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Seit vielen Jahren wächst der internationale Ruhm des Malers Caspar David Friedrich stetig. Heute fasziniert sein Werk wie selten zuvor, wird aber kontrovers gedeutet. Werner Hofmann, der mit seiner wegweisenden Hamburger Friedrich-Ausstellung entscheidend zur Wiederentdeckung des Malers beitrug, bündelt in diesem Buch die verschiedenen Deutungsansätze zu einer neuen Interpretation. Rund 200 Abbildungen illustrieren den Band.

Produktbeschreibung
Seit vielen Jahren wächst der internationale Ruhm des Malers Caspar David Friedrich stetig. Heute fasziniert sein Werk wie selten zuvor, wird aber kontrovers gedeutet. Werner Hofmann, der mit seiner wegweisenden Hamburger Friedrich-Ausstellung entscheidend zur Wiederentdeckung des Malers beitrug, bündelt in diesem Buch die verschiedenen Deutungsansätze zu einer neuen Interpretation. Rund 200 Abbildungen illustrieren den Band.
Autorenporträt
Dr. phil. Werner Hofmann, geb. 1928, Professor der Kunstgeschichte, wirkte von 1960-69 in Wien als Gründungsdirektor des Museums des 20. Jahrhunderts, bis 1990 war er Direktor der Hamburger Kunsthalle. Neben seiner Vortrags- und Lehrtätigkeit, ist er vor allem durch seine Veröffentlichungen zur Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts sowie durch zahlreiche bedeutende Ausstellungen, darunter die Hamburger Ausstellungsreihe 'Kunst um 1800'. bekannt geworden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.04.2001

Vorgezeichnet aus Ruinen und der Sehnsucht zugewandt
Malerisches Christsein mit Gefühl: Werner Hofmann kommt dem Künstler-Propheten Caspar David Friedrich mit einer großen Monographie auf die Schliche

Zu den Eigenheiten des Protestantismus gehört, daß er den besonderen Stand des Künstler-Propheten hervorgebracht hat. Die Namen einiger weniger Künstler haben für Lebensgefühl und Spiritualität der Protestanten ein weit höheres Gewicht als viele brillante Theologen. "Gott verdankt Bach alles", notiert Cioran, um den einzigartigen Prozeß der beinahe restlosen Absorption der religiösen Doktrin durch die Musik zu charakterisieren. In der Malerei dauerte es eine Weile, bis die Zeit für einen genuin protestantischen Künstler-Propheten reif war. Die puritanischen Bilderstürmer betrachteten die bildenden Künstler, die unter der alten Kirche und in der Gegenreformation zu beispielloser Blüte gelangt waren, mit Mißtrauen.

Wo Bilder waren, drohte Bilderverehrung. Dennoch suchten die Maler im Machtbereich des Protestantismus frühzeitig nach Möglichkeiten, das Numen der Heiligendarstellung in die von der religiösen Zensur gestatteten Stilleben- und Landschaftsbilder hinüberzuretten. Schon die mittelalterliche Kunst hatte die Gegenstände sprechen lassen, aber nun begannen die Lauten mit den gesprungenen Saiten und die umgestürzten entwurzelten Bäume regelrechte Predigten zu halten. Ein Landschaftsbild von Ruisdael ist lesbar wie ein Erbauungstraktat, so real und ungestellt die Kompositionen auf uns auch wirken mögen. Es entwickelte sich eine regelrechte Landschaftsrhetorik, die sich bald auch säkularisierte.

Gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts befanden sich die Landschaftsmalerei als philosophische Ausdruckskunst und die religiöse Kunst der Katholiken gleichermaßen in einer Krise. Vom Grundmodell des religiösen Bildes, der Ikone, waren beide Richtungen inzwischen gleich weit entfernt; man empfand die Schwächung, die mit dieser Entfernung verbunden war, und suchte nach einer neuen Anknüpfung. Für den Westen war der Madonnen-Typus des Raffael dem Ikonenhaften noch am nächsten gekommen; deshalb begannen die Nazarener Raffael zu studieren und vor allem in ihren Nachfolgern eine neuartige, klassizistische Ikonenkunst zu entwickeln. Für Landschaftsikonen gab es indessen kein Vorbild. In Werner Hofmanns neuer Bildmonographie "Caspar David Friedrich" wird nun der Weg eines Malers zu einer Bilderfindung beschrieben, die tatsächlich mit dem Begriff der Landschaftsikone erfaßt werden kann. Als Hamburger Museumsdirektor hat Hofmann 1974 das Werk Friedrichs mit einer berühmt gewordenen Ausstellung wieder in den Mittelpunkt des Publikumsinteresses gerückt und widmet ihm zum Abschluß seiner Museumslaufbahn eine große kunsthistorischen Analyse.

Caspar David Friedrich wurde 1774 als Sohn eines Seifensieders in einer Welt geboren, die von den malerischen Traditionen des Westens geistig sehr weit entfernt war: im pommerischen Greifswald, das damals unter schwedischer Herrschaft stand. Er war allerdings Schüler der Kopenhagener Akademie, die den Ostseeraum wie ein Leuchtturm bestimmte, der das Licht der Pariser École des Beaux Arts bis nach Rußland verbreitete. Es ist bemerkenswert, daß Friedrichs heftiger antiakademischer Affekt sich gerade in einem Umfeld entfaltete, in dem sich der höchste Triumph akademischer Malkunst vorbereitete. Friedrich stand mit dem David-Schüler Eckersberg in Verbindung und muß das Entstehen des in Dänemark ausdrücklich so genannten "Goldenen Zeitalters" zur Kenntnis genommen haben. Es war gerade nicht ein gesunkener, erstarrter Akademismus, gegen den er sich empörte, sondern die von David und Ingres beeinflußte, ein weiteres Goldenes Zeitalter der Malerei begründende Akademie.

Auf der anderen Seite bekämpfte Friedrich die Avantgarde der Nazarener, eine Kunst, die aus Kunst gemacht war und in der Beschäftigung mit den großen Epochen der Vergangenheit den Antrieb für die Erneuerung suchte. Ein aus seiner Religion stammender antirömischer, bilderfeindlicher Affekt verbot Friedrich, sich als Glied einer großen Traditionskette zu sehen, das von der Vergangenheit empfängt und an die Zukunft weitergibt.

Handwerkliche Vollendung in akademischer Tradition war für ihn, der sehr wohl in diesem Sinne "vollendet" malen konnte, bloßes "Pinselwackeln". Man hat oft den Eindruck, daß der als Zeichner seine Ausbildung nicht verleugnende Friedrich auf der Leinwand unbeholfener, härter und roher agierte, als es seinen handwerklichen Möglichkeiten entsprach, um den Eindruck redlicher Kunstlosigkeit zu erzeugen. Obwohl es zu seinen Glaubenssätzen gehörte, daß es in der Kunst eine Rangordnung von Wichtigem und Unwichtigem nicht geben dürfe und jedem Detail des Bildes dieselbe Aufmerksamkeit gebühre, ließ ihn die Materialbesessenheit der europäischen Malerei, mit der sie wirklichkeitsdurchdringend Stein, Glas, Samt und menschliche Haut charakterisierte, als bloßes Geschicklichkeitskunststück kalt; gern nahm er dafür hin, daß seine splitternden Eisschollen wie von einem Bühnenmaler angestrichene Pappkartons aussahen.

Der Visionär und der Dichter haben, von außen betrachtet, viele verwandte Züge und können dennoch eine starke Feindschaft gegeneinander empfinden: Für den Visionär ist es von wesentlicher Bedeutung, daß er eben gerade kein Dichter ist - und so ist es vielleicht erlaubt, an der Faktur der die romantische Phantasie und das geistige Leben von Generationen befruchtenden Bilder Friedrichs etwas durchaus Unpoetisches zu entdecken. Hofmann zitiert die Philosophen des deutschen Nordens und Ostens, Kant, Lessing und Herder, die Friedrich zwar nicht gelesen haben mag, die sich ihm aber mit ihrer Gegnerschaft gegen verbindliches Geschmacksurteil, gegen Schulen und Regeln gleichsam osmotisch mitgeteilt haben mögen. Zweifach offenbart sich Gott: in der Natur und im Innern des Menschen. Friedrich wollte als gläubiger Christ im Buch der Natur lesen und es mit dem von seinem "inneren Auge" geschauten Bild der Schöpfung in Übereinstimmung bringen. "Komposition" dürfte in einem solchen, gegen jedes Arrangieren und Kalkül gerichteten Konzept eigentlich nicht vorkommen.

Es gehört zu den besonderen Verdiensten von Hofmanns Untersuchung, dem Konstruktionsprinzip der Friedrich-Bilder auf die Spur gekommen zu sein. Ironischerweise sind es die Vorbilder seiner Feinde, der Nazarener, die auch Friedrich zu einer Bildform verhalfen, die seiner Absicht, religiöse Andachtsbilder zu schaffen, entgegenkam. Der katholische gotische Flügelaltar, das Triptychon mit seinem Hauptstück in der Mitte und den schmaleren Seitenteilen bestimmt als Ordnung einer Aufteilung und Gliederung der Massen Friedrichs wichtigste Bildschöpfungen. Manchmal modifiziert sich diese Aufteilung in Form eines großen "V" - die Seitenteile nähern sich am unteren Bildrand der Bildmitte und weichen nach oben hin zurück, um das importante Mittelstück gleichsam als Zirkumflex das Bild überwölben zu lassen. Beinahe immer aber unterwirft Friedrich seine Bilder der hieratischen, in Manierismus und Barock überwundenen Axialsymmetrie, die stets etwas Altarmäßiges hat und ihren derart feierlich ausgestellten Gegenstand zur Verehrung darbietet.

Bei Friedrich, der nur die Naturbeobachtung gelten lassen wollte, scheint bald schon das innere Bild überwogen zu haben. Wie die akademischen Kollegen, von denen er sich unterschieden wissen wollte, stellte er seine Kompositionen aus den Skizzenbüchern zusammen und fügte diese Ruine und jenen Berg zu neuen Ensembles, die keineswegs der Natur unmittelbar abgesehen waren. Auch der häufig bei ihm zu bemerkende Grundsatz, den weiten Bildhintergrund von einem schmalen Vordergrund aus ohne verbindenden Mittelgrund betrachten und ihn so wie durch einen Abgrund vom Betrachter getrennt wirken zu lassen, erwägt die Stimmung erhabener Entrücktheit mit technischen Mitteln.

Caspar David Friedrich wäre nicht zum Inbegriff des Künstler-Propheten geworden, wenn seine Meditationsbilder eine eindeutige, begeistert anzunehmende oder eben auch abzulehnende Botschaft verkündet hätten. "Das Göttliche ist überall": Diese Überzeugung Friedrichs konnte der Betrachter den Bildern entnehmen - oder auch das genaue Gegenteil davon. Im Tetschener Altar konnte der über der sich verdunkelnden Welt aufstrahlende Gekreuzigte gesehen werden oder der Tod der Religion, das in der Einsamkeit vergessene Kultbild, das von den Morgensonnenstrahlen einer vom Aberglauben befreiten Menschheit in seiner Überlebtheit entlarvt wird. Die vielen gotischen Dome und Ruinen - sprachen sie nur vom Sieg des reformierten Glaubens über die alte Kirche, oder verriet sich in ihnen auch eine Faszination durch die steingewordene, verlorengegangene Communio sanctorum? Die Sehnsucht, sich in ungemessenen einsamen Weiten zu verströmen und im Kosmos aufzugehen - war sie eigentlich etwas genuin Christliches?

Wie die Musik sprechen Friedrichs Bilder vor allem zu einer Gefühlssphäre, in der sich die rationalen Widersprüche aufheben und versöhnen. Seine Kunst schließt von ihrem religiösen Appell auch die Ungläubigen nicht aus. Sie war ein bedeutsamer Meilenstein auf dem Weg der Verwandlung des Protestantismus aus einer Lehre in eine Gefühlskultur.

MARTIN MOSEBACH

Werner Hofmann: "Caspar David Friedrich". Naturwirklichkeit und Kunstwahrheit. Verlag C. H. Beck, München 2000. 298 S., 192 Farb- und S/W-Abb., geb., 148,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Neue Einblicke und Spannung verspricht dieser Band zu C. D. Friedrich nach Auskunft der Rezensentin. Was Doris Schmidt neben einer "klaren Diktion", die sicher lobenswert doch nicht der entscheidende Grund für ihr Urteil sein wird, noch hervorhebt, ist die Perspektive des Autors. Wie niemand vor ihm habe sich Werner Hofmann mit Friedrichs Denken und Biografie im Hinblick auf sein Gesamtwerk beschäftigt. Auf diese Weise, so Schmidt, sei es gelungen, Kunstgeschichte als Geistesgeschichte und den Maler als großen Zeugen seiner Epoche darzustellen. Das Bild des rein aus der Phantasie und dem Gefühl schöpfenden Romantikers sieht Schmidt durch diese auf Konstruktion und Ratio im Schaffensprozess abhebende Studie zurechtgerückt.

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