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In seinem neuen Roman erzählt Eduardo Belgrano Rawson von den letzten Tagen der Feuerländer zu Beginn des 20. Jahrhunderts und von der Wanderung, die Camilena Kippa mit ihrer Familie unternimmt, um sie in Sicherheit zu bringen. Als sich herausstellt, daß ihr Land zu den besten Schafzuchtregionen der Welt gehört, bricht Unheil über die Feuerländer herein. Ihre Abgeschiedenheit wird brutal beendet. Jetzt müssen sie das Archipel mit nordamerikanischen Robbenjägern, Goldsuchern, argentinischen und chilenischen Schafzüchtern, Skelettdieben und allen möglichen Abenteurern teilen, die in großer Zahl…mehr

Produktbeschreibung
In seinem neuen Roman erzählt Eduardo Belgrano Rawson von den letzten Tagen der Feuerländer zu Beginn des 20. Jahrhunderts und von der Wanderung, die Camilena Kippa mit ihrer Familie unternimmt, um sie in Sicherheit zu bringen. Als sich herausstellt, daß ihr Land zu den besten Schafzuchtregionen der Welt gehört, bricht Unheil über die Feuerländer herein. Ihre Abgeschiedenheit wird brutal beendet. Jetzt müssen sie das Archipel mit nordamerikanischen Robbenjägern, Goldsuchern, argentinischen und chilenischen Schafzüchtern, Skelettdieben und allen möglichen Abenteurern teilen, die in großer Zahl in diese Gegend strömen und die indianische Bevölkerung wie lästige Tiere behandeln. Auf der Flucht vor einer Horde Jäger beschließt Camilena Kippa, die vor der Auflösung stehende englische Mission zu verlassen, und macht sich mit ihrer Familie auf den Weg ins Land der Seehunde. Dabei muß sie auch durch das Gebiet der Schafzüchter, eine gefährliche Route. In seinem Roman, der auf realen Schicksalen beruht, zeichnet Eduardo Belgrano Rawson den Untergang der Urbevölkerung in Feuerland und Südpatagonien nach, ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Kolonisierung und Missionierung Amerikas.

Der Roman schneidet Szenen aus dem damaligen Leben gegeneinander, dem der Indianer, der Missionare, Landbesitzer, Jäger, ohne Anklage, voller Melancholie. Das Buch hat poetische und dramatische Momente, ist skurril, anrührend, bewegend. Es erinnert voller Schönheit und Mitgefühl, dabei ohne jede Sentimentalität, an ein Leben, das unwiederbringlich verloren ist.
Autorenporträt
Eduardo Belgrano Rawson wurde 1943 in einem kleinen Dorf in Patagonien geboren und lebt heute in Buenos Aires. Er ist als Schriftsteller und Journalist tätig und veröffentlichte 1975 seinen ersten Roman. Zwischen 1975 und 1987 unternahm er einige Reisen nach Feuerland. Belgrano Rawson erhielt mehrere literarische Auszeichnungen, darunter 1979 den Preis des Club de los XIII für 'Schiffbruch der Sterne'.

Lisa Grüneisen, 1967 geboren, arbeitet seit ihrem Studium der Romanistik, Germanistik und Geschichte als Übersetzerin. Sie übersetzte u.a. Carlos Fuentes, Miguel Delibes, Alberto Manguel und Frida Kahlo.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.07.2004

Narben unterm Haar
E. Belgrano Rawsons Roman „In Feuerland”
Finis terrae: Wer den Beagle-Kanal an der Südspitze des amerikanischen Kontinents überquert, der hat das Labyrinth der Feuerlandinseln mit all ihren Gletscherzungen beinahe hinter sich. Danach gibt es nur noch die Felsen von Kap Hoorn, wo der Wind die pazifischen Wassermassen dem Atlantik entgegen schiebt. In der Steppe der Isla Grande gingen einst die Ureinwohner auf die Jagd, doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts lockten Seehunde, weite Flächen für die Schafzucht und der Traum vom Gold Einwanderer aus allen Erdteilen an den windigen Rand Patagoniens.
Wie am Ende der Welt mag sich auch der Leser fühlen, der in Eduardo Belgrano Rawsons Roman „In Feuerland” zu blättern beginnt. Ohne wenigstens eine Handvoll einleitender Sätze wird er hineingezogen in ein Gefüge aus Stimmen, Namen und Andeutungen. Von gesunkenen Schiffen ist die Rede, von der Missionsstation Abingdon und jener Zeit, als der alte Dobson hier noch zu seinen seelsorgerischen Streifzügen aufbrach. Der argentinische Schriftsteller Rawson ist ein Meister der in sich ruhenden Erzählung. Er schleift die Erinnerungen seiner Figuren solange zu, bis sie wie Intarsien in den klar geschnittenen Szenen sitzen.
Fluchtpunkt des Romans ist jene Missionsstation, die Reverend Francis Dobson einst gemeinsam mit seiner Frau gründete. Noch lange nach Dobsons Tod behält der Ort seinen kargen Charakter. Doch nicht nur die Witwe erlebt sich als Teil einer Verfallsgeschichte, deren Spuren tief ins Sensorium reichen: „Im Halbschlaf stellte sie fest, dass das Holz seinen Geruch nach frisch geschlagenem Nussbaum verlor. Sie fühlte sich von den Formalinschwaden verfolgt, die aus allen Ecken drangen. Die Mission war ein gewöhnliches Hospital geworden, und die ständigen Sprühaktionen des Doktors hatten jeden Duft vertrieben.”
Die Schafzüchter nehmen die Büschelgrasweiden in Beschlag wie die Goldsucher die Mündungen der Flüsse, und das Land verwandelt sich in ein Gefüge aus Schürfstellen und Latifundien. Anfangs noch als Hirten geduldet, werden die Indianer schließlich regelrecht gejagt. Die Großgrundbesitzer setzen Prämien für ein Paar abgeschnittener Ohren aus - der Vater des jungen Tatesh, von dessen Wanderungen Rawson erzählt, hat es am eigenen Leib erfahren: „Er hatte nur zwei Narben unterm Haar, die matt glänzten, wenn er den Kopf bewegte.”
Was Eduardo Belgrano Rawson dabei mit den realen Gegebenheiten anstellt, hat ebenfalls mit Vernarbung zu tun. So wird man die zahllosen Ortsnamen in keinem Lexikon finden: Weder Abingdon noch Río Agrio, weder Punta de los Apuros noch die Grappler-Insel. Einzig Sandy Point erweist sich als historischer Vorläufer des heutigen Punta Arenas, aber das müsste eigentlich im Osten der Insel liegen und nicht, wie in Belgrano Rawsons Roman, an der westlichen Küste. Dafür stößt man auf andere Namen, zu denen die Beschreibung manch landschaftlicher Kleinigkeit durchaus passen mag. Ein ums andere Mal verschleift der Autor die geschichtlichen Koordinaten und verwandelt seinen Bericht recht eigentlich in ein Gedächtnisbuch, das die Vertreibung der Ureinwohner festhält.
Das Faszinosum dieses Romans jedoch ist es, dass Belgrano Rawson bei aller historischen Entkleidung niemals ins Lehrhafte abrutscht. Vielmehr entwirft er stets aufs Neue Kapitel, die ihre Prägnanz dem steten Wechsel von trennscharfen Bildern und Erinnerungsszenen verdanken. Trotz aller rauen Dialoge, trotz vieler Andeutungen und Rückblenden gelingt es seiner Sprache an den Nahtstellen der Erzählung, Zeit und Raum in der Dauer des Augenblicks aufzuheben. Dass dabei sogar einem Hund emphatische Momente zuteil werden können, verleiht dem Buch jene Brüchigkeit, die es vor dem Kitsch des Ursprünglichen bewahrt.
NICO BLEUTGE
EDUARDO BELGRANO RAWSON: In Feuerland. Roman. Aus dem Spanischen von Lisa Grüneisen. Verlag C.H.Beck, München 2003. 240 Seiten, 18,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2004

Schlechte Zeiten für Riesen
Eduardo Belgrano Rawson enthüllt das Los der letzten Feuerländer

Für eine Generation, die mit Michael Endes "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" aufwuchs, ist Feuerland die Heimat von Herrn Tur-Tur, dem Scheinriesen, der nur aus der Ferne riesig wirkt. Doch als ein Land von Giganten wird die Insel bereits beschrieben, seit Magelhães sie erstmals bereiste. Man stößt dort auf das Riesengeschlecht der Patagonen, die an der Küste lodernde Feuer aufstellen (daher auch der Name), und, gemäß der "Utopia" des Thomas Morus, auf immense Schafe, die Menschen fressen. Weniger fabulös-gigantisch mutet demgegenüber an, was in Meyers Konversations-Lexikon von 1875 über die Bewohner Feuerlands geschrieben steht: "Die Eingeborenen, Feuerländer, Fuegier oder Pescheräh genannt, gehören zur amerikanischen Rasse und stehen auf der untersten Stufe der Kultur. Sie sind etwa 1,5 Meter groß, von dunkel-schmutziger Kupferfarbe. Auch Kannibalismus ist ihnen in Zeiten der Noth nicht unbekannt."

Wie sich die Wahrheit über die ursprünglichen Bewohner des südlichsten Landstrichs der fünf Kontinente tatsächlich verhält, läßt sich heute schwer nachprüfen: Nur wenige Jahre nach dem Erscheinen des Lexikons wurde das Volk der Feuerländer restlos ausgerottet. Als das Land für den Robbenfang interessant wurde und sich zugleich als das weltweit ertragreichste Weideland für Schafe herausstellte, rissen sich Profiteure verschiedenster Herkunft das fast unberührte Gebiet unter den Nagel und besiegelten das Schicksal einer bis dahin von der Kolonisierung weitgehend vergessenen Urbevölkerung. Das daher fast utopische Unterfangen, diese verlorene Welt der Feuerländer noch einmal in ihrer Schroffheit und Poesie wiederaufleben zu lassen, hat Eduardo Belgrano Rawson unternommen.

Anhand des Schicksals einer einzelnen Familie um Camilena Kippa aus dem Stamm der Canoeros und Hatesh Wulaspaia aus dem der Parrikens porträtiert der argentinische Schriftsteller und Journalist das Verschwinden der feuerländischen Indianer zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In der anglikanischen Missionsstation von Abingdon ihres Lebens nicht mehr sicher, machen sie sich zu Fuß auf, die Insel zu durchqueren, um eine neue Heimat zu finden. Um diesen Faden herum spinnen sich die Geschichten all jener Fremden, die das Leben der Indianer streifen: ein bigotter anglikanischer Prediger, ein skrupelloser britischer Schafzüchter, ein deutscher Schiffskapitän, ein trockener Schreibstubenbeamter aus Buenos Aires, ein philanthropischer argentinischer Arzt, der vergeblich gegen eine tödliche Masernepidemie zu kämpfen versucht. Willentlich oder unwillentlich werden sie alle zugleich Beobachter und Akteure eines Untergansszenarios.

Mit scheinbar dokumentarischer Genauigkeit verfolgt der Autor diese Einzelschicksale. Jedes Kapitelincipit trägt gar das verblichene Foto eines der Protagonisten. Doch dieser Authentizitätsanspruch unterläuft sich selbst mit feiner Ironie, denn es handelt sich ausschließlich um Kinderfotos. So wird der kaltblütige Wollproduzent Jeremy Larch, der schließlich seine Hunde auf die wehrlosen Indianer hetzt, zum blonden, helläugigen Engelchen; und die Indiokinder Camilena und Hatesh, aufgewachsen in einer Wildnis, die wohl kaum von den Segnungen der Firma Kodak beglückt worden sein dürfte, blicken uns unverwandt durch die Kamera an. Mittels solch unbestimmbarer Gratwanderung zwischen Wirklichkeit und Erfundenem unterhöhlt Belgrano sowohl den Anspruch historischer Fakten als auch die Fiktion des historischen Romans, dieses nach den eigenen Worten des Autors "schrecklichen Genres": Im Lande der Scheinriesen hat die Scheindokumentation ihre Heimat gefunden. Historisch-geographisch festlegbare Orte, ja selbst der Name des Landes, spanisch: "Tierra del Fuego", tauchen an keiner Stelle auf in Belgranos "Fuegia" - so der den Schauplatz in eine fast mythisch-märchenhafte Dimension entrückende Originaltitel des Buches.

Was diesem gänzlich unromantischen Märchen allerdings jenseits aller Fotos und historischen Fakten eine ungeheure Glaubwürdigkeit verleiht, ist die schlichte und klischeefreie Eindringlichkeit der Charaktere. Frei von jeder Nostalgie präsentiert sich Belgranos harscher, nüchterner Bericht, und dennoch pocht in ihm der Schmerz um den Verlust der letzten vorgeblich kulturlosen Bewohner Amerikas, die in der paradigmatischen Gestalt Camilena Kippas und ihrer Familie anstatt in eine neue Heimat in ihren Untergang ziehen. Trotz der spröden und zuweilen anstrengend verzweigten Handlungsstränge macht diese gänzlich unsentimentale Anteilnahme den Bericht bis zur letzten Seite packend - und zu einem kleinen literarischen Wunder jenseits aller Bestsellerlisten.

FLORIAN BORCHMEYER

Eduardo Belgrano Rawson: "In Feuerland". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Lisa Grüneisen. C. H. Beck Verlag, München 2003. 240 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Es gibt ja einiges zu befürchten, wenn ein Roman vom Untergang Eingeborener handelt, die sich der Übermacht der arroganten Eroberer nicht mehr erwehren können, allem voran die Mär vom verlorenen Paradies, deshalb ist Kersten Knipp froh, dass in diesem Roman derartige Klippen souverän umschifft werden. Gewiss, ohne einige "erprobte Rührszenen" komme auch "Feuerland" nicht aus, insgesamt aber überzeuge die Erzählung durch ihre Zurückhaltung - Eduardo Belgrano Rawson versuche gar nicht erst, seine eigene Distanz zum Schicksal der Ureinwohner Feuerlands mit seinen Fantasien zu vertuschen und entgehe so der Gefahr von "Larmoyanz und ostentativer Empörung". Paradiese gibt es in diesem "stillen Buch" nicht, so unser Rezensent, nur die Kämpfe der Menschen in einer unwirtlichen Natur.

© Perlentaucher Medien GmbH