit oder vollzogener Wegnahme. Das Eigentum im weiteren Sinne wiederum galt als abgeleitet aus dem Sein. Schopenhauers Satz "Zu dem, was einer hat, habe ich Frau und Kinder nicht gerechnet; da er von diesen vielmehr gehabt wird" gehört da schon, an den Grenzen der Grammatik, zu den helleren Reflexionen aufs Haben.

Harald Weinrich, der Nestor der deutschen Linguistik, legt nun Variationen auf das Haben vor, die ihrerseits der Ontologie (Seinslehre) nun keine Echo- oder Hexologie entgegensetzen wollen, was die entsprechenden griechischen Ausdrücke wären. Vielmehr möchte Weinrich darauf hinweisen, dass man vieles nur sein kann, wenn einem etwas gehört oder zugeordnet ist.

Das Verb "haben" bezeichnet solche Zugehörigkeiten, so wie "sein" Erkennbarkeit festhält, wobei eins ins andere übersetzt werden kann. Mit Weinrichs Beispiel: "Wir haben Gäste" bedeutet "Wir sind (gerade) Gastgeber"; oder in vielen Sprachen "Uns sind Gäste". Verwandterweise bezeichnet "haben" als Hilfsverb Vergangenes, das der Gegenwart noch zugehört ("Was hast Du getan?"). Und in der Interaktion wird Höflichkeit gerade vermittels einer Variation von Zugehörigkeitsvermutungen gewahrt: Hätten Sie vielleicht, ich hätte gern gewusst, man hätte doch.

Weinrichs Ansichten sind meist linguistischer, oft philosophischer, kunst- und literaturgeschichtlicher oder sprachgeschichtlicher Art. So lesen wir mit ihm Beispielsätze wie "Bis zur Grenze hatten sie noch drei Kilometer", was in einem DDR-Wörterbuch zusammen mit "Haben Sie Apfelsinen?" und "Früher hatten wir kein Russisch" ebenso bemerkenswert ist wie die ausschließliche Exemplifikation des "Habens" im Duden durch Sachen. Nur Autos, Eigentum, Häuser werden da gehabt, nicht Kopfschmerzen, Angst oder Glück.

Oder wir folgen seiner bezwingenden Interpretation von Emily Dickinson ("I had no time to Hate - / Because / The Grave would hinder me -") als Gegenwort zu "Ein jegliches hat seine Zeit" (Prediger Salomo). Stets sind es nur wenige Seiten, die Weinrich an solche Motive wendet - an das "Haben als hätte man nicht" des Paulus oder an das "Kriegen" als Gegenstück zu Haben - aber jedes Mal bekommen wir mehr als dasteht: Skizzen, die Aufsätze enthalten. Im Ganzen bekommen wir keine Theorie, aber ein Seminar. Fast meint man, dass es vom großen Fremdsprachen-Lehrer Weinrich, genauer: dem Erfinder des Faches "Deutsch als Fremdsprache" gegeben wird, in dessen Schulstunde auch die Muttersprachler merken, was alles im Deutschen steckt.

Ganze Aufsätze stecken besonders in seinen Kommentaren zur Literaturgeschichte des Besitzens. Vor allem diejenigen, die anscheinend nur noch sich selbst haben, interessieren ihn da: Robinson Crusoe etwa, der Scheinhabenichts, der allerdings eine Erstausstattung an Werkzeug, Pulver, Tinte und Papier besaß, das arme Mädchen aus dem Sterntaler-Märchen, das zuletzt alles hergegeben hatte, oder Salomon und Veronika in Gottfried Kellers "Romeo und Julia auf dem Dorfe", die nur noch einander hatten. Die vier Seiten über Hitlers Selbstbezeichnung als Habenichts in einer Welt der Besitzenden enthalten ein ganzes Buch.

Harald Weinrich knüpft mit seinen Kommentaren zu intellektuellen und sprachlichen Habunseligkeiten an Bücher über die Lüge, das Vergessen, die Heiterkeit sowie die Knappheit der Zeit und die Moral an, die er neben seinen großen linguistischen Werken zur Erzähltheorie sowie zur Textgrammatik des Französischen und Deutschen vorgelegt hat. Im Stil wie in der Motivwahl gibt sich das Vorbild der französischen Moralistik für den zu erkennen, der durch die Wissenschaft hindurch auf anthropologische Einsichten zielt. Forschung, die Lehre sein möchte und darum lieber bruchstück- als zwanghaft ist: gut, dass wir Harald Weinrich haben. Heute hat er selbst seinen fünfundachtzigsten Geburtstag.

JÜRGEN KAUBE

Harald Weinrich: Über das Haben. 33 Ansichten.

Verlag C. H. Beck, München 2012. 207 S., Abb., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Geradezu ins Schwärmen gerät Johan Schloemann über Harald Weinrichs Buch "Über das Haben". Der "Altmeister der Sprach- und Literaturwissenschaft" liefert für ihn eine höchst unterhaltsame, gebildete und leichthändige Untersuchung eines Alltagsworts, an das große Themen geknüpft sind. Diesen nähert sich der Autor zur Freude des Rezensenten in ebenso gedankenreichen wie amüsanten Skizzen. Dabei kommen Verb und Grammatik von "haben" ebenso zum Zug wie das Thema Haben in Philosophie und Literatur, in Wörterbüchern und Börsenromanen, in Wirtschaft und Alltag. Schloemanns Fazit: das ideale Geschenkt für alle, "die schon alles haben, aber auch für die, die gerne mehr hätten".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.12.2012

Geld, Urlaub
und Fieber
Ein Alltagswort, ein großes Thema:
Harald Weinrichs wunderbares Buch
„Über das Haben“ klärt die Besitzverhältnisse
VON JOHAN SCHLOEMANN
Es ist die Zeit des Habenwollens. Die Zeit der Wunschlisten, Prospekte, Bedürfnisverfeinerungen. Was könnten die Lieben denn noch brauchen? Ja, wir sind vom Konsum getrieben. Einerseits. Andererseits ist der Advent, zum Ausgleich, die Stunde des schlechten Gewissens, der Besinnung, der wiederholten Beteuerung, es zähle ja eigentlich gar nicht das, was einer besitze, sondern das, was er sei. Das Schenken erscheint als eine symbolische Handlung, und die Kulturwissenschaften haben die Dinge, mit denen sich die Leute so umgeben, immer ernster genommen, sie haben das Eigenleben der Dinge untersucht, vor allem aber auch die Beziehungen, die der Mensch mit ihnen eingeht, um seine persönliche Identität greifbar zu machen. Und doch sitzt die Tradition des Denkens ziemlich tief, wonach der ganze Kram bloß eitler Tand ist – weil man auf die Leib-Seele-Trennung als Werteordnung doch nicht verzichten will.
  In dieser etwas verdrucksten Situation kommt das neue Buch von Harald Weinrich gerade recht. Der Altmeister der Sprach- und Literaturwissenschaft hat mit 85 Jahren ein leichtes, munteres, gedankenvolles Buch mit dem Titel „Über das Haben“ geschrieben. Es ist das perfekte Weihnachtsgeschenk für alle, die schon alles haben, aber auch für die, die gerne mehr hätten.
  Es macht den Charme dieser so ergiebigen wie unbürokratischen Inventur aus, dass sie sich vom Verb „haben“ aus, also einem der alltäglichsten, unscheinbarsten, selbstverständlichsten aller Wörter, der Sache annähert. Wie sollte man auch anders als induktiv über das Haben nachdenken, also indem man von den Wörtern und Dingen her das Allgemeine umkreist? Das Haben, schreibt Weinrich, ist „immer pluralfreundlich“. Und so sind die „33 Ansichten“, in die das Buch aufgeteilt ist, auf überaus entspannte, menschenfreundliche Weise analytisch anstatt systematisch. Der urbane Gelehrte kann dafür auf einen riesigen Fundus zurückgreifen, nichts aber liegt ihm ferner, als ihn komplett vor dem Leser auszuschütten. Wer hat, der hat, könnte man hier schon mal sagen – dieser sogenannte „Matthäus-Effekt“ allerdings war ursprünglich nicht materiell gemeint, sondern steht, daran erinnert der Autor, im Evangelium „im bildlichen Kontext verschiedener Gleichnisse, die von der Fruchtbarkeit des Gotteswortes handeln“.
  „Ich bin, was ich habe“, heißt es einmal knackig bei Jean-Paul Sartre. So wird man überhaupt bei den Existenzialisten am ehesten fündig, wenn es um das Haben geht, während viele der größten Denker es, eingenommen von Sein und Seele, eher stiefmütterlich behandelt haben. Sie haben sich vom Haben abgewandt „wie von einer unreinen und ganz und gar unbestimmbaren Vorstellung“, wie der französische Existenzialist Gabriel Marcel in seinem Werk „Être et avoir“ von 1935 schrieb. Harald Weinrich liest dies und alles mögliche andere, von Walther von der Vogelweide bis zur Gegenwartsliteratur, von den Erklärungen der Menschenrechte und Verfassungen („Jeder hat das Recht . . .“) bis hin zu Hitler-Reden, er schaut auf Bilder von Vermeer und vertieft sich in Börsenromane. Man kann sich aus diesen eleganten Skizzen eine ganze Philosophie und Grammatik des Habens zusammensammeln.
  Beginnen wir, anders als das Buch, mit der Grammatik. Das Wort, um das es hier geht, ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass wir über uns selbst nachdenken, wenn wir über Sprache nachdenken. „Haben“ ist wie „sein“ ein Elementarverb. Aber es wird anders konstruiert. Denn „haben“ ist ein transitives Verb, es regiert ein Objekt: man hat dies oder das. So sieht es rein formal aus. Aber umgekehrt wird ja auch das Subjekt vom Objekt regiert, das es hat: Etwa, wenn man ein Auto hat oder Zahnschmerzen, einen Termin oder Verspätung. Anders als andere transitive „Tu-Wörter“ bezeichnet „haben“ nicht so sehr ein Tun, eine Tätigkeit, obgleich es ein Objekt hat, sondern eher einen Zustand.
  Das Akkusativ-Objekt des Habens ist, so Harald Weinrich, „nur zum Schein“ ein solches, denn das Verständnis wird „zum Subjekt zurückgelenkt“. Und das bedeutet: „Die Herstellung und Feststellung von Zugehörigkeit (Pertinenz) ist demnach die Grundbedeutung des Verbs ,haben‘, so wie die Erkennbarkeit (Identität) die Grundbedeutung des Verbs ,sein‘ ist. (. . .) Alle Haben-Sätze antworten demnach auf die Frage: Wer oder was gehört zu wem oder zu was? (. . .) Somit können alle Haben-Sätze, wenn man so will, als verkappte Seins-Sätze angesehen werden.“ Im Übrigen findet die Verwandtschaft von Sein und Haben, stellt Weinrich fest, „auch darin eine Bestätigung, dass beide von der Bildung eines Passivs ausgeschlossen sind“. Da haben wir, das heißt: unsere persönliche Autonomie, den Salat. Schon die Sprache zeigt an: Es ist nicht so einfach und sauber abtrennbar, dass das Sein gut und das Haben böse wäre – so wie es Erich Fromm in seinem Buch „Haben oder Sein“ im Jahr 1976 wollte, die Fixierung der Gesellschaft aufs Habenwollen und die schlimmen Wirkungen des Privateigentums in der Weise rügend, wie man es damals gerne hatte und heute auch wieder gerne hat.
  Die unentrinnbare Beziehung von Individuum und Objekt so freizulegen, heißt indes für Harald Weinrich nicht, dass er geistlosem Besitzstreben das Wort reden würde. Er mokiert sich feinsinnig über den zunehmenden Materialismus in den Artikeln der deutschen Wörterbucher zum Stichwort „haben“ – hatte man anfangs personal-familiäre Beziehungen an den Anfang gestellt (man hat Vater, Tochter und so weiter), rückten später Haus, Auto und Geld nach vorne. Dabei kann sich doch die personale Zugehörigkeit – so schreibt Weinrich in Auseinandersetzung mit Martin Heideggers Auffassung vom „Zeug“ – „als dasjenige Haben erweisen, das dem Dasein am nächsten kommt und ihm manchmal zum Verwechseln ähnlich sieht“.
  Im bürgerlichen Gesellschaftsroman tritt zu den beiden klassischen Habensformen, zu Grundbesitz und Handelsgütern, ein Drittes hinzu, nämlich das frei bewegliche Kapital. An dem Börsenspekulanten namens Nicolas Saccard in Émile Zolas Roman „Das Geld“ (1891) lässt sich wie am Investmentbanker von heute zeigen, dass dieses Haben dann doch seine Grenzen hat – ernsthaft erstaunt und entrüstet zeigt sich jener Saccard darüber, dass er trotz seiner Kapitalakkumulation eine bestimmte Frau nicht haben kann – „eine Frau, die andere für umsonst hatten“! Während das Nicht-Haben für Karl Marx revolutionäres Potenzial birgt, ist es für den Apostel Paulus durch einen geistlichen Reichtum aufgehoben – die Gläubigen sind die, die „nichts innehaben und doch alles haben“, heißt es im zweiten Korintherbrief.
  Manche andere sprachliche Beobachtungen dieses Buches erklären, so klein sie erst erscheinen mögen, mit einigem Aha-Effekt unsere sozialen Beziehungen und Konventionen. Für die Selbstbeschreibung des Menschen in seiner Lebenswelt ist bezeichnend, dass die Ausdehnung der Gegenwart des Verbs „haben“ schwer zu bestimmen ist, wie Harald Weinrich an Beispielen wie diesen vorführt: „Ich habe eine Familie / einen Beruf / eine Lebensversicherung / ein Hobby / einen Hausarzt.“ Mal drückt das Haben „zivilisatorisch und institutionell geregelte Zeitverhältnisse aus“ – man hat Aufsicht, Dienst, Urlaub, Matheunterricht, Mittagspause –, mal noch Unverfügbareres wie Regen, Pech, Fieber oder neuerdings, als Anglizismus, auch Sex. Der Körper, die Leiblichkeit ist laut Günther Anders, dessen Buch von 1928 ebenfalls „Über das Haben“ hieß, „das Haben schlechthin“. In nächster Nähe sind da unsere Kleidung und Accessoires, für die das Haben zweiteilige Verben bildet: Man hat Jacken, Schals, Mützen oder Schuhe an, auf, aus, um . . . Die „Habe“ übrigens ist meist nur noch bei Verlust derselben in Gebrauch.
  Objekte des Habens werden gerne verbrämt, damit die Wahrheit nicht zu harsch, zu direkt wird: Jemand hat dann „Köpfchen“ oder „ein Problem“. Überhaupt muss das Haben, im Konjunktiv oder mit Modalpartikeln, viel der Höflichkeit und Geschmeidigkeit im Umgang dienen. Weinrich versetzt uns in eine Wohnungsbesichtigung, wo Sätze zu hören sind wie: „Ich hätte mal eine kurze Frage“, „Hätten Sie vielleicht einen Grundriss?“ Bescheidene Dienstfunktionen erfüllt „haben“ auch als Hilfsverb bei der Bildung der Perfektformen, wo es aber durchaus auch etwas Eigenes ausdrückt, nämlich dass eine vergangene Handlung in der Gegenwart resultiert und, wie Weinrich formuliert, noch „besprochen“ wird: „Habe nun, ach . . .“
  Das Haben ist, als Zugang oder Besitz, umkämpft in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, es ist fest und flüssig. Es wird in doppelter Buchführung verzeichnet und in den beiden Türmen der Deutschen Bank, die der Volksmund in Frankfurt „Soll und Haben“ nennt. Aber es sperrt sich auch der rein ökonomischen Beschreibung des Menschen. Was alles im Spiel ist, wenn wir „haben“ sagen, dafür öffnet dieses Buch die Augen. Am Ende ist der Kalauer schwer vermeidlich, den sein unaufdringlicher Autor natürlich selber meidet: Harald Weinrich – da weiß man, was man hat.
Man hat dies oder das, aber
das Subjekt wird auch
vom Objekt regiert, das es hat
Die Gläubigen sind die,
die „nichts innehaben und
doch alles haben“
  
  
  
  
Harald Weinrich:
Über das Haben.
33 Ansichten.
Verlag C. H. Beck,
München 2012.
207 Seiten, 19,95 Euro.
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