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Die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihren rund 50 Instituten gilt als eine überaus flexible und hocheffiziente Forschungseinrichtung. Das Buch stellt im ersten Teil die Entwicklung der 1949 gegründeten Gesellschaft im Kontext der deutschen Nachkriegsgeschichte dar. Der zweite Teil untersucht ihre Organisation, ihre Entscheidungsprozesse und ihre wissenschaftlichen Leistungen.

Produktbeschreibung
Die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihren rund 50 Instituten gilt als eine überaus flexible und hocheffiziente Forschungseinrichtung. Das Buch stellt im ersten Teil die Entwicklung der 1949 gegründeten Gesellschaft im Kontext der deutschen Nachkriegsgeschichte dar. Der zweite Teil untersucht ihre Organisation, ihre Entscheidungsprozesse und ihre wissenschaftlichen Leistungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2000

Kriegerische Verwicklungen schreckten ab
Doch die Fraunhofer-Gesellschaft fand ihren Weg vom Militär zu anderen Geldgebern

Wenn die Fraunhofer-Gesellschaft mehr sein solle alle eine "bayerische Extrawurst", dann müsse sie schleunigst ein eigenes Profil gewinnen und sich den akuten Problemen aller Wirtschaftsunternehmen über die Grenzen Bayerns hinaus widmen. So kommentierte der Berliner TH-Professor Alfons Kreichgauer 1947 das bayerische Bemühen, eine Organisation zur Beschaffung und Verwaltung von Forschungsmitteln aus der Taufe zu heben. Welche Aufgaben die schließlich am 26. März 1949 gegründete und nach dem bayerischen Unternehmer Joseph von Fraunhofer (1787 bis 1826) benannte Gesellschaft im westdeutschen Föderalismus übernehmen sollte, war angesichts der Konkurrenz anderer Forschungsorganisationen eine strategische Grundfrage. Bereits seit 1946 sammelte die infolge des Krieges zerschlagene Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft unter dem neuen Namen "Max-Planck-Gesellschaft" ihre in den westlichen Besatzungszonen verstreuten Institute wieder ein. Die ebenfalls aus der Vorkriegszeit stammende "Notgemeinschaft für die deutsche Wissenschaft" und spätere "Deutsche Forschungsgemeinschaft" war nicht minder tatkräftig mit dem Wiederaufbau der Forschung beschäftigt.

In den Gründungsverhandlungen schälte sich zwar schnell das Ziel heraus, in der gesamten Bundesrepublik wirtschaftsnahe anwendungsorientierte Forschung betreiben zu wollen. Die Fraunhofer-Gründungsväter hofften, mit diesem Profil zur "dritten Säule" der außeruniversitären Forschungslandschaft werden zu können. Es gelang aber nur mühsam, den regionalen Bezug abzulegen. Auch das angestrebte Forschungsprofil war angesichts der Rivalitäten unter den Forschungsorganisationen nicht einfach zu gewinnen. Bis 1955 schlingerte die Gesellschaft eher am Abgrund als dass sie eine etablierte Institution darstellte.

Glücklicherweise kam ihr in diesem Jahr die politische Großwetterlage zu Hilfe. Mit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik entstand die Notwendigkeit, eine neue Verteidigungsforschung aufzubauen. Der Politik schien in Erinnerung an die aufgeblähten Wehrmachtswaffenämter des "Dritten Reiches" eine zeitgemäße Lösung für diese Aufgabe. Die Gesellschaft nutzte die Gunst der Stunde und baute bis 1959 vier Institute auf, die ihren Haushalt vollständig aus Mitteln des Verteidigungsministeriums bestritten. Acht weitere, zur gleichen Zeit entstandene Fraunhofer-Institute profitierten gelegentlich von diesem Geldsegen.

Im Schatten dieser Kooperation gelang es der Fraunhofer-Gesellschaft, ihre auf einzelne Institute gegründete dezentrale Organisationsstruktur zu finden (gegenwärtig sind unter ihrem Dach rund fünfzig Institute versammelt). Die Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium half außerdem, die "zivile" Vertragsforschung in Gang zu bringen. Nur im Bemühen um eine zweckungebundene Basisfinanzierung durch den Bund erwies sich diese Liaison als hinderlich.

Wie jede andere unabhängige Forschungsorganisation war auch die wachsende Fraunhofer-Familie auf auftragsunabhängige Grundmittel angewiesen, um Forschung in Eigeninitiative betreiben und mittel- bis langfristig neue Auftraggeber gewinnen zu können. Eine solche staatliche Grundsicherung ließ sich aber schwer begründen, wenn manche Institute nahezu vollständig am Tropf des Verteidigungshaushaltes hingen und die Geheimhaltungspflicht eine zivile Verwertung ihrer Forschungsergebnisse verhinderte.

Die Verhandlungen zwischen Bund und Fraunhofer-Gesellschaft fielen in eine Phase der grundlegenden Neuorientierung bundesdeutscher Wissenschaftspolitik. Bis Mitte der siebziger Jahre dauerte die Suche nach einem praktikablen Modell, das staatliche Steuerung und wissenschaftliche Autonomie auszutarieren versprach. Stete Expansion und Konsolidierung der Gesellschaft bezeugen, dass sich mit dem seither praktizierten Modell einer erfolgsabhängigen, variablen Grundfinanzierung sehr gut leben lässt. Hatte die "Subventionskanüle Verteidigungsforschung" Ende der sechziger Jahre noch mehr als die Hälfte des Gesamtetats ausgemacht, sank deren Beitrag bis Ende der achtziger Jahre auf nicht einmal mehr zehn Prozent des ansonsten steil angestiegenen Fraunhofer-Etats.

Dennoch ist die kurze und wechselvolle Geschichte der Fraunhofer-Gesellschaft keine kumulative Erfolgsgeschichte. Und die Studie der beiden in der Geschichte von Wissenschaftsorganisationen ausgewiesenen Autoren ist ebenso wenig eine jener Festschriften, die nach akribischem Nachvollzug des institutionellen Werdegangs den Jubilar hochleben lassen. Stattdessen werden erhellende Einblicke in die Steuerungsmechanismen der bundesdeutschen Forschungspolitik geboten, die zuweilen chamäleonhafte Anpassungsfähigkeit der Forschungsorganisationen an ihr politisches Umfeld und die konfliktreichen Innovationspfade wichtiger Schlüsseltechnologien nachgezeichnet.

Die stete Expansion der Gesellschaft beruht auf ihrer Fähigkeit, die Anforderungen von Markt und Gesellschaft schnell zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Anders als oft behauptet zeigt ihr Beispiel, dass wissenschaftliche Produktivität nicht zwingend durch Forschungsfreiheit bei erfolgsunabhängiger Grundversorgung erreicht wird. Eine am Markt ausgerichtete Forschung erlaubt es nicht, nach Belieben in Selbstbezogenheit den eigenen Forschungsneigungen nachzugehen.

Mit der gleichen Flexibilität, mit der einzelne Institute seit Mitte der fünfziger Jahre die technischen Anliegen der Bundeswehr bearbeitet hatten, wurden andere für die Luft- und Raumfahrt oder den industriellen Mittelstand tätig, nachdem die Bundesregierung entsprechende Förderprogramme aufgelegt hatte. Gegenüber der Umweltdebatte konnte sich die Fraunhofer-Gesellschaft ebenfalls nicht verschließen. Dass sich ihre seit Aufnahme eines Umweltforschungsprogrammes erzielten Leistungen zum Beispiel in der Solartechnik dennoch nicht im angestrebten Maße umsetzen ließen, lag am ausbleibenden Engagement industrieller Auftraggeber, die der Sonnenenergie nur geringe Marktchancen einräumten.

Technische Machbarkeit alleine reicht eben nicht aus, um eine neue Technologie durchzusetzen. Aus der Binnenperspektive einer Forschungsorganisation erweist sich die Durchsetzung von wissenschaftlich-technischen Innovationen vielmehr als eine zumeist mühsam errungene Kompromissleistung. Das mag für das Fraunhofer-Modell besonders typisch sein, ist aber ein Merkmal aller Forschung, die neues Wissen und Können in Produktions- wie Konsumtionssphäre der Volkswirtschaft etablieren will.

BARBARA ORLAND.

Helmuth Trischler, Rüdiger vom Bruch:"Forschung für den Markt". Geschichte der Fraunhofer-Gesellschaft. Verlag C. H. Beck, München 1999. 480 S., 49 Abb., 20 Schaubilder, 68,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Barbara Orland weiß an dieser Studie besonders zu schätzen, dass es den Autoren nicht in erster Linie darum geht, "den Jubilar hochleben" zu lassen, sondern dass auch "erhellende Einblicke in die Steuerungsmechanismen der bundesdeutschen Forschungspolitik" geboten werden. So hebt sie die Abhängigkeiten der Forschungsgesellschaften von den politischen Rahmenbedingungen hervor. Ausführlich erläutert sie die Bedeutung der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik für die Fraunhofer-Gesellschaft, welche durch Mittel des Verteidigungsministeriums ihren Ausbau in den fünfziger Jahren zügig vorantreiben konnte. Darüber hinaus weist sie auf die Konflikte hin, die zwischen staatlicher Grundsicherung einerseits, und "ziviler Verwertung der Forschungsergebnisse" andererseits bestehen. Nicht zuletzt läßt die Ausführlichkeit, mit der Orland diese Aspekte beleuchtet, darauf schließen, dass sie die Lektüre dieser Studie für aufschlussreich und gewinnbringend hält.

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