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"Rom hat nie seinesgleichen gehabt und wird nie seinesgleichen haben", schrieb Francesco Petrarca 1334. An dieser Einschätzung hat sich bis heute nichts geändert. Die zweieinhalbtausendjährige Geschichte der Stadt wird hier aus den sichtbaren Zeugnissen ihrer Vergangenheit mit Kennerschaft erzählt und gedeutet. Über 120 weitgehend farbige Abbildungen fangen die wechselnden Schauplätze ein. So entsteht ein historisches Gesamtbild, ein neuartiger und lebendiger, illustrierter Stadt- und Geschichtsführer für alle Romreisenden und Romkenner. Dieses Buch erzählt und deutet die Geschichte der Ewigen…mehr

Produktbeschreibung
"Rom hat nie seinesgleichen gehabt und wird nie seinesgleichen haben", schrieb Francesco Petrarca 1334. An dieser Einschätzung hat sich bis heute nichts geändert. Die zweieinhalbtausendjährige Geschichte der Stadt wird hier aus den sichtbaren Zeugnissen ihrer Vergangenheit mit Kennerschaft erzählt und gedeutet. Über 120 weitgehend farbige Abbildungen fangen die wechselnden Schauplätze ein. So entsteht ein historisches Gesamtbild, ein neuartiger und lebendiger, illustrierter Stadt- und Geschichtsführer für alle Romreisenden und Romkenner. Dieses Buch erzählt und deutet die Geschichte der Ewigen Stadt von den Anfängen bis heute, abgeleitet aus den sichtbaren Zeugnissen ihrer reichen und vielfältigen Vergangenheit. Rom als weltbeherrschende Macht, seine Kaiser, Tyrannen, Päpste und Gegenpäpste, deren Nepoten, Schmarotzer und Rivalen haben ein Heer von Baumeistern und Künstlern ins Brot gesetzt und mit ihrem unbegrenzten Propagandabedarf und intensiven Mäzenatentum die Stadt zu einerSchautafel von Ideen und Ideologien, zu einem steinernen Spiegel der Macht ausgestaltet. Bilder, Statuen und Bauwerke, ja die gesamte Stadt sind nicht nur stumme Zeugen, sondern häufig genug gestaltende Kräfte dieser Geschichte. Gleichzeitig erlebt der Leser auch die Auseinandersetzungen, die so oft um diese Stadt entbrannten, die Plünderungen und die immer wiederkehrenden Heimsuchungen. Und er erfährt von den Lebensumständen und Ängsten der einfachen Leute in einer Stadt, die seit ihrem legendären Beginn dazu verurteilt ist, Sinnbild der sie beherrschenden Institutionen zu sein. Nur selten liegen die Zeitalter so offen zutage wie in Rom.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.06.2000

O wer flüstert mir zu?
In Rom wird der Historiker poetisch: Volker Reinhardt redet als kundiger Führer für Bildungsreisende mit Barockengelszungen

Sigmund Freud hat in "Das Unbehagen in der Kultur" versucht, aus der Stadtstruktur Roms ein Modell für die Vielschichtigkeit des menschlichen Bewusstseins zu gewinnen. Um zu verstehen, wie das historische Nacheinander im Bewusstsein immer gleichzeitig präsent sein kann, ließ er vergangene Zeit in einem Gedankenexperiment räumlich werden: "an der Stelle des Palazzo Caffarelli stünde wieder, ohne dass man dieses Gebäude abzutragen brauchte, der Tempel des Kapitolinischen Jupiter, und zwar dieser nicht nur in seiner letzten Gestalt, wie ihn die Römer der Kaiserzeit sahen, sondern auch in seiner frühesten, als er noch etruskische Formen zeigte und mit tönernen Antifixen geziert war". Freud räumt zwar nach dieser Architekturphantasie sofort ein, dass ein solcher Vergleich ans Absurde grenze, dennoch verleiht er einer typisch römischen Raum- und Zeiterfahrung Ausdruck: der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in der Ewigen Stadt.

Dieser Topos durchzieht die Rom-Literatur der Neuzeit wie ein roter Faden. Auch Volker Reinhardt wurde offensichtlich durch eine solche römische Ewigkeitserfahrung zu seinem illustrierten Führer durch die Geschichte der Stadt von der Antike bis zur Gegenwart inspiriert. Sein Erweckungserlebnis fand, dem Metier des Historikers angemessen, auf dem Heimweg vom Archiv statt. Soeben hat er noch in Edikten des siebzehnten Jahrhunderts zum Bettelwesen gestöbert und festgestellt, dass der gewinnträchtigste Ort für dieses Gewerbe 1610 just in der Straße lag, in der sich seine Wohnung befindet - als ihn schon ein zeitgenössischer Bettler anspricht, ob er nicht 500 Lire für ihn habe.

Zeitschnittpunkte und ihre topographischen Kristallisationen im römischen Stadtkörper herauszuarbeiten hat Reinhardt sich in seinem äußerst lesens- und empfehlenswerten Buch zum Ziel gesetzt. Nicht nur das Sichtbare wird hier wie in gewöhnlichen Reiseführern in dürren Worten kategorisiert, sondern die raumgewordenen Zeitschichten, die sich in Rom wie in keiner anderen Stadt der Welt überlagern, werden präzise herauspräpariert. Rom ist für Reinhardt ein Palimpsest, dessen überschriebene Schichten er wieder lesbar machen möchte.

Seine Sprachgewalt hilft ihm bei diesem Akt der Wiederbelebung, und es ist bewundernswert, wie selten die Kapriolen, die er seine Metaphern ständig schlagen lässt, in einem Salto mortale enden. Bekannte Fakten, wie zum Beispiel die Tatsache, dass die Florentiner Frührenaissance größtenteils mit dem Geld der römischen Medicibanken finanziert wurde, gewinnen in Reinhardts Darstellung plötzlich an Plastizität, wenn er schreibt: "Ließe man wie im umgekehrten Zeitraffer die großen Bauten der Florentiner Renaissance an ihre Finanzierungsquelle zurückkehren, so lägen der Familienpalast der Medici und das Kloster S. Marco am Tiber." Der möglichen Verwirrung des Betrachters durch die römische Vielschichtigkeit wird Reinhardt dadurch Herr, dass er seinen Blick auf gleichbleibende Strukturen richtet, die die Kontinuität im Wandel garantieren. Ein römisches Paradox macht diese Strukturerkenntnis möglich: Die ständigen Veränderungen der Stadt lösen Ewigkeitsempfindungen im Betrachter aus, weil das Alte vom Neuen zwar für eigene Zwecke transformiert, dadurch aber gerettet wird. Rom ist die Stadt der Renaissancen in Reinform: Durch die organische Wiederverwertung und Anverwandlung des Früheren wird Rom selbst zu einer einzigen Spolie. Jedem Rom-Touristen wurde dieser Vorgang wohl schon einmal sinnfällig anhand der unterschiedlichen Bodenniveaus mit ihren meterhohen Abweichungen.

Wendet man diesen unaufhörlichen Recyclingprozess ins Politische, so wird er zu einem ständigen Kampf der machtinteressierten Parteien in Rom um wirkmächtige Versatzstücke der Vergangenheit. Heidnische Tempel werden zu frühchristlichen Basiliken umgetauft, das Pantheon marianisiert, und die römischen Adelsgeschlechter nisten sich in antiken Bauwerken ein, um vom ideologischen Überschuss einer heroischen Vergangenheit zu profitieren - eine Vereinnahmung römischer Geschichte, die Reinhardt bis zu Mussolini und seiner städtebaulichen Sünde der Via dei Fori Imperiali verfolgt. Römische Monumente werden so zu Herrschaftszeichen, die je nach Bedarf unterschiedlichste Deutungen erfahren können.

Nicht zufällig ist es ein Colonna, der ein Stück der Geißelsäule Christi nach Rom bringt, wo sie heute noch in S. Prassede zu bewundern ist. Und das Reiterstandbild des Marc Aurel ist geradezu ein Paradefall solcher ideologischer Vereinnahmungen: Für das mittelalterliche Papsttum war es eine Statue des ersten christlichen Kaisers, Konstantin; für die kommunale Bewegung ein republikanischer Tugendheld, der nach dem antiken Vorbild des Marcus Curtius die bedrohte Res publica rettete; für Cola di Rienzo eine Möglichkeit, seine eigene Vita in der eines früheren Aufsteigers zu spiegeln; für Paul III. Farnese endlich, der den Marc Aurel vom Lateran auf das Kapitol transferierte, die einmalige Chance, caesaropapistisch den ehemaligen Ort des Jupitertempels für das Papsttum zu okkupieren.

Die Konfliktparteien im Kampf um die Macht in Rom sind seit dem Mittelalter identisch: der Papst, denn römische Geschichte ist, wie Reinhardt zu Recht bemerkt, primär Papstgeschichte, zeitweilig der Kaiser, dann die großen Adelsfamilien (zumeist verwandtschaftlich mit dem Papst verbunden), schließlich die Stadtrömer. Handlungsbestimmende Prinzipien, die sich ebenfalls von der Antike bis zur Gegenwart verfolgen lassen, sind Klientelbildung, Protektion und Nepotismus, ein allumfassendes "do ut des". Wer die Toleranzgrenzen der Konkurrenten hierbei überstrapazierte, fiel aus diesem System heraus, wie Reinhardt schön am Beispiel der schwarzen Legendenbildung um die Familie Borgia zeigen kann.

Im barocken Rom spitzt sich die Lage zu: Die großen Familien der Aldobrandini, der Borghese, der Barberini und der Pamphili tragen ihre repräsentativen Bedürfnisse in Kämpfen um Bauten und Bilder aus. Der Stadtpalast und die Villa im Umland Roms werden zu gebauten Visitenkarten der Mächtigen, Grablegen und Kirchen zeugen gleichermaßen von der pietas ihrer Stifter wie von ihrem Kunstsinn, der sich zudem in großen Sammlungen antiker und moderner Kunstwerke präsentiert. Im siebzehnten Jahrhundert wird dann nach Reinhardt souveräne Weltläufigkeit mit dem gelassenen Hinabschauen in die Abgründe des Todes zur typisch römischen "Existenzformel" verbunden: Welcher Rom-Reisende wäre nicht schon vor Berninis heiliger Teresa in S. Maria della Vittoria in Verzückung und vor den Knochenornamenten der Kapuzinergruft in wohliges Schaudern verfallen?

Im neunzehnten Jahrhundert wird Rom dann zunehmend zum Fluchtort unaufgeklärter und unaufklärbarer Antimoderner, zum "Freilichtmuseum alteuropäischer Lebensformen". Nicht zufällig erhält S. Maria sopra Minerva nach 1850 ihren himmelblauen neugotischen Anstrich, und auch Papst Pius IX. fällt bekanntermaßen nach seinem liberalen Intermezzo recht schnell in alte autoritäre Muster zurück. Doch gleichzeitig entspringt aus dieser rückblickend-resignativen Haltung ein historiographischer Impetus, dessen klassisches Produkt die "Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter" von Ferdinand Gregorovius ist. Doch die Erweckung zum Geschichtsschreiber und Geschichtenerzähler aus dem Blick auf die römische Vergangenheit und ihre Ruinen ist natürlich auch nur ein Topos mehr, den es in der Ewigen Stadt immer schon gab und - wie Reinhardts Buch erneut demonstriert - immer wieder geben wird.

CHRISTINE TAUBER

Volker Reinhardt: "Rom". Ein illustrierter Führer durch die Geschichte. C. H. Beck Verlag, München 1999. 288 S., Abb., geb., 39,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ein "Rom für Fortgeschrittene" präsentiert dieser Band nach Ansicht des Rezensenten Reinhard Lebe. Essayistisch findet er den Band fesselnd, aber als touristisches Nachschlagewerk für den Rom-Touristen tauge es nicht, schon weil der Autor die Antike stark untergewichte und sein eigentliches Interesse der Zeit ab dem Spätmittelalter gelte - als Rom viel kleiner und unbedeutender war als zu Zeiten Cäsars. Der Rezensent weist auf die reichhaltige Illustrierung des Bandes hin.

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