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Der neue Troianische Krieg - Bilanz einer Debatte Im Gefolge der Troia-Ausstellung, die in Stuttgart, Bonn und Braunschweig zu sehen war, erhob sich eine lebhafte Debatte. Sie kreiste um Fragen, welche die Troia-Grabung, ihre Ergebnisse und Interpretationsmöglichkeiten sowie die Bedeutung Homers in diesem Zusammenhang betrafen. Im vorliegenden Band bilanziert eine Gruppe internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den aktuellen Stand der Debatte, faßt Positionen zusammen und bietet Altertumswissenschaftlern, aber auch interessierten Vertretern der Nachbardisziplinen einen raschen…mehr

Produktbeschreibung
Der neue Troianische Krieg - Bilanz einer Debatte Im Gefolge der Troia-Ausstellung, die in Stuttgart, Bonn und Braunschweig zu sehen war, erhob sich eine lebhafte Debatte. Sie kreiste um Fragen, welche die Troia-Grabung, ihre Ergebnisse und Interpretationsmöglichkeiten sowie die Bedeutung Homers in diesem Zusammenhang betrafen. Im vorliegenden Band bilanziert eine Gruppe internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den aktuellen Stand der Debatte, faßt Positionen zusammen und bietet Altertumswissenschaftlern, aber auch interessierten Vertretern der Nachbardisziplinen einen raschen Überblick über Gemeinsamkeiten, Differenzen und Perspektiven in der Troiaforschung.
Autorenporträt
Christoph Ulf lehrt als Professor für Alte Geschichte an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Im Verlag C.H.Beck ist von ihm erschienen: Die homerische Gesellschaft. Materialien zur analytischen Beschreibung und historischen Lokalisierung (Vestigia 43, 1990).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.2004

Verweigerung gilt nicht!
Von Hartwin Brandt

Die neue Troia-Debatte kulminierte in einem turnierartigen, im Februar 2002 in der Universität Tübingen veranstalteten Symposion, dessen Hauptergebnis aus der Sicht des Gräzisten und Homer-Spezialisten Joachim Latacz wie folgt lautete: Es sei "für die Sache ohne Nutzen" gewesen. "Die neue Troia-Forschung wird gut daran tun, in Zukunft nicht mehr hinzuhören. Mag der Zweiflerzirkel künftig in sich kreisen" (F.A.Z. vom 22. Februar 2002). Bedauerlicherweise ist diese von dem wichtigsten Kombattanten Manfred Korfmanns ausgegebene Linie seither konsequent durchgehalten worden, was nicht nur der Herausgeber des hier vorzustellenden Bandes, der Innsbrucker Althistoriker Christoph Ulf, mit Recht moniert: Latacz, Korfmann und andere haben sich trotz drängender Einladungen einer Mitarbeit an dieser "Bilanz" verweigert, so daß Justus Cobet seine einleitend dargebotene Skizze der (alten und neuen) Troia-Diskussion resignierend mit der Beobachtung schließt, daß auch "Beschweigen und Sprachverweigerung zu den Strategien wissenschaftlichen Streitens" gehörten - "wie aber sollen wir einen freiwilligen Sprachverzicht erklären"?

Cobet kann geholfen werden, denn das Buch selbst gibt die Antwort auf seine Frage: Während in diversen Beiträgen am Ende ein "non liquet" steht, ein skeptisches Hinweisen auf die höchst ungesicherte Befundlage - ob es nun die Ahhijawa- oder die Wilusa-Diskussion betrifft, ob die immer wieder versuchte Harmonisierung von archäologischem Befund und literarischer Szenerie in der homerischen "Ilias" oder etliches andere mehr - , neigen Troia-Ausgräber, hilfreiche Homer-Forscher und Altorientalisten, die hier nicht mitbilanzieren mochten, zu fataler Eindeutigkeit, zu emphatisch begrüßten und triumphierend vorgetragenen Gewißheiten: "Die frühere Ungewißheit schwindet, und die Lösung scheint näher denn je zu liegen. Es würde nicht verwundern, wenn das Resultat bereits in naher Zukunft lauten würde: Homer ist ernst zu nehmen." Wenn Cobet in dieser befremdlich anmutenden Beobachtung von Latacz - war Homer denn bislang nicht ernst zu nehmen? - den abenteuerlichen Versuch sieht, "den Text zurückzubinden an die vom Spaten entzauberte Landschaft", so hat er die Antwort schon nahezu formuliert: Man will sich die nun sicher geglaubte, einst von Heinrich Schliemann sehnlichst erwünschte Klarheit nicht von kritischen Kollegen zerreden lassen, Sprach- und Diskussionsverweigerung sind die logische Konsequenz.

Das Befremden darüber spricht auch aus dem auf Cobets Skizze folgenden Beitrag des Archäologen und Olympia-Ausgräbers Ulrich Sinn, der anhand markanter Beispiele (aus dem arkadischen Phigalia, Ägina und Messene) vorführt, zu welchen Irrtümern voreilige Harmonisierungen von literarischen Quellen und archäologischen Indizien führen können, wie sie auch Korfmann und Latacz mit der Einschätzung vornähmen, "daß alle derzeit für die Archäologie auswertbaren topografischen Angaben Homers in etwa zutreffen". Sinn moniert völlig zu Recht, daß eine derartige Aussage die Ergebnisse der mehrere Jahrzehnte lang betriebenen "Archaeologia Homerica" unterläuft, welche eindeutig belegten, daß die Welt des homerischen Epos die des achten Jahrhunderts vor Christus war, durchsetzt mit wenigen Reminiszenzen an eine frühere Vergangenheit. Dies steht im Einklang mit Hans-Joachim Gehrkes überzeugender Lektüre der "Ilias" als eines Werkes, dessen intentionaler Umgang mit der Vergangenheit im Kontext der Identitätsbildung und -sicherung des archaischen Adels (das heißt des achten Jahrhunderts vor Christus) zu begreifen ist. Nicht um Konservierung von vergangenen Geschehnissen und der Namen von Helden der Bronzezeit ging es dem Ilias-Dichter, sondern um Wirkungen mit Blick auf sein zeitgenössisches Publikum.

Im folgenden Teil widmet sich der Band den archäologischen Befunden. Er fragt nach den heftig diskutierten Möglichkeiten und Grenzen der Einbindung des spätbronzezeitlichen Troia in die Welt des (hethitisch dominierten) Kleinasien. Zunächst analysiert Dieter Hertel die Grabungsbefunde in Troia hinsichtlich der Frage, inwieweit sie Rückschlüsse auf Belagerungen und Eroberungen (insbesondere durch mykenische Griechen) zuließen. Sein (durch vergleichende Blicke auf nachweislich belagerte und erstürmte Siedlungen wie Sardes und Alt-Paphos abgesichertes) Resultat ist ernüchternd: Klare Indizien aus den Schichten Troia VI bis Troia VII b 2 für derartige Begebenheiten ließen sich bislang nicht beibringen (und schon gar nicht für eine konzertierte, in größerem Maßstab unternommene Aktion mykenischer Griechen).

Anschließend konzentriert sich der Berliner Prähistoriker Bernhard Hänsel nochmals auf einen der besonders heftig diskutierten Einzelaspekte der Debatte, der Bewertung Troias im Zusammenhang regionaler und überregionaler Handelsbeziehungen der Bronzezeit. Hänsels Ergebnis läßt an Klarheit nichts zu wünschen übrig und verlegt Korfmanns Ideen von Troia als einer Drehscheibe internationalen Handels in das Reich der Phantasie. Zwar gab es auch in der Troas Handelsaktivitäten, aber nur in äußerst beschränktem Maße: "Der Wirtschaftsverkehr in und um Troia ist - um es zusammenfassend zu sagen - zu keiner Zeit von Troia I bis Troia VII b3 als das Ergebnis einer Handelstätigkeit anzusehen." Eng mit der Einschätzung Troias als Handelsort verbunden ist die von Frank Kolb traktierte Frage: "War Troia eine Stadt?", womit unweigerlich ein prominenter Gegenstand der Troia-Diskussion wieder in den Mittelpunkt rückt, nämlich das in Korfmanns Troia-Ausstellung als "Rekonstruktion" präsentierte Modell mit einer dichtbesiedelten, ummauerten Unterstadt. Von diesem Modell ist Korfmann inzwischen abgerückt; in Bonn, der letzten Station der Ausstellung, wurde nur noch eine ausgedünnte Version in Form einer Computersimulation präsentiert. Kolb, der die neuesten zugänglichen Ergebnisse der Grabungen heranzieht, hält auch diese Rekonstruktionsvariante für nicht haltbar, genausowenig wie das von Korfmann und seinem Team postulierte Befestigungssystem, und konstatiert: "Eine Bezeichnung Troias als Stadt ist weiterhin nicht gerechtfertigt."

Ein städtischer Charakter Troias läßt sich auch nicht über den Umweg einer Gleichsetzung von Troia (Ilios) mit dem in hethitischen Quellen begegnenden Wilusa belegen. In diesem Sinne beharrt die Hethitologin Susanne Heinhold-Krahmer auf ihren bereits auf dem Tübinger Symposion geäußerten (und von Peter W. Haider aufgrund der Auswertung ägyptischer Quellen nachdrücklich geteilten) Bedenken; die Lokalisierung von Wilusa in der Troas bleibe nach Analyse aller einschlägigen Texte eine Hypothese, die gewiß nicht die von Latacz entwickelte Auffassung stützen könne, daß Homers Handlungskulisse historisch und sein Epos eine historische Quelle für Vorgänge und Sachverhalte der späten Bronzezeit sei.

Und in einem weiteren Beitrag zur nicht minder umstrittenen Ahhijawa-Frage (das heißt vor allem zur möglichen Lokalisierung des Reiches Ahhijawa in Griechenland und zur Identität von dessen Einwohnern mit den Achäern Homers) hält sie zwar auch eine Zuweisung dieses in den Tontafeln von Hattusa belegten Reiches nach Griechenland für denkbar, warnt aber vor zu weit gehenden Schlüssen mit Blick auf Homer. Denn ob mykenische Griechen die Selbstbezeichnung als "Achaioi" überhaupt kannten, müsse unklar bleiben, solange diese nicht in mykenischen Texten nachgewiesen sei - die "Achäer" des wohl in Kleinasien beheimateten Dichters der Ilias belegten mithin nicht eine genauere Kenntnis mykenischer Griechen und taugten auch nicht als Indiz für die immer wieder postulierte Funktion des Epos als eines Endpunktes einer langen mündlichen Überlieferung.

Anschließend skizziert Barbara Patzek den aktuellen Stand der wichtigen oral poetry-Forschung. Die Existenz einer vorhomerischen mündlichen Tradition sei nicht zu bestreiten, unklar blieben aber bislang Datierungen und Überlieferungsstadien: "Weder das ,mündliche' noch das ,sagengeschichtliche' Schema der homerischen Tradition läßt sich für einen direkten Beweis der Historizität des Troianischen Krieges heranziehen." Zu vergleichbaren Ergebnissen gelangt auch Christoph Ulf in seiner komparatistisch angelegten Studie zur Heldenepik. Deren frühe Genese sei weithin unklar, ihr primäres Ziel habe nicht darin bestanden, Wissen über die Vergangenheit zu bewahren, im übrigen unterlägen mündliche Überlieferungen der sogenannten Drei-Generationen-Regel, könnten ohne (parallele) Schriftlichkeit mithin nicht als Wissensspeicher über einen längeren Zeitraum fungieren.

Was also läßt sich fundiert über Troia, Homer und die Griechen wirklich sagen? Darum geht es vor allem in den ersten beiden Beiträgen des abschließenden Blocks, den Birgitta Eder mit einer nochmaligen Analyse des berühmten homerischen Schiffskatalogs (Ilias 2, 484 bis 759), der Schilderung der griechischen Kontingente, eröffnet. Die Hauptfrage lautet: Spiegelt der Katalog die politisch-geographischen Verhältnisse Griechenlands der späten Bronzezeit - also der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtausends vor Christus - oder des achten Jahrhunderts vor Christus? Hervorhebung verdient Eders wohl kaum zu bestreitender Nachweis, daß die Beschreibung des Aufgebots von Pylos nicht auf die archäologisch recht gut bekannten mykenischen Verhältnisse zurückgeht und daß die Nichtberücksichtigung Messeniens ebenfalls gegen eine Rückbindung des Katalogs an die mykenische Zeit spricht - da Messenien seit dem späten achten Jahrhundert vor Christus unter der Herrschaft Spartas stand, dürfte auch dies ein Indiz dafür sein, daß die Liste erst in dieser späteren Phase entstanden sein wird.

Doch selbst in den Fällen, in denen Ortsnamen im Epos mit denjenigen aus den mykenischen Linear B-Täfelchen zu identifizieren sind (zum Beispiel im Einflußbereich des mykenischen Theben), dürfe man - so Eder gegen Latacz - nicht auf die Entstehung des umstrittenen Schiffskatalogs (Aufstellung der griechischen Flottenverbände vor Troia im zweiten Gesang der Ilias) in mykenischer Zeit schließen, denn man könne durchaus von Namenskontinuitäten ausgehen, also: "Authentische Erinnerung an die mykenische Palastzeit kann das homerische Epos somit nicht bieten, und es ist als historische Quelle für Zustände und Ereignisse aus jener Epoche nicht geeignet."

Kann das Epos dann überhaupt etwas für die Historizität des Troianischen Krieges besagen? Dieser Frage widmet sich Kurt Raaflaub und beschreibt zunächst die aus bronzezeitlichen Texten und archäologischen Erkenntnissen rekonstruierbare Kriegs- und Kampfrealität in der griechischen Bronzezeit, insbesondere die aus anatolischen Quellen neugewonnenen Einsichten, und folgert: "Welche Szenarien man sich auch aufgrund dieser Dokumente vorstellt, diese Kriege waren jedenfalls völlig verschieden von dem, den Homer beschreibt." Andererseits ließen sich etliche Kongruenzen zwischen dark ages und Archaikum und den homerischen Epen aufweisen, die folglich als Produkt ihrer Entstehungszeit gelten und begriffen werden müßten. Ulfs Band dokumentiert eine Diskussion, an der sich künftig auch diejenigen beteiligen sollten, die ihren Platz hier nicht gefunden haben.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Christoph Ulfs Sammelband "Der neue Streit um Troia", der eine Bilanz des akademischen Streits um dem Mythos Troia und die Historizität von Homers "Ilias" ziehen will, ist der FAZ gleich zwei ellenlange Besprechungen wert. Durchweg positiv beurteilt den Band Rezensent Hartwin Brandt, ein Kritiker der These, dass Homers Überlieferung vom Krieg um Troia letztlich auf historischen Ereignissen basiert. Wohltuend findet er, dass in diversem Beiträgen skeptisch auf die höchst ungesicherte Befundlage hinweisen wird, während die Vertreter der Historizität von Homers "Ilias", wie Joachim Latacz, Manfred Korfmann und andere, zu "fataler Eindeutigkeit" neigten. Im weiteren führt Brandt ein ganze Reihe von Beiträgen des Bandes gegen Latacz und Korfmann ins Feld. So zeige etwa Ullrich Sinn, zu welchen Irrtümern voreilige Harmonisierungen von literarischen Quellen und archäologischen Indizien führen können; Dieter Hertel analysiere die Grabungsbefunde in Troia und komme zu dem Schluss, dass es keine klare Indizien für Belagerung und Eroberung Troias gebe; Birgitta Eder analysiere den berühmten homerischen Schiffskatalog (Ilias 2, 484 bis 759) und komme zu dem Ergebnis, dass das homerische Epos nicht als historische Quelle für Zustände und Ereignisse aus jener Epoche geeignet sei. Insgesamt sieht Brandt in dem Band eine Diskussion dokumentiert, "an der sich künftig auch diejenigen beteiligen sollten, die ihren Platz hier nicht gefunden haben".

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