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Er ist genial, er hat den Wahlspruch "Geht nicht - gibt es nicht!", er ist Idealist, Anatom, Erfinder, Patentinhaber, Revolutionär. 5 Millionen Menschen haben bis jetzt seine Ausstellung "Körperwelten" gesehen - Tokio, Mannheim, Wien, Basel, Köln, danach Oberhausen, Berlin, Niederlande, Amerika. Der Professor verwandelt die Körper toter Menschen in wunderschöne Plastinate. Das heißt bei ihm "Schau-Anatomie". Faszinierend für die Massen. Ehrfürchtige Bewunderung bei den Medizinern. Unversöhnliche Gegnerschaft kirchlicher Würdenträger. Leichenfledderei? Verletzung der Menschenwürde oder der…mehr

Produktbeschreibung
Er ist genial, er hat den Wahlspruch "Geht nicht - gibt es nicht!", er ist Idealist, Anatom, Erfinder, Patentinhaber, Revolutionär. 5 Millionen Menschen haben bis jetzt seine Ausstellung "Körperwelten" gesehen - Tokio, Mannheim, Wien, Basel, Köln, danach Oberhausen, Berlin, Niederlande, Amerika. Der Professor verwandelt die Körper toter Menschen in wunderschöne Plastinate. Das heißt bei ihm "Schau-Anatomie".
Faszinierend für die Massen. Ehrfürchtige Bewunderung bei den Medizinern. Unversöhnliche Gegnerschaft kirchlicher Würdenträger. Leichenfledderei? Verletzung der Menschenwürde oder der erfolgreiche Versuch, die Menschen des 21. Jahrhunderts auf demokratische Weise zum kompetenten Widerpart des Medizinbetriebs zu machen?
Dieses Buch ist keine einfache Biographie, kein simples Porträt. Die Autoren erzählen ihre fundierten Recherchen in authentischen, spannenden Geschichten. In der Tradition großer Abenteuerreportagen. Gunther von Hagens, der als Junge ein Kalb zerlegte, um den Blutkreislauf zu verstehen, wird in diesem Buch ebenso zu Wort kommen wie zukünftige Körperspender, Anhänger und Gegern dieses kontroversen Genies.
Autorenporträt
Nina Kleinschmidt ist freie Autorin und Regisseurin, Grimme-Preisträgerin.
Henri Wagner ist Diplom-Betriebswirt, freier Journalist, Fotograf und TV-Dokumentarfilmer.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2001

Mit einem toten Bernhardiner wäre das nicht passiert
Geistertrennung mit Plaste und Elaste: Zwei Fans verneigen sich vor Gunther von Hagens, Dogmatiker streiten über die "Körperwelten"

"Hast du einen bösen Sohn, so stecke ihn ins Aceton. Kommt er aus dem Silikon, ist er ganz flexibel schon. Steht dann in der Ecke fein - und wird immer artig sein." So hat Gunther von Hagens mit schwarzem Humor seine große Obsession beschrieben. Von Hagens zählt zu den glücklichen Menschen, die einen Beruf ausüben, den sie selbst erfunden haben. Er ist Plastinator. Er stellt naturgetreue, lebensgroße anatomische Präparate her, die unbegrenzt haltbar sind, nicht riechen und so stabil sind, daß man sie tatsächlich in die Ecke stellen kann. Das Entscheidende ist das Aceton. Mit dem Nagellackentferner werden Fett und Wasser aus dem Präpariergut gelöst, um dann durch Silikon oder einen anderen Kunststoff ersetzt zu werden. Die Sache ist technisch etwas aufwendig, man kann nicht mal schnell zu Hause im Badezimmer den toten Bernhardiner plastinieren, doch im Rahmen eines kleinen Handwerksbetriebs ginge so etwas schon.

Gunther von Hagens hat die Plastination erfunden. Das ist ihm aber zuwenig. Sein Ziel ist es, der "große Zampano der Plastination" zu sein und zu bleiben. Wenn er dereinst stirbt und selbst plastiniert wird, soll kein Euro übrig sein, den er in sein Lebenswerk hätte stecken können. Weil er dieses Ziel im Rahmen seiner akademischen Karriere als Anatom nicht erreichen konnte, hat er sich selbständig gemacht. Er hat in Heidelberg das (private) Institut für Plastination gegründet. Dort werden Leichen plastiniert. Die entstandenen Präparate verkauft man zu einem nichtkommerziellen Preis an anatomische Institute, oder man bestückt spektakuläre Ausstellungen damit. Mittlerweile hat das Institut Dependancen in Kirgistan und China.

Man sollte von Hagens vielleicht mit Johannes Gutenberg vergleichen. Das Wesentliche an dessen Buchdruckerkunst war die Vision oder auch die Hybris, je nachdem, von welcher Seite man es betrachtet. Die Technik war wohl schon zu großen Teilen vorhanden, er mußte sie nur in einen neuen Kontext einbringen. Jeder vernünftige Mensch hätte dabei mit kleinen Projekten angefangen: Ein paar Ablaßzettel hier, ein Steckbrief da, und wenn sich die Druckerpresse amortisiert hat, könnte man sich ja vielleicht mal an einen Psalter wagen. Gutenberg war anders. Er begann mit dem wichtigsten Buch seiner Zeit, druckte es in einem heroischen Kraftakt und war anschließend zahlungsunfähig. Heute findet man ihn in jedem Konversationslexikon. Vielleicht ist das ja genau, was er wollte.

Die "Körperwelten"-Ausstellungen ziehen ein Millionenpublikum an und finanzieren die Arbeit des Instituts. Wie bei einem solchen Gegenstand nicht anders zu erwarten, haben sie Anlaß zu erregten Diskussionen gegeben, die ihrerseits zwei Bücher gezeugt haben, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

"Endlich unsterblich?" von Nina Kleinschmidt und Henri Wagner ist - man kann es nicht anders sagen - eine Hagiographie. Die beiden Autoren haben von Hagens' Vater interviewt, seine Familie, seine Exfrau. Sie haben mit Körperspendern geredet wie zum Beispiel der Schauspielerin und Schriftstellerin Cleo Kretschmer, die nach ihrem Tod plastiniert werden will. Und sie haben immer wieder Gespräche mit ihm selbst geführt. Das Buch beschreibt hauptsächlich eine Reise von Hagens' und seiner Begleiter nach Bischkek in Kirgistan und dann nach Dalian in China. Dabei begreift man, wie monoman der Plastinator seine Ziele verfolgt. Nur die gemeinsame Fahrt ermöglicht die Gespräche. Zu Hause in Heidelberg wäre jede Minute mit Arbeit ausgefüllt gewesen. Auch von unterwegs will das wachsende Silikon-Imperium immer wieder per E-Mail gesteuert sein.

Man entwickelt langsam den Verdacht, daß auch das entstehende Buch - eine wohlfeile Taschenbuch-Originalausgabe, rechtzeitig zum Beginn der Ausstellung in Berlin erschienen - nur Teil des Kalküls war. Jeder Leser ist ein potentieller Eintrittsgeldzahler, der neue Projekte finanzieren hilft. Es wird nie ausgesprochen, aber man ahnt es: Der Meister würde sich auch breitschlagen lassen, einen Elefanten, eine Giraffe oder einen Pottwal zu plastinieren, wenn er nur die Mittel dafür übrig hätte. Die beiden Reporter, die ihn begleiten, sind eigentlich eher Fans mit einem Hang zur Albernheit. Unkritisch schildern sie alles, was sie auf der Reise erfahren, ohne die Spreu vom Weizen zu trennen, sei es ein Gedicht, das dem Plastinator beim Zähneputzen eingefallen ist, sei es die Geschichte, wie er im Knast seine Lektüre für die Einzelhaft im Enddarm verstecken mußte. Von Hagens wurde 1945 als Gunther Liebchen im heutigen Polen geboren und starb beinahe auf der Flucht vor den Russen. 1968 kam er in der DDR wegen versuchter Republikflucht für einundzwanzig Monate ins Gefängnis. Danach kaufte ihn die Bundesrepublik frei. Schon bevor er Mitte der siebziger Jahre die Plastination erfand, war seine Unbeugsamkeit voll entwickelt.

In dem von Franz Josef Wetz und Brigitte Tag herausgegebenen Sammelband geht es nicht um die Person, sondern um die Sache. Sechzehn Wissenschaftler, fast alle männlich, fast alle mit eindrucksvollen Titeln vor ihrem Namen, diskutieren sowohl die moralische Rechtfertigung der Plastination als auch die Frage, ob die Plastinate einem sensationslüsternen Laienpublikum gezeigt werden dürfen. Diese Diskussion hat etwas spezifisch Deutsches an sich. Wir leben schließlich in einem Land, in dem der Staat dem Bürger die Farbe der Dachziegel vorschreiben darf und eine Pulloverfabrik ihre Reklame vor dem Verfassungsgericht rechtfertigen muß. Paragraph 13 der Bestattungsverordnung von Baden-Württemberg legt fest, daß Leichen nicht öffentlich ausgestellt werden dürfen. Punktum. Nicht ohne Grund ist von Hagens dabei, seine Geschäfte in Länder zu verlagern, von denen er sich mehr Sympathie erhofft.

Die Beiträge sind nach Fachdisziplinen aufgeteilt: Anatomie, Rechtswissenschaft, Philosophie, Medizin, Theologie, Kunstwissenschaft und Sozialwissenschaften. Und das Schöne an diesem Buch ist, daß - im Gegensatz zum anderen - nach Herzenslust gestritten wird, daß die Fetzen fliegen. Wird in einem Beitrag das Weihrauchfaß geschwenkt, so meint man im nächsten förmlich den Schwefel zu riechen. Die Herren Professoren sind, von Ausnahmen wie dem Emeritus Hermann Lübbe aus Zürich abgesehen, dessen kurzer Beitrag Altersweisheit ausstrahlt, viel dogmatischer als die immer wieder einmal zitierten Besucher der Ausstellung. Man muß nicht Kunstgeschichte und Medizin studiert haben, ehe man sich Rembrandts "Die Anatomie des Dr. Tulp" anschaut. Es schadet aber auch nicht viel. Mit von Hagens' "Körperwelten" ist es ähnlich.

ERNST HORST.

Nina Kleinschmidt, Henri Wagner: "Endlich unsterblich?" Gunther von Hagens - Schöpfer der Körperwelten. Bastei Lübbe Taschenbuch-Verlag, Bergisch Gladbach 2000. 400 S., Abb., br., 19,80 DM.

Franz Josef Wetz, Brigitte Tag (Hrsg.): "Schöne Neue Körperwelten". Der Streit um die Ausstellung. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2001. 362 S., Abb., br., 25,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer Doppelrezension bespricht Ernst Horst zwei Bücher, die sich mit dem Plastinator Gunter von Hagens und seiner Ausstellung "Körperwelten" befassen - zwei Bücher, "wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten".
1.) Nina Kleinschmidt, Henri Wagner: "Endlich unsterblich?" (Bastei Lübbe Taschenbuch)
Für den Rezensenten handelt es sich hier, kurz und knapp gesagt, um eine Hagiografie. Kritik an von Hagens wird demnach nicht laut, im Gegenteil. Zwar scheint es Horst recht interessant zu finden, dass die Autoren auch die Familie von Hagens und Körperspender wie die Schauspielerin Cleo Kretschmer befragt haben. Doch wurde er den Verdacht nicht los, dass dieses Buch "nur Teil des Kalküls" war - es gehe letztlich darum, dass von Hagens sich hiermit Geld für weitere Projekte beschaffe. Die Autoren, die von Hagens bei einer Reise nach Kirgistan und China begleitet haben, bezeichnet Horst als "Fans mit einem Hang zur Albernheit", die es für wichtig erachten, dem Leser mitzuteilen, was von Hagens etwa beim Zähneputzen eingefallen ist. Wirklich substanzhaltig scheint der Band in den Augen des Rezensenten demnach nicht zu sein.
2.) Franz Josef Wertz, Brigitte Tag (Hrsg.): "Schöne Neue Körperwelten" (Klett-Cotta)
Horst scheint es sehr zu begrüßen, dass in diesem Band weniger die Person von Hagens im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Sache selbst. Und so wird hier, wie der Leser erfährt, in den Beiträgen von sechzehn Wissenschaftlern ordentlich gestritten, bis "die Fetzen fliegen". Dies gefällt dem Rezensenten durchaus, auch wenn er an der Diskussion "etwas spezifisch Deutsches" kritisiert und den meisten Autoren eine Portion Dogmatismus attestiert. Doch angesichts des "hagiografischen" Bandes "Endlich unsterblich?" freut sich Horst, dass die Vertreter so ganz unterschiedlicher Disziplinen hier auch einmal die moralischen Aspekte zum Plastinieren von Leichen debattieren.

© Perlentaucher Medien GmbH
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